Was lange währt, wird endlich gut Italienisch

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Was lange währt, wird endlich gut Italienisch


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unserem auch gefunden zu haben. In der Posse von Schmölnitz (ungar. Bergland) bei SCHRÖER, wo auch ein aus o tom potom, „von dem nachher“ entstelltes nottom pottom (a Schbáss gêt nottom potom) und iz (iz met dain Lid) = idz vorkommen, ist einmal

aber“ durch alle ersetzt, das offenbar slowak. ale ist. Auch in dem von RUMI angeführten gründnerischen allan, „aber“ möchte sich ale mit allein vermischt haben, das ja sonst in der oberdeutschen Volkssprache nicht adversativ verwendet wird. In einem anderen Falle ist slowakische Einwirkung auf das Deutsche des ungar. Berglandes wohl nur scheinbar. Die Einschaltung des r geht hier wie in anderen deutschen Mundarten vor sich, z. B. 0-r-e (ob ihr), da-r-e (dass ich), ha-r-em (habe ihm). An Stelle dieses r nehmen wir

) auch 1 wahr, so ha-l-i (habe ich), -l-e (was ich), -l-(wo ihr). So viel ich sehe, han

l delt es sich nicht um dialectische Verschiedenheit, es scheint das l von folgendem i begünstigt zu werden. Sollte sich slowak. -li eingemischt haben: mii-l-i (muss ich) nach musím-li? Man dürfte das denken, wenn nicht cimbr. pi-l-i (bin ich) wäre. Mehr Neigung

,

Slawisch und Deutsch zu mischen, herrscht in Zarz. Das zweite Gebot lautet: nimm Gotts Nam et po nanutze in's Maul et (ne imenuj po nepridnem božjega imena). Eine alte

. Zarzerin rief ihren Enkel: Janesle, bring Hübernes und boš šel zum Tisch leset.

In leset und na nutze handelt es sich um Einführung nicht mehr von ganzen Wörtern, sondern nur von Worttheilen aus dem Slawischen. Ich habe aber schon oben gezeigt dass darin kein wesentlicher Unterschied liegt und wie insbesondere von einem Suffix oder Präfix nichts Anderes gilt als von einer Präposition. Die Annahme eines isolirten Übertritts der Präposition erklärte ich für unwahrscheinlich, und so meine ich denn dass z. B. einem sloweno-ital, mi ga fato pranzo za piegati ein slow. napravila sem obed za [im]piegati vorausgegangen ist. Das oben erwähnte son andò na spaš kann leicht zu son andà na spasso führen. Ich glaube diese Beobachtung dahin erweitern zu dürfen dass mit gewissen Mischungsphänomenen auf der einen Seite andersgeartete auf der anderen im Zusammenhang stehen. Das schlechte Slawisch der Slawen unterstützt ihr schlechtes Deutsch oder Italienisch. Wie ungemein tief die Slawen des Nordens in den deutschen und die des Südens in den italienischen Wortschatz gegriffen haben, ist bekannt. Man kann im Tschechischen aus Wörtern die in der Volkssprache gebräuchlich sind, Sätze bilden wie štubenmadl pucovala fotrlinku na koňku šlofrok, „das St. hat dem Väterchen auf dem Gang den Schlafrock geputzt", oder wie eine Variante dieses traditionellen Beispiels lautet: pane leutnant, melduju ghorsamst že jejich burš pucoval na koňku mantel. In STĚPÁNEK'S , Aline" sagt Sídlo es sei nichts Seltenes aus tschechischem Munde zu hören: jdu aus, jsem byla na obstmarku, můj liebhober koupil mi tam weixle. Das Slowenische des niederen Volkes enthält wohl noch mehr deutsche Elemente. So führt BLEIWEIS in einer schon genannten Schrift als krainerisch z. B. an: kako brž scaga, če kdo le cvibla de ni erlih človek; und A. NAGELE in einem Aufsatz der „Neuen Freien Presse" (1884) als windisch von Steiermark: šaušpileri so lep štikl špilali v birhauzi smo fajn mitogmol meli kteri gesec ibertreta, bo štrafan und viele anderen Sätze der Art. Solche Vorbilder lassen begreifen wie dann in der deutschen Rede slawische Flexionsendungen (Obstmarku) zum Vorschein kommen. In den Witzblättern wird mit den tschecho-deutschen Formen auf u wohl einiger Missbrauch getrieben: in Pressburgu, mit Franzjosefsbahnu, afzuhausu , Schulhausu (Accusativ), Bismarcku (Nominativ); dass aber dies -u in deutscher Rede wirklich vorkommt, das hat man mir bestimmt ver


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sichert. Ganz entsprechend verhält es sich mit den Infinitiven auf owat, z. B. müssens zu Fuss exerzir o wat; exercirovat, aretirovat, koštovat, marširovat, pucovat, štikovat, štrikovat, tancovat, tumlovit u. s. w. sind tschechische Verba. So ist ital. -are in's Griechische, altfranz. -ier in's Deutsche und ital. -are, -ere, -ere, -ire in's Cimbrische (z. B. amarn, parérn, zónzern, stupirn) übergegangen. Sie haben alle Flexionsendungen angenommen, und Gleiches könnte ebenso gut dem tschech. -owat passiren, wie wir ja oben hejtschkaten, lakatschen, pitschen u. S. W. gefunden haben. In der humoristischen Presse wird -owat, ich weiss nicht ob mit Recht, auch für das Part. Pass. verwandt, z. B. hattens ihn arretir o wat. Die Ragusäer bedienen sich nach BUDMANI in slawischer Rede zuweilen italienischer Endungen, so lijepisimo für prelijepo, šetando für šetajući; auch činisimo (von činiti; it. facessimo)

; wird mir angeführt. Unter den Ableitungsendungen zeigen keine grössere Neigung aus einer Sprache sich in die andere zu verbreiten als die verkleinernden und kosenden. Sogar das Lateinische verschmähte es nicht einer fremden Sprache welcher, hat man noch nicht herausgefunden, ich denke es ist das Etruskische sein -itta zu entlehnen, das im Romanischen so üppig gewuchert hat; die inschriftlichen Julitta und Livitta lassen eine fördernde Caprice der kaiserlichen Familie vermuthen, Livitta würde sich zu Livilla etwa verhalten wie Lisette zu Lieschen. Das slaw. -ica hat nicht nur im Albanesischen und Sie verzeihen dass ich Ihnen hier widerspreche im Neugriechischen, sondern auch in deutschen Mundarten Eingang gefunden. So Kalbitze Kalbitzl Kèlbatze („Kuhkalb", Kalbel + telica) im Lungau, in St. Veit (18. Jhrh.), im Lesachthal, in Zarz, auch in einem zu Leipzig 1645 erschienenen Buch (GRIMM), Lambitz Lämpitzen Lampitzen -etzen -atzen („Mutterschaf", Lambel + jagnjica) in Tirol, dem Lungau, Kärnten und Gottschee, und hier: Lápitze („Grünzeug", Láp), Magretitzle („Margrethchen“), Wladolitze (, Schmetterling“; ungar. Bergl. Fletala, kärnt. Fletterle). Vgl. Dürrlitze Dierlitze Dernlitze neben Dierlein Dörnlein Terling U. S. W.,

