Wer hat seine Kinder Punkt und Strich genannt?

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Wer hat seine Kinder Punkt und Strich genannt?


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zum Arrestfenster (e) kommen und dort

Richtung ihres Weges an (auf Gyri's Zinken, der zur Vorsicht mahnt, und Hüttenthüre im mittleren Drahtzug, den mit dem Zinken Halbmond bei Sommer 1933).

sich haben möchte. 1294. Z. eines Raubmörders, der durch 1307. Markt, auf dem leicht

zu die zwei verschiedenen Schwerter an- stehlen ist. zeigt, er sei zwar Ausländer, habe aber 1305. (Rock über einem Stock): Zinken im Inland Soldatendienste gethan. eines „Schweinschneiders" (wandernder

1295. Besuch zur Zeit der nächsten Schweinecastrirer), der anzeigt, er Feiertage.

wolle auswandern. 1296. Der mit dem Zinken „Nagel" 1309. „Ich habe erfahren, dass einer von ist verhaftet und bittet, man möge ihn unseren Leuten erwischt wurde; forscht bei Nacht befreien.

nach, ob es wahr ist, und wen es be1297. Dermit dem Zinken „Hammer" trifft“. (a), will ihn frei (b) machen, indem er 1310. Bei diesem Fleischhauer wäre um Mitternacht (c) mit einem Baum (d) in der Fleischbank etwas zu bekommen.

1311. Hochzeit auf dem Lande, NieEinbruch (f) machen will. Dann werden mand von der Behörde dabei, leicht sie lustig sein (g).

was zu stehlen. 1295. „Ich gehe wieder meinen ge- 1312 u. 1313. Verabredung zwischen wöhnlichen Weg“.

einem Wilddieb und einem Schuster 1299. Wegen Getreidedliebstahl (zu- (Schusterkneip zweite Reihe, erstes Bile) gebundener Kornsack) verhaftet, gesteht nichts davon zu gestehen, dass ersterer aber nicht.

dem Letzteren gestohlenes Wild ge1300. Ein bekannter Gauner, der den bracht hat. Spitznamen „Herrenstiefel“ trägt 1314. Der obere Theil ist Zinken, der und als Zinken „einen Hahn mit zwei untere Pfeil deutet die Richtung an, in Hoden“ trägt, bedeutet dem Zinken die er gezogen, die acht Glieder der ,,Schuh mit Pfeil und dem Zinken Kette, dass er in acht Tagen wieder „Krone“, dass sie und der Zinken kommt. „Herz mit Rechen, Bajonett und Peit- 1315. Ich ernähre mich einstweilen sche im Hause des Zinken „Schuh" vom Viehtreiben. zusammenkommen werden.

1316. Berathung, Aufforderung zu 1301. Der Vorausgegange meldet, sie einer solchen zu kommen. sollen ihm nachkommen, es ist keine 1317. Sucht Kameradlschaft. Gefahr vorhanden.

1315. Ein Gastwirth ist verhaftet, 1302. Z. eines Anführers, der augen- weil er gestohlenes Leder gekauft hat blicklich Geld hat.

(Kaufen hier: Geld, das aus einen Geld1303. Z. des „Fletschengnaserla, beutel auf die offene Hand fällt). Er der anzeigt, er warte mit zwei Fremden leugnet und fordert den ehenfalls verdie zu plündern wären, einen Tag, wo- hafteten Dieb auf, auch standhaft zu nach sich Gauner, rlie ilum helfen wollen, sein. zu richten haben.

1319. Sich bei einem Schneider auf1304. Wecken auf dem Stock: Zinken halten und Gestohlenes austauschen. eines fahrenden Bäckers, (lem es schlecht 1320. „Ich bin verrathen worrien, geht (laher auf dem Stock“).

wegen etwas Begangenen“. 1305. Gemacht vom „Heiss“, der 1321. Neuigkeit, etwas zu sagen; Aufdurch die Krümmung anzeigen will, forderung zu einer Zusammenkunft, um dass er angehalteu wurde; er entkam die Neuigkeit zu hören. aber wieder, wie der gerade Strich zeigt. 1322. Diente zur Verständigung, dass

1306. Oberster Theil ist (umbekannter) cine Frau mit vielen Kostbarkeiten hier öfter durchkommt und auszurauben 1339. Hat (gestohlene) Kleider, Leinen wäre.


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1551. Bezieht sich auf zwei Juden, nung. (Der schraffirte Halbmond allein die mit Schnittwaaren handeln.

bedeutet die Nacht). 1552. Deutet auf falschen Namen, Be- 1570. Es handelt sich um ein Vertrug etc.

sprechen. 1553. Zweifelhaft, ob der Vogel mit 1571. Auf dem Wege gegen Amesabgeschnittenem Kopf ein Zinken ist reith: „Der Wirth im nächsten Orte oder sonst etwas bedeutet.

ist ein Sprisselträger, also mit allen 1554. Zinken neben dem obigen,' zum Gaunern vertraut“. Was die zweite Zeichen des Einverständnisses, des

Zeichnung mit Devise bedeutet? Kommens etc.

1572. Hat etwas mit Schwaben zu 1555. Zinken, den Meuchelmord bei thun (Sieben Schwaben?), da ein solches Hart betreffend.

Kreuz Schwabenland bezeichnet. 1556. Bezieht sich auf einen Juden, 1573. Vielleicht Kanone, Festung, (ipder mit Silber und Gold handelt. fängniss. (?)

1557. Bezieht sich auf Tod, todt sein. 1574. Hat irgend etwas mit dem Aus1535. Bezicht sich auf einen Kassa

land zu thun; die unterbrochene Stelle beamten.

im Strauss scheint darauf hinzudeuten, 1559. Deutet auf vorwärts gehen mehr

dass etwas geändert wurde: andere Anwerden, weiter kommen und ähnliches. orolnungen oder ähnliches. 1560. Bezieht sich auf Rückkunft.

1575. Zinken, der auf jeden Fall auf 1561. Beiläufig: es ist grosse Auf- auf einen Ausbruch oder sonstige Handmerksamkeit und Genauigkeit nöthig: lung gegen das Gericht (Strauss nach

1562. Hat irgend einen Hinweis auf unten) deutet, die mit Hülfe eines becin Kloster.

stechliclien Amtsdieners (erstes Zeichen) 1363. Zeichen, durch welches irgend- durch einen Brief und von einem l'rwelche verliebte Dinge ausgedrückt kundenfälscher (Messer und Feder) bewerden.

gangen werden soll. 1564. Deutet auf irgend einen Aus- 1576. Bezieht sich auf warten und gleich.

verstecken. 1565. Andeutung, dass bei (im Walde) 1577. Verbrüderungszeichen mehrerer aufgeschichtetem Holze etwas

Gauner. borgen ist.

1575. Unbekannter Zinken von der 1566. Soll irgend etwas mit Graben Kreuzsäule bei Spattendorf. Zusammenhängendes andeuten (Aus- 1579. Gefunden am 3. October 1929 graben, vergraben, eine Mauer unter- am Fechsenhof (oder Fuchsenhof) bei? graben etc.)

1554. Gef. auf der Kreuzsäule in 1567. Es handelt sich in irgend einer Götschka beim Lammerwast! (oder Weise un Esswaaren.

Tommerwastl.) Lösung unbekannt. 1565. Hat Bezug auf ein Haus: Ein- 1391. Gefunden auf dem zweiten bruch in dasselbe oder ähnliches. Baumann'schen llofc. Lösung unbekannt.

1569. Dient in irgend einer, nicht 1592—1590). Zinken mit unbekannter näher bekannten Weise zur Zeitbezeich- Lösung:

d. Arrestkorrespondenz mit Zinken.

Diese halte ich für besonders interessant; sie zeigt vor allem, welche Zustände im Untersuchungswesen selbst vor noch verhältnissmässig kurzer Zeit geherrscht haben: wielange die Untersuchungshaften mitunter dauerten, wie man die Verhafteten behandelte, aber


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fallenderweise fehlen die Bettlerzinken, die heute noch recht häufig sind, fast ganz, ein Beweis, dass zur Zeit Karmayers die Zinken noch sehr wenig harmloser Natur waren und meistens auf Diebstahl und Raub hingewiesen haben.

1676. Sicherer Aufenthalt für Gauner. kommt man Nachtlager, im Hause Nr. 5

1677. Zeichen, dass man hier gut und (oder im 5. Hause von da) gewiss nicht. sicher leben kann.

1693. Warnung, dass es im nächsten 1678 Käufer verdächtiger und ge- kleinen Marktflecken nicht sicher sei. stohlener Waaren neben einem Brau- 1694. An dieser Wäschstätte ist (zu hause zu finden.

Zeiten) gut und leicht Wäsche zu stehlen. 1679. Vertraute l'eberfuhr.

1695. Vorübergehendem Geld ab1650. Posthaus; es liegt auf der Seite, nehmen (dort zu machen, wo er kommt, weil es dort nicht sicher ist

und wo es zweckmässig wäre). sich Aufsichtspersonal dort auf.

1696. Durchgangshaus oder sonstiger 1651. Warten bei einer Wegsäule im heimlicher Durchschlupf wird so beWald; der lange Strich nach links ver- zeichnet. langt langes Warten.

1697. Wirthshaus,

sicher 1092. Zeichen, dass er in einem be- bleiben kann. stimmten Hause gut bekannt (init dem 1695. Einzeln stehende Hütte, VielHausbrauch vertraut) ist.

stall, Sennhütte, wo man sicher bleiben 1653. Visitation in der Gegend und kann. in den Häusern;

gerathen, in Wäl- 1699. Dieses Haus ist für Gauner gedern und im Freien zu bleiben.

fährlich und deshalb zu meiden. 1654. Zur Kirchenzeit (während des 1700. Der Mauthner ist gefährlich. Gottesdienstes) ist hier bloss „cine 1701. Gegend, die für Gauner ganz Weibsperson im Hauses (also leicht et- sicher ist. was zu machen).

1702. Anweisung, dass einem hier be1655. Eine Bekanntschaft, unweit des findlichen Strassenbettler zu trauen ist. Ortes, wo das Zeichen gemacht ist. 1703. Auf ein Haus gemacht: sicherer 1656. Eine „Schneiderprudenz“ (ver

Aufbewahrungsort. traute Schneiderherberge), wo der dort 1704. Wird auf ein Wirthshaus geansässige Schneider gestohlenes Gewand macht, wo es einem bald schlecht geumändert (und so unkenntlich macht).

1657. Warnungszeichen, einen Ort 1705. Kaufgewölbe, wo auch Zucker nicht zu verlassen, oder einen solchen zu bekommen ist. nicht zu betreten.

