Was sind die ersten anzeichen von ms?

Multiple Sklerose (kurz MS) ist eine chronische entzündliche neurologische Erkrankung, die das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) betrifft. Die Krankeitssymptome entstehen durch Schädigung der Nervenisolierschicht (Demyelinisierung) und Abbau von Nervenfasern und -zellen.

Die Erkrankung verläuft unvorhersehbar und sehr individuell, der Verlauf kann über die Jahre eine andere Form annehmen. Während beim schubförmigen Verlauf die Symptome zumindest teilweise wieder verschwinden, geht die Verstärkung der Symptome beim primär und sekundär progredienten Verlauf schleichend voran.

MS ist nicht heilbar, der Krankheitsverlauf lässt sich jedoch medikamentös verlangsamen und abschwächen.

Ursache

Die Ursache von Multipler Sklerose ist bis heute unbekannt. Es wird jedoch angenommen, dass es sich um eine Fehlreaktion des körpereigenen Abwehrsystems handelt, also eine Autoimmunerkrankung. Bestimmte Viren, erbliche Faktoren, Umweltfaktoren oder geografische Besonderheiten spielen wahrscheinlich ebenfalls eine Rolle.

Häufigkeit

Multiple Sklerose tritt in der Regel im frühen Erwachsenenalter auf, manchmal auch im Kindesalter und selten im höheren Erwachsenenalter. Insbesondere bei der nicht schubförmigen MS, nämlich der primär progredientem Form (von Beginn an schleichend-zunehmender Verlauf) beginnt die Erkrankung meist erst nach dem 40. Lebensjahr. Frauen sind dabei doppelt so häufig betroffen wie Männer, weshalb hormonelle Einflüsse vermutet werden.

Was sind die ersten anzeichen von ms?

Links ein von Multipler Sklerose betroffener Nerv mit Demyelinisierung, rechts ein gesunder Nerv mit unbeschädigter Myelinscheide.

Symptome und Beschwerden

Symptome treten bei Multipler Sklerose in der Regel schubweise auf. Phasen guter Gesundheit wechseln sich mit akuten Schüben ab. Die Symptome unterscheiden sich je nach Phase und von Person zu Person. Keine MS gleicht der anderen.

Zudem hängen die Symptome von den betroffenen Nervenfasern ab. Handelt es sich um Nervenfasern, die Sinnesinformationen tragen, kommt es zu Empfindungsstörungen (sensorische Symptome).

Wenn die Nervenfasern betroffen sind, die Signale an die Muskeln weiterleiten, kommt es hingegen zu Bewegungsstörungen (motorische Symptome).

Zu den häufigsten Symptomen von MS gehören:

  • Taubheitsgefühl oder Kribbeln in den Beinen oder Armen
  • starke Müdigkeit und rasche Erschöpfung
  • Probleme bei der Darmentleerung oder Blasenentleerung
  • Gang- oder Gleichgewichtsstörungen
  • Sehstörungen auf einem Auge
  • Lähmungserscheinungen treten seltener auf

Diagnose

Bei Verdacht auf Multiple Sklerose wird zunächst die Krankengeschichte aufgenommen und das Nervensystem bei einer körperlichen Untersuchung untersucht. Mit einer Magnetresonanztomographie (MRT) können «entmarkte» (demyelinisierende) Bereiche in Gehirn und Rückenmark aufgezeigt werden. In gewissen Fällen sind weitere Abklärungen notwendig.

Behandlung

Multiple Sklerose ist nicht heilbar, der Verlauf der Erkrankung lässt sich jedoch mit Medikamenten verlangsamen und abschwächen. Bei der Behandlung unterscheidet man unter Schubtherapie, Basistherapie, symptomatischer Therapie und Rehabilitation.

Die Schubtherapie dreht sich um die Behandlung eines akuten Schubs. Dabei werden hauptsächlich Kortisonpräparate eingesetzt.