Kornelkirsche" = slow. drenulja, tschech. drinka u. s. w. Dieselbe Frucht heisst auch Herlitze Hörlitze Horlitze (Horlske Herlske Herske Hernske) neben Hornkirsche; slow. arlica (bei Murko und JANEŽIČ), arliška (bei LINDE) scheint selbst erst aus dem Deutschen entlehnt zu sein. Reichen Gebrauch von slawischen Deminutivendungen macht das Deutsche des ungarischen Berglandes, und zwar von slowak. -ic-, -is-, -us-, -ui-, -ul-. Begreiflicherweise finden sich dieselben zuvörderst an Eigennamen, z. B. Kettusch, Kettulle, und mit Häufung Kettuschchen, Kettischchen, Kettitzchen, Kettitzusch. So Amutsch (von Annamarie), Marischl Maruschl (auch schles. Maruschi, westpreuss. Maruschke), Samusch (von Samuel). Weitere

.

() kosenden Anreden: Maidusch Maiduschchen Maidischchen, Pususch („Kätzchen“), Schätzusch Schätzuschchen. Von Mukuh, wie in der mitteldeutschen Kindersprache für Kuh gesagt wird: Mukusch; neben Kikerchen, „Lichtelein" ebenfalls in der Kindersprache Kikusch. Lamposch gehört nicht hierher, es ist das slowak. lompos, das seinerseits von Lump mit nicht verkleinernder Endung abgeleitet ist. Für Bisschen wird gesagt: Bessuschchen Bessutschchen Bessutschkelchen, ähnlich für Stückchen: Steckutschkal; ja, es wird das Adjectiv vom Substantiv angesteckt: winzuschich, kleinutschendich. Auch in Kibalatzala, „Füllen“ steckt wohl ein slawisches Suffix (anderswo Kübele Kubele, vgl. oben Kobel, und gottsch. Kobilitze). Im Schlesischen nehmen wir im Allgemeinen den Einfluss polnischer Suffixa deutlich wahr; im Einzelnen ist er nicht immer leicht zu erweisen. Zu Gritsche, , Grille« mag sich die Nebenform Gritschke verhalten wie poln. Świerczyk zu świercz (beiläufig gesagt sind die deutschen Formen Zirse Zirke Schirke Schörke slawischen Ursprungs; poln. auch świrk). Polatschkern


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häufig mit dem Artikel hört (z. B. mon lechien). Was durch die innere Form der Negersprache verhindert wird, ist der rationelle Wechsel zwischen der französischen Wortform mit dem Artikel und der ohne den Artikel. Während nun in allen bisher besprochenen Fällen eine Substitution nothwendiger Weise stattfindet, diese also recht das Wesentliche der inneren Sprachmischung zu bilden scheint, so gibt es doch einen Fall in welchem sie nicht stattzufinden braucht, nämlich den dass die Wortstellung aus einer in die andere Sprache übertragen wird: bdca kann als bdca abcd nachgebildet werden auch ohne dass die Correspondenz bdca bdca je vorkommt. Bei dem Musterungsgang den wir gemacht haben, sind wir vom Suffix in die Syntax gelangt, wie von der Wortmetapher zum ausgeführten Bild; wir haben gesehen dass die „allzuwörtliche« Übersetzung sich an der Substanz wie am Accidens bethätigt, am Einfachen wie am Vielfachen, als Ellipse wie als Pleonasmus. Sie reicht aus der Grammatik in die Stilistik hinüber, freilich nimmt hier die innere Sprachform mehr und mehr unbestimmte und wechselnde Umrisse an. Am Meisten im Deutschen, das daher vor Allem sich zu Übersetzungen eignet, am Wenigsten im Französischen, was mir erst nach meinem akademischen Studium klar geworden ist, als ich mit dem Genfer H. BLANVALET aus einem SEALSFIELD'schen Roman übersetzte, und dabei ganze Sätze als überflüssiger Ballast über Bord geworfen wurden. Ich weiss nicht ob neuerdings das freie Übertragen aus fremden Sprachen in unserem öffentlichen Unterricht mehr Boden gewonnen hat. Auch das Spanische besitzt eine recht charakteristische Architektonik, die von der französischen besonders abweicht, worüber V. SALVÁ einige gute Bemerkungen macht. Aber die kosmopolitische Tagespresse und die Übersetzungslitteratur verwischen diese feineren Unterschiede der Sprachen mehr und mehr.

Wer sich die Mannichfaltigkeit jener Erscheinungen vergegenwärtigen will ohne den Ort zu wechseln, wer erfahren will wie weit eine Sprache nach dem Muster einer anderen auch ihre gröberen Organe gänzlich umbildet, der schaue auf das sog. Cimbrische, das schon wegen der starken Verwendung fremden Materials unsere Anfmerksamkeit auf sich gezogen hat, und untersuche Ausdrucksweisen wie hoarn (sentire) Zigar-drete (tirafili) dar Gott (Iddio) bellen bol Oame (volere bene ad uno) sich machen Fraar (farsi frate) stenan in Vüzen (stare in piedi) ich bolaibe gaslat (rimango battuto) ich kime gaslat (vengo battuto) ich pin mich gapaichtet (mi sono confessato) ich ghe ghedenkenten (io vo meditando) von biar andarn (da noi altri) net Koana ist kent (non è venuto nessuno) darnach zo habenen gasuucht (dopo di averlo cercato) baz hat sich zo tänan? (che si ha da fare?) und so viele andere, von denen einige mir gerade für gewisse Slawismen noch als Analogieen dienen werden.

