Wie entstehen Behinderungen in der Schwangerschaft

Die Diagnose einer Fehlentwicklung, Erkrankung oder Behinderung ist für junge Eltern meist ein Schock. Eltern, die während der Schwangerschaft erfahren, dass ihr Kind nicht gesund ist, müssen sich oft mit der Möglichkeit eines vorzeitigen Schwangerschaftsabbruchs auseinandersetzen. Die meisten Behinderungen entstehen aber durch Komplikationen während oder nach der Geburt.

Pränatale Diagnostik

Gibt es Erbkrankheiten in der Familie oder ist die Frau älter als 35 Jahre, werden meist Untersuchungen angeboten, die über die regulären Vorsorgeuntersuchungen hinausgehen. Doch auch wenn dabei eine mögliche Fehlentwicklung diagnostiziert wird: Eine Therapie während der Schwangerschaft ist nur selten möglich. Kommt ein Schwangerschaftsabbruch ohnehin nicht in Frage, machen erweiterte Untersuchungen wie zum Beispiel der Tripletest oder eine Fruchtwasseruntersuchung keinen Sinn.

Kontakt zu anderen Familien

Niemand kann wissen, wie sich ein behindertes oder krankes Kind später noch entwickelt. Es könnte sein, dass die ärztliche Einschätzung zu negativ ist. Auch gibt es inzwischen viele therapeutische und pädagogische Möglichkeiten, die eine Behinderung kompensieren können. Durch den Kontakt zu anderen Betroffenen können Unsicherheiten abgebaut werden.

Hilfeleistungen

Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung können diverse medizinische und finanzielle Leistungen in Anspruch nehmen. Dazu gehören Frühförderung, medizinische Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und an der Gemeinschaft. Außerdem gibt es Unterstützung bei der Schulausbildung.

Persönliches Budget

Eltern können für ihre Kinder ein Persönliches Budget beantragen, auf das alle behinderten oder chronisch kranken Menschen Anspruch haben. Die Eltern können dann selbst entscheiden, ob sie das Geld für Sozialassistenz, Einzelfall- oder Ferienbetreuung oder betreutes Wohnen verwenden. Die Höhe richtet sich nach dem individuellen Bedarf. Träger sind zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeit und Kranken- und Rentenversicherungen.

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Schwangere sollten sich nicht stressen lassen

Sonntag, 29.03.2015 | 14:03

Oft stockt den Eltern der Atem, wenn ihr Arzt von einer auffälligen Nackentransparenz spricht. "Es kommen aber die allermeisten der Föten mit auffälliger Transparenz letztlich ohne Auffälligkeiten zur Welt", erklärt Ute Germer, Leiterin des Zentrums für Pränatalmedizin der Universität Regensburg. Daher wird zur Absicherung eines auffälligen Befunds oft eine invasive Untersuchung empfohlen: eine Plazenta- (Chorionzottenbiopsie) oder Fruchtwasser-Punktion (Amniozentese). Die entnommenen Gewebeproben enthalten Erbmaterial des Kindes, das sich im Labor auf Abweichungen der Chromosomen testen lässt.

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Fruchtwasseruntersuchung kann Ungeborenes schädigen

Mit dem Erst-Trimester-Screening habe die invasive Diagnostik deutlich abgenommen, sagt Germer. "Im Jahr 2000 wurde noch bei zehn Prozent der Schwangeren eine Amniozentese gemacht, inzwischen sind es unter fünf Prozent, obwohl die Rate älterer Schwangerer massiv zugenommen hat."

Damit rettet das Screening wohl so manches Leben: Etwa einer von 200 Föten überlebt eine Punktion nicht.

Das Erst-Trimester-Screening ist keine Vorsorge

Auch die möglichen Folgen des Erst-Trimester-Screenings machten sich Frauen oft nicht bewusst, erklärt Angelika Wolff vom Zentrum Familie, Bildung und Engagement der Diakonie Deutschland. "Und es ist nicht unbedingt die Überzeugung des Berufsstandes Arzt, in der Beratung auch darauf einzugehen, dass man die Wahl hat, dass es ein Recht auf Nichtwissen gibt, dass Diagnostik Unsicherheiten verstärken kann, statt sie zu lösen."

