Show Immer mehr Länder schliessen sich den USA an und verzichten darauf, eine politische Delegation zu den Spielen nach China zu schicken. Warum Frankreich trotzdem gehen will - und Deutschland noch grübelt.
Fabian Hock 15.12.2021, 05.00 Uhr Joe Biden fand klare Worte. Vor gut einer Woche verkündete die Sprecherin des US-Präsidenten den diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking im kommenden Februar: Die Biden-Regierung werde keine offiziellen Vertreter zu den Spielen entsenden, sagte Jen Psaki. Washington begründet den Entscheid mit den «anhaltenden Genoziden und Verstössen gegen Menschenrechte in Xinjiang» sowie weiteren Menschenrechtsverletzungen. Hinter den US-Athleten stehe man« zu 100 Prozent». Allerdings werde man sie «von zu Hause aus anfeuern». In Amerika erhielt Biden viel Zuspruch für diesen Schritt. Einigen ging er hingegen nicht weit genug. Mehrere republikanische Senatoren forderten einen vollständigen Boykott. Grossbritannien, Australien, Kanada und Neuseeland schliessen sich anDie Biden-Regierung fand in ihrem Anliegen rasch Unterstützer. Grossbritanniens Premier Boris Johnson und Australiens Ministerpräsident Scott Morrison erklärten kurz nach dem Entscheid der USA, ebenfalls keine Diplomaten nach China zu schicken. Kanada schloss sich ebenfalls an. Neuseeland nannte, anders als die anderen drei, die Coronapandemie als Begründung für die Absage. Auch für diese Länder bleibt der Boykott diplomatischer Natur: Athletinnen und Athleten können an den Spielen teilnehmen. Für Australien hat die Situation eine besondere Brisanz: Seit Jahren schon spricht Australiens Regierung offen aus, wie schlecht es um die Menschenrechtslage in China bestellt ist. Im vergangenen Jahr forderte Canberra zudem eine Untersuchung über den Ursprung des Coronavirus. Peking reagierte mit einem politischen Rachefeldzug: Australische Waren wie Wein, Getreide oder Rindfleisch wurden mit Strafzöllen von über 200 Prozent belegt. Ein harter Schlag für die australische Wirtschaft, die enge Beziehungen nach China pflegt. Der Konter folgte im Spätsommer diesen Jahres: Australien schloss sich dem Verteidigungsbündnis Aukus mit den USA und Grossbritannien an - und entschied sich damit klar für die amerikanische und gegen die chinesische Seite. Der jetzige Boykott ist daher keine grosse Überraschung. Das sieht auf der Ministerpräsident so: «Australien wird nicht von seiner starken Position abrücken, mit der wir für die Interessen Australiens eingetreten sind, und natürlich ist es keine Überraschung, dass wir keine australischen Offiziellen zu diesen Spielen entsenden werden», erklärte Morrison letzte Woche. Frankreich, Südkorea und Russland gehen trotzdemEmmanuel Macron hält nicht viel von Boykotten. Diese seien rein symbolisch und führten zu nichts, sagte der französische Präsident. Seine Regierung beteilige sich nicht an der Aktion, sondern werde eine Delegation entsenden. Auch Südkorea verzichtet auf den Boykott. Präsident Moon Jae-in erklärte Anfang dieser Woche, dass seine Regierung einen Boykott nicht in Betracht ziehe. Das hat vor allem mit dem schwierigen Nachbarn im Norden zu tun: China spielt eine entscheidende Rolle mit Konflikt zwischen Süd- und Nordkorea. Seoul kann es sich derzeit kaum leisten, China zu verärgern. In Russland will man erwartungsgemäss von einem Boykott nichts wissen. Wladimir Putin wird persönlich in China erwartet - wenn auch nicht in seiner Rolle als Staatspräsident, sondern in jener des Präsidenten des Russischen Olympischen Komitees. Japan und Deutschland überlegen nochDer neue deutsche Kanzler Olaf Scholz konnte sich noch zu keinem Entscheid durchringen. Man werde sich sorgfältig beraten und dann über einen möglichen diplomatischen Boykott entscheiden. Seine Aussenministerin Annalena Baerbock sprach sich derweil gegen ein Fernbleiben aus: Olympische Spiele sollten nicht als politische Bühne benutzt werden, sagte sie. Ebenfalls am Prüfen ist die Regierung in Tokio. Hier stehen die Zeichen indes eher auf Boykott: Laut japanischen Medienberichten will sich die Regierung noch diesen Monat dafür aussprechen.
Renzo Ruf, Washington 06.12.2021
Zwei weitere europäische Länder lassen keine Diplomatinnen und Diplomaten zu den Olympischen Winterspielen in China reisen. Die Niederlande und Dänemark werden keine Regierungsdelegation nach Peking schicken. Das sagte ein Sprecher des niederländischen Außenministeriums am Freitag der Nachrichtenagentur ANP in Den Haag. Dies habe das Kabinett entschieden. Als Grund nannte der Sprecher, dass wegen der Corona-Maßnahmen auch keine Zuschauer aus dem Land zugelassen seien.
Ein weiterer Grund sei, dass man nicht die Menschenrechtslage ansprechen könne. Durch die Corona-Maßnahmen gebe es »nur begrenzten Raum für ein inhaltliches Programm und für bilaterale Kontakte mit dem Gastland, bei denen die großen Sorgen der Niederlande über die Menschenrechtslage auf eine angemessene Weise besprochen werden können«, zitiert ANP den Sprecher. Bereits zuvor hatte König Willem-Alexander mitgeteilt, dass er nicht nach China reisen werde. Als Grund hatte er die Coronapandemie angeführt.
Der dänische Außenminister Jeppe Kofod hatte deutlichere Worte: »Es ist kein Geheimnis, dass wir sehr besorgt über die Menschenrechtssituation in China sind«, zitiert ihn die Nachrichtenagentur Reuters. Noch keine Abstimmung in der EUAndere EU-Mitgliedstaaten werden ebenfalls nicht mit einer offiziellen Delegation in China vertreten sein. Innerhalb der Europäischen Union laufe in dieser Frage noch die Abstimmung, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag in Berlin, dieser Prozess sei in jeder Hinsicht noch nicht abgeschlossen. Die US-Regierung hatte erklärt, die Spiele wegen der Menschenrechtslage diplomatisch zu boykottieren. Australien, Kanada, Großbritannien und Neuseeland schlossen sich an. Uno-Generalsekretär António Guterres wird dagegen zur Eröffnungsfeier am 4. Februar nach Peking reisen.
Auf die Olympischen Winterspiele folgen die Paralympics: Vom 04. bis 13. März 2022 richtet Beijing (China) die 13. Paralympischen Winterspiele aus. Die ersten Paralympischen Winterspiele fanden 1976 im schwedischen Örnsköldsvik statt. Damals traten 16 Nationen im Kampf um die begehrten Medaillen an. Seitdem ist die Zahl der teilnehmenden Staaten deutlich gestiegen. Bei den diesjährigen Paralympics werden rund 600 Athletinnen und Athleten aus mehr als 40 Staaten erwartet. Bei uns finden Sie Länderinformationen zu insgesamt rund 90 UN-Staaten, aus denen Athletinnen und Athleten der Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2022 in diesem Jahr kommen. Die Russische Föderation und Belarus wurden am 3. März 2022 aufgrund des Einmarsches in die Ukraine von den Paralympischen Spielen ausgeschlossen.
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