Nachdem ich den in Frage stehenden Process an einer Reihe von Beispielen mit möglichster Kürze analysirt habe, möchte ich ihn wenigstens an einem Beispiel synthetisch erläutern. Welchen französischen Übersetzungsfehlern ist der Satz er folgte ihm seitens eines Deutschen überhaupt ausgesetzt?

il le succéda

Ia (er ging hinter ihm her) il lui suivit

il le suivit Ib

il lui succéda er folgte ihm

il lui suivit

Ila (er war sein Nachfolger) il le succéda il lui succéda II il le suivit

IIC


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wie sie auf mich schaut! ferner, während beim slawo-deutschen sie wartet mich der Schwerpunkt doch in der Construction liegt (mehr für sie wartet auf mich als für sie erwartet mich), wesshalb unten davon zu reden sein wird. Anders verhält es sich mit ich wartete schon kaum (komaj sem že čakal), wie man von allen deutsch Redenden in Krain für ich konnte es kaum erwarten hören kann. Weit häufiger und deutlicher findet sich deutsches Gepräge bei slawischen Verben, besonders bei zusammengesetzten wie tschech. přehnati (übertreiben), vystáti (ausstehen in nicht ausstehen können), slow. dopadati (gefallen), pobrisati (entwischen), zastopiti (verstehen). Auf italienischem Boden wüsste ich kaum Etwas was hierher gehörte. Imparare welches im äussersten Osten auch von den Gebildeten ganz gewöhnlich für insemnare gebraucht wird (ganz wie unter uns Deutschen lernen für lehren), ist nicht durch učiti (naučiti), „lehren" neben učiti se, „lernen" hervorgerufen worden, da es sogar einen FANFANI zum Vertheidiger hat, mag aber dadurch begünstigt werden. Der Fiumanerin a la cumare Elena ghe xe mal für viene entspricht dem kroat. kume Jelice je clo. Buttarse wird im Spalatiner Dialog im Sinne von kroat. bacati se, , tragen", , schiessen" angewandt : le scjoppe a gjetrocarica le se pol buttar dacussi lontan come quele cul capellin un calon del nostro el se buttarà barunco vinti chilogrammi più lontan.

Bei aller Sprachmischung stehen die Personalpronomina im Vordergrund; aber das Verhältniss zwischen den Personen gibt kaum Anlass zu Bemerkungen. Als Pronomen reverentiae setzt der Slowene im Italienischen statt der 3. S. oft die 2. Pl., z. B. šior judeze, feme što piazzer šior captanariato, vero che mi no volevo dir ve cussi. Im Sloweno-deutschen wird die 2. Pl. für die 3. Pl. in der Anrede kaum gebraucht werden; denn diese 3. Pl. ist schon vor langer Zeit aus dem Deutschen in's Slowenische übergegangen, aber wenn sie hier ursprünglich nur städtisch war, so ist sie schliesslich, wie so manche Kleidertracht, nur ländlich geworden. Auch die 2. S. kommt so vor, z. B. zu Zara te saludo, signor profesor, cossa ti fa signora? Auch die 3. Pl. in welcher die Slowenen verehrungsvoll von Eltern, Priestern und anderen höheren Personen reden (oče so zdravi -- · pridem z njimi), wird gelegentlich in der fremden Sprache nachgebildet; selbst von einem Dalmatiner kann man mit Bezug auf seinen Vater hören: loro ya dito. Die 3. Pl. des deutschen Dienerschaftsstils gegen Anwesende und von Abwesenden (der gnädige Herr befehlen?

ilie gnädige Frau lassen sagen) hat in geschichtlicher Hinsicht natürlich Nichts damit zu thun; auffällig nur ist mir dass dieser devote Plural in Östreich auch in den besseren Kreisen so oft gehört wird. Eine eigenthümliche Attraction ist im Slawischen beliebt: der Nom. Pl. statt S. bei einem zweiten damit verbundenen Subject; wir mit Peter für ich und Peter kann man dann auch von Deutschen in Nordungarn, und, wenn ich nicht irre, in Krain hören. In Galizien sagt man, wie mir Herr R. M. WERNER nebst Anderem mittheilt: ich mit ihm waren wir dort (ja z nim

z nim byliśmy tam). Aus einer schriftlichen Arbeit: er lichtete auch, und mit N. vereint führten sie... Ebenso in Mähren.

Im Slawischen ist die Setzung des Subjectspronomens beim Verbum nicht in dem Grade wie im Deutschen nothwendig; wenn kein Nachdruck darauf liegt, pflegt es verschwiegen zu werden, besonders in der dritten Person. Der Slawe lässt es daher nicht selten im Deutschen weg, so tschecho-d. wohin wird gehen? ich hab' ihm geschrieben, und hat mir geantwortet, sloweno-d. wie fröhlich bin ich wenn spazieren gehe er ist nicht zufrieden dass Sonntag wiederkommen muss jetzt wundert sich dass er nicht Alles bekommt thuma nur warten, wird schon kommen dir wird wohlthun, und wirst zufrieden sein mit ihr. Bei KRAUSS: du er. Niemand sah, ergriti ihn Entsetzen, und wurd darüber cu Stein. Ob aber zarz. sollschst Vater und Mucter ehren - sollscht die Feiertog hoaligen hierher gehört, möchte ich bezweifeln; auch im Deutschen kommen ja Ellipsen vor wie komm nur, sollst schon sehen. Im Allgemeinen empliehlt sich bei der Mehrdeutigkeit so vieler deutschen Verbalformen die Weglassung des Subjectspronomens nicht; doch findet sie in zwei Fällen mit einiger Regelmässigkeit statt. Zunächst beim unpersönlichen es, weil in subjectslosen Sätzen dem Slawen auch der Gebrauch eines formalen Subjects widerstrebt. So sagen Tschechen und Slowenen: wenn geregnet hat, ist immer kalt - er ist gesund, und geht ihm gut - jetzt wird gut sein er ist erst gekommen wie schon zu spät war heute war aber hübsch geht mir gut


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das Gefühl für die einer anderen Sprache abgehen; aber wenn er statt des kommen in der 3. Pl. sagt kommen-s, so wird er sehr in Versuchung sein dies kommen-s auch für das kommen der 1. Pl. und des Infinitivs zu setzen. Wir haben -s durt unsern Verein, wo zohl ich auch gehört dem oben erwähnten Kroulik an. Dann tritt auch das gehörige Suffix noch an; tschecho-d. mi sein-s-me - mi thun-s-me sind verbürgt. Der Infinitiv mit -s im Tschechodeutschen steht im Allgemeinen ebenfalls ausser Zweifel; doch kann ich Belege nur aus der humoristischen Litteratur anführen, wo sie zahlreich genug sind: sullen-s daitsch reden-ssullen-s Geld dazu geben-s dass können-s mit mir überall eintreten-s (in diesen drei Sätzchen geht möglicher Weise von der 3. Pl. eine Attraction aus)

werd' ich suchen-S da hab' ich tanzen lernen -s. Ähnlich lässt SHAKESPEARE seinen kymrischen Pfarrer sagen: I will desires I would lesires

you would desires

you must be preech es. Auch ergeben sich scheinbare Genetive des Infinitivs wie kann machen Aufwartens; dunkel ist mir die im Figaro“ öfter vorkommende Redensart Absterbens Amen machen, sterben". Ob Participien des Passivs im Jargon wirklich mit einem -s versehen werden, stehe dahin; an da hab' ich tanzen lernen-s schliesst sich wo hab' ich tanzen gʻlernen -s eng genug an, weiter ab liegen da is-e nicht gelungen-s