Das Gefühl der Schwangeren sei: "Das ist nicht invasiv, das kann man ja machen", sagt auch Hebamme Angelica Ensel. "Das Screening wird als Vorsorge empfunden - was es nicht ist."

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Ergebe sich eine Auffälligkeit, seien die Frauen meist so verunsichert und beunruhigt, dass sie aus dem Diagnostik-Karussell nicht mehr aussteigen könnten, so Wolff.

Es sei paradox: Die Kinder- und Müttersterblichkeit sei so gering wie nie, eine Schwangerschaft aber werde in der modernen Gesellschaft als etwas sehr Unsicheres empfunden. "Es ist absolut schwer geworden, einfach guter Hoffnung zu sein", betont auch Ensel.

Medizinische Beratung mit Profitgedanken?

Familien sollten sich auch klar machen, dass mit den Analysen viel Geld verdient werde, sagt sie. "Da kann es Profitdenken geben und unethischen Umgang mit Igelleistungen wie in anderen medizinischen Bereichen auch." Auch Regressangst spiele eine Rolle, ergänzt Wolff. "Es hat schon solche Klagen gegeben: Uns wurde zugemutet, so ein Kind zu bekommen, weil wir schlecht informiert wurden."

Zusatzuntersuchungen stressen

Für das Wohlbefinden der Frauen sind die vielen möglichen Zusatzuntersuchungen nach Ensels Ansicht keineswegs immer von Vorteil. "Die Schwangere gerät unter Stress, das gute Gefühl für sich selbst geht verloren, die Beziehung zum Kind wird gestört."

Viele Probleme lassen sich heute beheben

Seien Probleme früh bekannt, könne in vielen Fällen früh reagiert werden, betonen Mediziner. Beim Ultraschall lasse sich zum Beispiel eine verdickte Blase des Kindes erkennen und dann punktieren, erklärt Schild.

Bei einem Herzfehler könne eine passende Klinik für die Geburt ausgewählt und dann direkt der Kinderkardiologe konsultiert werden.

Eltern von einem geistig behinderten Kind haben also in vielen Fällen kein wesentlich erhöhtes Risiko, dass auch ihr nächstes Kind mit einer geistigen Behinderung geboren wird.

Genetische Faktoren wurden als Ursache für geistige Behinderungen lange Zeit unterschätzt. „Vielmehr glaubte man, dass Entwicklungsverzögerungen und geistige Behinderungen durch ein Fehlverhalten der Mütter während der Schwangerschaft, durch Infektionskrankheiten oder Geburtsfehler ausgelöst werden. Tatsächlich spielen die Gene bei der Entstehung einer mentalen Retardierung aber eine wesentliche Rolle“, sagt Prof. Dr. André Reis vom Humangenetischen Institut in Erlangen. Für Betroffene und ihre Angehörigen ist die Frage, ob die Veranlagung für eine geistige Behinderung in der Familie liegt, von großer Bedeutung. „Viele Eltern von geistig behinderten Kindern verzichten auf weitere Kinder, weil sie besorgt sind, einen Gendefekt weiterzuvererben“, so Professor Reis. „Hier können wir in vielen Fällen Entwarnung geben.“ Denn Wissenschaftler des Netzwerks Mentale Retardierung haben mehr als 2.200 Patienten mit geistiger Behinderung und deren Familien genetisch untersucht. Sie konnten unterschiedliche Mutationen identifizieren, die die Hirnfunktion beeinträchtigen und so die Behinderung auslösen, aber nicht von den Eltern an die Kinder vererbt wurden. „Bei einem viel größeren Anteil der Patienten als bisher gedacht treten diese Mutationen neu, also spontan auf.“ Solche Neu-Mutationen entstehen nach der Befruchtung der Eizelle und sind nicht im Erbgut von Mutter oder Vater verankert. „In diesen Fällen können wir den Eltern nun sagen, dass sie kein wesentlich höheres Risiko für geistige Behinderungen in der Familiehaben als alle anderen Eltern“, erklärt Dr. Sabine Endele, Projektmanagerin des Netzwerks Mentale Retardierung, das sich mit der Aufklärung genetischer Ursachen der mentalen Retardierung beschäftigt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes NGFN-Plus im Programm der Medizinischen Genomforschung gefördert wird.

