Autor: JuraForum.de-Redaktion, zuletzt aktualisiert am 25.02.2021, 11:23| 1 Kommentar Show
Es mag den juristischen Laien verwundern, aber das Stechen eines Piercings oder eines Tattoos erfüllt tatsächlich den Tatbestand der Körperverletzung nach § 223 StGB. Eine Strafbarkeit des Piercers bzw. Tätowierers des Vertrauens scheidet jedoch grundsätzlich aufgrund einer wirksamen Einwilligung nach § 228 StGB in den körperlichen Eingriff aus. Ab wann kann eine wirksame Einwilligung gegeben werden?Mit Eintritt in die Volljährigkeit - also mit 18 Jahren - gilt ein Mensch nach § 2 BGB als erwachsen und damit grundsätzlich auch als voll geschäftsfähig. Eine wirksame Einwilligung i.S.d. § 228 StGB ist also ab diesem Lebensstadium in der Regel gegeben. Allerdings ist nach wie vor umstritten, wie es sich bei Jugendlichen verhält. Eine Meinung, die vertreten wird, möchte die starren Grenzen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auch bei Minderjährigen heranziehen. Das würde bedeuten, dass nach § 106 BGB ein Minderjähriger, der das siebte Lebensjahr vollendet hat, in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Eine wirksame Einwilligung wäre demnach nur durch die Eltern gem. § 107 BGB möglich. Die herrschende Meinung möchte jedoch nach dem Gedanken der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I, Art. 1 I GG darauf abstellen, ob der Jugendliche „seiner geistigen und sittlichen Einsichtsfähigkeit nach die Bedeutung und die Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung zu ermessen vermag“ (so bereits der BGH vom 10.02.1959, Az.: 5 StR 533/58; BGHSt. 12, 379). Eine Einwilligungsfähigkeit soll also dann angenommen werden, wenn der Jugendliche die Risiken und die Langzeitfolgen eines Piercings oder eines Tattoos einschätzen kann. Zwingende Voraussetzung dafür ist, dass der Jugendliche über etwaige Risiken und Langzeitfolgen vom Piercer bzw. Tätowierer aufgeklärt wurde. Eine allgemeine Floskel wie „Das Piercing / Tattoo kann zu gesundheitlichen Schäden führen.“ reicht insoweit nicht aus. Einwilligung ist nicht gleich EinwilligungErneut mag es den juristischen Laien verwundern, aber die strafrechtliche Einwilligung i.S.d. § 228 StGB ist von der zivilrechtlichen Einwilligung in einen Vertrag zu unterscheiden. Aus zivilrechtlicher Sicht muss der sogenannte „Taschengeldparagraf“ aus § 110 BGB zu beachten. Danach können auch beschränkt geschäftsfähige Jugendliche ohne die Zustimmung eines gesetzlichen Vertreters einen Vertrag schließen, wenn ihnen ihr Taschengeld zu diesem Zweck oder generell zur freien Verfügung überlassen wurde. Letzteres ist allerdings insoweit beschränkt, dass nicht jede Verwendung davon umfasst wird, sondern nur solche, die sich im Rahmen des „vernünftigen“ halten. Fraglich ist hierbei, ob Piercings oder Tattoos dazu gezählt werden können. Im Ergebnis wird das Vorliegen einer rechtmäßigen Einwilligung für den Abschluss eines Vertrages mit einem Jugendlichen aber für den Piercer bzw. Tätowierer i.d.R. nicht ohne weiteres erkennbar sein. Was gilt es sonst noch zu beachten?Die o.g. Aufklärungspflicht des Piercers bzw. Tätowierers gilt selbstverständlich nicht nur gegenüber Jugendlichen, sondern grundsätzlich gegenüber sämtlichen Kunden. Verstöße gegen Hygienevorschriften oder eine mangelhafte Arbeitsweise sind natürlich weder von der strafrechtlichen als auch von der zivilrechtlichen Einwilligung erfasst. In solchen Fällen macht sich ein Piercer bzw. Tätowierer zumindest schadensersatzpflichtig, wenn nicht sogar strafbar. Es ist daher besonders ratsam, sich bereits im Vorfeld ausführlich über den Wunsch-Piercer bzw. -Tätowierer zu informieren. FazitAus dogmatischer Sicht dürfen sich Jugendliche also grundsätzlich piercen bzw. tätowieren lassen. Allerdings wird es für den Piercer bzw. Tätowierer in der Praxis regelmäßig nicht erkennbar sein, ob der Jugendliche über die erforderliche Reife für eine solche Entscheidung verfügt oder ob die finanziellen Mittel für diesen Zweck bestimmt waren. Zur Vermeidung von rechtlichen Konsequenzen bleibt dem Piercer bzw. Tätowierer also nichts anderes übrig, als auf eine Einwilligung der gesetzlichen Vertreter (Eltern) zu bestehen. Schlagwörter: Tattoos Jugendliche, wirksame Einwilligung
Hautsache Mit 17 wollte sich Desirée unbedingt ein Strumpfband-Motiv am Oberschenkel tätowieren lassen. Ihr Vater mahnte, sie solle noch ein Jahr warten und dann entscheiden. Die Stiefmutter erzählt, sie habe Desirée sogar Bilder gezeigt, wie Tätowierungen nach Jahrzehnten auf alten Körpern aussehen. Gross Eindruck hätten diese allerdings nicht hinterlassen. Mit 18 liess sich Desirée das Tattoo stechen. Zumindest, so schmunzelt die Stiefmutter heute, liege es nun nicht mehr in der Verantwortung des Vaters.