da hab' ich Gulden zahlen-S

wann sein-s schun lang nit arretirowat worn-s u. dgl. Noch Anderes, wie den klans Häusl gehören-s mein, würde in der That auf eine Verallgemeinerung der -ns-form nach kreolischer Weise hindeuten. Die zweithäufigste Verbalform ist die auf -ts, welche vor Allem die 3. S. mit neutralem es, subjectivem oder objectivem, repräsentirt, dann aber auch die 2. Pl. mit dem östreichischen es (freilich fällt diese nicht immer mit der 3. S. zusammen): zahlt's sich aus? er zahlt's -- zahlt-s! Doch scheint das kaum einen neuen Sigmatismus zu erzeugen; Schreibungen wie steht-s-me (stehn wir) wo wird-s Aner umbracht - man hat-s me gedroht (sogar Jud der-s kan Geld hat) sind nicht unverdächtig. Kann -s kommt vor: den kann-s nit leben wer kann -s davor; Kroulik sagt: ich kann -s nicht gut deutsch. Ebenso will-s;

; Podpera im Schenkprocess sagt: also er will-s mir Schnaps geben. Hier wirkten die 1. und 3. S. zusammen. Humoristische Erfindungen sind mecht mich doch ganze Welt auf Naselspitzel ansixtes den hab-me voraussixtes (gesehen), aber wenn man die ungeheuere Häufigkeit des sixtes erwägt, keineswegs unwahrscheinliche. Im italo-deutschen Jargon eines Dramas aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts findet sich mit abundirendem -$: so bin-S - i als s

i wart - S gib-s dir (gebe ich dir) da hat-s mein Thier sonst gimbt-s mein Sach lebendig Esel ligt-s gib-s mir (gebt mir) steht-s auf (steh' auf) schlafi'-s 11. S. W. Manchem anderen Missbrauch von Personalformen begegne ich noch in kucheldeutschen Texten, z. B. kummt-i schreibt-i i befehlt (3. S. = 1. S.) schreibte lebte wohl grüsste (2. S. Imper.; schreib du u. S. W.?), aber ohne ihn bestätigt zu sehen will ich mich nicht weiter damit beschäftigen.

Zu diesen Jetztbesprochenen Erscheinungen bietet nun das Slawo-italienische manches Gegenstück. Im Venetischen lauten die 3. S., 3. Pl., z. Th. auch 2. S. in der Conjugation gleich. Die Slawen - lieben es diesen die 1. S. binzuzugesellen; so hört man besonders zu Triest mi ga, mi we, z. B. mi xe suzio fina vci; im Spalatiner Dialog: mi stamattina ga budo lavor', ga ciolto la mia scjoppa, ga bevù el mio biccicrin de dropuja („Schnaps“). Nun werden aber in der Mundart jene drei Formen slets mit schwachen Pronominen verbunden, um sie zu unterscheiden: (ti) ti ya, (lu) el ga, (ela) la ga, (lori) i ya, (lore) le ga (in der Frage: gas-tu,

)

) ga-lo, ga-la, ga-i, ga-le), und so

muss nun auch ga mit dem Pronomen mi für go gesagt


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neuere Allgemeinheit des sich mit der uralten in geschichtlichen Zusammenhang gesetzt hat, ebenso wenig durfte er sagen dass im Bairischen heutzutage noch nicht die Beschränkung von sein auf das männliche und sächliche Geschlecht der Einzahl bestehe, die ja doch schon im Althochdeutschen vollzogen erscheint. Es ist dieser Gebrauch gewiss neu und kann sich im Deutschen selbständig entwickelt haben. Von Slawen jeden Stammes hört man oft sein für das eine wie das andere ihr, z. B. sie hat sein Haus verkauft die Leute thun seine Hüte ab, für das erstere auch von Italienern und den Cimbern. Im Deutschen des ungarischen Berglandes tritt das aus sein entstandene und den Genetiv bildende s auch an Feminine und Plurale an, z. B. der Nachpremn-s, en Küen-s, eig. der Nachbarin sein, den Kühen sein; es mag aber vielleicht erst dann von den Masculinen des Singulars übertragen worden sein als seine ursprüngliche Bedeutung ganz verdunkelt war. Einen weiteren Raum als im Slawo-deutschen nimmt sich im Slawo-italienischen ein, und das erklärt sich daraus dass in der an das Slawische grenzenden italienischen Mundart, der venetischen, sich in der 1. Pl. regelmässig se findet (BOErio's Beispiele: nu se pentimo se faremo giustizia se lo goderemo qua sentemose), welches von dem Slawen mit seinem Reflexivum se identificirt wird. Indem er in sentemo-se sein sedimo se genau wiedergegeben glaubt, wird er leicht sein sedite se durch senté-se wiedergeben. Das Friaulische, wo für alle Personen des Plurals das reflexive si gilt, kommt dem Slawischen noch mehr entgegen; und es mag der Slowene eine Gewohnheit die er für das Friaulische angenommen hat, auf das Venetische übertragen. So hört man zu Triest von Slawen se im Accusaliv der 1. und 2. S.: mi se son levi mi se vojo refar mi se son malà, xeu mese ti se son bagnà ti se ricordi, im Dativ: mi se go taji barba con reserlor varda che no ti se fassi mal, im abundirenden: mi se we de Pisin. Imperative der 2. Pl. wie stesse finde ich in den Witzblättern, wobei ich auf die capodistrianischen Imperative dieser Form zurückweisen und aus CALMO's Slawo-italienischem ein scultessi, cauro zenzero anführen will. In Pisino: non posso ricordarse scalda se 11. S. W. Ebenso in Dalmatien, wo bei den Ungebildeten se geradezu das allgemeine Reflexivum ist: mi se zogo ti se zoghi voialtri se zoghè; me, te, ci, ve sind als Reflexiva selten. Man hört auch häufig, wenigstens in Zara: io l'ho fatto da sé. Das Possessivpronomen suo kommt wenigstens für reflexives loro vor, auch gebildete Zaraliner, selbst italienischen Blutes, gebrauchen

in Spalato hingegen liess es sich mir nicht nachweisen. Das Serbische Ragusa's verwendet umgekehrt, dem Italienischen folgend, das anaphorische njegov auch in reflexivem Sinn, also für svoj; der alte GUNDULIĆ wiederum sagte: li velika rados svoja, was man, nach BUDMANI, heutzutage von keinem gebildeten noch ungebildeten Ragusäer hören würde. Wenn übrigens ein Spalatiner mit einem an das Spanische erinnernden Pleonasmus sagt: el fradelo suo de lu, „sein Bruder", so mag der Anlass dazu in dem Abschein von Zweideutigkeit liegen welchen das suo für den Slawen hat. Für suo = mio, tuo, nostro, vostro stehen die Beispiele noch aus; ich denke aber es liegt einem Slawen zu nahe z. B. ja nosim svoj križ zu übersetzen: io porto la sua croce, als dass nicht dergleichen zuweilen vorkäme. Freilich scheut er (wenigstens zu Ragusa) sich anderseits nicht vor dem Italianismus ja nosim moj križ; und in ähnlicher Weise missbraucht er die Personalpronomina : tebi ćeš naudit. Übrigens ist Solches auch anderen slawischen Sprachgebieten nicht ganz fremd.

