Wie lange braucht ein Pferd für 1 km

Stallarbeit und Bürostress bis zum Abwinken, und Sie sind mal wieder nur dazu gekommen, Ihr Pferd 15 Minuten zu longieren? Die Zirkuslektionen kamen zu kurz und Sie befürchten, dass Ihr Frechdachs geistig nicht ausgelastet ist? Oder Sie haben das Gefühl, der Ausritt war zu anstrengend? Keine Sorge: Mit solchen Problemen und Gedanken sind Sie nicht allein. Fast jeder Pferdebesitzer fragt sich wohl regelmäßig, ob er sein Pferd auslastet oder unterfordert, es zu viel oder zu wenig trainiert.

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Rädlein

Ist mein Pferd gut traininiert, über- oder unterfordert?

Doch welche Sorgen sind begründet, welche unnötig und vor allem: Wie findet man das goldene Trainings-Maß? Das verraten Katharina Möller und Claudia Weingand. Das Expertinnen-Duo vereint im Konzept „OsteoDressage“ Trainingswissen und osteopathische Aspekte. Möller ist Ausbilderin für klassische Reitkunst und FN-Trainerin A mit eigenem Ausbildungsstall bei Erfurt, Weingand lebt im baden-württembergischen Althütte und ist Pferdeosteopathin nach Barbara Welter-Böller, der Gründerin der „Fachschule für Osteopathische Pferdetherapie“ in Schneverdingen (www.welter-boeller.de).

Ausdauer, Koordination, Kraft

Der richtige Mix macht’s. Damit das Trainingsmaß stimmt, müssen Ausdauer-, Koordinations- und Krafttraining in der richtigen Balance sein. Weingand und Möller beobachten, dass es oft an der Grundlagenausdauer fehlt. „Viele Pferdebesitzer sind überrascht, wie lange ihr Pferd laufen müsste, damit sich der Trainingszustand wirklich verbessert.“ Richtwert: Mindestens 20 Minuten am Stück sollte ein Pferd zunächst problemlos traben können, damit Sie schadlos reiten können. Wenn nicht, gehen Sie einen Schritt zurück zum Ausdauertraining vom Boden.

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Longieren stärkt die Ausdauer.

Ausdauertraining macht stabil

Sehnen und Bänder kräftigen: „Ausdauertraining ist die einzige Trainingsart, die die Faszien stabilisiert“, erklärt Pferdeosteopathin Claudia Weingand. Zum tiefen Fasziengewebe, das Muskeln, Knochen und Gelenke umschließt, gehören auch Sehnen und Bänder. Durch Ausdauer-Trabtraining wird das Pferd also überhaupt erst fit und stabil genug fürs Reiten. „Faszien brauchen zwei Jahre, um sich zu stabilisieren“, erklärt Claudia Weingand. „Muskeln bauen sich dagegen innerhalb weniger Wochen auf. Ziehen zu starke Muskeln an noch nicht ausreichend kräftigen Sehnen und Bändern, begünstigt das Sehnenschäden.“ Daher wäre es schädlich, zu früh mit gezieltem Krafttraining zu beginnen. Denn eine gute Ganzkörpermuskulatur baut Ihr Pferd auch durch das Ausdauertrai- ning auf. Das Herz-Kreislauf-System wird so trainiert und die Lungenfunktion verbessert sich.

Gut zu wissen: 20 Minuten sollte ein Reitpferd locker traben können. Ausdauertraining lässt Sehnen, Bänder und Knochen stabiler werden. Es sorgt erst dafür, dass ein Pferd schadlos geritten werden kann. Denn: Einen Reiter zu tragen, verlangt Kraft und Ausdauer.

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Cavaletti-Training übt die Koordination und Kraft.

Koordination kommt mit Übung

Viele und regelmäßige Wiederholungen sind gefragt. „Koordinationsfähigkeit ist die Basis für jede Bewegung und damit für ein Reitpferd genauso wichtig wie eine gute Ausdauer“, erklärt Katharina Möller. Das Pferd soll zwei Dinge lernen: einzelne Körperteile gezielt bewegen, also seine Geschicklichkeit verbessern. Und in Bewegungen mit dem ganzen Körper mehr Gewandtheit erlangen. Neben gezieltem Training können Ausritte oder Spaziergänge über unterschiedliche Böden die Koordinationsfähigkeit ganz nebenbei verbessern.

