Welche hormone beeinflussen den blutzuckerspiegel

Hormone – Botenstoffe des Körpers – beeinflussen in vielfältiger Weise Stoffwechselvorgänge im gesamten Körper. Sie nehmen auch Einfluss auf den Blutzuckerspiegel und damit auf die Diabetestherapie. Eindrucksvolles Beispiel für den Einfluss der Hormone auf den Körper sind die „Wechseljahre“, die Menopause der Frau:

Das plötzliche rasche Abfallen des wichtigsten weiblichen Sexualhormones (Östrogen / Estradiol) kann Veränderungen im ganzen Körper verursachen:

  • schwere vegetative Beschwerden: Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, Unruhe
  • Osteoporose und Zunahme von Herzinfarkt und Schlaganfall
  • Verminderter Grundumsatz und Gewichtszunahme
Grundumsatz- und Gewichtsveränderung weisen augenfällig auf einen Zusammenhang mit dem Zuckerstoffwechsel hin: mit der möglichen Gewichtszunahme steigt das Risiko zur Entwicklung eines Diabetes; eine bisher ausreichende Diabetestherapie muss manchmal neu angepasst oder gesteigert werden. Veränderungen im Hormonhaushalt beeinflussen also den Zuckerspiegel und die Wirkung einer Diabetestherapie. Dies gilt besonders für Schilddrüsenkrankheiten und Störungen im Cortisonstoffwechsel.

Welche hormone beeinflussen den blutzuckerspiegel

25.06.2018

Berlin, Juni 2018 – Für die Diagnose von Diabetes ist ein erhöhter Blutzuckerspiegel ein zentraler Hinweis auf die Stoffwechselstörung. Die Ursachen dafür können auch in einer Überproduktion anderer lebensnotwendiger Hormone liegen. Gegenspieler des Insulins, das für die Senkung des Blutzuckerspiegels verantwortlich ist, können den Zuckerstoffwechsel stark beeinflussen. Welche Rolle das Stresshormon Cortisol und Wachstumshormone in diesem Zusammenhang spielen und welche gut behandelbaren Hormonerkrankungen wie der Morbus Cushing oder die Akromegalie dahinterstehen können, erläutern Experten auf einer Pressekonferenz am 28. Juni 2018 in Berlin.

Wenn der Blutzuckerspiegel erhöht ist, überzählige Pfunde sich vor allem an Bauch, Hüften und Gesäß sammeln, sich das Gesicht „vollmondartig“ rundet, die Muskeln schwach werden und auf der Haut am Bauch Dehnungsstreifen sichtbar werden, dann ist ganz offensichtlich der Stoffwechsel aus der Balance geraten. „Jenseits von Übergewicht, mangelnder Bewegung oder familiärer Veranlagung können die Ursachen dafür hormoneller Art sein“, sagt Professor Dr. med. Matthias M. Weber, Leiter der Endokrinologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Häufig wird aufgrund der zu hohen Blutzuckerwerte erst einmal „nur“ ein Diabetes diagnostiziert. Eine Hormonuntersuchung kann und sollte dann jedoch Klarheit über mögliche Ursachen bringen: Wird dabei beispielsweise ein Überschuss des Steroidhormons Cortisol festgestellt, kann ein Cushing-Syndrom diagnostiziert werden. Von der seltenen Hormonerkrankung sind in Deutschland etwa 3000 Menschen betroffen. „Ursache für das Zuviel an Cortisol ist meist ein gutartiger hormonproduzierender Knoten in der Hirnanhangdrüse. Diesen kann man heutzutage oft sehr gut operativ entfernen oder medikamentös behandeln“, erklärt Weber. Diabetes und Gewichtsprobleme können also in diesem Fall durch eine Operation geheilt werden.

Cortisol, auch als Stresshormon bekannt, ist ein lebensnotwendiges Hormon. In akuten Belastungssituationen wird es sehr schnell in die Blutbahn ausgeschüttet, regt den Stoffwechsel an, wirkt entzündungshemmend und sorgt dafür, dass im Blut mehr Glukose – also Traubenzucker – als Energielieferant für die Zellen bereitgestellt wird. „Cortisol ist einer der wichtigsten hormonellen Gegenspieler von Insulin und schwächt dessen Wirkung in den Zellen ab. Mit dem Effekt, dass bei Cortisolüberschuss eine Insulinresistenz entstehen kann“, erklärt Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Mediensprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).