Bei der Basistherapie (auch langfristige Immuntherapie) geht es darum, den Verlauf von MS zu beeinflussen. Dazu werden Immuntherapeutika wie Immunmodulatoren oder Immunsuppressiva eingesetzt. In den letzten Jahrzehnten hat hier die Forschung zahlreiche Innovationen hervorgebracht. Vor 20 Jahren gab es noch kaum Therapie-Optionen, heute können Betroffene ein fast normales Leben führen.

Durch die symptomatische Therapie werden die Beschwerden wie beispielsweise Erschöpfung, Muskelkrämpfe oder Darmentleerungsstörungen gelindert. Hier kommen Medikamente sowie physio- und ergotherapeutische Massnahmen zum Einsatz.

Mit der Rehabilitation werden Patientinnen und Patienten bei der Rückkehr ins soziale und berufliche Leben unterstützt. Dazu können Physiotherapie, Ergotherapie oder auch die Logopädie gehören.

Ab welchem Zeitpunkt macht es bei ersten Anzeichen von Multipler Sklerose (MS) Sinn, mit einer medikamentösen Therapie zu beginnen? Sobald erste Symptome wie Gleichgewichtsstörungen, Taubheit, Kraftminderung oder eingeschränktes Sehvermögen auftreten? Oder erst, wenn die Krankheit effektiv diagnostiziert wurde? Bisher lagen zur Klärung dieser Frage nur Studien mit Beobachtungszeiten von wenigen Jahren vor. Das ist bei einer Krankheit, die im Schnitt mehrere Jahrzehnte dauert, relativ kurz. Nun aber schafft eine internationale Langzeitstudie, bei welcher Forschende aus der MS-Forschungsgruppe der Universität und des Universitätsspitals Basel (USB) federführend waren, Klarheit über die langfristigen Auswirkungen eines frühen Behandlungsbeginns.

Studienleiter Prof. Ludwig Kappos, Chefarzt Neurologie des USB: «Unsere Studie bestärkt uns darin, Betroffenen bereits beim ersten Auftreten von hochverdächtigen MS-Symptomen dringend eine vorbeugende Therapie zu empfehlen. Ein früher Behandlungsbeginn hat gegenüber einer verzögerten Therapieeinleitung nachweisbare Vorteile, weil damit der Ausbruch von MS verzögert oder sogar verhindert werden kann.»

Frühe Therapie lohnt sich

An der Studie nahmen 468 Personen mit ersten verdächtigen MS-Symptomen teil. Bei ihnen war zwar noch keine definitive Diagnose einer MS gestellt, doch konnten andere Ursachen ausgeschlossen und im MRI mindestens zwei asymptomatische Herde nachgewiesen werden. Nach erfolgter Information und Einwilligung erhielten die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip innerhalb von maximal 60 Tagen ab Beginn der Symptome entweder das Medikament Interferon β-1b oder ein Placebo. Nach spätestens zwei Jahren oder früher, wenn bei den Betreffenden nach einem zweiten Schub MS diagnostiziert wurde, konnte die Placebo-Gruppe ebenfalls auf die Einnahme von Interferon β-1b oder eines vergleichbaren Medikaments umsteigen.

Elf Jahre nach dem Studienstart konnten die Forschenden 278 Studienteilnehmende ausführlich nachuntersuchen. Davon gehörten 167 Personen zur Gruppe mit früher Therapie und 111 Personen zur Gruppe mit verzögerter Therapie. Dabei zeigte sich, dass die Personen aus der Gruppe mit früher Therapie eine um 33 Prozent tiefere Wahrscheinlichkeit hatten, an MS zu erkranken als jene aus der Gruppe mit späterer Therapie. Ausserdem verstrich bei der frühen Gruppe deutlich mehr Zeit bis zum ersten Rückfall der Krankheit, nämlich 1‘888 Tage im Vergleich zu 931 Tagen bei der späteren Gruppe.

