Wie finde ich heraus ob ich eine Persönlichkeitsstörung habe?

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Die multiple Persönlichkeitsstörung (dissoziative Identitätsstörung) ist die schwerste Form einer dissoziativen Störung. Sie entsteht oft aufgrund schwerer traumatischer Erfahrungen im Kindesalter, bei denen sich die Persönlichkeit aufspaltet. Die verschiedenen Anteile der Persönlichkeit existieren nebeneinander und wechseln einander ab. In der Regel wissen sie nichts voneinander, haben unterschiedliche Charaktere, Vorlieben, Fähigkeiten und Erinnerungen. Lesen Sie hier mehr über die multiple Persönlichkeitsstörung!

Artikelübersicht

Multiple Persönlichkeitsstörung

  • Ursachen und Risikofaktoren

  • Untersuchungen und Diagnose

  • Krankheitsverlauf und Prognose

Die multiple Persönlichkeitsstörung wird von Fachleuten heute als dissoziative Identitätsstörung bezeichnet. Denn streng genommen handelt es sich nicht um eine echte Persönlichkeitsstörung. Kennzeichen der multiplen Persönlichkeitsstörung ist, dass die verschiedenen Persönlichkeitsanteile einer Person voneinander getrennt zum Vorschein kommen, ohne das diese gestört sein müssen.

Die verscheiden Persönlichkeitsanteile (auch "andere Personen", Selbstzustände oder Identitäten genannt) unterscheiden sich meist stark voneinander und treten auch nie zur gleichen Zeit auf. Der Betroffene hat zum Beispiel eine ausgeglichene und freundliche Persönlichkeit  sowie eine weitere, die aufbrausend und leicht reizbar ist. Je nachdem, welche Persönlichkeit gerade im Vordergrund steht, ist es möglich, dass die Person ein unterschiedliches Alter und sogar ein anderes Geschlecht für sich reklamiert.

Häufig haben die Betroffenen einen Persönlichkeitsanteil entwickelt, der von seiner Entwicklung her im Kindesalter stehen geblieben ist. Dieser Persönlichkeitsanteil ist dann in seinen geistigen und körperlichen Fähigkeiten auf dem Stand eines Kindes. Das kann beispielsweise bedeuten, dass die Person in diesem Zustand weder schreiben noch lesen kann.

Es können nicht nur zwei, sondern auch deutlich mehr Persönlichkeiten vorhanden sein, wobei in der Regel eine davon die Hauptrolle übernimmt. Meistens wissen die Betroffenen nichts von ihren verschiedenen Persönlichkeiten. Befinden sie sich gerade in einem bestimmten Zustand, können sie sich nicht daran erinnern, was die jeweils anderen Persönlichkeiten gesagt oder getan haben, und umgekehrt.

Die multiple Persönlichkeitsstörung tritt bei etwa 1,5 Prozent der Bevölkerung auf. Frauen und Männer sind fast gleich häufig davon betroffen.

Wie finde ich heraus ob ich eine Persönlichkeitsstörung habe?

Multiple Persönlichkeitsstörung: Psychotherapie

In der ersten Phase der Therapie stabilisiert der Therapeut den Patienten. Dieser soll sich sicher fühlen und Vertrauen aufbauen. Erst dann können traumatische Erlebnisse gemeinsam bearbeitet werden. Oft haben die Betroffenen ein verzerrtes Bild der traumatischen Ereignisse und glauben zum Beispiel, selbst an den Misshandlungen Schuld zu sein. Durch die Aufarbeitung des Traumas kann der Patient verstehen, was wirklich passiert ist.

Ziel der Therapie ist es, die verschiedenen Persönlichkeitsanteile zusammenzuführen. Eine vollständige Integration ist allerdings nicht immer möglich. Zum einen wissen die Patienten oft nichts von den Handlungen ihrer übrigen Persönlichkeitsanteile (Amnesien). Zum anderen wollen manche Betroffene nicht, dass die Persönlichkeitsanteile aufeinandertreffen. Sollte also eine vollständige Integration nicht gelingen, arbeitet der Therapeut daran, dass die verschiedenen Anteile miteinander kommunizieren.

Wenn der Patient alle inneren Anteile kennenlernt, erlangt er zunehmend ein Gefühl von Identität. Je besser die Persönlichkeitsanteile integriert sind, desto leichter fällt es dem Betroffenen, im Alltag zurechtzukommen.

Die Therapie einer multiplen Persönlichkeitsstörung (dissoziativen Identitätsstörung) zieht sich oft über mehrere Jahre hin. Trotz der Schwere der psychischen Störung, kann sie im Allgemeinen aber so erfolgreich behandelt werden, dass die Betroffenen ein weitgehend normales Leben führen können.

Multiple Persönlichkeitsstörung: Medikamente

Bisher gibt es keine Medikamente, die für die Behandlung der multiplen Persönlichkeitsstörung zugelassen sind. In manchen Fällen setzen Ärzte jedoch antipsychotische Medikamente (z.B. Risperidon) ein, um begleitende Schlaf- oder Angststörungen zu behandeln, oder selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (z.B. Fluoxetin) gegen depressive Symptome.

Wie finde ich heraus ob ich eine Persönlichkeitsstörung habe?

Wie finde ich heraus ob ich eine Persönlichkeitsstörung habe?

Eine multiple Persönlichkeitsstörung verläuft in der Regel chronisch. Je schwerer die Traumatisierung der Betroffenen ist, desto schwieriger ist eine Heilung. Oftmals geht die Krankheit mit weiteren psychischen Störungen einher, die eine Behandlung verkomplizieren. Fortschritte in den therapeutischen Behandlungsmethoden von traumatisierten Menschen haben jedoch die Prognose der multiplen Persönlichkeitsstörung(dissoziativen Identitätsstörung) in den letzten Jahren verbessert.  

Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Martina Feichter, Dr. med. Nina Buschek

ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.

  • Brunner, R. M.: Dissoziative und Konversionsstörungen, Springer Verlag, 1. Auflage, 2012
  • Dilling, H. & Freyberger, H.J.: Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, Hogrefe Verlag, 9. Auflage, 2019
  • Gast, U. et al.: Diagnostik und Therapie Dissoziativer (Identitäts-) Störungen in: Psychotherapeut 46.5 (2001): 289-300.
  • International society for the study of dissociation Deutsche Sektion e.V.: www.psychotraumatology-institute-europe.com (Abruf: 04.08.2021)
  • Schneider, F.: Klinikmanual Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Springer Verlag, 2. Auflage, 2016
  • Seidler, G. H. et al.: Handbuch der Psychotraumatologie, Klett-Cotta Verlag, 3. Auflage, 2019
  • Vorderholzer, U. & Hohagen, F.: Therapie psychischer Erkrankungen, Urban & Fischer (Elsevier) Verlag, 16. Auflage, 2021