1706. Schloss auf einer Insel: „Hier 1655. Warnungszeichen: Gegend ist sind lauter Gauner“. unsicher.

1707. Höhle mit zwei Ausgängen an1659. Hier vertraute, sichere und gute gedeutet. I'nterkunft.

1705. Aufrecht stehender ,,Feuer1690). Warnungszeichen auf Häusern hengst" (Eisenrost auf alten, offenen gemacht, wo Gerichtsbeamte wohnen, Herden), mit Andeutung, dass in dieser oder auf Wirthshäusern, wo solche ver- Küche Silberzeug etc. zu stehlen wäre. kehren.

1709. In einem unterirdischen Gange 1691. Allgemeine Warnung: „Umweg dieser Ruine ist etwas aufbewahrt. machen, Seitenweg einschlagen“.

1710. Warnungszeichen: bei dieser 1692. Eines der vielen Nachtlager- Mühle wäre ich bald erwischt worden. zeichen. Hier deutet es an, im Hause 1711. Kleiner Marktflecken, indem es Nr. 3 (oder im 3. Hause von da) be- keine Polizei giebt.


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1. „Die Fruchta btreibung durch Gifte und andere Mittel“. Ein

Handbuch für Aerzte und Juristen. Von Prof. Dr. L. Lewin und

Dr. M. Breuning. Berlin 1999, Aug. Hirschwald. Gr. 3° 291 S.

Eine vortreffliche Monographie über die Abtreibung der Leibesfrucht, gleich wichtig für den Arzt, Gesetzgeber und praktischen Juristen. Namentlich der letztere findet in der Aufzählung der verwendeten Mittel, die nirgends so erschöpfend gegeben ist, wichtige Anhaltspunkte bei Verhören und Haussuchungen, da er hier eine Anzahl von Mitteln aufgeführt findet, die er ohne Belehrung sicher für den fraglichen Zweck harmlos gehalten hätte.

Der Inhalt des Buches ist ein sehr reicher: Zuerst wird eine eingehende geschichtliche Darstellung der Fruchtabtreibung und eine Zusammenstellung des heutigen Standes der Sache gegeben, soweit eine Einsicht in diese heiklen Vorgänge möglich ist. Die Ergebnisse dieser Untersuchung bilden eine neue Bestätigung der bekannten Annahme, dass wenige Verbrechen so viel öfter begangen als bestraft werden.

Der zweite Abschnitt stellt eine eingehende Lebersicht der Gesetzgebung früherer und jetziger Zeit über das in Frage stehende Verbrechen zusammen, während die übrigen Abschnitte die Dynamik der Abtreibungsmittel, die Ursachen des Fruchttodes und der Abtreibung und das Diagnostische zum kriminellen Abort behandeln. Dann werden die Abtreibungsmittel historisch und ethnographisch aufgezählt und eine Casuistik der Abtreibung durch Gifte und andere Mittel gegeben.

Die Darstelluny des werthvollen Buches ist eine einfache, für jeden Juristen verständliche, die Litteraturkenntniss der Verfasser sehr gross, die Behandlung des Gegenstandes vollkommen erschöpfend. Von den im Volke allgemein gebräuchlichen, im vorliegenden Buche aber nicht genannten Abortivmitteln wären noch zu nennen: Gyrinus natator (Dreh- oder Taumelkäfer) lebend zu verschlucken, Cetonia aurata (Rosenkäfer), welche beide ähnlich wirken dürften wie Canthariden; dann Schoten und Blätter von Colutea arborescens (Blasenstrauch) und namentlich (ausser Cassia fistula und Cassia lignea) auch die sehr verbreiteten Schoten von Cassia acutifolia, sogen. „Mutterblätter“, endlich die in Wein gekochte Wurzel des Arum maculatum (gefleckter Aronstab).

DR. H. Gross.

„Ueber Arsenikvergiftung von der Scheide aus und über die locale

Wirkung der arsenigen Säure“. Von A. Haberda. Wiener

klinische Wochenschrift Nr. 9. 1897.

Bei unserer Zusammenstellung der bisher bekanntgegebenen Fälle von „Vergiftungen vom Mastdarm und von der Scheide aus“ auf S. 290 ff. in Bd. I dieses Archivs ist die Mitteilung Haberda's übersehen worden:


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dann werden sie den Hausirern übergeben; dieselben durchstreifen mit ihrer Waare diejenigen Ortschaften, in denen Altgläubige und andere Sectirer leben. Dort haben die Händler stets ihre Verbindungen mit habsüchtigen Pfaffen, welche für Geld und gute Worte gern bereit sind, derartige Fabricate für echt zu erklären. Auf diese Weise werden die gefälschten Antiquitäten mit grossem Vortheil an den Mann gebracht. Um einen Begriff zu haben, wie bedeutend dieser Handel ist, genügt es zu sagen, dass bloss eine von diesen Werkstätten jährlich derartige Heiligenbilder für 40000 Rubel fabricirt, wobei der Besitzer, Dank der geringen Arbeitslöhne, eine Einnahme von 25 000 Rubel in seine Tasche steckt.

Unter den Schlauen, welche die Dummheit anderer auszunützen verstehen, verdienen diejenigen unsere besondere Aufmerksamkeit, welche eine besondere Schwachheit für das Ewig-Weibliche haben.

Im Jahre 1850 wurde ein Bauer mit Namen Radaeff verhaftet, welcher sich für den Heiland ausgab. Er predigte Keuschheit und Reinheit der Sitten. Bei den religiösen Uebungen sprach er stets zu seinen Jüngern: „seid rein wie die Tauben, so spricht der Ilerr“, aber es geschah öfters, dass er nach dem Schluss dieser asketischen Reden eine junge Schülerin mit folgenden Worten anredete: „nicht ich, aber der Heilige Geist befiehlt dir, mit mir zu gehen“, und das Mädchen gehorchte ohne Widerspruch. Bei der Untersuchung stellte sich heraus, dass Radaeff mit 13 Weibern in einem sträflichen Verhältnis gestanden hat.

Es ist interessant, die Reden in Erinnerung zu bringen, mit denen der Betrüger seinen unschönen Lebenswandel vor der Gemeinde entschuldigte: „Gott zürnt mir nicht mehr, ich bin sein treuer und liebster Sohn, welcher den Willen seines Vaters erfüllt und daher seinen eigenen Willen hat. Der Herr will und kann mich nicht mehr strafen.“

Es ist nicht zu verwundern, dass derartige Wüstlinge wie Radaeff existiren. Wie ist es aber möglich, dass seine Anhänger an die Aufrichtigkeit seiner Reden glauben konnten und ihm den unbedingten Gehorsam erwiesen?

In Transkaukasien existirt die Secte der Springer, welche sich aus den Molokanen gebildet hat. Unter dem Einfluss von Gebet und Fasten verfielen diese Sectanten in den Glauben, dass der Heilige Geist sich ihnen offenbaren müsse. Bei den Versammlungen der

. Gemeinde geriethen sie in eine derartige Extase, dass sie im Zimmer herumsprangen. Die localen Behörden theilen mit, dass die Springer sich nach der Extase der Unzucht ergeben. Diese Mittheilungen ermangeln zwar der Beweise, aber es ist nicht zu negiren, dass der


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Wenn wir nun zu den einzelnen Bestimmungen des Strafgesetzbuches (Abth, 2, Capitel XI d. 2. Buches) übergehen, so finden wir, dass folgende Handlungen als strafbar bezeichnet sind: 1. Die Verbreitung der Lehren der existirenden Secten und die

Gründung neuer Secten von schädlicher Richtung ($ 197); 2. die Verbreitung des Skopzenthums ($ 197); 3. die Verbreitung einer Irrlehre mit Hülfe der Gewalt oder anderer

unerlaubter Mittel ($ 200); 4. die Castration anderer und die Selbstverstümmelung (S 201); 5. die Zugehörigkeit zu einer Secte, welche ihren Mitgliedern fana

tische Attentate auf das Leben anderer, den Selbstmord oder obscöne Handlungen gestattet (S203).

Ausserdem ist es im Gesetz besonders erwähnt, dass die Sectirer bei Begehung eines Mordes aus Fanatismus sich für Mord als solchen besonders zu verantworten haben.

Bevor wir zur Kritik dieser Bestimmungen übergehen, müssen wir bemerken, dass jede Propaganda der Secten-Lehren vom Gesetz streng verboten ist. Im $ 70 des Gesetzbuches über Verhütung der Verbrechen ist es genau angegeben, dass nur die herrschende Kirche das Recht hat, ihre Lehre zu verbreiten. Dies ist die wichtigste Ausnahme aus dem Princip der Glaubensfreiheit, welche im $ 65 desselben Gesetzbuches klar und deutlich ausgesprochen ist.

Das Recht, nach den Regeln seines Glaubens zu leben und zu beten, besitzen auch die Altgläubigen, nicht aber die Skopzen und die besonders fanatischen Secten. Von den letzteren ist es im Gesetz ausdrücklich gesagt, dass sogar die Zugehörigkeit zu ihnen strafbar ist ( 201 u. 203 d. Strafgesetzbuches).

Nun fragt es sich aber, wie muss man vorgehen, um zu bestimmen, welche von den Secten als fanatisch gelten können. Das Strafgesetzbuch bezeichnet als solche nur die Skopizen, es erwähnt aber weder die Geissler, noch die Wanderer, noch die Verneiner.

Da aus dieser Redaction des Gesetzes in der Praxis öfters Schwierigkeiten entstanden sind, so sah sich der ('assationshof gezwungen (Beschluss v. 7. November 1895), ausdrücklich zu erklären, dass eine Secte nur dann für fanatisch erklärt werden kann, wenn das Gericht in seinem Urtheil solche Thatsachen als bewiesen anerkennt, welche im $ 203 erwähnt sind, nämlich Mord, Selbstmord und obscöne Handlungen.?)

1) Eine ähnliche Ansicht ist vom Cassationshof in den Skopzenprozessen (1571 Nr. 1815, 1872 Nr. 25) ausgesprochen worden. In diesen Urtheilen ist es


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Beschluss des Cassationshofes in Einklang bringen und diesen Paragraphen folgendermaassen redigiren: „wer unter dem Einfluss einer religiösen Lehre den Nutzen des Selbstmordes predigen wird oder sich die Castration eines Menschen oder die Selbstverstümmelung oder eine obscöne IIandlung zu Schulden kommen lässt, wird bestraft."

Der Hauptgrund unserer Proposition besteht darin, dass auf diese Weise der Schwerpunkt von der Zugehörigkeit zur Secte auf die strafbare II andlung verlegt wird. Aber abgesehen von dieser Bemerkung müssen wir noch einige Details erwähnen. Im Entwurf ist der Selbstmord endlich aus der Liste der Verbrechen gestrichen worden.') Die Anreizung zum Selbstmord ist nur dann strafbar, wenn das Opfer dieser Handlung minderjährige oder unzurechnungsfähige Personen waren. Wir glauben aber annehmen zu dürfen, dass die offene Predigt des Selbstmordes als strafbare Handlung anerkannnt werden muss.

