Wie wird der Unterhalt bei volljährigen Kindern berechnet?

Sehr geehrter Mandant,

Fragestellung: Berechnung des Volljährigenunterhalts eines unterhaltsberechtigten, in der Ausbildung befindlichen, Kindes, welches im Haushalt der Kindesmutter lebt.

Nachstehendes Beispiel geht von einem bereinigten Nettoeinkommen aus: Vater: 3300,00; Mutter: 2000,00 Tochter: 600,00
Hinweis: Unterhaltspflichten werden nur nach Nettobeträgen errechnet

Mit Vollendung des 18. Lebensjahres erlischt das elterliche Sorgerecht, d.h. beide Eltern sind ab sofort barunterhaltspflichtig und zwar bis zum Ende eines ersten berufsqualifizierenden Abschlusses, vgl. § 1610 Abs. 2 BGB. Der bislang gewährte Betreuungsunterhalt entfällt.

Das volljährige Kind muss also jetzt selbst für die Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche sorgen. Der Unterhalt für volljährige Kinder, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnen, richtet sich in der Regel nach der 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle. Ihr Bedarf bemisst sich, falls beide Elternteile leistungsfähig sind, nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile.

Das Kindergeld ist an Volljährige auszuzahlen und wird in voller Höhe auf den Bedarf angerechnet, vgl. § 1612 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB. Es beträgt derzeit 184,00. Vorab ist das bereinigte Nettoeinkommen zu ermitteln: Dazu sind jeweils 5 % berufsbedingte Aufwendungen (max. 150,00, Kappungsgrenze) als Pauschale abzuziehen, so dass sich für Vater 3150,00 und für die Kindesmutter 1900,00 ergeben.

Vor der Ermittlung der Haftungsquoten der Eltern sind von deren Einkommen zunächst die für ihren eigenen Unterhalt erforderlichen Beträge (angemessener Selbstbehalt) abzuziehen. Der Selbstbehalt beim Volljährigenunterhalt beträgt derzeit 1100,00.

Nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 01.01.2010) ergibt sich danach ein Bedarf der Tochter i.H.v. 781,00. Davon ist bedarfsmindernd das an sie voll auszuzahlende Kindergeld abzuziehen/anzurechnen: 781,00 ./. 184,00 = 597,00. Ferner ist das eigene Einkommen Ihrer Tochter anzurechnen, da grds. jeder für seinen Unterhalt selbst zu sorgen hat, vgl. § 1602 BGB. Allerdings darf sie sich nach der Rechtsprechung 90,00 Ausbildungspauschale abziehen, sodass ihr bereinigtes Nettoeinkommen 510,00 beträgt. Es verbleibt mithin ein von den Eltern zu tragender Restbetrag von 597,00 ./. 510,00 = 87,00

Mutter: 1900,00 ./. 1100,00 Selbstbehalt = 800,00 Vater: 3150,00 ./. 1100,00 Selbstbehalt = 2050,00

Zusammen: 2850,00

Mutter zahlt an Volljährigenunterhalt: 800,00 : 2850,00 x 87,00 = 24,42
Vater zahlt an Volljährigenunterhalt: 2050,00 : 2850,00 x 87,00 = 62,58

Zusammen: 87,00

Gem. § 1612 Abs. 2 S. 2 BGB ist der sich ergebende Unterhaltsbetrag auf volle Euro aufzurunden, so dass Sie Ihrer Tochter 63,00 und die Kindesmutter 25,00 monatlich zahlen müssen.

In welcher Höhe Ihre Tochter von ihrem Unterhalt Kost und Logis an die Kindesmutter abführen muss (soll), ist gesetzlich nicht vorgegeben und ist deshalb zwischen den beiden abzusprechen.

Wie wird der Unterhalt bei volljährigen Kindern berechnet?