Die frühe Gruppe hatte über den gesamten Zeitraum von elf Jahren eine um 19 Prozent tiefere Häufigkeit von Krankheitsschüben, interessanterweise in der Regel auch in den Jahren, in denen beide Gruppen gleichen Zugang zur Therapie hatten. Insgesamt hatten beide Gruppen nach elf Jahren nur wenig dauerhafte Beeinträchtigungen. Die mediane Änderung im EDSS, einer zehnstufigen Behinderungsskala, betrug 0,5 Punkte und nur rund acht Prozent der Teilnehmenden waren nach elf Jahren vorzeitig berentet.

Publikation in «Neurology»

Die Studienergebnisse wurden am 10. August 2016 in der renommierten Fachzeitschrift «Neurology» der American Academy of Neurology publiziert und vom Herausgeber besonders hervorgehoben. An der Studie beteiligt waren Spitäler und Universitäten aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Israel, Italien, Kanada, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und der Schweiz

An der Neurologischen Klinik und Poliklinik des USB wird von einem multidisziplinären Team spezialisierte Diagnostik, Beratung und Therapie für Multiple Sklerose und verwandte Erkrankungen angeboten sowie über neue diagnostische sowie medikamentöse und nicht medikamentöse Behandlungen geforscht. Multiple Sklerose ist eine chronische entzündliche und degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems, die vor allem junge Erwachsene befällt und an der weltweit mehr als zwei Millionen Menschen erkrankt sind.

Weitere Informationen zur Studie mit dem Originaltitel “The 11-year long-term follow-up study from the randomized BENEFIT CIS trial” finden Sie hier: http://www.neurology.org

Die Multiple Sklerose-Therapie stützt sich auf verschiedene Säulen:

  • Schubtherapie: Darunter versteht man die Akutbehandlung von MS-Schüben, bevorzugt mit Glukokortikoiden ("Kortison"). Alternativ ist manchmal eine Art Blutwäsche namens Plasmapherese bzw. Immunadsorption hilfreich.
  • Verlaufsmodifizierende Therapie (Basistherapie, Immuntherapie): Hierbei versucht man, durch die längerfristige Anwendung bestimmter Medikamente (Immuntherapeutika) den Verlauf einer Multiplen Sklerose günstig zu beeinflussen.
  • Symptomatische Therapie: Sie umfasst Maßnahmen zur Linderung verschiedener MS-Symptome, zum Beispiel Physiotherapie und ggf. krampflösende Medikamente bei schmerzhaften Muskelverkrampfungen.
  • Rehabilitationsverfahren: Ziel einer Reha bei Multipler Sklerose ist es, den Betroffenen die Rückkehr in ihr familiäres, berufliches und soziales Leben zu ermöglichen.

Um die Therapieziele zu erreichen, werden Multiple Sklerose-Patienten von vielen verschiedenen Therapeuten und ärztlichen Fachrichtungen behandelt. So können zum Behandlungsteam bei MS neben diversen Ärzten (Neurologe, Augenarzt, Urologe, Hausarzt etc.) beispielsweise auch Psychologen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Pflegepersonal und/oder Sozialarbeiter zählen. Ausschlaggebend bei der Zusammenstellung des Behandlungsteams und Therapieplans sind die individuellen Bedürfnisse eines Patienten.

Multiple Sklerose: Schubtherapie

Ein MS-Schub sollte möglichst bald nach Beginn der Symptome begonnen werden. Die Therapie der Wahl besteht in der Gabe von "Kortison" (Glukokortikoid, Kortikosteroid). Alternativ wird in bestimmten Fällen eine Plasmapherese durchgeführt.

Kortisontherapie

Standardmäßig wird zur MS-Schubtherapie eine hochdosierte Kortisontherapie (Kortison-Stoßtherapie, Kortison-Pulstherapie) über drei bis fünf Tage durchgeführt. Am häufigsten wird dazu Methylprednisolon verabreicht, und zwar als Infusion direkt in eine Vene (intravenös) in einer Dosierung von 500 bis 1000 Milligramm pro Tag. Bevorzugt sollte das Kortison in einer Dosis am Morgen gegeben werden, weil es Schlafstörungen verursachen kann.

