Wie lange kann man Nebenwirkungen von der Pille danach haben?

Wie lange kann man Nebenwirkungen von der Pille danach haben?

Länder in Europa, in denen die „Pille danach“ ohne Rezept frei verkäuflich oder über die Apotheke zu erhalten ist: Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Island, Lettland, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, die Schweiz und die Slowakei. Foto: Superbild

Im Notdienst werden Ärzte der verschiedensten Fachrichtungen mit Fragen zur Notfall-Kontrazeption konfrontiert. Ein kurz gefasster Wegweiser In den letzten Jahren ist in Deutschland ein kontinuierlicher Rückgang der Schwangerschaftsabbrüche zu verzeichnen (2004: 129 650, 2005: 124 023 und 2006: 119 710). Bezogen auf 1 000 Frauen im gebärfähigen Alter von 15 bis 45 Jahren entspricht dies im Mittel 7,5 Abruptiones. Damit gehört Deutschland zu den Ländern mit der niedrigsten Schwangerschaftsabbruchquote (weltweit: 35, Osteuropa: 90). Trotz aller Bemühungen um eine regelmäßige Verhütung, gibt es immer wieder die Notwendigkeit einer Notfall-Kontrazeption, mit der (am Wochenende oder in der Nacht) auch Ärztinnen und Ärzte der verschiedensten Fachrichtungen konfrontiert werden. Nachfolgend eine Zusammenstellung der häufigsten Fragen.

Welchen Wirkstoff enthält die „Pille danach“?

Der aktuelle Goldstandard der Notfall-Kontrazeption ist die einmalige Gabe von 1,5 mg Levonorgestrel (LNG). Hierfür stehen derzeit Unofem® in beschriebener Einzeldosis und Levogynon® 750 µg in Form von zwei Tabletten zur Verfügung.

Mit welchen unerwünschten Wirkungen ist zu rechnen?


Von den wenigen relevanten Nebenwirkungen ist Übelkeit die häufigste; aber auf einem erheblich niedrigeren Niveau als bei bisherigen medikamentösen Methoden der Notfall-Kontrazeption (1, 2, 14). Erst bei mehrfacher Anwendung wird die Beeinflussung des Menstruationszyklus relevant. Durch falsche Aufklärung geraten Frauen jedoch in die Situation, mehr Angst vor den Nebenwirkungen der „Pille danach“ zu haben, als vor dem Risiko einer ungewollten Schwangerschaft.

Kommt die Nutzung der „Pille danach“ einer Abtreibung gleich?


Im Gegensatz zur „Spirale danach“ ist die „Pille danach“ kein Frühabortivum. Die Wirkung von LNG bei einmaliger Nutzung in der Notfallsituation beruht in einer Blockade beziehungsweise Verzögerung der Ovulation durch die Verhinderung oder Verzögerung des mittzyklischen Anstiegs des luteinisierenden Hormons (LH-Peak). Die „Pille danach“ wirkt nachweislich nicht auf Spermienfunktion, Oozytenreifung und Fertilisierung, Expression von Steroidrezeptoren, Endometriumreifung oder Implantation (7).

Wie lange wirkt die „Pille danach“?


Die kritische Phase, in der eine Befruchtung stattfinden kann, beginnt etwa sechs Tage vor und endet einen Tag nach dem Eisprung (3). Das Schwangerschaftsrisiko liegt circa drei Tage vor und am Tag des Eisprungs bei bis zu 30 Prozent. Allerdings: Der Eisprung lässt sich nicht exakt mit praktischen Mitteln feststellen. Und der weibliche Zyklus ist nicht selten unregelmäßig oder wird von den Frauen häufig nicht aufgezeichnet.

Die Wirksamkeit von LNG scheint umso besser zu sein, je zeitnaher es eingenommen wird (4). So kann und sollte die „Pille danach“ im gesamten Zyklus verwendet werden, obwohl die Effektivität des hormonellen Notfall-Kontrazeptivums vom Einnahmezeitpunkt im zeitlichen Zusammenhang zum LH-Peak innerhalb des Zyklus abhängt (12). Außerdem gilt neben der möglichst ereignisnahen Anwendung, dass das Wirkdauerfenster von LNG sich bis zu fünf Tagen erstreckt (13).

Trotz dieser Konstellation halten es acht Prozent der Ärzte laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aus medizinischen Gründen nicht für notwendig, die „Pille danach“ zu verschreiben und schicken Frauen ohne Rezept nach Hause (5). Dabei sollte immer mit Verhütungspannen gerechnet werden. Vor allem bei der Nutzung von Barrieremethoden sollte an die „Pille danach“ wegen der sehr geringen Nebenwirkungen und praktisch fehlenden Kontraindikationen schon für den Notfall im Voraus als Plan B gedacht werden (9).

Führt die optimale Verfügbarkeit der „Pille danach“ zu Promiskuität und unverantwortlichem Umgang mit der Sexualität?


Aus oben zitierter Umfrage der BZgA ist bekannt, dass lediglich sieben Prozent der Frauen zwischen 16 und 49 Jahren die „Pille danach“ angewendet haben (5). Von diesen Anwenderinnen hatten - 37 Prozent nicht verhütet - 19 Prozent die Pille eingenommen - und bei 34 Prozent war es zu Mißgeschicken bei der Anwendung von Kondomen gekommen.

79 Prozent der Frauen, die die „Pille danach“ eingenommen hatten, lebten in einer festen Partnerbeziehung. In der Gruppe der Anwenderinnen zwischen 14 und 17 Jahren (acht Prozent) verhüteten regulär ein Viertel mit der Pille und 50 Prozent mit Kondomen (6).