„Etwas anders sehen die Therapieoptionen aus, wenn der Cortisolüberschuss durch die langfristige Einnahme von Medikamenten entstanden ist“, merkt Weber an. Muss ein Patient beispielsweise wegen einer entzündlichen, autoimmunen oder rheumatischen Erkrankung Kortison in hohen Dosen einnehmen – als Salbe, Spray oder in Tablettenform – kann das ebenfalls Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel haben. „Zu den Nebenwirkungen von Kortison gehört eine deutliche Verschlechterung der Blutzucker-Stoffwechsellage. Das kann bis zum Auftreten eines Diabetes führen“, so Weber. Dann müssen Arzt und Patient gemeinsam Nutzen und Risiken abwägen. „Wenn Kortison als Medikament alternativlos ist, muss der Blutzuckeranstieg mit Diabetesmedikament oder Insulin reguliert werden“, so der Diabetologe Gallwitz, der als stellvertretender Direktor an der Medizinischen Klinik IV am Universitätsklinikum Tübingen tätig ist.

Bei den Tumoren in der Hirnanhangdrüse gibt es auch solche, die dazu führen, dass vermehrt Wachstumshormone ausgeschüttet werden. Bei Kindern kommt es zum sogenannten Riesenwuchs, der zu schnellem Wachstum, Gelenkschmerzen, Schwitzen und einer hohen Körpergröße führt. Bei Erwachsenen verändert sich nicht nur das Aussehen mit vergrößerter Nase, prägnanten Wangenknochen, überdimensionierten Händen und Füßen. Die Akromegalie genannte Hormonstörung schädigt auch innere Organe und kann zu Herzerkrankungen und Diabetes führen. Wenn der Tumor früh erkannt wird und noch kleiner als 1 cm Durchmesser hat, sind die Heilungschancen sehr gut; 80 Prozent der Akromegalie-Patienten können dann durch die operative Entfernung des Tumors von ihren Beschwerden geheilt werden.

„Insulin ist das einzige Hormon, das den Blutzuckerspiegel senkt. Für die Diagnose eines Diabetes und eine optimale Behandlung müssen wir immer auch die Gegenspieler im Blick haben, also die Hormone, die für mehr verfügbaren Blutzucker sorgen. Nur so können auch seltene Ursachen gefunden und eine optimale Behandlung des Patienten erreicht werden“, resümiert Weber. Auch wenn das Cushing-Syndrom oder die Akromegalie selten sind, sie sollten als Verursacher veränderter Blutzuckerspiegel in Betracht gezogen werden, sind sich die beiden Diabetesexperten einig.

Auf der gemeinsamen Pressekonferenz der beiden Fachgesellschaften am 28. Juni 2018 in Berlin stehen neben seltenen Hormonerkrankungen und Diabetes auch die Themen Ökonomisierung in der Medizin, Studium und Ausbildung von Diabetologen sowie translationale Forschungsansätze auf der Agenda.

Welche hormone beeinflussen den blutzuckerspiegel

Nicht nur das Hormon Insulin regelt den Blutzucker. Andere Hormone des menschlichen Körpers können diesen ebenfalls stark beeinflussen und das Leben mit der Zuckerkrankheit deutlich erschweren.

Welche hormone beeinflussen den blutzuckerspiegel
Abb. mit freundlicher Genehmigung von Thomas Seilnacht, Bern. Unterrichtsmaterialien zum Thema Mensch. © www.digitalefolien.ch