Unter slawischem Einfluss erweitert sich auch das Gebiet des Reflexivums überhaupt, manche intransitive Verba werden von den deutschen Östreichern reflexiv und zwar


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déjà. Schon ist auch ausserdem bei den Polen sehr beliebt, z. B. für weiter (ohne schon
der Ehren eines Staatsmannes zu gedenken). Schon nicht sagt der Tscheche für nicht mehr
(již ne). Gut! (dobrze!) wird von den Polen sehr häufig in der Antwort gebraucht wo
der Deutsche ja oder andere bestätigende Ausdrücke vorziehen würde. Doppelte Ne-
gation wie sie die Slawen lieben: keinen Mann habe ich nicht gesehen (tschech. žádného
muže jsem neville) er geht niemals nit in keine Kirchen (slow. nikolj v nobeno crkvo
ne gre), ist zwar auch dem alten und volksthümlichen Deutsch nicht fremd; wenn aber
der Deutschruther sagt: unsere Kalperle kennen nindert ünsere alte hausige Sprach nit mehr
und der Zarzer: nimm Gotts Nam et po nanutze in's Maul et, so scheint doch das Slo-
wenische darauf Einfluss gehabt zu haben. So sagt der Slowene wohl auch: ich kann nicht
läugnen dass nicht... (tajiti da ne...). Vero für vero, davrero ist eine beliebte Be-
theuerung bei den italienisch redenden Slowenen, entsprechend dem slow. resnično u. a.;
so hört man zu Triest: dl ver0, de noob loor
(

ah vero, jera bela messa de plivan vero, no val gmente, lustrissemo 'pagà steura? Antw. Vero che si.

Beispiele für den slawisirenden Gebrauch deutscher Conjunctionen sind folgende. Bis für sobald als (tschech. aš, poln. až), das, im Einklang mit einem später zu erörternden Gebrauch der Präposition bis, unter den Deutschen Östreichs vorkommt; im „Neuen Wiener Tagblatt" las ich: Graf Mittrowsky erklärte er wolle die Antwort schriftlich geben bis er die Adresse gelesen habe. Auch der Tscheche würde sagen: přerie, der Pole: przeczyta. Fest eingehürgert hat sich, obwohl erst vor Kurzem aufgekommen, nachdem mit causaler Bedeutung (da), dem nicht nur das Präsens, sondern sogar das Futurum folgen

, kann. Obwohl sich zeitliche Conjunctionen sehr leicht in dieser Richtung entwickeln, mag das tschech. kdyš eingewirkt haben. Polno-d. damit für dass, obwohl auch im Polnischen ażeby nur missbräuchlich für ze steht; so schrieb ein Advocat in einer juridischen Abhandlung, welche Vorschläge zur Änderung der Grundentlastung enthielt, durchgehends: ich beantrage damit... (wnoszę ażeby ...).

) Oder für entweder (allo), z. B. oder ich komme cu dir, oder du kommst zu mir. Das Tschecho-deutsche bietet weder für auch nicht (aniz), so bei ZIAK: und ist dem nicht so? nein, es kann weder so sein. Aber für sondern (ale), z. B. ich bin nicht krank', aber nur umwohl. Wieder für hinwiederum, hingegen (zase), z. B. der eine Bruder ist Arzt, der andere wieder führt das Geschäft. Dass für weil (še), z. B. das kam-mer nit machen, dass ham-mer keine Zeit; so soll auch von Polen (že) und von Slowenen gesagt werden, bei letzteren wäre es schwieriger zu erklären. Sloweno-d. als für wann, da (kedar), z. B. als die Sonne am Morgen aufgeht als die Schule beginnen wird jetzt als ich dir das sage. Wenn für ob (če), z. B. ich weiss nicht wenn kommt er oder wenn kommt er nicht mein Vater hat sich erkundigt wenn ich ein gutes Zeugniss haben werde. Aber wird von Slowenen oft, etwas seltener ja gesetzt wo im Slowenischen pa steht, der Deutsche aber gar keine Partikel braucht, z. B. das aber schon nicht (to pa še ne) ganz gewöhnlich wann wird er zurückkommen? Antw. Das weiss ich aber nicht

gem-mer aber lieber auf den Weg. Antw. Sind aber Wurzen (für dort sind ...) unterreden sich zwei Laibacher Damen .

suchen-s aber nur', werden-s schon finden da bring' ich aber die Milchmandel (wohl nach ital. latte di mandorle, wie in den „Tredici comuni“ Hausschmidt neben Schmidthaus, Meizzerproat für Brodmesser u. ä.) sagt ein Dienstbote ein Mädchen zieht ein anderes: mir gem-mer aber mehr

nun, wann werden meine Stiefel fertig? Antw. Werd ich ja morgen bringen

,


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mit dem obigen auf die Küche; Stadt heisst dort der Ringplatz. Um für bei, so BERLIĆ: er darf dies nicht thun, um den Kopf (za glavu). Für nach; der Deutsche sagt nach Etwas stehen („trachten"), der Tscheche státi o něco; nestojím o to ist als ich stehe nicht darum ich frage nicht danach, es ist mir nicht darum zu thun östreichisches Gemeingut geworden. Aber in Östreich sagt man auch: um Etwas anstehen sich Etwas daraus machen (bei SCHMELLER im Sinne von um Etwas bitten, z. B. ich bin um Geld angestanden worden) und endlich: auf Etwas nicht anstehen nicht darauf angewiesen sein, dessen nicht bedürfen (eig. nicht darnach zu trachten brauchen). Wohl erst wieder aus dem Deutschen ist slow. stati nu čem.