Hiermit schliessen wir unsere juristischen Erörterungen und betreten das Gebiet der Psychiatrie. Diese Wissenschaft konnten wir bei unserer Arbeit nicht ausser Acht lassen. Die Handlungen der Fanatiker sind so entsetzlich, das Motiv, welches ein ganzes Blutbad hervorgerufen hat, ist manchmal so unsinnig, dass das Gericht sich öfters veranlasst sieht, das Gutachten der Aerzte über die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zu verlangen. Deshalb müssen wir in unserem Aufsatz die ärztliche Expertise wenigstens berühren.

Die Thatsachen, welche wir beschrieben haben, können in drei Gruppen getheilt werden: 1. Unmässige geschlechtliche Genüsse (Radaeff, Rudmetkin, die

Secte der Erwärmer des Fleisches, der Process von Ostrogoshsk,

die Geissler); 2. Selbstmord und Selbstquälerei (die Kreuzigung, die Selbstver

brenner, die Convulsionisten);

lord der nächsten Verwandten (Margarethe Peters, Szabo,

Haas, Kurtin u, A.) und 4. Massenmorde (Juschkin, Kowaleff, Cholkin).

Diese Thatsachen sind sehr verschiedenartig, aber sie enthalten dennoch ein sehr interessantes Material für die Irrenärzte. Wenn man den Meinungen der letzteren beistimmen könnte, dann müsste man annehmen, dass alle vier Categorien von Verbrechern einen grossen Procentsatz Kranker abgeben. Professor Kraft- Ebing behauptet, dass sich öfters unter dem keuschen Mantel der Frömmigkeit eine

1) Ueber den Schaden der geltenden Bestimmungen über den Selbstmord siche mein Buch: Aberglauben und Strafrecht. Berlin 1597. S. 104.


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Acher (der) - Achse (die).

Agsaitet Getrauert. Achil, Achille (die) Speise (die). Ahel (die) Mutter Gottes (die). Achtergesucht, Achtergsucht Nach- Aherl, Ahrl (der) – Winkel (der), bei, gestrebt, Nachgetrachtet.

oder in einem Hause. Achtersuchen Nachstreben, Nach- Ai Ich. tragen.

Aichelgesetzt, Aichelgsetzt — Schwacher Achtersuchig Nachstrebend.

Vorgesetzter, der seinen Untergebenen Achtersucht Nachgestrebt, Nachge- nachgiebt (der). trachtet.

Aichelkantipreizer(der)- Bürgermeister Ackerl (das) Adel (der).

der den Bürgern Alles zu gefallen Ackerfisl (der) Edelmann (der).

thut (der). Ackerlich Adelig

Aicheln Lieben. Ada So recht.

Aichelsatz (der) Verlöbniss (der). Aderkäfer (der) Uiberreitz (der). Aichelschaller (der) – Friseur (der). Aderkäfern Uiberreitzen.

Aichelschallerumsch (die) Friseurin Aderkäfert Liberreitzt.

(die). Adel (der) Art, Manier, Weise (die). Aichelsetzen Verloben. Adelich, Adlich Artig.

Aichelfüss Wunderschön. Admossai Wielang, Alleweil.

Aichelt Geliebt. Aefter Uiber, Vorigen Jahrs.

Aicherl (das) Buche (die). Aefterpatereigrif (der) Vormund (der). Aichlerei (die) — Liebe (die). Afel, Afl (die) – Nacht (die).

Aichlerig Verliebt. Affe (der) Rausch (der).

Aigt, Ait Acht (8) Afapp Versteht sich.

Aitali Alleweil, Jmmer. After Nach, Winder, Niedrig.

Aigten, Aiten Achtzehn (18). Afterdts Finster.

Aigtig, Aitig Achtzig (80) Afterei (die) Schlechtigkeit (die), Ait Neigerl Bei Leibe nicht.

Verdacht eines Verbrechens (der). Aitwei l'nlängs. Afterfahren Entfernen.

Aitwei gehäckt — Früher bekannt, Eher Afterfahrerei (die) -- Entfernung (die). bekannt. Aftergefahren, Aftergfahren – Entfernt. Aitwei ghäckt - Früher, Eher gewusst. Afferig Schlecht, Verdächtig.

Aitwei gäken Früher wissen, Eher Afterkünftig Darauf.

wissen. Aftermciserei (die) – Ungeschicklich- Aitwei gäkt

Eher, Früher gewusst. keit (die).

Akirs ,der) Möglichkeit (die). Aftermeisig – Ungeschickt.

Akirsisch Möglich. Afterschuri (der) Messing (der). Akotisch Jüdisch. Afterwaldi (der) Wohlgefallen (das). Akotisch Lasch (der) Juden. Aftgeholten, Aftgholten-Zugedroschen. Akotisch gelascht, glascht, Lascht Aftertretten - Nachstellen, Nachgestellt. Jüdisch geredet. Aftertretterei (die) — Nachstellung (die). Akotisch Laschen Jüdisch-reden. Aftgespecht, Aftgspecht Wider- Alberarisch An der Gränze, In der sprochen.

Entfernung Afthalter Zudreschen.

Alch (die) Betteln. Aftspechten – Widersprechen.

Alchbutt (die) — Viehherde, Heerde Vieh. Aftspechterei (die) - Widerspruch (der). Alchen Betteln. Aftlad (der) Fleck (der).

Alcher (der) Bettler. Aftladig Fleckig.

Alcherei (die) Bettlerei. Agras Hantig:

Alsingthuma (die) Maria Taferl. Aft Gesicht (das).

Alchknoller (der) — Kirchenbettler (der), Ageln Giessen, Fahren.

Bettler vor d. Kirche. Agelt Geflossen, Gefahren.

Alcht – gebettelt. Agler (der) Fuhrmann (der).

Alfera (das) Landsmann. Aglerei (die) Fuhrwerk (das).

Alferfisl (der) Baiern. Agsait Traurig.

Alferethuma (die) Landshut. Agsait (der) Trauer (die).

Alheiris - Ahorn. Agsaiten Trauern.

All – Weder, Nach. Aysaiterei (die) – Traurigkeit (die). (

Allendon Alleweil.


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Allernbinken Alexander.

Anduscht Ausgeruht. Alles Geld.

Anfadeln Anführen. Alls

Anfadler (der) Anführer (der). Alm Eilf (11).

Anfadlerei (die) Anführung (die). Almer (der) Herr.

Anfanler Anstellen. Almergemacht, Almergmacht ge

Anfanler (der) Anstaltmacher (der). stohlen.

Anfanlerei (die) Anstalt (die). Almerlinser (der) Pfleger, Beamte, Anfingerin Anmessen. Herr (der).

Anfinseln, Anfinzeln Erfahren. Almermachen Stehlen.

Anfinslerei, Anfinzlerei Erfahrung Almerisch Alt, Zerrüttelt, Verwirrt. (die). Alpernfisi Landsmann.

Anfinselt, Anfinzelt Erfahren. Alse (die) Stahlfeder, Feder von Anflehen – Begehren. Alsen Stahl (die).

Anfleherei (die) Begehren (das). Alsterl (das) Zweifel.

Anflicken Anschaffen, Verschaffen, Alsterin Zweifeln.

Schaffen. Alsterlt Gezweifelt.

Anfossen Anstreichen. Altais (der) Kammerad eines Juden Anfunken Anzünden, Anbrennen. (der).

Anga Anna. Alterateln Studieren.

Angebummt - Angestrengt Alteratelt Studiert.

Angedraht, Angedreht Gewechselt. Alterei (die) Alter.

Angeduscht - Ausgeruht. Alterisch Alt.

Angefadelt, Angfadelt - Angeführt. Alterling (der) Altar (der).

Angefanlet, Angfanlt - Angestellt. Altern – Schweppern.

Angefingerlt, Angfingerlt - AngeAltert Geschweppert. Altern (sich) Sich Aeltern, grausen. Angefinselt, Angfinslt Altert (sich) Dem Alter sich genaht, Angefingelt, Angfinglt Geältert (sich).

Angefleht, Angfleht - Begehrt. Amais (der) Rachen (der).

Angeflikt, Angflikt - Angeschafft, Amerl (das) Schutz (der).

Geschafft, Verschafft. Amerlterrigrollen Schatzgraben. Angefosst, Angfost Angestrichen. Amerlterrigroller (der) Schatzgräber Angefunkt, Angfunkt

Angefunkt, Angfunkt – Angezündet, (der).

Angebrannt. Amerlterrigrollt Schatzgegraben. Angegriffelt, Angriffelt - Angemessen. Amers (das) Beilage (die).

Aufgehängt, Anghängt – Aufgeweckt. Ampel, Ampl (die) Eimer (der). Angehalcht, Anghalcht Angebothen. An – Mit, Ein, Vorher.

Angehegt, Anghegt Behalten. A-Nall 0 Welt.

Angehokt, Anghokt

Gehört (von Anastel, Anastl (das) Thier (das). gehören). Anbaul (der) Uniform (die).

Angehokert, Anghokert – Schmarotzt. Anbuffen Ankommen.

Angeholeht, Angholcht - Angekommen, Anbufferei (die) Ankunft (die).

Zugegangen. Anbufft Angekommen.

Angehupft, Anghupft Angefangen. Anbummen Anstrengen.

Angekemt gehofft. Anbumerei (die) Anstrengung (die). Angel (der) Winde (die), Oehl (das). Anbummt Angestrengt.

Angeleiht, Angleiht Angewendet. Andageln Vorlügen.

Angelenst, Anglenst Angesehen, Andagelt – Vorgelogen.

Angelinst, Anglinst) angehört. Anders Hünein. (?)

Angeln – Winden. Andi Anna.

Angemalachnet, Angmalachet AnAndoppeln Pfropfen, oder Pelzen. gemacht. Andoppelt – Gepfropft

, oder gepelzt. Angemamst, Angmamst – Angegeben, Andrahen, Andrehen Wechseln.

Angezeigt, Verrathen. Andraherei, Andreherei (die) – Wechsel Angemöschtelt, Angmöschtelt Je(der).

manden bestellt, um Jemenden Andern Andraht, Andreht - Gewechselt.

Uibels zuzufügen. Anduschen Ausruhen.

Angenommen, Angnommen Gezielt.


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Bateneien Beten.

Bedieren Besäen. Batenei (die) Gebet.

Bediert Besäet. Baterneit Gebetet.

Bedift (der) Beifall (der). Batterei (die) Schwangerschaft (die). Bediftig Beifällig. Batterisch Schwanger, Trächtig. Bedell (der) Zinn (das). Battern Schwanger-, Trächtig-seyi Bedillern Zinnern. Battert Tragen, Schwanger, Trächtig Bedillpflanzer (der) — Zinngiesser (der). gewesen, Getragen.