Reiten an sich ist Krafttraining

Die Kraftleistung wird oft unterschätzt. „Einen Reiter zu tragen, ist fürs Pferd per se Ausdauer- und Krafttraining in einem“, betont Claudia Weingand. Auch Galopp trainert Ausdauer und Kraft zugleich: Durch die Sprünge nach vorne sind die Muskeln gefragt, durch die Einbeinstützen ist Galopp aber verschleißender als Trab. „Galopp sollte man darum frühestens nach neun Wochen kontinuierlichem Ausdauer-Training im Trab dazunehmen“, erklärt Möller. „Im Trab wird der Rumpfträger, der den Rumpf zwischen den Schulterblättern aufhängt, schonend trainiert, sodass er dann im Galopp einen Teil der Beschleunigungskraft abfangen kann, die auf die Pferdebeine einwirkt.“

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Ein frischer Galopp im Gelände ist Krafttraining pur.

Generell gilt: Je weiter Sie Ihr Pferd nach und nach ausbilden, desto mehr trainieren Sie auch die Kraft spezieller Muskelgruppen. „Ein Springpferd in höheren Klassen trainiert an Steilsprüngen gezielt seine Muskeln; und auch eine Piaffe ist eine echte Kraft-Lektion,“ so Claudia Weingand. Gezieltes Muskel-Training ist also das Sahnehäubchen auf der Trainingstorte.

Gut zu wissen: Reiten Sie lieber nur jeden zweiten Tag. So geben Sie dem belasteten Gewebe in der Sattellage und dem gesamten Körper Zeit zur Regeneration. Ist Ihr Pferd im Aufbautraining, reiten Sie ebenfalls regelmäßig, aber kürzer.

Kopfarbeit kommt automatisch

Machen Sie sich darüber keinen Kopf. Wer die drei Trainingsaspekte Ausdauer, Koordination und Kraft in einem ausbalancierten Verhältnis berücksichtigt, spricht das Pferd wie von selbst auch geistig an. „Ich finde hier das Stichwort Bewegungsdialog ganz wichtig“, sagt Katharina Möller. „Ich stehe mit meinem Pferd ja immer in Austausch darüber, wie seine aktuelle Verfassung ist und reagiere darauf – auf körperlicher, aber auch auf geistiger Ebene.“

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Kopfarbeit in der Halle mit Cavalettis.

Gerade Koordinationstraining fordert das Pferd immer auch geistig und kann nebenbei gelassener machen. „Gut koordinierte Pferde springen seltener unüberlegt und hektisch weg“, erklärt Claudia Weingand. Auch ein scheinbar einfacher Ausritt liefert dem Pferd durch die ständigen Sinnesreize viel Stoff fürs Köpfchen. Und Ausdauertraining? Wirkt entspannend auf die Psyche: „Das können Sie sich ähnlich vorstellen, wie wenn Sie selbst spazieren gehen, joggen oder Rad fahren. Wichtig ist dafür, einen gleichmäßigen, ruhigen Takt zu finden“, so Möller.

Weniger ist oft mehr

Übertriebenes Futter-Lob kann etwa den Puls hochtreiben, haben unsere Expertinnen festgestellt. „Viele Reiter wollen unbedingt motivieren. Bekommen Pferde oft und ohne Konzept (anders als beim sinnvoll aufgebauten Clickern) Futter und erwarten das dauernd, bieten viele Pferde ständig irgendetwas an, etwa den Spanischen Schritt. Das steht dem losgelassenen Arbeiten oft eher im Weg“, so Claudia Weingand. Bringen Sie Ruhe in Ihre Arbeit, findet das Pferd zur Ausgeglichenheit. Weniger ist mehr gilt auch in anderer Hinsicht. Der größte Trainingseffekt entsteht nämlich in der Regenerationsphase nach einem Trainingsreiz – Pausentage sind daher wichtig.

Wie oft ist genug?