Von für an, aus, nach, vor, so polno-d. von Etwas denken (o czém) Etwas hindern (do czego) dies kann man von diesem Beispiele sehen (= tego przykładu) sich von Etwas erkundigen (o czém) sich von Etwas bewahren (od czego). Was kommt von dem Kleid? frägt der Tscheche den Schneider, welcher antwortet: od těch šatů přijde toliko a toliko. Geboren von der Požeganer Gegend her (od Požege) schreibt BERLIĆ ebenso wie: er kommt von Agram her (od Zagreba). Vor lange für seit lange lese ich in der

Politik"; der gemeinsame tschechische Ausdruck ist dávno, übrigens gibt JUNGMANN od divna, z divna mit lange her, vor langer Zeit her wieder. – Zu für an, auf, bei, nach, so polno-d. zu Jemandem schreiben (do kogo) zum Wiedersehen oder Wiederschauen (do widzenia) die Ankunft zu ihm erfolgte an demselben Tage (wstępowanie oder zajeżdzanie

un do niego), tschecho-d. nun will ich lieber zu meiner Stute sehen (nyní se raději k mojí kobyle podivim), wie Hans Klachl sagt. Zwischen für unter, so polno-d. es waren welche zwischen der Gesellschaft (między towarzystwem), slowako-d. (bei Deutschen) zwischen uns (medzi nami, welches ebenso deutschem zwischen uns entspricht). — Daran schliesse sich eine kürzere Reihe slawo-italienischer Beispiele. A für di (oder Dativ für Genetiv), so (Ragusa) meravigliarsi a uno, (Spalato) stupirsi a uno (čuditi se komu), für Zara in Abrede gestellt (Fiume) i ne se sbefia (nan se spotaju), el te se sbefia (Spal.) el me se burla (ruga

In für a, so (Fiume) jogar in carte (nu karte). Für di, so (Zara) io sono innamorato in te (u tebe). Per für con, so (Spal., Fiume) sposar[si] per... (udati se za ...

. vom Weib); el s’a sposà per una fia de Toni sagte ein Albonese zu Triest. Vgl. auch le da xo per serve, » sie richtet die Mägde her“ in einem Triestiner Witzblatt. Für di, so (Ragusa) non si sa per lui (nezna se [ništa] za njega). Für in, so (Zara) per nessun modo (po oder na nijeden način), Rag. Urk. v. 1362: per nessun muedo, Fischermatrikel von Zara 1565 : per algun modo

Triest. Witzbl.: mi la prega a un parlar per cragnalin (po slovensko). Su für a, so (Ragusa, Spalato) ginocar sulle carte (na karte), für Zara in Abrede gestellt (Triest) lassa starme in pase, se no te farò ciamar su la giustisia, corpo de fogo (pred sod

) nika entspricht nicht; vielleicht ist giustisia als Localität gefasst, vgl. na rotovš) va la? Antw. Va sul modo de preti. Für di, so (Fiume) meravigliarsi su qualche cosa (čuditi se nad čim; Germanismus?) (Zara) io sono ghiotto su erbaggi (na povrtje). Für con oder contra, so (Spalato) arrabià su mi (na mene) (Triest) mi ga tanta rabia su lu. Beiläufig sei erwähnt dass das Slawische Dalmatiens im Gebrauche der Präpositionen starke Einwirkungen des Italienischen aufweist, z. B. poći za Marsiliju (partire per Massiglia) živjet od gospara (viverc da signore) - - krov od kuće (tetto della casa).

Oft entspricht der slawisirenden Präposition im richtigen Sprachgebrauch nicht wiederum eine Präposition, sondern Deutsch und Italienisch weichen stärker vom Slawischen ab. So heisst z. B. bei Tschechen, Polen, Slowenen dieses Bild ist nach dem


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Stufe der Geistlichkeit [des Geistes] stehen wird gehen wir geschwinder, dass wir nicht zu spät kommen werden ich schreibe dir dass du was zu lesen haben wirst. Auch im Deutschen würde das Futurum stehen, wenn wir die Unterordnung in Beiordnung verwandelten: ich schreibe dir, dann wirst du was zu lesen haben. Vollkommen entsprechender Weise vertritt das sloweno-deutsche Futurum den slowenischen Conditionalis in Objectssätzen wie diesem: da ich Bücher kaufen muss, bitte ich dass du mir etwas Geld schicken werdest.

Vor Allem entspricht der slawische Conditionalis dem deutschen und italienischen Conjunctiv des Imperfects im hypothetischen Vordersatz. Daher liebt es der Slawe zu sagen:

wenn er ihn sehen würde statt sähe. Aber auch unter den Deutschen Östreichs ist das nicht nur gewöhnlich, sondern wohl das Häufigere; da es übrigens sich unter Deutschen aller Gegenden findet -- SANDERS hält es in der Schriftsprache für zulässig ---, so hat es auch rein deutschen Ursprung, und zwar liegt dieser in der alten Aequivalenz des Conditionalis und des Conjunctivs des Imperfects im Bedingungsnachsatz: ich würde mich freuen

ich freute mich. Da nun in östreichischer Mundart der Conjunctiv des Imperfects auch mit i mocht gehn statt i wurd gehn umschrieben wird, so hören wir dann von Slawen häufig: wenn schreiben möchten (tschech. kdybyste pisal) u. dgl. Deutlicher erweist sich der Conditionalis des Vordersatzes auf italienischem Boden als Slawismus. Von Ragusa an bis nach Triest ist er gang und gäbe, wovon einige Beispiele: (Spalato) mi me par che se i cazziatori i saria più milgiori che se podarave copar sempre qualche scjanta de roba (Lesina) se ti saria una ragazza, ti saria Bella (Fiume) ma almeno se quela figura de peste no avria scrito (Triest) mi ghe prestassi bezzi, se gavaria; nicht mehr in Venedig. G. PRODAM bemerkt dass die Volksmundart von Fiume und die von Triest den Conditionalis und den Conjunctiv des Imperfects beständig miteinander verwechseln, nicht die Volksmundarten Dalmatiens und Istriens. Es erkläre sich das vielleicht daraus dass diese beiden Städte die einzigen an der adriatischen Küste seien wo auch deutsch gesprochen werde.

Ungebildete Leute in Zara, und mehr noch die Landleute der Umgegend bedienen sich des Futurs statt des Conditionalis und des bedingenden Conjunclivs Imperf., z. B. quando mi gavarà, farà questo. Ich weiss nicht ob sich das aus dem Slawischen erklären lässt. Sogar das Praesens für den Conditionalis hört man zuweilen von den nach Triest kommenden Slawen: mi ga dago, ce gavessi. Hier mag es sich zunächst um eine Vertretung des Futurs durch das Praesens handeln: dago für darò, wie man im Görzischen sagt dam für bom dal.