Bedonken Behalten. Baton (der) - Stock (der), Stange (die). Bedonkt Behalten. Baucher parlen – Erwählen.

Bedormen Beschlafen. Baucher parlt Erwählt.

Bedormt Beschlafen. Baucher seyn Erwählen.

Beducht Langsam, Behutsam. Baucher zest Erwählt.

Beduchterei (die) – Behutsamkeit, LangBauen Kommen, Gehen, Laufen. samkeit (die). Bauern Zudrängern.

Beducht geschefft, Beducht gschefft, Bauerndiebflättert (das) Sperling, Beducht schefft Geschwiegen. Spatz.

Beducht scheffen Schweigen. Bauerngschlagen Gezwickt (Karten- Befakeln Beschreiben. spiel).

Befakelt Beschrieben. Bauernschlagen Zwicken.

Befaklerei (die) Beschreibung (die). Bauert - Zugedrängt.

Befanir (das) Beleuchtung (die). Baumpascherei (die) Streicher.

Befaniren Beleuchten. Baumschedeldange } (das) – Vorrede.

Befanirt - Beleuchtet.

Befaulen Befühlen. Baumschedigeragelt"

Vorrede ge

Befault Befühlt. Baumschedigragelt/ macht.

Befebern Beschreiben, Beschneiden. Baumschedirageln Vorrede machen Befeberei (die) Beschreibung (die). (eine).

Befebert Beschrieben, Beschnitten. Bausel (der) Furcht (die), Schrecken Befedellern Berechnen. (der).

Befedellerei (die) – Berechnung (die). Bauserig Furchtsam, Schreckhaft. Befedellert Berechnet. Bauserei Fürchten, Schrecken.

Befehlen Bewirken. Bausert Gefürchtet, Geschreckt. Befehlt Bewirkt. Bausiren Aengstigen.

Befekeln Bemessen, Mass nehmen. Bausirer (der) Angst (die).

Befeklerei (die) – Massnahme (die). Bausirerisch Aengstlich.

Befckelt Bemessen, Mass genommen. Bausirt Geängstiget.

Befenten Beschneiden, Castriren. Bausschnautzer (der) Ungar (der). Befent Beschnitten, Castrirt. Bausschnautzerische Ungarn.

Befentiren Beleuchten. Bausschnautzerkassa Ungarische

Befentirerei (die) Beleuchtung (die). Schwein (das), Pogoner (der).

Befentirt Beleuchtet, Baust Gefürchtet, Geschirekt.

Befeseln, Beschütten. Baut – Gekommen, Gegangen, Gelaufen. Befeselt Beschüttet. Bavar (der) Baier (der).

Befilzen Besuchen. Bavaren, Bavarische (dlas) Baiern. Befilzerei (ilie) Besuch (der). Bebeist Geglüht.

Befilzt Besucht. Bechina (die) Probe (die).

Befliegen Bestäuben. Bechinen Probieren.

Befliegt Bestäubt. Bechint Probiert.

Beflohnern Belachen. Bedallen - Bekämpfen.

Beflohnert Belacht. Bedallerei - Bekämpfung (die).

Befloschen Beschiffen. Bedallt – Bekämpft.

Befloscht Beschifft. Bedameln - Vielleicht Etwa haben. Beflossen Beschiffen. Bedamelt Vielleicht Etwa gehabt. Beflosst Beschifft. Bedeffen Besteken.

Befohlen Bewirkt. Bedefft Bestekt.

Befrakeln Befragen. Bedemseln Besteken.

Befrakelt Befragt. Bedemselt Bestekt.

Befremdt Bekannt.


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Beploderei (die) Versprechen (das). Beschnellen Beschiessen. Beplodert Versprochen.

Beschnellerei (die) — Beschiessung (die). Beploien Begegnen.

Beschnellt Beschossen. Beploit Begegnet.

Beschoben Beschlichen. Bepreimen Bezahlen.

Beschrepfen Beschneiden. Bepreimerei (die) Bezahlung (die). Beschrepft Beschnitten. Bepreimt Bezahlt.

Beschuft Beschämt. Beprillen Bestätigen.

Beschuften Beschämen. Beprillerei (die) - Bestätigung (tlie). Beschufterei (die) – Beschämung (die). Beprillt – Bestätiget.

Beschuftet Beschämt. Beprosteln Beschirmen.

Beschulmen Bezahlen. Beprostelt Beschirmt.

Beschulmt Bezahlt. Bereichen Berühmen.

Beschummeln Beschämen. Bereicht Berühmt.

Beschummelt Beschämt. Bereiterisch Begierig.

Beschummlerei (die) — Beschämung (die). Berennen -- Empfangen.

Beschund (der) Betrug (der). Berennfleppen (lie) Empfangsschein Beschunden Betrügen, Bescheissen. (der).

Beschunder (der) – Betrüger (der). Berennerei (die) - Empfang (der). Beschundet, Beschundt Betrogen, Berennt - Empfangen.

Beschiessen. Bergschütterer (der)

Tenne (die).

Beschwächen Betrinken. Beridmen Berathen.

Beschwächt Betrunken. Beridmerei (die) Berathung (die). Beschwänzeln Bestechen. Beridmet Berathen.

Beschwänzelt Bestochen. Berkoghändler (der) Räuber (der). Beschwänzlerei (die) — Bestechung (die). Berolinen Beschauen.

Besechen Eröffnen. Berohner (der) – Spiegel (der).

Besecht Eröffnet. Berohnt Beschaut.

Besengerissen, Besengrissen – Getrennt. Berrennhoch (dler) — Kupferstich (der). Besenreissen Trennen. Berrennhochgsochner (der) Kupfer- Besicheln – Bespannen. stichhändler (der).

Besichelt Bespannt. Berrennhochpflanzer (der) Kupfer- Besichlerei (die) Bespannung (die). stecher (der).

Besisel, Besisl (ler) Besinnung (die). Bert Begehrt.

Besiseln Besinnen. Bert (der) – Begierde (die).

Besiselt Besonnen. Berten Begehren.

Besachen Beschneiden. Berterig Begierig

Besacht Beschnitten. Bertel Albert.

Besollern Bert!

Besonders. Robert.

Besolm Besaudern Besorgen.

Beselmen Absondern. Besauderei (die) Besorgniss (das). Beselmerei (die) - Absonderung (die). Besaudert Besorgt.

Besolmete (der, die, das) Besondere Besaufen Besänftigen.

(dler, die, das). Besauferei (die) Besänftigung (die). Besolmt Abgesondert. Besauft Besänftiget.

Bespannen Beobachten, Beschauen. Beschallern Besingen.

Bespannerei (die) – Beobachtung, BeBeschallert Besungen.

schau (ilie). Beschieben Beschleichen.

Bespannt Beobachtet, Beschaut. Beschiebt Beschlichen.

Bespissen Bedrohen. Beschifern Belügen.

Bespisserei (die)

Bedrohung (die). Beschifert Belogen.

Bespist Bedroht. Beschlamm (der) Beurtheilung (die). Bespitzen Bedrohen. Beschlammen Beurtheilen.

Bespitzerei (die) - Bedrohung (die). Beschlammt Beurtheilt.

Bespitzt – Bedroht. Beschleifen Beworfen.

Bespreideln - Bestauben. Beschleift Bewerfen.

Bespreidelt Bestaubt. Beschmusen Besprechen.

Bessekiss (die) Heimliche Gemach Beschmust Besprochen.

(das). Archiv für Kriminalanthropologie. II. 17

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Bratel, Bratl (das) Schaufel (die). Brenndt Holz (das), wird zuweilen Brater (der) Käste, Kastanie (die). auch für Wald genommen. Bratkracher (deri Pfanne (die).

Brenndt Hölzern. Bratelfreia, Bratlfreier (der) Mörder, Brennessel (die) Ekelhaft, Geschwür Raubmörder (der).

(das), krebs (der). Bratlmuri (der) Raub (der) bei Miss- Brennschweifeln Nachforschen. handlungen der Beraubten.

Brennschweifelt Nachgeforscht. Bratlschmier (die) Freiung (die). Bresem ader) Bruch (der), Ruptur Bratras, Bratres ider) Bruder (der). (alie), Leibschaden (der). Brattel, Brattl (das) Schaufel (die). Bretill (der) -- Zinn (las). Bratze, Bratzen (die) Decke (die), Bretlein (der) Ebenholz (das). Kotzen (der).

Bretling (der) Tisch (der). Braunkern (der) Kaffee (der).

Bricfen Kartenaufschlagen. Braunmilch (clie) Gekochte Kaffee Brieft Kartenaufgeschlagen. (der).

Brickel, Brickl (der) Begierde (die). Braunmuri, Braune Muri (der) Raub- Brickeln Begehren. mord (der).

Brickelt Begehrt. Breachl Mager.

Brinklerisch Begierig. Breachlerei (die) Magerkeit (die). Brillen – Lesen, Achnlich sein, Achneln. Brechauf der) Spargel (der).

Brillerei (die) Achnlichkeit (die). Brechel, Brechl (die) Sprache (die), Brillig Achnlich. Tropfen (der).

Brillt Aehnlich gewesen, Geähnelt, Brecheln – Sprechen, Plaudern, Tropfen. Gelesen. Brechelt Gesprochen, Geplaudert, Brimm Braun. Getropft.

Brimmisch Grün. Brechi Aber.

Brissen Zutragen. Brechlfisl (der) Bräutigam (der). Brisst Zugetragen. Brechlgoja (die) Braut (die).

Britling (der) – Gedörrte Birne (die), Brechlgeschrauft. Brechilgschrauft

oder Kletzen (die). Cebergeschnappt.

Brodeln Prahlen. Brechlscheffer, Brechlschefter (der) Brodelt Geprahlt. Brautführer (der).

Brodler (der) Prahler (dler). Brechlschraufen Ciberschnappen. Brodlerei (die) Prahlerei die). Breft Thätig.

Brodtschnappel (das) Hämerchen, Brefter (der) Thäter (der).

oder Hammer) (das). Brefterei (die) Thätigkeit (die). Brodtschnapp! Kleine Hammer (der). Breinzungen Kränken.

Brogeln Brechen, Prahlen. Breinzungt Gekränkt.

Brogelt Gebrochen, Geprallt. Breis Aufsätzig.

Brogler (deri – Prahler (der). Breitbasch (der) Ochs (der).

Broglerei (die) – Bruch (der), Prahlerei Breitbaschin (die) Kuh (clie).

(die). Breitdruck (der) Mange, Presse (die). Brollen Aufrühren, Verlieren. Breitdrucken - Füllen, Mangen, Pressen. Broller (deri Aufrührer oder). Breitdruckt Gefüllt, Gemangt, Ge- Brollerei (die) - Aufruhr (der), Verlust presst.