Diverse internationale Studien zur „Pille danach“ belegen, dass eine niedrigschwellige Zugänglichkeit, wie Rezeptfreiheit oder Verteilung in Schulen, keinen Einfluss auf das sexuelle Verhalten hat (8, 9).

Darf die „Pille danach“ wiederholt angewendet werden?


Die weitverbreiteten Hinweise, die „Pille danach“ nicht mehrfach einzunehmen, haben keine wissenschaftliche Grundlage. Es gibt keinen biologisch nachvollziehbaren Grund und keine Kontraindikation für häufigere Anwendungen (10). Auch lässt die Wirksamkeit bei gehäufter Anwendung nicht nach (11). Es kann lediglich zu bereits erwähnten Zyklusstörungen kommen. In jedem einzelnen Fall ist es sicherer, die „Pille danach“ mehrfach zu verwenden, als darauf zu verzichten und eine ungewollte Schwangerschaft zu riskieren. Die Primärverhütung bleibt dabei natürlich ohne Konkurrenz. Hinweise zum Aufklärungsgespräch vor der Verordnung: Wenn die zeitgemäße levonorgestrelhaltige „Pille danach“ verschrieben wird, muss darauf hingewiesen werden, dass - der Wirkstoff so ereignisnah wie möglich einzunehmen ist - der Wirkstoff keine sexuell übertragbaren Erkrankungen verhindern kann - die „Pille danach“ weniger effektiv ist als regelmäßig applizierte Kontrazeptiva. Nach Einnahme der „Pille danach“ sollte die Menstruation zum erwarteten Termin einsetzen. Sie kann sich jedoch um einige Tage verschieben. Sollte sie länger als sieben Tage ausbleiben, deutlich schwächer oder stärker sein als normalerweise, sollte eine gynäkologische Konsultation erfolgen. Eine gynäkologische Nachkontrolle ist empfehlenswert. Wenn wider Erwarten keine Rezeptierung möglich ist, sollte auf die etwas unkonventionellen „Anleitungen“ unter Zuhilfenahme der normalen Pille auf der Internetseite http://notfall-verhuetung.info verwiesen werden. Da die Zugänglichkeit zur Notfall-Kontrazeption nicht durchgehend optimal kurzfristig gewährleistet ist, lässt sich die Frage stellen, ob ein niedrigschwelliges Angebot, beispielsweise über Beratungsstellen oder Apotheken, sinnvoll erscheint. Dr. med. Blanka Kothé Ärztin im Vivantes-Klinikum im Friedrichshain Klinik für Frauenheilkunde und Geburtsmedizin Landsberger Allee 49, 10249 Berlin E-Mail: Prof. Dr. med. Heribert Kentenich Chefarzt der Frauenklinik der DRK-Kliniken Berlin, Westend, Spandauer Damm 130, 14050 Berlin Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht. Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit1908

1.

Trussell J: Emergency contraception: WHO Task Force study. Lancet 1998; Oct 10; 352 (9135): 1222–3. MEDLINE

2.

von Hertzen H, Piaggio G, Ding J, Chen J, Song S, Bártfai G, Ng E, Gemzell-Danielsson K, Oyunbileg A: Low dose mifepristone and two regimens of levonorgestrel for emergency contraception: a WHO multicentre randomised trial. Lancet 2002; Dec 7; 360 (9348): 1803–10. MEDLINE

3.

Wilcox AJ, Weinberg CR, Baird DD: Timing of sexual intercourse in relation to ovulation. Effects on the probability of conception, survival of the pregnancy, and sex of the baby. N Engl J Med 1995; Dec 7; 333 (23): 1517–21. MEDLINE

4.

Kubba A: Emergency contraception with levonorgestrel or the Yuzpe regimen. Lancet 1998; Dec 12; 352 (9144): 1939–40. MEDLINE

5.

BzgA Forum: „Pille danach – rezeptfreie Vergabe in Deutschland Dokumentation einer Fachtagung“. www.sexualaufklaerung.de/cgi-sub/fetch.php?id=219.

6.

BzgA Publikationen: Jugendsexualität 2006 - Repräsentative Wiederholungsbefragung von 14- bis 17- Jährigen und ihren Eltern. www.sexualaufklaerung.de/index.php?docid=962

7.

Muller AL, Llados CM, Croxatto HB: Postcoital treatment with levonorgestrel does not disrupt postfertilization events in the rat. Contraception 2003; May;67(5): 415-9. MEDLINE

8.

Gold MA, Wolford JE, Smith KA, Parker AM: The effects of advance provision of emergency contraception on adolescent women's sexual and contraceptive behaviors. J Pediatr Adolesc Gynecol 2004; Apr; 17 (2): 87–96. MEDLINE

9.

Raine TR, Harper CC, Rocca CH, Fischer R, Padian N, Klausner JD et al: Direct access to emergency contraception through pharmacies and effect on unintended pregnancy and STIs: a randomized controlled trial. JAMA 2005; Jan 5; 293 (1): 54–62. MEDLINE

11.

„Emergency Contraception A guide for service delivery.“ Geneva WHO 1998.

12.

Wilcox AJ, Dunson D, Baird DD: The timing of the „fertile window“ in the menstrual cycle: day specific estimates from a prospective study. BMJ 2000; 321: 1259–62. MEDLINE

13.

Ngai SW, Fan S, Li S, Cheng L, Ding J, Jing X et al: A randomized trial to compare 24 h versus 12 h double dose regimen of levonorgestrel for emergency contraception. Hum Reprod 2005; Jan;20(1): 307–11. MEDLINE

14.

Yuzpe AA, Thurlow HJ, Ramzy I, Leyshon JI: Post coital contraception – a pilot study. J Reprod Med 1974; 13: 53–8. MEDLINE