Wenn bei einem MS-Patienten eine intravenöse Kortison-Gabe nicht möglich ist, kann man auf Kortisontabletten ausweichen.

Die Kortison-Stoßtherapie kann die Schubdauer verkürzen und die Rückbildung der Symptome fördern. Wenn sie unzureichend wirkt, empfehlen Experten eine Steigerung (Eskalation) der Therapie:

Möglich ist eine ultrahoch dosierte Kortisongabe mit bis zu 2000 mg/Tag über drei bis fünf Tage. Je nach Schwere und Dauer der Symptome kann alternativ oder anschließend auch eine Plasmapherese oder Immunadsorption (siehe unten) erwogen werden.

Nebenwirkungen:

Mögliche Nebenwirkungen der Kortison-Stoßtherapie bei Multipler Sklerose sind neben den oben erwähnten Schlafstörungen unter anderem leichte Stimmungsänderungen, Magenverstimmung, Gesichtsrötung und Gewichtszunahme.

Plasmapherese bzw. Immunadsorption

Eine sogenannte Plasmapherese (PE) beziehungsweise Immunadsorption (IA) kann überlegt werden, wenn:

  • nach Abschluss der Kortison-Stoßtherapie weiterhin behindernde neurologische Funktionsstörungen bestehen oder
  • während der Kortison-Stoßtherapie fortschreitende besonders schwere MS-Schübe auftreten.

Bei der Plasmapherese beziehungsweise IA handelt es sich um eine Art Blutwäsche. Mit einem speziellen Gerät wird Blut über einen Katheter aus dem Körper des Patienten herausgeleitet, filtriert und dann wieder in den Körper zurückgeleitet. Zweck des Filtrierens ist, Immunglobuline aus dem Blut zu entfernen, die für den Entzündungsprozess während eines MS-Schubes verantwortlich sind.

Der Unterschied zwischen Plasmapherese und Immunadsorption:

Bei der Plasmapherese wird unspezifisch Plasma (einschließlich enthaltener Immunglobuline) aus dem Blutkreislauf des Patienten herausgefiltert und durch eine Eiweißlösung (Albumingabe) ersetzt. Dagegen werden bei der Immunadsorption spezifisch nur die für die Entzündungsprozesse verantwortlichen Immunglobuline aus dem Blut des Patienten "herausgefischt". In beiden Fällen wird die "Blutwäsche" mehrfach wiederholt.

Es ist unklar, ob eines der Verfahren dem anderen überlegen ist oder beide gleich wirksam für MS-Patienten sind.

Die Plasmapherese bzw. Immunadsorption sollte stationär in darauf spezialisierten MS-Zentren durchgeführt werden. Sie sollte in den ersten sechs bis acht Wochen nach Beginn eines MS-Schubes erfolgen. Der bestmögliche Zeitraum konnte aber bislang nicht in wissenschaftlichen Studien geklärt werden. Unter Umständen kann die PE/IA auch schon zu einem früheren Zeitpunkt erwogen werden, etwa wenn ultrahoch dosierte Kortison-Infusionen bei einem MS-Patienten nicht möglich sind.

Nebenwirkungen und Komplikationen der Plasmapherese (PE) bzw. Immunadsorption (IA) sind zum Beispiel:

  • Störungen der Blutdruckregulation
  • Nierenschäden
  • Tetanie-Symptome (= Störungen der Motorik und Sensibilität durch übererregbare Muskeln, etwa in Form von Muskelkrämpfen, Kribbeln und andere Missempfindungen), verursacht durch ein gestörtes Gleichgewicht der Blutsalze (Elektrolyte) [bei PE]
  • Gerinnungsstörungen [v.a. bei PE]
  • Nebenwirkungen und Komplikationen einer eventuell notwendigen medikamentösen "Blutverdünnung" (Antikoagulation) wie vermehrte Blutungsneigung
  • allergische Reaktionen (etwa auf das zugeführte Albumin bei PE oder auf die zum Filtern des Blutes verwendeten Membranen)
  • mechanische Irritationen oder Komplikationen durch Verwendung großer Katheter (z.B. Blutungen oder Gerinnselbildung)
  • Infektionen im Bereich des Katheterzugangs (bis hin zur "Blutvergiftung" = Sepsis)
  • sehr selten: Lungenödem / transfusionsbezogenes aktives Lungenversagen [bei PE]