Wird ein minderjähriges unverheiratetes Kind volljährig, hat es regelmäßig gegen beide Elternteile einen Anspruch auf Barunterhalt, sofern es sich noch in der Schulausbildung, Berufsausbildung oder im Studium befindet. Dies folgt aus §§ 1601, 1610 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach Eltern ihren Kindern auch eine angemessene Ausbildung schulden. In allen anderen Fällen müssen die volljährigen Kinder ihren Unterhalt jedoch grundsätzlich selber finanzieren, wobei es eng umgrenzte Ausnahmefälle gibt. Was Sie zum Unterhalt volljähriger Kinder wissen sollten und womit Sie im wahrsten Sinne des Wortes „rechnen“ müssen, lesen Sie hier.

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Das Wich­tigs­te

  • Grundsätzlich haben volljährige Kinder Anspruch auf Barunterhalt gegen beide Elternteile, wobei eigene Einkünfte wie etwa das Kindergeld bedarfsmindernd anzurechnen sind.
  • Der Volljährigenunterhalt richtet sich in erster Linie danach, ob der Volljährige privilegiert ist oder nicht.
  • Privilegiert (und damit den minderjährigen unverheirateten Kindern unterhaltsrechtlich gleichgestellt) sind unverheiratete volljährige Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden.
  • Lebt das privilegierte oder nicht privilegierte volljährige Kind noch im Haushalt eines Elternteils, richtet sich die Höhe seines Unterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle. Hat das Kind einen eigenen Hausstand, beträgt der Unterhaltsanspruch monatlich 860 EUR (Anmerkung 7 zur Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1. Januar 2021).
  • Ist das volljährige Kind privilegiert, beträgt der monatliche notwendige Eigenbedarf des erwerbstätigen Barunterhaltspflichtigen 1.160 EUR und des nicht erwerbstätigen Pflichtigen 960 EUR. Ist das Kind nicht privilegiert, beläuft sich der monatliche angemessene Eigenbedarf des Pflichtigen auf 1.400 EUR.
  • Die Ansprüche auf Volljährigenunterhalt der privilegierten volljährigen Kinder befinden sich gemäß dem Rangstufenprinzip auf dem 1. Rang und sind daher zuerst abzudecken. Die Ansprüche der nicht privilegierten volljährigen Kinder sind auf dem 4. Rang, so dass diese Kinder mangels Leistungsfähigkeit des Pflichtigen leer ausgehen können.

Ob ein volljähriges, Unterhalt beanspruchendes Kind privilegiert oder nicht privilegiert ist, hat für seine Unterhaltsberechnung erhebliche Auswirkungen. Denn davon hängen sowohl die Höhe seines Unterhalts als auch der Selbstbehalt der Eltern sowie die Rangeinstufung des volljährigen Kindes ab.

Wie wird der Unterhalt bei volljährigen Kindern berechnet?
Wie wird der Unterhalt bei volljährigen Kindern berechnet?

Ein Überblick zum Thema Unterhalt und Tipps für die Unterhaltsberechnung.

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Wann ist ein volljähriges Kind privilegiert?

Privilegierte volljährige Kinder sind den minderjährigen unverheirateten Kindern gleichgestellt und genießen daher die gleichen Privilegien wie minderjährige Kinder. Nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB sind volljährige Kinder privilegiert, wenn sie

  • unverheiratet sind,
  • noch keine 21 Jahre alt sind,
  • ständig im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und
  • sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden.

Expertentipp:Auch für privilegierte volljährige Kinder muss der Barunterhaltspflichtige den Mindestunterhalt sicherstellen, also notfalls einen zusätzlichen Mini-Job aufnehmen oder sich auf eine besser vergütete Arbeitsstelle verändern.

Auswirkungen auf den Unterhalt ab 18 

Der Volljährigenunterhalt und dessen Höhe richten sich nach der sogenannten Düsseldorfer Tabelle, in der neben den elf Einkommensgruppen für den Unterhaltspflichtigen drei Altersgruppen für minderjährige sowie eine Altersgruppe für volljährige Kinder enthalten sind. Die Höhe des jeweiligen Kindesunterhalts lässt sich nach der Einordnung in die passende Gruppe aus der Tabelle ersehen. Dabei gilt die Tabelle für zwei Unterhaltsberechtigte, so dass bei mehr oder weniger Unterhaltsberechtigten eine Einstufung des Pflichtigen in die nächstniedrigere oder nächsthöhere Einkommensgruppe zu erfolgen hat.