(der). Breitfuss (der) Ente (die), Stadtthor Brollerig Aufrührisch. (das).

Brollt Aufgerührt, Verloren. Brcithart (der) Heide, Weide (die). Brontonler (der) Bettelvogt (der). Breitloch (das) Kirchhof, Friedhof Brosen Borgen. (der).

Brost Geborgt. Breitmaul (der) Salat (der).

Brotz (der) Handwerksbursche (der). Breitsaus (der) Schulter (dic).

Brümler (der) Biene (die). Breitstrafel, Breitstrafl («las) — Riemen Brumm - Gewiss. (der).

Brummbär (der) - Fried (der). Breitstrafpflanzer der) – Riemer (der). Brummen Donnern. Bremser (der) Fliege (die).

Brummendjodi (der) — Rheinwein (der). Brennabi, Brennor (der) Branntwein Brummer (der) Bär (der), Donner(der).

wetter (das), Donner (der).


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Daschallen Erschreien.

Datschiedern, Datschiedert Erfallen. Daschallt Erschrieen.

Daunog (der) Wachs (das). Daschaufeln – Erschöpfen.

Dauseln (sich) Trauen (sich). Daschaufelt Erschöpft.

Dauselt (sich) Getraut (sich). Daschauflerei (die) – Erschöpfung (die).

Davortheln Erzwingen. Dascher (der) Schnalle (die).

Davorthelt

Erzwungen: Daschitzel, Daschitzl (das) – Erwähnung Dawadeln, Dawadelt Erwachsen. (diei.

Dazäunen Umstehen. Daschitzeln Erwähnen.

Dazäunt Umstanden. Daschitzelt Erwähnt.

Dazepfen Erzeugen mit Bezug auf Daschleifen Erwerfen.

Dazepft – Erzeugt leblose GeDaschleift Erworfen.

genstände. Daschlingen Erbeuten.

Deckel, Deckl (der) Umkreis (der). Daschlingt Erbeutet.

Deckelschwing (der) Verkauf (der). Daschlundern Erspringen.

Decken Nachmachen, Aehnlich Daschlundert Ersprungen.

machen. Daschlungen Erbeutet.

Deckerei (die) Aehnlichkeit (die'. Daschmeicheln Erfolgen.

Deckerisch Achnlich. Daschmeichelt Erfolgt.

Deckt Nachgemacht, Aehnlich geDaschmeichlerei (die) Erfolg (der). macht. Daschmelzen Erplündern.

Defek (der) Puls (der. Daschmelzt Erplündert.

Deffern, Defferer Besser. Daschmieren Erspähen.

Deffen Stecken. Daschmiert – Erspåht.

Defft Gesteckt. Daschmolzen - Erplündert.

Dei Wieder. Daschnellen Erschiessen.

Deinpi Daneben. Daschnellt Erschossen.

Deindel, Deindl (das) Seitel (das). Daschnürlen Erhenken.

Dellern Rädern. Daschnürlt Erhenkt.

Dellert Gerädert. Daschwächen Ertrinken, Ertränken. Demasel, Demas! (der) Stelle (die) Daschwächt Ertrunken, Ertränkt. (Aufbewahrungsort). Dasenderiren Ersehnen.

Denn Warum. Dasenderirt Erschnt.

Demseln Stecken. Dasenteriren Ersehnen.

Demselt Gesteckt. Dasenterirt Ersehnt.

Dend, Dender (deri Zahn (der). Daspannen Erschauen, Erschen, Ver- Dendi (die) Zähne (die). rechnen.

Dendibusch (der) Zahnloch (das). Daspannt Erschaut, Erschen, Ver- Denis (der) Gift (das). rechnet.

Denisen Vergiften. Dastessen Drohen.

Deniser (der) Giftmischer, Vergifter Dastesserei (die) Drohung (die'

(der'. Dastesst - Gedroht.

Deniserei (die) Vergiftung (die). Dastöffeln Erhollen.

Denisisch Giftig. Dastöffelt Erhohlt.

Denist Vergiftet. Dastöfflerei (die) Erhohlung (die). Deples Wovon. Datallern Erlösen.

Deifenschein, Derfenspanner (der) Datallerei (die) Erlösung (die).

Bettelvogt, Büttel (der). Datallert Erlöst.

Dermes Gern. Dateisen, Dateist Erschlagen.

Desel, Desl Vorerst. Dateln Schicken, Senden.

Desenhammer (der) Trommelschlägt Datelt Geschickt, Gesendet.

(der). Daternen Erkennen.

Despalis (las) – Holz (das).

( Daternt Erkannt.

Dess Jezt, Heute. Datessen, Datesst Ertragen.

Det Du. Datoisen, Datoist Erfallen.

Detsche, Detschen (die) Beispiel Datsche, Datschen (die) – Weib (das), (das). Weibsperson (diel, Ente (dic).

Detschen (zu den) Zum Beispiel. Datscheri (das) Thürschnalle (die). Deutl Zuerst.


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mann'), Ludw. Klages?), Dr. med. Gg. Meyer), Dolph. Poppée"), Dr. Cornelius Ruys”), G. Tarde. Ausserdem mag erwähnt werden, dass gegenwärtig drei Monatsschriften für Graphologie erscheinen, nämlich zwei in Frankreich) und eine in Deutschland..) Der Werth der citirten Litteratur ist natürlich ein höchst ungleicher; dieses erklärt sich aber aus der kurzen, jedoch entwickelungsreichen Geschichte der Graphologie. Als Repräsentanten des gegenwärtigen Standes gelten vor allen die Werke J. Crépieux-Jamin's' und Preyer's 10); auf sie und auf die deutsche graphologische Monatsschrift möchten wir alle verweisen, die tiefer in die wissenschaftliche Graphologie eindringen und sich über alle Vorgänge dieses Gebietes auf dem Laufenden erhalten wollen. Als Repräsentanten des früheren Standes (1862–1894) und der gegenwärtigen populären, zumeist weiblichen Behandlung der Graphologie sind u. a. zu bezeichnen die Werke von Dilloo, Henze, Machmer, Mendius, L. Meyer, Michon, Paulus, Sittl, Six, Varinard, de Vars.

Bevor wir nunmehr eine Darlegung der gerichtlichen Verwendungsmöglichkeiten der wissenschaftlichen Graphologie versuchen, dürfte --- trotz der obigen litterarischen Verweise – eine Skizzirung der Principien, Probleme und Ergebnisse der Graphologie geboten sein.

Die Graphologie oder Handschriftendeutungskunde will die Beziehungen aufzeigen, welche zwischen dem Charakter eines Menschen und seiner Handschrift bestehen. Der Beweis für das nothwendige Vorhandensein solcher Beziehungen, für deren Einzelheiten und An

1) G.W. Gessmann, Katechismus der Handschriftendeutung. (1897. Berlin, Karl Siegismund. 2 Mk. 40).

2) Ludwig Klages, Graphologische Methoden. (In Berichte der Deutsch. Grapholog. Gesellsch.“ 1995, Nr. 4, 11, 12.)

3) Georg Meyer, Graphisch fixirte Ausdrucksbewegungen. (In „Berichte der Deutsch. Grapholog. Gesellsch.“ 1595, Nr. 1, 3, und in den „Grapholog. Monatsheften“ 1899, Nr. 1, 2.)

4) Dolph. Poppée, Tajemstvi Pisma. (1896, Prag, Jos. R. Vilimek. 1 Guldeni. 5) Cornelius Ruys, Traité de Graphologie (1895, Paris, Delarne. 2 Fr.). 6) G. Tarde, La Graphologie. („Revue philosophique“ 1997, Nr. 10).

7) „La Graphologie“ (Paris, seit 1970. Société de Graphologie. 15 Fr.) und „L'Écriture (Paris, seit 1996. Institut Sténographique. 5 Fr.).

S) „Graphologische Monatshefte, Organ der Dtsch. grapholog. Gesellschaft“. (München, seit 1999; 1997 und 159s unter dem Titel „Berichte der Dtsch. grapholog. Gesellschaft“. $ Mk., für Mitglieder 6 Mk.).

9) J. Crépieux-Jamin, L'Écriture et le caractère (1896, 4. Aufl., Paris, Alcan. 7 Fr. 50. Deutsche Uebersetzung in Vorbereitung).

10) W. Preyer, Zur Psychologie des Schreibens (1595, Hamburg, Leopold Voss. 10 Mk.).


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absichtlich haben wir die Schwierigkeit ihrer Forschung und Anwendung sehr betont, vielleicht zu sehr; wenigstens erscheint es so, wenn wir an die zahlreichen Erfolge der graphologischen Praxis denken – falls letztere mit gründlicher Sachkenntnis und mit vorsichtiger constructiver Umsicht ausgeübt wird, Erfolge in der schnellen und vorurtheilslos-vielseitigen Charakterdiagnose, wie sie sonst noch nirgends gezeitigt wurden und am wenigsten oder doch am seltensten aus den allgemeinen Beobachtungen im persönlichen Verkehr. Die nicht charakterologischen Schwierigkeiten, welche der forschenden und angewandten Graphologie entgegen zu stehen scheinen, sind viel leichter zu beseitigen und wurden auch bereits beseitigt; sie spuken nur noch in den Köpfen von Laien als Einwände, die schon in der frühesten graphologischen Litteratur widerlegt oder gar als Beweis für die Richtigkeit der Graphologie ausgeführt wurden'); (sog. „Wechsel der Handschrift“ gemäss aussergewöhnlichen Umständen seelischer oder körperlicher Art, wobei in Wirklichkeit aber nur bestimmte Eigenthümlichkeiten der Handschrift bestimmten Veränderungen unterliegen, welche überdies durch Beobachtung und Experiment zum grösseren Theil bereits festgestellt sind).

So gewagt und gefahrvoll nach Obigem vielleicht auch dem ferner stehenden Juristen die Heranziehung der Graphologie zur Lösung, bezw. zur Berathung bei der Lösung vieler seiner Aufgaben erscheinen mag, so glauben wir doch behaupten zu dürfen, dass das Gegentheil der Fall sein wird. Im Folgenden wollen wir nunmehr darlegen, in welcher Weise die Graphologie in ihrer Anwendung bereits jetzt von Nutzen für den Juristen sein könnte, soweit ein Nichtjurist hierüber zu muthmaassen vermag.