Multiple Sklerose: Verlaufsmodifizierende Therapie

Eine verlaufsmodifizierende Therapie (Immuntherapie, Basistherapie, Verlaufstherapie) besteht in der langfristigen Gabe von sogenannten Immuntherapeutika. Es zählen dazu Wirkstoffe, welche die Aktivität des Immunsystems unterdrücken (Immunsuppressiva) beziehungsweise Immunreaktionen gezielt verändern können (Immunmodulatoren).

Die Immuntherapie kann eine Multiple Sklerose zwar nicht heilen, aber im Verlauf günstig beeinflussen. Den größten Effekt zeigt sie bei schubförmig verlaufender MS, also bei schubförmig remittierender MS (RRMS) sowie aktiver sekundär progredienter MS (aktiver SPMS). Dabei bezeichnet man mit "aktiv" das Auftreten von Schüben und/oder neuen oder sich vergrößernden entzündungsbedingten Schäden im ZNS. In diesen Fällen kann die Therapie mit MS-Immuntherapeutika die Schubrate reduzieren sowie durch Schüben verursachten fortschreitenden Behinderungen entgegenwirken.

Bei nicht aktiver SPMS sowie bei primär progredienter MS (PPMS) ist die Wirksamkeit der Immuntherapie geringer. Die Anwendung bestimmter Immuntherapeutika kann manchmal trotzdem hilfreich sein. Mehr dazu lesen Sie weiter unten.

Arten von Immuntherapeutika

Derzeit werden folgende Immuntherapeutika zur Behandlung von Multipler Sklerose genutzt:

  • Beta-Interferone (inkl. Peg-Interferon)
  • Glatirameracetat
  • Dimethylfumarat
  • Teriflunomid
  • S1P-Rezeptor-Modulatoren: Fingolimod, Siponimod, Ozanimod, Ponesimod (keine Zulassung für MS in der Schweiz)
  • Cladribin
  • Natalizumab
  • Ocrelizumab
  • Ofatumumab
  • Rituximab (keine Zulassung für Multiple Sklerose)
  • Alemtuzumab
  • andere Immuntherapeutika

Die Auswahl geeigneter MS-Immuntherapeutika im Einzelfall richtet sich nach vielen verschiedenen Faktoren wie etwa die Verlaufsform der Multiplen Sklerose, die Krankheitsaktivität und eventuelle vorhergehende Behandlungen mit Immuntherapeutika. Eine Rolle spielen auch individuelle Faktoren, zum Beispiel wie alt ein Patient ist, wie gut er ein Medikament verträgt und ob eine bestimmte Begleiterkrankung oder Schwangerschaft vorliegt.

Die aktuelle medizinische Leitlinie für Multiple Sklerose teilt MS-Immuntherapeutika in drei Wirksamkeitskategorien ein - nach ihrer relativen Reduktion der Entzündungsaktivität (Schubrate, Entzündungsaktivität im MRT, schubbedingtes Fortschreiten der Erkrankung). Diese Wirksamkeitskategorien lösen das bisherige Stufenschema der MS-Therapie ab. So sind etwa bei schubförmig remittierender MS, die wahrscheinlich keinen hochaktiven Verlauf nimmt, Vertreter der Kategorie 1 (wie Beta-Interferone oder Dimethylfumarat) angezeigt.

Nachfolgend finden Sie Kurzbeschreibungen zu den verschiedenen Immuntherapeutika:

Beta-Interferone

Beta-Interferone (auch Interferon-beta) zählen zur Gruppe der Zytokine. Das sind natürlich im Körper vorkommende Signalproteine, die unter anderem Immunreaktionen modulieren können. Wie genau als Medikament verabreichte Beta-Interferone bei Multipler Sklerose wirken, konnte bislang nicht geklärt werden.