1. Das Hormonsystem Der menschliche Körper ist ein kompliziertes System gegenseitig abhängiger Organe und Gewebe. Diese müssen gut zusammenarbeiten, denn eine Unmenge von Funktionen, beginnend beim Körperwachstum im Kindesalter bis zu Verdauung, Stressbewältigung, Fortpflanzung und vielen anderen, müssen fortlaufend überwacht und gesteuert werden. Dies geschieht für uns unbewusst und grösstenteils mit Hilfe des Hormonsystems. Hormone sind chemische Botenstoffe. Sie werden in speziellen Hormondrüsen (siehe Abbildung), aber auch in Zellen des Nervengewebes, des Verdauungstraktes und an anderen Orten gebildet. Als Botenstoffe gelangen sie meistens über den Blutkreislauf in alle Körperteile und Organe und lösen dort bestimmte Reaktionen aus. Dabei muss alles ständig und genauestens kontrolliert werden, da es sonst zu einer Störung des fein ausgewogenen Gleichgewichts des Körpers kommen kann. Dieser Kontrollmechanismus geschieht in der Regel über eine sogenannte Rückkoppelung und ist vergleichbar mit dem Thermostat, der die Heizung unseres Hauses regelt: Misst der Thermostat zu kalte Temperaturen, wird die Heizung nach oben reguliert, und die Temperatur steigt. Misst der Thermostat eine zu hohe Temperatur, wird der Heizkörper zurückreguliert, damit die Raumtemperatur sinkt. In vergleichbarer Weise kontrolliert jede Hormondrüse den Prozess, den sie steuert. Wenn der Kontrollwert zu hoch steigt, wird die Hormonausschüttung reduziert oder ein gegenwirkendes Hormon wird zur Senkung ausgeschüttet. Wenn der kontrollierte Wert zu niedrig ausfällt, wird die Hormonfreisetzung gesteigert. Dieses an sich einfache Regulationssystem ist aber noch etwas komplizierter, weil einige der hormonproduzierenden Drüsen durch übergeordnete Hormondrüsen gesteuert werden. Ein Beispiel dafür ist die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse). Diese ist etwa erbsengross, hängt mit einem Stiel an der Basis des Gehirns und sitzt in einer Grube der inneren Schädelbasis über dem Gaumen auf der Höhe des Nasenrückens. Die von der Hypophyse produzierten Hormone regeln das Wachstum des Körpers und dessen Salzhaushalt, steuern aber auch untergeordnete Hormondrüsen wie die Schilddrüse, die Nebenniere oder die Keimdrüsen (Eierstöcke, Hoden). Die Tätigkeit der Hypophyse wird ausserdem vom übergeordneten Zentralnervensystem, genauer dem Hypothalamus, überwacht und gesteuert. Ebenfalls eine Sonderrolle nimmt die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) ein, in der mehrere Hormone produziert werden, die den Blutzuckerspiegel beeinflussen (Insulin und Glukagon). Näheres dazu wurde bereits im «d-journal» 245/2017 (Die Bauchspeicheldrüse – unbekannt und dennoch wichtig) dargestellt.

Im Folgenden sollen einige Hormone beschrieben werden, die neben dem bekannten «Zuckerhormon», dem Insulin, ebenfalls den Blutzucker beeinflussen können.

2. Stresshormone (Adrenalin, Glukagon, Kortisol, Wachstumshormon) Stress kennen wir alle. Man versteht darunter psychischen Stress wie Streit, Zahnarztbesuch oder Prüfungen. Andere typische Stresssituationen, die den Körper belasten, sind zum Beispiel körperlich anstrengende Tätigkeiten, Infektionskrankheiten, schwere Erkrankungen und Operationen. In all diesen Situationen spielen die Hormone Adrenalin, Glukagon, Wachstumshormon und Kortisol eine wichtige Rolle. Adrenalin und Kortisol werden von der Nebenniere, Glukagon von der Bauchspeicheldrüse und Wachstumshormon von der Hypophyse produziert und ans Blut abgegeben. Diese Hormone sorgen dafür, dass dem Körper ausreichend Energie zur Bewältigung der Stresssituation zur Verfügung steht. Energiebereitstellung bedeutet vor allem Mobilisieren der Zuckerreserven. Der Körper regelt dies durch Reduktion der Insulinfreisetzung und Ausschüttung der Stresshormone. Als Folge davon gibt die Leber mehr Zucker ans Blut ab. Der Blutzucker steigt, womit dem Körper mehr Energie zur Verfügung steht als unter normalen Zuständen. Typisch ist auch die Stresssituation bei der Unterzuckerung. Durch Ausschütten von Stresshormonen in die Blutbahn versucht der Körper, den Blutzucker wieder anzuheben. Da alle diese Hormone auch andere Reaktionen im Körper auslösen, sind die typischen Symptome bei Hypoglykämie, wie zum Beispiel schneller Puls und Zittern am ganzen Körper, nicht nur Folge der Unterzuckerung, sondern auch Resultat der erhöhten Stresshormonausschüttung. Bei psychischem Stress ist es schwierig abzuschätzen, wie stark der Effekt der Stresshormone auf den Blutzucker ist. Sicher ist, dass die Art und das Ausmass der psychischen Belastung eine Rolle spielen. In chronischen Stresssituationen, zum Beispiel bei Mobbing am Arbeitsplatz oder bei Arbeitslosigkeit, werden oft ein Blutzuckeranstieg und eine schlechtere Diabeteseinstellung beobachtet. Die Frage ist dann allerdings, ob nicht die Stresssituation deshalb zu einer schlechteren Diabeteseinstellung führt, weil die Regelmässigkeit und Korrektheit der Diabetestherapie vernachlässigt wird.