Drei- bis viermal pro Woche sollten Sie trainieren. „So oft sollten Sie die Leistung, die Ihr Pferd bringen können soll, auch abfragen“, erklärt Katharina Möller. Heißt: Soll Ihr Pferd fit für gelegentliche mehrstündige, gemütliche Ausritte fit sein, müssen Sie drei- bis viermal pro Woche eine entsprechende Ausdauerleistung wie 20 bis 30 Minuten Trab am Stück abfragen. Soll es sich trittsicher bewegen und Dressurlektionen zeigen, müssen Sie spätestens jeden dritten Tag Koordinationsaufgaben stellen.

Gut zu wissen: Zeitnot? Jeden dritten Tag trainieren reicht. Schlechtes Gewissen ade: Wer sein Pferd nur jeden dritten Tag, dafür aber vernünftig trainiert, hat ein gesundes Trainingsmaß. Voraussetzung ist, dass das Pferd sich zusätzlich viel frei bewegen kann.

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Drei bis viermal Training pro Woche reicht, so Experten.

Rasse und Alter sind wichtig

Tinker und Isländer sind nicht gleich Warmblut. „Natürlich muss das Training immer individuell auf Ihr Pferd abgestimmt sein“, betont Katharina Möller. Während ein Warmblüter oder Araber locker 20 Minuten Trab aus den Hufen schüttelt, ist derlei für einen Tinker eine echte Leistung. Rechnen Sie also damit, dass es länger dauert, bis Sie Ihre Ziele in Sachen Ausdauer erreicht haben.

Achten Sie auf ein gutes Ausdauertraining schon im Schritt, arbeiten Sie sich langsam auf 20 Minuten Trab hoch und ziehen das Tempo nicht zu sehr an. Ein Araber kann dafür vielleicht schlechter übertreten und benötigt beim Koordinationstraining mehr Geduld und intensivere Förderung. Auch das Alter ist wichtig: Bis sieben Jahre sollte ein Pferd im Vergleich zum Trabtraining eher wenig galoppieren, keine Traversalen gehen und noch häufig im Entlastungssitz geritten werden, da das Wachstum noch nicht abgeschlossen ist.

Ab 16 Jahren dagegen beginnt das Fasziengewebe, sich deutlich mehr zu stabilisieren, der Körper wird weniger beweglich. „Ältere Pferde sollten darum ruhig Seitengänge und andere gymnastische Übungen machen, wenn sie keine Arthrose haben“, so Weingand. „Das Training sollte zudem die Muskulatur gezielt ansprechen. Wenn ein älteres Pferd also zum Beispiel noch galoppieren kann, dann sollte es das auch tun.“

Selbsttraining auf der Koppel?

Hilfreich, aber nicht genug. „Ein Pferd, dass sich im Aktivstall mit Paddocktrail oder auf großen Weiden viel bewegt, erreicht viel schneller die für ein Reitpferd nötige Ausdauer als ein Pferd, das den Großteil der Zeit in einer Paddockbox steht“, sagt Claudia Weingand. Eine grundlegende Ausdauer, die zum Beispiel für längere Spaziergänge an der Hand ausreicht, bringen Pferde aus Weide- und Aktivstallhaltung schon mit. Das reicht zwar nicht fürs Reiten, ist aber ein guter Grundstein.

Auch die Koordinationsfähigkeit lässt sich durch kleine Veränderungen im Offen- oder Aktivstall fördern: „Kleine Bodenwellen sind zum Beispiel super dafür“, sagt Katharina Möller. „Ich habe außerdem nicht zu hohe Baumstämme auf dem Weg zur Futterstelle hingelegt – so müssen die Pferde häufig darübersteigen und üben diese Koordinationsleistung ein.“ Vielleicht haben Sie Lust, ähnliche Ideen umzusetzen – und lassen sich außerdem in Teil 2 unseres Titelthemas zeigen, wie Sie das ideale Trainingsmaß finden. Beispielhafte Trainings- Wochenpläne und Checklisten zum Trainingszustand Ihres Pferds helfen Ihnen dabei.

Gut zu wissen: Muskelabbau beginnt nach 8-10 Pausentagen. Trainieren Sie Ihr Pferd sogar 12 Wochen lang nicht, fangen Sie danach muskel- technisch bei Null an. Wichtig zu bedenken etwa nach krankheitsbedingten Pausen.

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