Die Anwendung der Wirkstoffe erfolgt als Spritze - je nach Präparat unter die Haut und/oder in einen Muskel. Ebenfalls präparateabhängig ist die Häufigkeit der Anwendung: Die meisten Präparate müssen sich MS-Patienten einmal oder mehrmals wöchentlich spritzen. Verfügbar ist aber auch ein Präparat, das nur alle zwei Wochen injiziert werden muss, weil das enthaltene Beta-Interferon mit Polyethylenglykol gekoppelt. Dieses Peg-Interferon hat eine längere Wirkdauer als unpegyliertes Interferon.

Nebenwirkungen: Am häufigsten sind grippeähnliche Beschwerden, besonders zu Beginn der Therapie (z.B. Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Schüttelfrost, Fieber). Vorbeugend dagegen helfen ein "Einschleichen" der Therapie (langsame Dosissteigerung) und ein Verabreichen der Spritze am Abend. Zudem kann die Einnahme von entzündungshemmendem Paracetamol oder Ibuprofen eine halbe Stunde vor der Spritze den grippeähnlichen Symptomen entgegenwirken.

Bei Beta-Interferon-Spritzen, die unter die Haut (subkutan) gesetzt werden, können Reaktionen an der Einstichstelle auftreten - angefangen über Rötung, Schmerzen und Juckreiz bis hin zu lokaler Entzündung und Absterben von Gewebe (Nekrose).

Bei Multiple Sklerose-Patienten mit vorbekannter Depression kann die Behandlung mit Beta-Interferonen die Depression verstärken.

Häufig entwickeln Patienten unter Interferon-Therapie einen Mangel an neutrophilen Granulozyten und Blutplättchen sowie erhöhte Blutwerte für Transaminasen.

Zudem können sich unter der Beta-Interferon-Behandlung fortbestehende neutralisierende Antikörper gegen das Medikament entwickeln, wodurch dieses an Wirksamkeit einbüßen kann.

Glatirameracetat

Glatirameracetat (GLAT) ist ebenfalls ein Immunmodulator. Seine Wirkweise ist nicht genau bekannt. Diskutiert werden verschiedene Mechanismen. Unter anderem könnte GLAT die Entstehung von regulatorisch wirkenden T-Suppressor-Zellen (eine Untergruppe der Lymphozyten) fördern.

GLAT je nach Dosierung einmal täglich oder dreimal wöchentlich unter die Haut gespritzt.

Nebenwirkungen: Sehr häufig rufen die GLAT-Injektionen lokale Reaktionen an der Einstichstelle hervor (Rötung, Schmerz, Quaddelbildung, Juckreiz). Häufig kommt es zu einer kosmetisch störenden lokalen Lipoatrophie, also dem lokale Verlust von Unterhautfettgewebe, was sich als Eindellung zeigt.

In der Zulassungsstudie zum GLAT-Präparat entwickelten 15 Prozent der Patienten mindestens einmal direkt nach einer GLAT-Injektion eine den ganzen Körper betreffende (systemische) Postinjektionsreaktion mit Gefäßerweiterung, Brustschmerz, Atemnot oder Herzklopfen.

Dimethylfumarat

Dimethylfumarat (DMF) wirkt immunmodulierend und entzündungshemmend. Seine genaue Wirksweise ist noch nicht vollständig aufgeklät. Bekannt ist bislang, dass Dimethylfumarat unter anderem die Bildung entzündungsfördernder Zytokine reduziert. Möglicherweise wirkt es auch schützend auf Nervenzellen und Myelinscheiden (neuro- und myelinprotektiv).

Der Wirkstoff wird zweimal täglich als Kapsel eingenommen.