Es handelt sich im Grunde um zwei Arten der forensischen Verwendung. Einmal nämlich kann die Graphologie Aufschluss geben über die Urheberschaft von anonymen und gefälschten Schriftstücken; zum anderen vermag sie aber auch den Richter bei der so nothwendigen Gewinnung der Charakterkenntnis von Angeklagten, Klägern und Zeugen zu unterstützen. Gegenwärtig kommt die Graphologie gerichtlich nur gelegentlich bei der Untersuchung von anonymen und gefälschten Schriftstücken zur Verwendung. Die Möglichkeit ihrer forensischen Verwendung in charakterologischen Fragen ist bis jetzt noch kaum in's Auge gefasst worden; auf diese Art der Anwendung der Graphologie werden wir weiter unten zu

1) Eine neuere Uebersicht bietet die vierte neubearbeitete deutsche Ausgabe von Crépieux-Jamin's „Traité pratique“; („Praktisches Lehrbuch der Graphologie“, cd. von Prof. Krauss und Hans II. Busse, 159s, Leipzig, List. 5 Mk.). sprechen kommen. Zunächst jedoch müssen wir mit einigen Worten die Verwendung der Graphologie bei der gerichtlichen Untersuchung von anonymen und gefälschten Schriftstücken berühren.


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Die Heranziehung der Photographie wird für die eigentliche Untersuchung meist entbehrlich sein. Für die Darlegung des Untersuchungsergebnisses, zumal wenn dieselbe mit anschaulicher und systematischer Gründlichkeit erfolgen soll, besitzt die photographische Reproduction, unter eventueller Vergrösserung und Vervielfältigung der inkriminirten Schriftstücke, den technischen Werth der Erleichterung. Der Sachverständige hüte sich jedoch, auf Grund von Photographien oder gar von ,,Facsimiles eine Untersuchung anzustellen und ein Gutachten abzugeben; ist er dennoch dazu gezwungen, so unterlasse er nicht, fort und fort als Voraussetzung seiner Aeusserungen die Identität der Photographien, bezw. Facsimiles mit den Originalen zu bezeichnen. Wo aber zur technischen Erleichterung der Darstellung Reproductionen benutzt werden, da versäume der Sachverständige nie, dieselben vor der Verwerthung auf ihre Identität mit den Originalen zu untersuchen; er wird nur zu oft finden, dass diese Identität manches zu wünschen übrig lässt und erst durch „Retouchen“ zu erzielen ist. Die weitgehende Art, wie z. B. neuerdings Bertillon 1) die Photographie in der gerichtlichen Schriftexpertise verwendet zu sehen wünscht, entbehrt durchaus der Einsicht in die individuell-psychophysiologische Genese der Handschrifteneigenthümlichkeiten.

Von besonderem Werthe erscheint die Anwendung der graphologischen Erkenntnisse in all den Fällen anonymer Briefschreiberei, wo der Verdacht noch des Objectes entbehrt; zumal, wenn das anonyme Schriftstück keine oder nur geringe Verstellung seiner handschriftlichen Eigenthümlichkeiten zeigt, lässt sich der Charakter des Schreibers ziemlich genau bestimmen; dadurch kann der Verdacht der Urheberschaft auf die entsprechende Persönlichkeit gelenkt werden;

1) A. Bertillon, La comparaison des écritures et l'identification graphique. (In der „Révue scientifique“ 1997, Nr. 25; 1898, Nr. 1).


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leicht zugänglich sein, und das Bestreben, ihre Aeusserung zu unterdrücken, muss ihm fern liegen. Die Enge der Schrift, ebenso wie

, die vielfach nach links zurückgewendeten Haken deuten ferner auf Egoismus, Habsucht und Neid. Hiermit wäre ein Eigenschaftscomplex beisammen, wie er als nothwendig erscheint für den typischen Räuber und Mörder. Trotzdem ist der Schreiber keines von beiden. Falls ihm allerdings einmal ein derartiges Verbrechen zur Last gelegt würde, so wäre der graphologische Charakterbefund nicht zu seinen Gunsten. Trotzdem könnte dieser allein selbstverständlich niemals genügen als „Schuldbeweis“; lägen aber noch andere Indicien vor, so verdiente die Charakterfixirung doch wohl einige Beachtung.

Zur Entscheidung der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten werden bislang einzig die Psychiater zugezogen. Sofern die Gutachten mehrerer Psychiater sich in einem Falle widersprechen, wäre es vielleicht zweckmässig, auch einen Graphologen zuzuziehen. Durch Erlenmeyer, Scholz, Preyer, Neisser, Maack, Meyer u. a. ist die Pathologie des Schreibens gegenwärtig bereits sehr entwickelt; ibre forense Verwendung würde nicht ohne Erfolg bleiben. Diesbezüglich wären natürlich als Sachverständige besonders solche Aerzte und Psychiater geeignet, die gleichzeitig graphologisch geschult sind, wie z. B. Dr. med. F. Maack in Hamburg und Dr. med. Gg. Meyer in Berlin. Der Raum verbietet es uns, hierauf näher einzugehen.

Ueberhaupt ist es selbstverständlich an dieser Stelle nicht möglich, wir wiederholen dies mehr zu geben als einige Hauptgesichtspunkte über die vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten der Graphologie im forensen Leben. Eine eingehende, selbständige und systematische Behandlung der Gerichtsgraphologie müssen wir uns für später vorbehalten. Einstweilen wollten wir nur einen skizzenhaften Ueberblick bieten; wir hofften, dadurch das vielleicht schon geweckte Interesse für Gerichtsgraphologie weiter anzuregen. Vielleicht auch finden unsere Gedanken eine willkommene Opposition. Hier wird dann die Praxis entscheiden müssen. In Rücksicht hierauf empfehlen wir schliesslich noch die Sammlung von anonymen Schriftstücken, von Urkundenfälschungen, von Verbrecherhandschriften und von Handschriften solcher Personen, die in einem Processe eine chrakterologisch - interessante Rolle gespielt haben; ebenso ist es wohl selbstverständlich, dass wir stets dankbar sind für Uebermittelung derartiger Schriftstücke, zumal wenn dieselben von orientirenden Bemerkungen begleitet wären. Wie die Graphologie überhaupt, so steht auch die Gerichtsgraphologie noch im Anfang ihrer Entwickelung; die Fortschritte sind natürlich hauptsächlich abhängig von der Unterstützung der Juristen.


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den hat, die er weitgehend verdient. Dass gerade die Juristenwelt ihn noch immer nicht genügend würdigt, ist um so beklagenswerther, als die suggestive Beeinflussung von Individuen in jeder Verhandlung in die Erscheinung tritt, ja, die grossen, die öffentliche Meinung beschäftigenden Processe in ihrem Zeugenverhör eine wahre Fundgrube für deren bedeutungsschwere Machtentfaltung darstellen. Der Czynski-, Berchthold-, Koschemann-, Rosengart-, Guthmannprocess, um nur einige Sensationsprocesse der Jüngstvergangenheit heraus zu greifen, sie alle bieten das fast stereotype Beweismaterial für diese Kraft, die nicht immer das Gute will, doch auch nicht immer das Böse schafft.

Was ist die Suggestion?

Zunächst bedeutet dieser so modern gewordene Begriff nichts weiter als ,,Eingebung“, und zwar von Vorstellungen, durch die ein Mensch auf den anderen psychisch einwirkt. Je nach der Willfährigkeit, mit der diese Vorstellungen acceptirt werden, spricht man von der individuellen mehr weniger lebhaft vorhandenen Empfänglichkeit des Individuums, von seiner „Suggestibilität“.

Forel definirt die Suggestion als die Erzeugung einer dynamischen Veränderung am Nervensystem eines Menschen durch einen anderen Menschen mittels llervorrufung der Vorstellung, dass jene Veränderung stattfinde oder bereits stattgefunden habe oder stattfinden werde.

Bérillon, der dem Hypnotismus in der zukünftigen Entwickelung der Pädagogik einen breiten Raum als „Orthopädie der Seele“ anweist, beschreibt die Suggestibilität als die Fähigkeit, eine empfangene Vorstellung in eine Handlung umzusetzen, eine Begriffsbestimmung, die also jede Art der Ueberzeugungskraft, des Gehorsams, der Belehrung u. s. w. einschliesst.

Liébeault umgrenzt das Gebiet der Suggestion folgendermaassen: „Ohne sich davon Rechenschaft zu geben, eignet man sich moralische und politische Ansichten, Familien- und Rassenvorurtheile an, nimmt man die Vorstellungen in sich auf, welche die Atmosphäre, in der man lebt, erfüllen. Es giebt sociale und religiöse Grundsätze, welche vor dem Richterstuhle des gesunden Menschenverstandes, geschweige vor dem der Vernunft, nicht bestehen können, und an die man doch bereitwillig glaubt, die man doch wie sein Eigenthum vertheidigt. Diese Grundsätze waren die der Ahnen, sie haben sich von den Eltern auf die Kinder übertragen, sie sind sogar Gemeingut einer Nation geworden. Es ist unmöglich, sie durch Vernunftsgründe, es

, ist unmöglich, sie mit Gewalt vernichten zu lassen; es nützt nichts, · dass man ihre Falschheit nachweist. Es giebt eben für den mensch


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ein Kunstwerk in dem Lichte sähe, in welchem ein autoritativer Kritiker zu sehen zwingt? Wie anders wäre es sonst wohl verständlich, dass dem höchst intelligenten Franzosenvolke anlässlich der Dreyfusaffaire jede Auffassung von Recht und Gerechtigkeit für lange Zeit verloren gehen konnte, wenn nicht der suggerirende Einfluss seiner übermächtigen Presse die Unbefangenheit des Blickes getrübt hätte?

Wenn die Presse eine derart suggestive Gewalt selbst auf die Gebildeten übt, um wie viel mächtiger muss sie auf den einfachen Mann wirken, der den grössten Theil seines Wissens, seiner geistigen Nahrung aus seinem Blatte schöpft, der seine Anschauungen, seine Denkrichtung ganz nach ihm formt. Nun vergegenwärtige man sich irgend ein sensationelles, die Gemüther erschreckendes, verbrecherisches Ereigniss, das tagelang, wochenlang den Gesprächsstoff einer Bevölkerung bildet. Gierig wird jede Pressnachricht verschlungen. In wohl berechneter, sensationeller Steigerung verkündet eine gewisse Presse „esslöffelweise die umherschwirrenden Gerüchte, die ausgesetzte Belohnung. Der Thatort, die ermordete Person, die Fundstücke, der vermuthliche Mörder werden in Wort und Bild unter möglichst eindrucksvoller Devise geschildert. Der Aufenthaltsort des Thäters, seine Fluchtroute werden mit beneidenswerthem Unfehlbarkeitsbewusstsein detaillirt genannt. Verwunderlich ist es dann nicht, dass die Meinung des Blattes die Meinung seines Leserkreises wird, verwunderlich auch nicht, dass thatsächliche Beobachtungen von Augenzeugen unter dem suggestiven Presseinfluss allmählich umgeformt, zu einem Phantasiegemisch werden, aus dem der Einzelne sich nimmer herauszufinden weiss, und das er schliesslich als eigene Erfahrung zeugeneidlich bekundet.

