Wo hat helmut kohl gewohnt

Wo hat helmut kohl gewohnt

Helmut Kohl 1985

Foto: Bundesregierung/Schaack

Helmut Kohl, CDU, war 16 Jahre Bundeskanzler der Bundesrepublik. Vielen Menschen ist er als "Kanzler der Einheit" in Erinnerung geblieben, weil es während seiner Amtszeit zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten kam.

Helmut Kohl kam 1982 durch ein konstruktives Misstrauensvotum an die Regierung. Die Koalition zwischen FDP und SPD war auseinander gefallen, und die Abgeordneten der FDP wählten gemeinsam mit denen von CDU und CSU Helmut Kohl zum Bundeskanzler. Es war der erste Regierungs- und Kanzlerwechsel in der Geschichte der Bundesrepublik, der nicht aufgrund von Bundestagswahlen zustande kam.

Bei der vorgezogenen Bundestagswahl im März 1983 bestätigten die Wählerinnen und Wähler die Koalition aus CDU/CSU und FDP. Seit dieser Bundestagswahl sind im Bundestag auch die Grünen vertreten.

In den ersten Regierungsjahren sorgte Helmut Kohls Regierung mit einer Steuerreform dafür, dass den Bürgern wieder mehr Geld in der Tasche blieb.

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Kohl und US-Präsident Bill Clinton

Foto: Bundesregierung/Fassbender

Gleichzeitig verringerte sie die Schulden des Staates. Das trug zu einem kräftigen wirtschaftlichen Aufschwung bei. Diese stabile wirtschaftliche Basis erleichterte es ab 1989, die gewaltige Leistung des Aufbaus Ost anzugehen.

Die Einführung des Erziehungsurlaubs sowie des Kinder- und Jugendhilfegesetzes setzten wichtige Akzente für Familien. 1994 führte die Regierung Kohl die Pflegeversicherung ein: Pflegebedürftige und ihre Angehörigen erhalten seither finanzielle Unterstützung.

Außenpolitisch setzte Kohl in den 80er Jahren die Entspannungspolitik mit dem Ostblock fort und vertiefte die transatlantischen Beziehungen.

Deutsche Einheit

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Mauerfall 1989

Foto: Bundesregierung/Specht

In der Sowjetunion leitete der neue Generalsekretär der kommunistischen Partei, Michail Gorbatschow, eine Reformpolitik ein. Sie ging mit den Stichworten "Glasnost" (Offenheit) und "Perestroika" (Erneuerung) in die Geschichte ein. Auch in der DDR forderten die Menschen bald darauf in Massendemonstrationen mehr Freiheiten. Diese hielten sogar an, nachdem die DDR-Führung am 9. November 1989 nach 28 Jahren die Grenzen geöffnet hatte.

Der Ruf nach einem vereinigten Deutschland wurde immer lauter. So ergab sich die historische Chance zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands. Kohl ergriff sie. Er legte dem Bundestag einen Zehn-Punkte-Plan vor, der über verschiedene Stufen auf eine Einheit Deutschlands zielte.

Im Ausland löste die anstehende rasche Vereinigung bei einigen Nachbarstaaten zwiespältige Reaktionen aus. Doch Kohl machte klar, dass für ihn ein vereintes Deutschland nur fest in der Europäischen Union verankert sein konnte. Für ihn waren die deutsche Einheit und die europäische Einigung untrennbar miteinander verbunden.

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Kohl wirbt im Kaukasus für die Einheit

Foto: Bundesregierung/Pfeil

Kohl wirkte im Kreise der westlichen Verbündeten wie auch gegenüber der damaligen Sowjetunion nachdrücklich für eine zügige Wiedervereinigung.

So traf er sich mit Gorbatschow im Juli 1990 zu entscheidenden Gesprächen. Überdies sorgte er mit seiner Politik dafür, dass auch die kleineren östlichen Nachbarstaaten wie Polen und Tschechien Vertrauen zum zusammenwachsenden und damit größer werdenden Deutschland fanden.

Am 3. Oktober 1990 kam es zur Vereinigung der beiden Teile Deutschlands. Die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion ermöglichte, dass auch die Menschen in der bisherigen DDR am erfolgreichen Modell der sozialen Marktwirtschaft teilhaben konnten. Mit dem "Solidarpakt" finanzieren die Bürgerinnen und Bürger seither, dass sich die Lebensverhältnisse in den ostdeutschen Bundesländern denen im Westen mehr und mehr angleichen.