Bei akutem psychischem Stress, zum Beispiel in einer Prüfung, wird (bei Typ-1-Diabetes) vor allem der Abfall des Blutzuckers nach der Mahlzeit verzögert. Der Nüchternblutzucker scheint weniger beeinflusst zu werden. (Näheres dazu in «d-journal» 185/2007, «Psychischer Stress als Ursache von Blutzuckerschwankungen».)

3. Hormone in der Pubertät (Geschlechtshormone,Wachstumshormon) Typischerweise sind in der Pubertät die Blutzuckerwerte deutlicheren Schwankungen unterworfen und meistens viel zu hoch. Auch der HbA1c-Wert verschlechtert sich in der Regel. Das hat viele Gründe. Die Jugendlichen streben weg vom Elternhaus, sie wollen selbständig und eigenverantwortlich ihren Tag gestalten, sich mit Freunden treffen, reisen, die Welt erobern. Sie sind auch extremen Stimmungsschwankungen ausgesetzt, was zu Stressituationen führt. Der Diabetes tritt in den Hintergrund, wird vernachlässigt und ignoriert. Von hormoneller Seite ist es der Anstieg der Geschlechtshormone (Östrogen, Testosteron und andere), die aus dem Mädchen eine Frau und aus dem Buben einen Mann machen. Diese Hormone sorgen dafür, dass zum Beispiel die Geschlechtsteile und die Schamhaare zu wachsen beginnen und die geschlechtstypischen körperlichen Veränderungen (Muskelmasse, Fettverteilung) sichtbar werden. Die Geschlechtshormone setzen aber auch die Insulinwirkung herab. Dies bedeutet, dass verhältnismässig mehr Insulin benötigt wird, um eine gute Zuckerstoffwechsellage zu erreichen. Hinzu kommt, dass die Geschlechtshormone in sehr wechselnden Konzentrationen im Körper vorhanden sind und ihre Wirkung somit nicht vorhersehbar ist, es folglich zu stärker schwankenden Blutzuckerwerten kommt.

Neben den Geschlechtshormonen wird in der Pubertät ein weiteres Hormon in grösserem Masse ausgeschüttet, nämlich das Wachstumshormon. Es ist verantwortlich für den Wachstumsschub in dieser Phase des Lebens. Es begünstigt aber nicht nur das Wachstum selbst, sondern bewirkt auch eine Senkung der Insulinwirkung. Da es hauptsächlich früh morgens ausgeschüttet wird, werden als Folge davon erhöhte Blutzuckerwerte beim Aufstehen beobachtet, was in der Fachsprache als «Dawn-Phänomen» (Dämmerungsphänomen) bezeichnet wird.

4. Schilddrüse und Blutzucker Die Schilddrüse gibt die beiden Hormone Trijodthyronin und Thyroxin ans Blut ab. Die Steuerung der Hormonabgabe durch die Schilddrüse erfolgt durch einen Rückkoppelungsprozess mit dem Hypothalamus, der das Hormon TRH abgibt, und der Hypophyse, die das Hormon TSH abgibt. Werden zu hohe Schilddrüsenhormonwerte gemessen, wird weniger TRH und TSH gebildet und die Hormonfreisetzung durch die Schilddrüse gedrosselt und umgekehrt.

Trijodthyronin und Thyroxin haben eine stoffwechselstimulierende Wirkung, weshalb der Körper mehr Energie benötigt. Die Hormone haben darum auch einen Einfluss auf den Blutzucker: Sie steigern die Glukoseabgabe aus der Leber, die Aufnahme von Glukose aus dem Darm und reduzieren die Insulinwirkung. Sie begünstigen also einen Blutzuckeranstieg. Bei einer Schilddrüsenüberfunktion wird deshalb oft auch ein erhöhter Blutzucker festgestellt, während eine Unterfunktion einen tieferen Blutzucker begünstigt.