Die suggestive Macht der Presse würde wohl kaum den geschilderten verwirrenden Einfluss üben können, wenn nicht der meist lange Zeitraum zwischen der That und der sie sühnenden Verhandlung hinreichend Spielraum böte, um einen dem Menschen innewohnenden psychischen Mangel wirksam werden zu lassen, den Mangel der Erinnerungstreue oder die Erinnerungsfälschung.

Auf der Oberfläche des Menschenbirnes, auf der unser Denken sich abspielt, sind viele Tausende von Schriftzeichen, von Erinnerungsbildern niedergelegt, unsere Gedanken. Diese Schriftzeichen, diese Bilder verblassen mit der Zeit, verlieren die Lebhaftigkeit der Farbe, ja, werden ausgelöscht, wenn nicht der gleiche äussere Reiz, der sie zuerst entstehen liess, sich wiederholt und sie auffrischt. Wenn nun ein derartiges Erinnerungsbild nach langer Zeit erweckt wird, wenn ein Zeuge die vor langer Zeit gemachten Beobachtungen bekunden soll, so ist es nicht verwunderlich, dass die in seiner Hirnrinde deponirten Erinnerungszeichen, die vielleicht schon im Entstehen durch die suggestive Macht der Presse gefälscht oder phantastisch ergänzt wurden, entstellt, in verschwommenen Umrissen, ungenau wiedergegeben werden.


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er „zu Tode erschreckt war“, als die Pferde wieder neu ausgriffen; strafen wollte er die Pferde auch nicht, da er sie gar nicht kannte -kurz er wusste sichtlich nicht, warum er so gehandelt hat. Eine Reflexhandlung war es auch nicht, da zwischen Sinnesreiz und That viel Zeit vergangen war: der Mann hatte sich halb erhoben, die Peitsche geschwungen, sich weit seitwärts gebeugt und im rechten Momente zugeschlagen. Das ist nicht „unwillkürlicher Reflex“, die Bewusstseinscentren waren lebendig, aber die Handlung ging ohne Begründung, also reflexälinlich vor, sie war eine reflexoide.

Fragen wir nun um die Zurechnung bei solchen IIandlungen, so müssen wir die Stellung des Willensmoments hierbei erörtern und uns klarlegen, dass das Zustandekommen einer Willenshandlung ein Inrechnungsziehen des Für und Wider die beabsichtigte That voraussetzt. Es kann nun sein, dass unter gewissen Umständen die Associationsleitung von einer bestimmten Apperception zu einem bestimmten motorischen Impuls so glatt gebahnt ist, dass eine Handlung zustandekommt, ohne dass die Erwägungen des Für und Wider ins Oberbewusstsein gelangen und die allenfalls mitsprechenden psychischen Hemmungen ausgelöst werden. Hiermit ist allerdings der Vorgang festgestellt, aber keineswegs das Movens. Dass dasselbe niemals deutlich zum Vorschein kommt, wenn es sich um eine wirkliche reflexoide Handlung dreht, liegt im Wesen der Sache, denn ist das Movens deutlich vorhanden, so wurde es auch in Rechnung gezogen, und es wurde mit Bewusstsein dahin überlegt, ob ihm nachzukommen sei oder nicht. Nach diesem Movens muss aber gefragt werden, denn wir wollen wissen, ob bei allen reflexoiden Handlungen von Zurechnung die Rede sein kann. Ist dies nicht der Fall

, dann sind zahlreiche Verurtheilungen, die bei solchen Vorgängen eingetreten sind, unrichtig gewesen, denn man nahm Vorsatz, bösen Willen an, obwohl nur reflexoides Handeln, also unbewusste Bewegung vorgelegen ist. Allerdings wird nachzuweisen sein, dass bei jeder Handlung, die als eine reflexoide angesehen werden will, ein Movens zu denken ist, welches als solches auch beim bewussten Handeln einwirken kann, so dass gesagt werden darf: Dasselbe Movens, welches in's Oberbewusstsein getreten, eine verantwortliche, weil bewusste Handlung ausgelöst hat, kann, wenn nur im Unterbewusstsein wirkend, eine nicht verantwortliche, weil bloss reflexoide Handlung veranlassen.

Sagen wir z. B.: es ist ein, sehr vielen Menschen, namentlich Männern inwohnender Trieb, sich frei sich bewegender Thiere zu bemächtigen, nennen wir denselben die Jagdlust. Ob das nun ein atavistisches Residuum aus jener Zeit ist, wo sich unsere Vorfahren mit der Jagd befassen mussten, ob es sie freute oder nicht, weil sie sonst nichts zu leben hatten, oder ob es nur die Freude daran ist, seine Geschicklichkeit zu erweisen, seine Superiorität über das Thier darzuthun, ob es ein wollüstiger Zug von Grausamkeit oder sonst ein Trieb ist, das ist für unsere Untersuchung ganz gleichgültig: Thatsache ist es, dass die Jagdlust im Menschen existirt und ihn, natürlich ganz bewusst, zur Verfolgung und Tödtung von Thieren veranlasst, obwohl mancher Jäger weiss, dass er hierdurch seine Gesundheit, sein Vermögen arg schädigt, ja in vielen Fällen, dass er strafbar wird, wenn er seiner unbezähmbaren Jagdlust nachkommt. Nun denken wir uns einen halbwüchsigen Jungen, der zufällig einen Stein in der Hand hat und im Garten eine schlafende Katze oder sonst ein Thier in erreichbarer Ferne erblickt: von zehn richtigen Jungen werfen sicher neun sofort den Stein nach dem Thiere. Dann trachte einer, aus dem Burschen herauszukriegen, warum er geworfen hat; ob er das Thier tödten und essen wollte? ob er es bloss verletzen und ihm grosse Schmerzen zufügen wollte? Ob es ihn gestört hat, dass die Katze behaglich in der Sonne schlief? Der Junge wird auf alle diese Fragen „nein“ antworten, und versichern, er wisse nicht, warum er warf, es „geschah unwillkürlich“, „der Stein war plötzlich aus der Hand", der Stein flog fast von selber fort" etc. Und dabei sagt der Junge die volle Wahrheit, es war eine Aeusserung der im Unterbewusstsein ruhenden Jagdlust, die ihn zu einer nicht bewussten, reflexoiden, also wohl unverantwortlichen Handlung trieb.


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Wirthshause, prügeln. Ein ganz Unbetheiligter kommt vorbei und

. versetzt dem Misshandelten auch einen Fusstritt. Er sieht einen prügeln: ,,der wird wohl etwas verschuldet haben, hat aber einer etwas verschuldet, so misshandelt man ihn folglich trete ich ihn auch.“ IIätte er einen Moment seine Bewusstseinscentren in Thätig. keit treten lassen, so wäre ihm klar geworden, dass ihn die Sache gar nichts angeht, dass der Geprügelte vielleicht ganz unschuldig ist; das geschah aber nicht, es wurde reflexoid gehandelt.

Ich ging einmal in einer einsamen Strasse hinter einem Fuchsen und freute mich über die schönen Reversquarten, die er mit seinem Spazierstock in die Luft fuchtelte. Nun kam er an einem Gartenzaun vorbei, auf dessen einzelne Pfähle er wohlgezielte Terzen niedersausen liess. Plötzlich hielt er inne und besah den Schaden, den die Zaunpfähle an seinem neuen Spazierstock angerichtet hatten, was ihn sichtlich betrübte. Der Vorgang war also so: Reine Reflexbewegungen waren seine Hiebe nicht, denn ganz ohne Betheiligung der Bewusstseinscentren hätte er seine tadellosen Terzen nicht hauen können; jeder Zaunpfahl stellte ihm einen Gegner vor, und auf diesen haut man, und da jeder Pfahl durch die anderen geschützt war, so blieben im Gehen nur Terzen übrig, und die schlug der Student reflexoid, denn ganz bewusst that er es nicht, weil er sonst seinen schönen Stock geschont hätte.

Von vielleicht gleicher Bedeutung sind gewisse IIandlungen, die aus dem häufig unwiderstehlichen Triebe der Nachahmung entstehen. Nicht hierher gehören die Nachahmungen, wie sie im Laufe langer Zeit entstehen: wie der Sohn den Vater, ein Gatte den anderen nach und nach copirt, wie man sich den Dialect eines Landes angewöhnt, in dem man lange lebte etc. Hierher gehört nur das plötzliche, sofortige Nachmachen, und jeder weiss, wie schwer es ihm oft fällt, es nicht nachzuspotten, wenn jemand beim Sprechen auffallende Geberden macht oder stottert oder Grimmassen schneidet -- es giebt genug Menschen, die hierbei sofort naclimachen und es nicht thun würden, wenn sie überlegten, welche unangenehme Folgen die Nachäfferei nach sich ziehen kann.

Wie weit das gehen kann, weiss uns der Psychiater aus dem Kapitel der Hysterie, Epilepsie, Chorea etc. zu erzählen, und ebenso bekannt ist die Erscheinung der Flagellanten, des endemischen Veitstanzes gewisser Derwische und mancher historischer Ereignisse.

Als letzte Gruppe sei noch jene erwähnt, in welcher einfach infolge der Empfindung: „jetzt muss etwas vorgekehrt werden“, reflexoid irgend etwas, aber in der Regel ganz zweckwidriges gethan wird.


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auf den Murkai zum Mariahilferplatze spazieren gegangen. Er speise abends gewöhnlich nichts und habe auch damals weder etwas gegessen noch getrunken. Er sei nur, wie schon früher zweimal, dort einige Male auf und ab gegangen. Er habe auch diesmal wieder, wie gewöhnlich, einen eingenommenen Kopf gehabt und so wie zur Zeit seiner „Anfälle" Congestionen verspürt. Wie nun ein Mann in den Abort eingetreten sei und sein Glied entblösst hätte, sei er auch in das Cabinet getreten und habe ihn onanirt. Die Thür sei halb offen gewesen, und der Schein der Laterne sei in den Abort hereingefallen. Er habe nichts gesprochen, ebenso auch der ihm unbekannt gewesene Mann, der willenlos alles mit sich geschehen habe lassen.

Er habe das Glied des Mannes gewiss nicht in den Mund genommen, da er dies überhaupt noch nie gethan habe. Er habe sich nur so herabgebeugt, und deswegen dürfte vielleicht der Mann geglaubt haben, dass er an dem beinahe schon ganz steif gewordenen Penis gesaugt habe. (?)

Während er mit dem Manne spielte, was nur ganz kurz währte, hörte er auf einmal die Schritte der Patrouille, weshalb er sich aufrichtete und sofort die Wachleute erkannte. Er wollte daher entfliehen, sei jedoch gleich angehalten worden. Gezahlt habe er nie jemandem etwas, und er habe nur im September und December v. J. sich in ähnlicher Weise vergangen.