Wie wird der Unterhalt bei volljährigen Kindern berechnet?
Düsseldorfer Tabelle

Ist das volljährige Kind privilegiert und lebt im Haushalt eines Elternteils oder ist es nicht privilegiert und lebt im Haushalt eines Elternteils, richtet sich sein monatlicher Unterhalt nach der Altersgruppe für volljährige Kinder. Hat das volljährige Kind dagegen einen eigenen Hausstand, beläuft sich sein monatlicher Unterhaltsanspruch auf 860 EUR (Anmerkung 7 zur Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1. Januar 2021)

Vom Unterhaltsanspruch abzuziehen ist jedoch das Kindergeld, welches komplett an das volljährige Kind gezahlt wird und in der Düsseldorfer Tabelle nicht berücksichtigt ist. Das Kindergeld mindert den Bedarf des Volljährigen und verringert daher seinen Unterhaltsanspruch.

Bei nicht privilegierten Kindern haben die Eltern einen höheren Selbstbehalt

Auch wenn die Eltern für das volljährige Kind unterhaltspflichtig sind, muss ihnen ein unantastbares Existenzminimum zur Finanzierung ihres eigenen Lebensbedarfes verbleiben. Das geschieht durch den Eigenbedarf (Selbstbehalt). Der notwendige Eigenbedarf beträgt gegenüber privilegierten volljährigen Kindern 1.160 EUR monatlich, wenn der Elternteil erwerbstätig ist, und 960 EUR monatlich, wenn der Elternteil nicht erwerbstätig ist. Gegenüber den nicht privilegierten Kindern beläuft sich der angemessene Eigenbedarf auf 1.400 EUR monatlich (Anmerkung 5 zur Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1. Januar 2021).

Rangstufenprinzip bei Unterhalt ab 18

Im Unterhaltsrecht gilt das sogenannte Rangstufenprinzip, wonach die Unterhaltsansprüche der vorrangigen Personengruppe zuerst abzudecken sind, bevor an die jeweils nachrangige Gruppe gezahlt wird. In der Praxis führt dies häufig dazu, dass nachrangige Berechtigte nichts oder nur einen Teil des Unterhalts erhalten.

Minderjährige und privilegierte volljährige Kinder stehen hierbei auf dem 1. Rang, während die nicht privilegierten volljährigen Kinder nur den 4. Rang bekleiden. Damit gehen die Unterhaltsansprüche der getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten den Ansprüchen dieser volljährigen Kinder vor.

Übersicht Volljährigenunterhalt: Privilegiertes oder nicht privilegiertes volljähriges Kind

Wie sich der Umstand auswirkt, ob ein volljähriges, Unterhalt beanspruchendes Kind privilegiert oder nicht privilegiert ist, können Sie nochmals der folgenden Übersicht entnehmen (Stand: 1. Januar 2021):

Volljähriges Kind ist

Volljähriges Kind lebt

Monatlicher Kindesunterhalt

Monatlicher Eigenbedarf pro Elternteil

privilegiertim Haushalt eines Elternteilsrichtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle1.160 EUR
nicht privilegiertim Haushalt eines Elternteilsrichtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle960 EUR
nicht privilegiertmit eigenem Hausstandbeträgt 860 EUR1.400 EUR

Anders als bei der Berechnung des Unterhalts für minderjährige Kinder wird für die Ermittlung der Unterhaltshöhe bei volljährigen Kindern das bereinigte Nettoeinkommen von beiden Elternteilen zusammengerechnet. Dabei ist der jeweilige Unterhalt aber nur anteilig bzw. quotenmäßig im Verhältnis der einzelnen Einkommens- und Vermögensverhältnisse von jedem Elternteil zu zahlen.