Europäische Union

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Kohl während einer Pressekonferenz

Foto: Bundesregierung

Dass sich die Deutschen nach über 40-jähriger Teilung mit Zustimmung aller außenpolitischer Partner und Verbündeten in Frieden und Freiheit vereinen konnten, machte Kohl zum "Kanzler der Einheit".

In den 90er Jahren setzte sich Helmut Kohl dafür ein, die Europäische Union zu erweitern und zu vertiefen. Seine Verdienste um Europa und seine Rolle als einer der "Väter" des Euro, der gemeinsamen europäischen Währung, brachten Kohl die Auszeichnung als "Ehrenbürger Europas" ein.

Die Bundestagswahlen im September 1998 gewinnen SPD und Grüne. Nach 16 Jahren geht die Kanzlerschaft Helmut Kohls zu Ende. Er ist damit der Bundeskanzler mit der längsten Amtszeit. Etwas mehr als drei Jahre später, am 1. Januar 2002, wird der Euro als Bargeld eingeführt.

Robert (90) und Marion (88) Zinser wohnen im Haus Marbacher Straße 7 in Ludwigshafen-Oggersheim. Zwei Häuser nebenan, in der Nummer 11, lebte Helmut Kohl. Der nun verstorbene Altkanzler war seit mehr als 45 Jahren vor allem Nachbar für das Ehepaar Zinser.

Am Tag nach seinem Tod liegen mehrere Zeitungen auf dem Balkontisch der Zinsers, alle haben ein Schwarz-Weiß-Porträt des berühmten Oggersheimers auf der Titelseite. Im Interview mit FOCUS Online sprechen die Zinsers über Helmut Kohl, über guten Wein und über Nachbarschaft.

FOCUS Online: Frau Zinser, Herr Zinser, Helmut Kohl ist tot. Was bedeutet das für Sie?

Robert Zinser: Wir haben unseren besten Nachbarn verloren. Ich kannte keinen aus der Straße so gut wie ihn.

Marion Zinser: Die Nachricht seines Todes hat mich wirklich ergriffen. Wir haben die Zeit mit ihm als Nachbarn genossen. Es war einfach toll, die Weltgeschichte hier miterleben zu dürfen.

FOCUS Online: Erinnern Sie sich noch an die erste Begegnung mit ihm?

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Robert Zinser: Es war 1971. Wir lebten schon ein Jahr hier, er war gerade eingezogen. An einem Sonntag, es muss im Sommer gewesen sein, klingelte um 10 Uhr das Telefon. Es war Helmut Kohl. Er sagte: „Hallo Herr Zinser, Helmut Kohl hier. Wir sind die neuen Nachbarn, wir wollen uns gerne vorstellen.“ Und dann kamen er und seine Frau Hannelore zu uns und blieben zwei Stunden. Irgendwann sagte Hannelore Kohl: „Helmut, die Zinsers wollen jetzt zu Mittag essen, wir müssen gehen.“

FOCUS Online: Kohl war damals Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Wie fühlten Sie sich bei dem Besuch?

Marion Zinser: Natürlich fühlten wir uns geehrt, aber mir war das Amt nicht so wichtig. Es war einfach ein nettes nachbarschaftliches Gespräch.

Robert Zinser: Es war locker, zwangslos, als ob man sich schon lang kennt. Er hat sich erkundigt, was ich beruflich mache. Ich kannte seine Frau vom Sehen her, da sie wie ich auch bei der BASF arbeitete. Eine hübsche Frau.

Helmut Kohl, der Kanzler der Einheit

Im PDF gedenkt unsere Politik-Redaktion des Altkanzlers und zeigt die wichtigsten Stationen seines Lebens mit informativen Texten und packenden Bildern. 

FOCUS Online: Wie entwickelte sich ihr Verhältnis?

Robert Zinser: Zwei-, dreimal im Jahr rief er an und sagte: „Herr Nachbar, was machen Sie gerade? Kommen Sie mal rüber.“ Ein Gespräch mit Helmut Kohl müssen Sie sich so vorstellen: Sie selber sagen nicht so viel (grinst). Man musste nur zuhören, er war ein Mann, der viel zu erzählen hatte. Und er hatte wirklich guten Wein.

Marion Zinser: Ich habe öfter mit Hannelore Kohl gesprochen, wir haben uns zufällig beim Einkaufen in Mannheim getroffen oder auf der Straße. Bis er Bundeskanzler wurde, wirkte sie wie eine wirklich glückliche Frau, aufgeweckt, zufrieden.