Philip Ramming (58), Fachpsychologe Kinder- und Jugendpsychologie FSP Urteilsfähigkeit ist entscheidendVermutlich hätte Desirée mit 17 kein Studio gefunden, das ihren Tattoo-Wunsch umgesetzt hätte. Rechtlich muss, wer sich piercen oder tätowieren lassen will, urteilsfähig sein. Die Definition ist jedoch schwammig, weil kein klares Alter definiert ist. Oft ist diese Urteilsfähigkeit etwa ab 14 Jahren der Fall. Urteilsfähige Personen können ihre Einwilligung zu Eingriffen am eigenen Körper geben (Art. 16 und Art. 19c ZGB), sofern die Kosten für den Eingriff und den Schmuck das monatliche Einkommen nicht überschreiten. Studios in der Schweiz bedienen aber oft keine Kundschaft unter 18 Jahren. Wenn Minderjährige mit Einwilligung der Eltern sich ein Tattoo oder Piercing stechen lassen wollen, muss meist ein Erziehungsberechtigter anwesend sein. Haare färben erst ab 16 empfohlenAuch das Haarefärben ist ein äusserlicher Wandel. In milderen Fällen werden vielleicht die Haare blondiert oder schwarz gefärbt. Wer schockieren will, tendiert zu auffälligen Farben wie Pink, Grün oder Blau. Dieses Produkt ist nicht für Personen unter 16 Jahren bestimmt.Diese Alterseinschränkung steht im Kleingedruckten auf Verpackungen und in der Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) über kosmetische Mittel. Hierbei handelt es sich um eine Empfehlung. Provokation oder Rebellion? Tattoos, Piercings, Haare färben oder spezielle Haarschnitte können Ausdruck von Provokation oder Rebellion sein, müssen es aber nicht, sagt Philipp Ramming (58), Fachpsychologe für Kinder- und Jugendpsychologie FSP und Präsident der SKJP, der Schweizerischen Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychologie. Teilweise wollten Jugendliche mit einer äusserlichen Veränderung auch einfach ihre Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder ihre Identität, ihre Andersartigkeit ausdrücken. Solche Veränderungen seien oft ein Beziehungstest zwischen Eltern und Kind. Eltern hätten Angst, ihre Kinder mit deren äusserlichen Veränderung zu verlieren. Das ist normal und Zeichen einer bestehenden Beziehung. Aber es lässt sich nicht vermeiden, dass Kinder irgendwann gehen. Kinder verstünden Veränderung auch als Teil zunehmenden Autonomie. Ehrlich die Meinung sagenWie also sollen Eltern reagieren? Rumbrüllen und enterben!, sagt Philipp Ramming ironisch und wird dann ernst: Sie sollten ihre ehrliche Meinung sagen und, wenn es nötig ist, Grenzen setzen. In der Regel würden Jugendliche aber ihren Wunsch dennoch früher oder später umsetzen auch gegen den Willen der Eltern. Verhandeln ist immer gut, laisser-faire sicher schlecht, verbieten meist nicht sehr erfolgreich, so der Psychologe. Wie man die Urteilsfähigkeit seines Kindes beurteile, hänge stark davon ab, ob man Vertrauen in das Kind respektive seine eigene Erziehung habe. Wie mit seinem Wunsch umgehen?Was sollten sich Jugendliche überlegen, die ihre Eltern mit dem Wunsch einer äusseren Veränderung konfrontieren wollen? Die Konfrontation suchen und die Konsequenzen tragen. Das kann auch Streit bedeuten. Im Vorfeld sollten sie sich sorgfältig vorbereiten und sich nach seriösen Studios umsehen, sich über gesundheitliche Risiken informieren überlegen was sie wirklich wollen, sagt Ramming. Mitreden können ist wichtigTeilweise lassen Eltern vor allem Mütter schon ihren Babys Ohrlöcher stechen. Wie schätzt der Psychologe das ein? Kinder sollten eigentlich mitreden können, was bei Babys oder Kleinkindern nicht möglich ist. Kleider kann man wieder ausziehen, Löcher sind etwas dauerhafter, wobei auch diese wieder zuwachsen können. Es sei kulturabhängig, Familientraditionen spielten auch eine Rolle, meint Ramming. In gewissen Kreisen sei es selbstverständlich seine Babys zu verzieren, da gehöre auch Ohrschmuck dazu. Aber das Baby vor lauter Elternstolz zu einem Christbaum zu machen ist respektlos. Frage der Woche
Wie gefallen Ihnen Tattoos, Piercings etc.? Hier gehts zu weiteren Wochenfragen Tipps
Wichtig nach dem Tätowieren:
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