Für die Berechnung der Unterhaltszahlungen wird jeweils vom bereinigten Nettoeinkommen der Eigenbedarf abgezogen. Anschließen wird das Einkommen der Elternteile zueinander ins Verhältnis gesetzt und der zu zahlende Anteil ermittelt.

Eigene Einkünfte des Kindes, zu denen auch das Kindergeld gehört, wirken sich bedarfsmindernd aus, so dass sich die Unterhaltszahlungen der Eltern verringern.

Und, wenn's den Kindern nicht verbliebe, den Enkeln kommt es doch zugut.

Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832)

Volljähriges privilegiertes Kind lebt bei einem Elternteil

Zu berücksichtigen sind bei der Berechnung des Unterhaltsbetrags die Düsseldorfer Tabelle sowie der notwendige Eigenbedarf der Elternteile bei Erwerbstätigkeit bzw. keiner Erwerbstätigkeit von 1.160 bzw. 960 EUR monatlich (Stand: 1. Januar 2021).

Volljähriges nicht privilegiertes Kind lebt bei einem Elternteil

Hier ist bei der Berechnung des Unterhaltsbetrags auf die die Düsseldorfer Tabelle sowie den angemessenen Eigenbedarf der Elternteile von jeweils 1.400 EUR monatlich abzustellen. (Stand: 1. Januar 2021).

Volljähriges nicht privilegiertes Kind hat eigenen Hausstand

Der Unterhaltsbetrag für das nicht privilegierte Kind mit eigenem Hausstand beträgt 860 EUR monatlich, der angemessene Eigenbedarf der Elternteile jeweils 1.400 EUR monatlich (Stand: 1. Januar 2021)

Expertentipp: Solange das betreuende Elternteil dem nun volljährig gewordenen Kind Unterhalt in Natur in Form von Unterkunft, Kost, Bekleidung usw. bietet, kann das Kind trotz Volljährigkeit nicht plötzlich Barunterhalt verlangen. Lediglich dann, wenn das Kind aus triftigen Gründen den Barunterhalt benötigt, ist dieser zu zahlen. Typische Fälle sind etwa der Erhalt des gewünschten Studienplatzes an einem auswärtigen Ort oder die fehlende Zumutbarkeit des Verbleibs beim Elternteil, beispielsweise wegen wiederholten und erheblichen schweren Auseinandersetzungen, die zu einer tiefen Zerrüttung zwischen Eltern und Kind führen. Hingegen liefern die üblichen Alltagskonflikte, einschließlich emotionaler Gefühlsausbrüche zwischen betreuendem Elternteil und volljährigem Kind, keinen Grund dafür, dass der Abkömmling sofort Anspruch auf Barunterhalt hat.

Sind mehrere volljährige Kinder vorhanden, kommt es für den Volljährigenunterhalt ebenfalls darauf an, ob Kinder privilegiert sind und wo sie leben. Wohnt etwa ein 18-jähriger Schüler noch bei der Mutter und lebt sein 23-jähriger Bruder auswärts an seinem Studienort, muss der Vater den Barunterhalt zuerst an den Schüler leisten, da er sich auf dem obersten Rang befindet. Ob der Vater dann noch Unterhalt für den Studenten auf dem 4. Rang zahlen kann, richtet sich nach den Einkommensverhältnissen des Vaters.

Zu zahlen ist der Volljährigenunterhalt grundsätzlich bis zum Abschluss einer angemessenen, den Fähigkeiten des Kindes entsprechenden Berufsausbildung, § 1610 Abs. 2 BGB. Arbeitslose und schwangere volljährige Kinder können trotz abgeschlossener Ausbildung ausnahmsweise einen Unterhaltsanspruch haben.

Auch volljährige Kinder haben unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Unterhalt. Gründe für einen Anspruch sind insbesondere, wenn sich das volljährige Kind noch in der Ausbildung oder im Studium befindet. Informieren Sie sich rechtzeitig, ob Sie Ihrem Kind auch während der Ausbildung Kindesunterhalt leisten müssen.

Geschrieben von: iurFRIEND-Redaktion