Eigenthümlich ist der slawische und daher auch slawo-italienische Gebrauch des Conditionalis für den Indicativ des Imperfects, z. B. (Spalato) se ricordo quanto che el mio fonto padre el andaria anche lu in cazzia, che el portaria (kad bi otišao ..., donio bi ...) no gavevimo che pochi le scjope e po se ragionarijimo (für raduneremmo). Sie sagen dass mit Ausnahme des Neuslowenischen und Kroatischen der Conditionalis wiederholte Handlungen bezeichne. Zu dem nicht iterativen Conditionalis der Slawen vergleichen Sie des Dalmatiners TOMMASEO: racconta come i panduri del bano lo prendessero un tempo ed egli lo cacciasse in carcere. Aber das dürfte doch zu solchen Beispielen zu stellen sein wie sie andere italienische Schriftsteller liefern, so MANZONI: noi abbiamo riferito come la sciagurata signora desse una volta retta alle sue parole.

Die Zeiten der Vergangenheit werden von dem Slawen leicht untereinander vertauscht; insbesondere, da er keine eigene Imperfectform hat, setzt er, wenigstens der Zara


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Diese Erinnerungen beziehen sich auf die Freuden am ,Gänsebergel“ in der Fischerei,

" welche mit dem „Dubina" genannten Stadttheil den Sitz des eigentlichen Leitmeritzer Dialectes bildet. In der Fischerei“ verkehrten sehr gern wie man noch an mancher wälschen Gesichtsbildung dort wahrnehmen will — die Soldaten der italienischen Regimenter welche bis 1866 in der nahen Garnison Theresienstadt lagen (die beiden letzten Regimenter hatten die Ergänzungsbezirke Monselice und Mailand). Schon vor einem Vierteljahrhundert aber war cicca in dem angegebenen Sinne bei den Italienern ein sehr gewöhnliches Wort; es ist das franz. chique, „Kautabak", und sie haben es gewiss von französischen Soldaten oder Seeleuten gelernt. Ob auch die Gassenbuben von Theresienstadt für den ihnen so hoch interessanten Artikel das Wort Tschick gebrauchen, weiss ich nicht; jedenfalls sagen sie Bago, das heisst die Soldaten der ungarischen Regimenter haben hier ihr bagó zurückgelassen, ebenso wie zu Prag, wo die um das Theater herumlungernde Jugend sich aus die weggeworfenen glimmenden Cigarren mit den Worten stürzt: koukni, tam letí baga! Kommt unsere Militärgeschichte in Vergessenheit, dann sind hier auch dem Linguisten die Pfadspuren verweht. So, mit diesen „verba castrensia« sei die im vollen Sinne triviale

“ Gelehrsamkeit ganz zu Ende. Wenn auch ein so reichhaltiger Nachtrag wie ich ihn liefern könnte, überhaupt am Platze wäre, so würde ich doch davon Abstand nehmen. Darzulegen wie sehr mein Wissen Stückwerk gewesen ist, wäre für mich selbst ein etwas melancholisches Vergnügen; Andere mögen das mit grösserer Genugthuung besorgen. Noch unerfreulicher wirkt, da man am ersehnten Ziel angelangt ist, die Betrachtung aller der Unvollkommenheit, Unsicherheit und Ungleichmässigkeit welche trotz der grössten Sorgfalt dem gesammelten Kleinwerk anhaftet und bei der Schreibung der citirten Formen und Sätze, wo sie besonders stört, besonders unvermeidlich war, und diese pessimistische Stimmung wendet sich fast gegen die Wissenschaft selbst, das heisst gegen eine Disciplin welche uns keinen festeren und freieren Schritt gönnt. Ja, eine linguistische Wanderung wie die welche ich hinter mir habe, ermüdet nicht desshalb so sehr weil man eine wirklich weite Strecke zurücklegt, sondern weil man unaufhörlich die Heerstrasse verlassen und nach allen Seiten hin Einzelnheiten nachgehen muss, mit Gefahr sich an jedem Dorne zu ritzen, über jeden Stein zu stolpern. Man bewegt sich in einem Thalweg mit wechselnden und beschränkten Ansichten und sehnt sich aus ihm hinauf nach einem weiten Rundblick. Soll ich am Schlusse wieder in jene allgemeinen wissenschaftlichen Betrachtungen einlenken mit denen ich begonnen habe? Nein, ich könnte meine Überzeugung, welche übrigens schon die MACHIAVELLI's war, dass es keine ungemischte Sprache gibt, nur in noch kräftigerem Tone wiederholen, und mein ausgesprochenes Wohlgefallen an Sprachmischungen missfällt vielleicht schon jetzt Anderen ebenso sehr wie das von Jean Paul's Dr. Katzenberger an Missgeburten. Der sagte freilich mit Recht: „gerade die Weise wie die Natur zufällige Durchkreuzungen und Aufgaben doch organisch zu lösen weiss, dies belehrt“. Werde ich nun geringerem Widerspruch begegnen da ich mich anschicke wie der Fabeldichter eine Art Moral an die Darlegung von Thatsachen anzuhängen? Immer unbeeinflusst, übt die Wissenschaft immer Einfluss nach aussen, sei es auch durch vielfachste Vermittelung. Wenige Forscher haben sich so ängstlich gehütet in ihren Arbeiten die Grenzen der Wissenschaft zu überschreiten wie Sie; ja, Sie haben manche rein wissenschaftliche Beobachtung von besonderer Tragweite die man am Portale zu finden erwartete, in eine versteckte Nische gewiesen. Wie beschränkt aber auch die Zahl derjenigen sein


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Engländer, welche den keltischen Sprachen auch nie das Atom eines Rechtes eingeräumt haben.

Einen thatsächlichen Eintrag könnte die Germanisirung den Slawen nur gebracht haben durch Verkleinerung ihrer Sprachgebiete. Nun fehlt aber so viel ich sehe eine quellenmässige Geschichte der deutsch-slawischen Sprachgrenzen, die doch unter den heutigen Umständen von höchster Wichtigkeit wäre. In einem slawenfreundlichen Artikel der

Germania" lese ich dass zwischen Deutschen und Slowenen die Sprachgrenze seit Jahrhunderten die gleiche sei. Die deutschen Enclaven im slowenischen Gebiete sind theils geschwunden, theils schwinden sie. Zuverlässiges weiss ich aus dem Norden der Monarchie noch weniger. Von deutscher Seite wird vielfach behauptet dass die deutsche Sprachgrenze gegen die Tschechen zurückweiche, so besonders im Böhmerwald (J. BENDEL 1884). HochREITER zu seiner Nationalitätenkarte von Böhmen (PETERMANN'S Mittheilungen 1883) meint eine Vergleichung mit älteren Karten ergebe für die drei letzten Jahrzehnte keine wesentliche Veränderung; es fänden fortwährend Undulationen statt, so scheine es als ob in den nördlichen und nordwestlichen Bezirken die tschechischen Minoritäten mehr oder weniger stark zugenommen hätten. Eine magyarische Zeitung führt den Tschechen das für sie Bedenkliche der Lex KVIČALA vor Augen: es werde doch wohl mehr tschechisirt als germanisirt. Wenn nun, wie es mir fast scheint, die Erfolge der Germanisirung seit Joseph II. bezüglich der deutsch-tschechischen Sprachgrenze null oder gar negativ sein sollten, wie würde es nach dem Aufhören der Germanisirung werden?