FOCUS Online: Und als er Bundeskanzler war?

Marion Zinser: Sie hat mich in dieser Zeit mal eines Tages angerufen und sagte: „Frau Zinser, ich habe einige Kleider, die ich nicht mehr anziehe. Ich würde Ihnen gerne welche schenken.“ Ich war dann zum einzigen Mal bei den Kohls. Die Einrichtung, sehr rustikal, gefiel mir sehr. Hannelore zeigte mir die Kleider, ein paar Blusen. Sie passten mir aber nicht und außerdem hätte ich mich geniert, sie zu tragen. Dann spielte sie mir auf dem Klavier vor und wir kamen ins Quatschen. Da klagte sie über die ständige Beobachtung, das Rampenlicht. Das sei furchtbar, sagte sie. Sie wirkte nicht mehr glücklich.

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FOCUS Online: Wie haben Sie seine Amtszeit als Bundeskanzler erlebt?

Marion Zinser: Das hat hier in der Straße schon einiges verändert. Es gab fortan ein Parkverbot vor seinem Haus, neben den Kohls wurde eine Polizeiwache gebaut. Wir haben uns gefreut. „Ab jetzt sind wir absolut sicher“, dachte ich mir. „In diese Straße traut sich kein Einbrecher mehr.“

FOCUS Online: Kohl hat einige Staatsgäste zu sich nach Hause eingeladen. Wurde das für Sie mal zu einer Belastung?

Marion Zinser: Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Das war großartig. Die ganze Straße war abgesperrt, niemand durfte rein. Wir schon. Wir waren ganz nah dran, haben die großen Menschen der Welt, ob sie nun Bush oder Gorbatschow hießen, aus wenigen Metern erlebt. Wir haben gewunken, geklatscht und es genossen.

Robert Zinser: Ich habe ihn beruflich drei Mal zufällig in Asien getroffen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir eine Begegnung in Delhi in Indien. Ich stand rund 20 Meter von ihm entfernt, er war umringt von Menschen. Er war aber ein großer Mann und erkannte mich über diese Distanz. Er bahnte sich seinen Weg auf mich zu und sagte scherzhaft: „Herr Zinser, begrüßen Sie denn nicht mal Ihren Nachbarn?“

Hannelore kam auch dazu, beide fragten mich, wie es unseren Kindern geht, wie es meiner Frau geht. Es war ein nachbarschaftliches Gespräch, wie es nachbarschaftlicher nicht mehr geht, mitten in Asien. Irgendwann kam dann aber einer seiner Mitarbeiter und sagte: „Herr Bundeskanzler, da wartet der und der, Sie müssen da jetzt wirklich hin.“

FOCUS Online: Es gab im Leben von Helmut Kohl auch weniger erfreuliche Momente. Den Suizid seiner Frau Hannelore, die Diskussionen um seine zweite Frau Maike. Wie haben Sie das erlebt?

Marion Zinser: Der Selbstmord von Hannelore Kohl war ein großes Thema in der Nachbarschaft, alle fanden wir es furchtbar. Ich habe mir den Kopf zerbrochen, warum sie dies getan hat. Ich weiß nur, dass sie sehr unter der Beobachtung gelitten hat.

FOCUS Online: Und wie haben Sie Maike Kohl-Richter wahrgenommen?

Marion Zinser: Ich finde, sie ist eine großartige Frau. Ich habe ein paar Mal mit ihr gesprochen, sie mal beim Joggen getroffen. Sie war herzlich, liebenswürdig. Sie ist eine andere Frau als Hannelore, die war eckiger, kantiger. Maike war genau die richtige Frau für Helmut Kohl in seiner Situation. Wie gut sie ihm tat, sieht man doch auf den Bildern. Er wirkte mit ihr weicher als früher. Und sie hat ja nicht viel von ihm als gesunden Mann gehabt. Auch deshalb bewundere ich sie.

FOCUS Online: Wie behalten Sie ihn in Erinnerung?

Robert Zinser: Er war ein Mensch. Er machte keinen Unterschied zwischen oben und unten. Er schaffte zwischen sich und den Menschen ein gutes Klima, wie es nur wenige können. Wir haben diesem Mann viel zu verdanken, als Deutsche. Ich werde jetzt feierlich, aber der Tod dieses Mannes geht mir unter die Haut. Er konnte auch als Staatsmann wie ein Kumpel wirken.

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