Mutationen verändern Stromfluss im Gehirn

Ganz unterschiedliche Mutationen können eine mentale Retardierung verursachen. „So gibt es zum Beispiel Defekte, die ganze Chromosomenabschnitte betreffen, oder auch solche, bei denen nur ein einzelnes Gen verändert ist“, beschreibt Professor Reis. Den meisten Mutationen ist gemeinsam, dass sie die molekulare Signalübertragung zwischen den Nervenzellen verändern. Die Forscherinnen und Forscher des Netzwerks Mentale Retardierung haben beispielsweise bei Patienten Mutationen in Genen gefunden, die für bestimmte Ionenkanäle im Gehirn kodieren. „Ist etwa das Gen GRIN2B mutiert, das die Information für einen durch Neurotransmitter regulierten Ionenkanal, den NMDA-Rezeptor, trägt, verändert sich die Leitfähigkeit des Ionenkanals“, sagt Dr. Endele. Elektrische Impulse können im Gehirn dann nicht mehr korrekt übertragen werden und als Folge ist die Gehirnfunktion beeinträchtigt.

Hoffnung auf Therapien

„Auch wenn wir in den vergangenen Jahren rund zehn neue Gendefekte als Ursache für geistige Behinderung identifizieren konnten, kennen wir dennoch bei fast der Hälfte der Patienten die Ursache ihrer Behinderung nicht“, sagt Professor Reis. Neue Methoden der Genomforschung eröffnen den Forschern jedoch die Möglichkeit, die zugrundeliegenden genetischen Veränderungen nun systematischer, zuverlässiger und schneller als bisher zu untersuchen. Professor Reis: „Jede Mutation, die wir als Ursache für mentale Retardierung neu identifizieren, ist für die betroffenen Familien ein Hoffnungsschimmer. Denn je mehr wir über die molekularen Ursachen wissen, desto eher können auch mögliche Ansatzpunkte zur Therapie von genetisch bedingten Formen der mentalen Retardierung entwickelt werden.“ So wurden bereits Substanzen gegen die molekularen Ursachen des Fragilen-X-Syndroms entwickelt, eine der häufigsten Formen der genetisch bedingten mentalen Retardierung. Nach erfolgreicher Erprobung im Tierversuch werden die Substanzen derzeit in Therapiestudien mit Patienten untersucht. „Das gibt uns Anlass zur Hoffnung, dass medikamentöse Therapien auch für andere Formen der geistigen Behinderung möglich sein könnten“, so Professor Reis. Ohne genetische Forschung über viele Jahre zur Aufklärung der genetischen Ursache wäre dies nicht möglich.

Definition geistiger Behinderungen

Schätzungen zufolge leiden zwei bis drei Prozent der Bevölkerung unter einer leichten und bis zu 0,5 Prozent unter einer schweren Form der geistigen Behinderung. Eine geistige Behinderung ist gemäß der „American Association on Intellectual and Developmental Disabilities“ definiert als eine substanzielle Einschränkung kognitiver und sozialer Fähigkeiten mit Manifestation im Kindesalter. Mit ihr verbunden sind eine bleibende eingeschränkte Fähigkeit, neue oder komplexe Informationen zu verstehen, ein vermindertes Lernvermögen sowie eine eingeschränkte Selbstständigkeit. In schweren Fällen geistiger Behinderung sind die Patienten komplett pflegebedürftig und können kaum mit ihren Mitmenschen kommunizieren. Durch Bestimmung des Intelligenzquotienten (IQ) kann der Grad der Einschränkung gemessen werden. Experten sprechen bei einem IQ von 70 bis 85 von einer Lernbehinderung, bei einem IQ von unter 70 von einer leichten Intelligenzminderung und ab einem IQ von unter 50 von einer mittleren bis schweren geistigen Behinderung. Ansprechpartner:
Prof. Dr. André Reis Humangenetisches Institut Universitätsklinikum Erlangen Schwabachanlage 10 91054 Erlangen Tel.: 09131 85–22020 Fax: 09131 85–23232

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