Man übersieht meistens einen sehr wichtigen Umstand: die Einwirkung der deutschen auf die slawischen Volksstämme ist nicht ohne Gegenwirkung geblieben. Die deutsche Litteratur Östreichs konnte allerdings von dieser Seite kaum wirkliche Anregungen empfangen; eine Zeit lang herrschte lebhafte Vorliebe für slawische Stoffe. Dass die Deutschen auch in ihre Sprache manches Slawische aufgenommen haben, ist aus meiner Abhandlung ersichtlich. Nur angedeutet aber habe ich oben jene Modification des Naturells und der Lebensformen die wir bei den Bajuwaren Östreichs, wenigstens der städtischen Bevölkerung, wahrnehmen und die auf Rechnung des Verkehrs mit den Slawen, zum Theil freilich auch der Blutmischung mit ihnen zu setzen ist. Dem Culturhistoriker der sich der anziehenden, aber schwierigen Aufgabe widmen würde diese Slawisirung im Einzelnen zu studiren, möchte ich, insbesondere die Geschichte des Handkusses empfehlen, welcher als Handlung oder als Grussformel meines Wissens nur in ostdeutschem und insgemein östreichischem Brauch fest wurzelt und als letztere den Spaniern geradezu unerlässlich ist, die sie durch das Haus Östreich erhalten haben wollen. Endlich sind die Deutschen Östreichs durch die slawische Attraction auch in politischer Beziehung den Deutschen im „Reiche* entfremdet worden. Zu keiner Zeit sind sie weniger deutsch gewesen als während ihrer Hegemonie; nur damals sprach man von ,Östreichern“, nicht zwar als einer Nation, aber auch nicht bloss als den Repräsentanten einer politischen Einheit; es war darin die convergirende Richtung der Nationen auf ein freilich unerreichbares Ziel angedeutet. Denken wir uns nun aber

neben so vielen politischen Utopieen des heutigen Tages möge auch diese hingehen denken wir uns jenes Ziel wäre wirklich erreicht worden, es hätte sich die Verschmelzung der verschiedenen nationalen Elemente vollzogen, so würden keine germanisirten Slawen u. s. w., nein es würde ein ganz neues Volk vor uns stehen, wie ja unter analogen Verhältnissen ein solches seiner Zeit in England erwachsen ist, ein Volk


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deutschen Wendungen durchsetztes „Windisch" redet, der Weg zum Deutschen kaum weiter ist als der zum Hochslowenischen. Es ist begreiflich dass das einigermassen gesteigerte Nationalgefühl die Sprachmischung bekämpft, auch wo sie nicht zu dem Grade gediehen ist wie in den genannten Fällen. Indessen wird die vernünftige Grenze oft weit überschritten; man begnügt sich nicht mit der Ausmerzung unnützer Doubletten: „die falsche Nationalehre wie Sie (1872) gesagt haben hat in neuerer Zeit bei mehreren osteuropäischen Völkern einen wahren Kreuzzug gegen die Fremdwörter hervorgerufen, man ist bemüht die Fremdwörter, diese lauten Zeugnisse der Abhängigkeit jedes einzelnen Volkes von der mitlebenden und der dahingegangenen Menschheit, durch einheimische Fabrikate zu verdrängen.“ So wird der Purismus leicht zur Geschichtsfälschung. Er wendet

« sich übrigens nicht nur gegen die Fremdwörter, sondern auch gegen die fremden Wendungen, deren Feststellung aber zum grossen Theil vielen Schwierigkeiten unterliegt. Je mehr wir vom nationalen Standpunkt zurücktreten, mit um so milderen Blicken werden wir jede Sprachmischung betrachten die sich im Volke selbst auf ungezwungene, ja unwillkürliche Weise vollzieht. Vom Standpunkt der Zweckmässigkeit aus sogar mit wohlwollenden: stark gemischte Sprachen sind ganz besonders lebensfähig, und dafür gibt es

: keinen besseren Beleg als das Englische, welches nicht nur von den Germanen mit grösster Leichtigkeit erlernt wird, sondern auch von den Romanen mit fast derselben wie eine romanische Sprache, und dem die aussereuropäischen Völker wegen seiner morphologischen Einfachheit den Vorzug unter allen europäischen Sprachen geben. Die gegen die Sprachmischung aus dem Wesen der Sprache selbst geschöpften Verdicte kann ich nicht als rechtskräftig ansehen, weil mir, wie schon oben gesagt, die dabei verwerthete Auffassung der Sprache als eines unabhängigen, von festen Gesetzen regierten Organismus eine unannehmbare zu sein scheint. Der Irrthum entspringt daher dass man unter Sprache entweder ausschliesslich oder doch in erster Linie die Schriftsprache versteht. Die „Sprachrichtigkeit" K. G. ANDRESEN'S und Anderer mag zu verwirklichen sein für den welcher schreibt oder gar drucken lässt; die Regelung irgend welcher Umgangssprache nach so strengen Principien wäre widersinnig und unmöglich.

Wie man die Sprache an sich als etwas Absolutes und nicht als etwas Relatives darzustellen liebt, so auch das Verhältniss der Sprache zu ihrem Subject, d. h. ihren Werth. Die Muttersprache figurirt in den nationalen Berechnungen als constante Grösse, während sie nach Massgabe der durch sie vermittelten Cultur eine unendlich variable ist, hier ein Schatz den man nicht um den höchsten Preis veräussern möchte, dort nur ein Verkehrsmittel das man, wo das materielle Interesse es erheischt, gegen jedes andere endgültig zu vertauschen bereit ist.

In der Sprachenfrage lässt sich eine Verständigung nur erzielen wenn man nicht von den nationalen, sondern von den allgemeinen Bedürfnissen ausgeht. Ein auf diese gegründetes System würde keine Nation in der vollen heilsamen Entfaltung ihrer besonderen Kräfte hindern; höchstens würden ihm üppige Auswüchse zum Opfer fallen. Es würde so jenem Worte von gutem Klange, aber schwerer Deutung, dem Worte von der Gleichberechtigung“ auf's Beste entsprochen werden. Denn wer für seine Nation nur ihr Recht, „kein Atom weniger, keines mehr“ verlangt, der ist der Shylockgefahr ausgesetzt in das Recht einer anderen Nation einzuschneiden. Treffend bemerkte daher im letzten October Graf CLAM-MARTINITZ die Gleichberechtigung sei nicht mit dem Zollstab und der Wagschale


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