Mit ca. 18 Jahren habe er, von seinem Zimmercollegen verführt, zu onaniren begonnen, und seitdem betreibe er auch gegenseitige Masturbation.

Er sei später auch einige Male in Bordelle gegangen, allein sein Glied sei nicht steif geworden. Er sei überhaupt nicht sehr erregter Natur und habe nur selten onanirt, gewöhnlich bloss einmal im Monat; später habe er nur immer alle 4 bis 5 Monate einen auffallenden Drang bekommen. Er habe dabei Congestionen verspürt, es habe ihn nicht mehr zu Hause gelitten, und er musste dann geschlechtliche Befriedigung suchen. Der Drang habe gewöhnlich nur einen halben bis zu einem ganzen Tag gedauert. Bewusstlos oder in einem Zustand, dass er nachträglich nicht gewusst hätte, was vorgefallen sei, sei er nie gewesen.

Im Juni vorigen Jahres bemerkte er plötzlich, dass er mit seinem linken Auge nichts sehe. Er sei daher ganz bestürzt nach Hause geeilt und habe kalte Umschläge genommen. Tags darauf sei die Pupille wieder enger geworden, und er habe wieder gesehen.

Anfälle von Congestionen, Schwindelgefühl, Sausen in den Ohren, Eingenommenheit des Kopfes etc. wären öfters aufgetreten, allein halb


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Bekanntlich prägt sich aber gar manches, was von Jugend auf geübt wird und der Entwickelung eine bestimmte Richtung giebt, am Menschen aus und verleiht ihm mitunter einen gewissen Typus. Verfolgt man uun den Lebenslauf solcher Personen, so erfährt man wohl häufig wie die verschiedensten äusseren und inneren Verhältnisse, Erziehung, Umgang, Verführung etc. zusammen gewirkt haben und wie willkürlich es wäre, dabei angeborene Organisation annehmen zu wollen. Ebenso dürfte es wohl auch bei den Homosexuellen der Fall sein und die Anschauung der Franzosen, dass bei solchen Kindern eine verständige Erziehung die fehlerhafte Richtung oft noch zu corrigiren im stande sei, scheint volle Berechtigung zu haben.

Wenn es demnach auch nicht erwiesen werden kann, dass homosexuelle Empfindung angeboren und organisch bedingt sei, so fragt es sich weiter, ob vielleicht diese abnormen Dränge unbezähmbar, oder doch heftiger als die natürlichen Geschlechtstriebe seien und ob die Unterdrückung derselben event. mit einer Schädigung der Gesundheit verbunden sei.

In dieser Richtung braucht man aber nur einen Blick auf unzählige Männer und Frauen zu werfen, die thatsächlich eines jeden geschlechtlichen Verkehrs entbehren, trotzdem aber nicht im mindesten leistungsunfähig, krank oder gar siech erscheinen.

Wie viele Ehemänner, deren Frauen krank geworden sind, Seeleute, Junggesellen, Jungfrauen, Geistliche und dergleichen mehr, sind genöthigt, Abstinenz zu halten, werden aber deswegen sicherlich nicht, weder zum Selbstmorde, noch auch zum Verbrechen getrieben, sondern erfüllen ganz unbeirrt in Ehren ihre Aufgabe.

Dem Heterosexuellen wird sogar oft auch durch die Natur, äussere Verhältnisse, oder durch das Gesetz die Befriedigung seiner Lüste verboten, wie z. B. wenn die blinde Leidenschaft nur auf ein unerreichbares Object gerichtet ist, die socialen Missstände jede Verbindung unmöglich machen, ansteckende Krankheiten, Missbildungen, Verletzungen bestehen u. s. f.; allein 'deswegen erscheint derselbe keineswegs verloren, sondern wird, wenn er eben Charakter und ein Gefühl für Ehre und Anstand besitzt, sich, wenn auch vielleicht mit schweren Kämpfen, den Verhältnissen anschmiegen, seinen Trieb bemeistern, nach Höherem streben und ein nützliches Glied der Gesellschaft bleiben.

Dass die Lust zu zähmen ist, beweisen doch die zahllosen Fälle, Archiv für Kriminalanthropologie. II.

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wo selbst noch im Orgasmus, um Folgen zu vermeiden, der Coitus unterbrochen wird.

So erscheint es auch für den Homosexuellen ganz gut möglich, sich von seinem unnatürlichen Triebe zu emancipiren und sein Leben einer besseren Aufgabe dienstbar zu machen.

Es erscheint somit auch die Anschauung, dass dieser conträre Trieb abnorm mächtig und daher nicht bezähmbar und die Unterdrückung gesundheitsgefährlich sei, nicht nur fraglich, sondern auch durch nichts sicher gestellt und die Urninge beweisen durch ihre Vorsichtsmaassregeln bei Befriedigung ihrer Lüste, sowie durch die klare Erinnerung an ihre Orgien nur zu verlässlich, dass sie die Strafbarkeit ihrer Excesse stets genau erkennen und dabei ihrer Sinne vollkommen mächtig verbleiben.

Nach dieser Darlegung der so viel umstrittenen Frage genügen für die Besprechung des concreten Falles nur wenige Worte. Bei H. X. ist weder eine Geistes- noch Nervenkrankheit nachweisbar und ebenso kann auch bei ihm von einer hereditären Belastung, sowie von einer angeborenen oder erworbenen Degeneration nicht gesprochen werden.

Die Annahme, dass vielleicht die Vorboten eines derzeit noch nicht nachweisbaren constitutionellen Leidens das incriminirte Delict veranlasst hätten, ist nicht haltbar, weil die Verübung solcher Excesse eingestandener Maassen schon seit Jahren stattfindet.

Bei dem Beschuldigten besteht aber auch weder eine vollkommen ausgesprochene Ilomosexualität noch auch eine übermächtige Geschlechtslust, weil einerseits die Zeichen der Effemination nur wenig

, entwickelt sind und anderseits der conträre Trieb erst spät, sowie nur selten, bloss auf kurze Zeit zu Tage tritt.

Erwägt man endlich noch, dass er am kritischen Abend bis 8 Uhr im Kneippvereine ordinirte, keine Alkoholika zu sich nahm, zu Hause die zu solchen Abenteuer bestimmten Kleider anzog, einen falschen Bart bei sich trug, während des Actes gleich die Tritte der Polizeipatrouille erkannte, nach derselben sofort ausblickte, noch vor dem Orgasmus abliess, seine Kleider in Ordnung brachte und entfliehen wollte, so kann weder ein unwiderstehlicher Zwang noch auch mit Rücksicht auf das stets ungetrübte Bewusstsein und die daher lückenlos erhalten gebliebene Erinnerung eine Sinnesverwirrung behauptet werden.

Nachtrag: H. X. sowie sein Opfer wurden mit je 6 Monaten Kerker bestraft.


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welche Scheibe 96 cm lang und 61 cm hoch (also querliegend) ist, zeigte nun beiläufig in der Mitte, durch ihre ganze Höhe laufend, einen sehr schwach S förmig gebogenen Sprung, von welchem im oberen Drittel nach links und aufwärts ein schwach bogenförmiger, 21 cın langer und den Glasrand nicht erreichender Sprung abzweigt. Dort, wo die zwei Sprünge zusammenkommen, also an der Angriffsstelle, ist eine unregelmässig trichterförmige Vertiefung im Glase wahrzunehmen, so zwar, dass die Spitze des Trichters die äussere Fläche der Scheibe berührt, während die Oeffnung des Trichters in der Ebene der inneren Fläche der Scheibe gelegen ist. Dort, wo die Spitze des Trichters die äussere Seite der Glasscheibe berührt, befindet sich ein stark hirsekorngrosses Loch, so dass also dort Luft eindringt. Zwischen den beiden Fenstern fand man die in der Scheibe (im Trichter) fehlende Glassubstanz, in einem einzigen Stück, sonstige Splitter sind nicht vorhanden; dieses Stück passt vollkommen genau in die trichterförmige Oeffnung und hat also ziemlich regelmässiy kegelförmige Gestalt; die Basis dieses Kegels (also innere Fläche der Scheibe) misst 12 mm, die Höhe des Kegels wird durch die Dicke der Scheibe gegeben, beträgt also 6 mm.

Das Bild der ganzen Beschädigung ist somit genau ein solches, wie es sich bei Anwendung einer sehr kräftigen und sehr kurz wirkenden Gewalt darzubieten pflegt. Ich hätte also geschlossen, dass entweder ein einzelnes kleines, aus unmittelbarer Nähe abgeschossenes Schrotkorn die Ursache des Schadens war, oder dass mit einem sehr spitzen harten Gegenstande, etwa einem spitzen, starken Messer ein kräftiger, kurzer und rascher Stoss gegen die äussere Fläche der Scheibe geführt wurde. Am meisten befriedigt hätte mich die Vorstellung, dass man an der Aussenseite ein spitzes Eisen, etwa eine Ahle, angesetzt und auf diese mit einem Hammer einen heftigen Schlag geführt hätte.

In Wirklichkeit war die Sache aber ganz anders: ein Student hatte den am betreffenden Fenster Sitzenden aufmerksam machen wollen, und hatte, im Vertrauen auf die ihm bekannte Dicke der Glasplatten, ein Steinchen hinaufgeworfen. Dieses war ein vollkommen runder Bachkiesel (andere Steinchen waren überhaupt nicht zur Verfügung), etwa von der Grösse einer halben Haselnuss, und wurde ganz leicht geworfen; dass das Steinchen nicht scharf geflogen kam, beweist schon der Umstand, dass das fragliche Fenster, wie erwähnt, im zweiten Stocke liegt.

Da es nun doch unwalurscheinlich schien, dass mit diesem Steinchen ein so scharfer Erfolg erzielt wurde, und da die Scheibe nun doch schon caput war, so wurde der Wurf (in meiner Gegenwart) wiederholt; geworfen hat derselbe Student, der auch einen möglichst ähnlichen Stein aussuchte; die Stärke des Wurfes war eine ähnliche, und getroffen wurde dieselbe Scheibe (nur etwas rechts von der ersten Angriffsstelle): der Erfolg war ein überraschend ähnlicher: derselbe Sprung, derselbe Substanzverlust, der genau gleiche herausgesprengte Kegel. Ueber die Entstehung kann also nicht der mindeste Zweifel herrschen, trotzdem kaum jemand diese Entstehungsart angenommen hätte, und so bleibt uns in der Praxis nichts anderes übrig, als gegebenen Falles durch Versuche mit möglichst gleichen Mitteln wenigstens einen Anhaltspunkt für die Entstehungsfrage zu gewinnen.

Dr. H. Gross.