Nebenwirkungen: Am häufigsten verursacht die Einnahme von DMF Juckreiz, Hitzegefühl bzw. "Flush"(anfallsartig auftretende Hautrötung mit Hitzegefühl), Magen-Darm-Beschwerden (wie Durchfall, Übelkeit, Schmerzen im Bauch bzw.) und einen Mangel an Lymphozyten (Lymphopenie). Die Verringerung dieser wichtigen Immunzellen macht Betroffene anfälliger für Infektionen.

Ganz selten kann es sich dabei um eine sogenannte Progressive Multifokale Leukenzephalopathie (PML) handeln: Bis Ende 2020 kam es bei elf Multiple Sklerose-Patienten unter DMF-Therapie zu dieser lebensbedrohlichen Viruserkrankung des Gehirns. PML wird durch das JC-Virus hervorgerufen und hat eine schlechte Prognose. Das Risiko, daran zu erkranken, besteht grundsätzlich bei gestörter Immunabwehr. Diese kann durch Medikamente (wie DMF) oder Erkrankungen wie Krebs oder Aids bedingt sein.

Unter der Einnahme von Dimethylfumarat bekommen Patienten auch häufiger Gürtelrose. Zudem besteht ein erhöhtes Risiko für eine Proteinurie - eine gesteigerte Ausscheidung von Eiweiß mit dem Urin.

Teriflunomid

Teriflunomid wirkt immunsuppressiv. Es hemmt die Neubildung eines Enzyms, das für die Zellproliferation - also das schnelle Wachstum von Zellen - wichtig ist, und zwar besonders bei Lymphozyten. Diese weißen Blutkörperchen sind an den krankhaften Immunreaktionen bei Multipler Sklerose beteiligt.

MS-Patienten nehmen Teriflunomid einmal täglich als Tablette ein.

Nebenwirkungen: Sehr häufig löst Teriflunomid einen Anstieg bestimmter Leberwerte (Transaminasen, darunter v.a. von ALT), Kopfschmerzen, Haarverdünnung, Durchfall und Übelkeit aus.

Typische Effekte einer Teriflunomid-Therapie sind die Abnahme der weißen Blutkörperchen um etwa 15 Prozent und die der Blutplättchen um bis zu 10 Prozent. Darüber hinaus treten weitere Blutbildveränderungen als häufige Nebenwirkungen auf (Mangel an Neutrophilen, Blutarmut). Ebenfalls häufig kommt es zu Infektionen, etwa der oberen Atemwege oder Lippenherpes.

Gelegentlich entwickeln sich unter Teriflunomid Störungen peripherer Nerven (periphere Neuropathien) wie etwa ein Karpaltunnelsyndrom.

Fingolimod

Fingolimod ist ein sogenannter S1P-Rezeptor-Modulator: Es verringert die Anzahl der Lymphozyten im Blut, indem es einen speziellen Rezeptor (Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor) blockiert. In der Folge können weniger Lymphozyten aus den Lymphknoten ins Blut und damit auch weiter ins zentrale Nervensystem gelangen, wo sie am Krankheitsgeschehen bei Multipler Sklerose mitwirken.

Der Wirkstoff wird einmal täglich als Kapsel eingenommen.

Nebenwirkungen: Aufgrund des beschriebenen Wirkmechanismus ist ein Mangel an Lymphozyten (Lymphopenie) ein typischer Therapieeffekt.

Zu den schwerwiegendsten Nebenwirkungen zählen Reizleitungsstörungen im Herz, die sich etwa als AV-Block äußern können. Deshalb müssen Patienten die erste Fingolimod-Kapsel unter EKG-Kontrolle einnehmen. Das gilt auch, wenn jemand nach einer mehr als einmonatigen Fingolimod-Anwendung die Einnahme für mehr als 14 Tage unterbrochen hat und sie jetzt wieder fortsetzen möchte.

Ebenfalls schwerwiegend können Infektionen unter Fingolimod ausfallen: Sehr häufig treten Grippe und Nasennebenhöhlenentzündung auf, häufig entwickeln sich Bronchitis, Kleienpilzflechte (Form von Hautpilz) und Herpes-Infektionen. Manchmal wird auch eine Kryptokokkose (eine Pilzinfektion) beobachtet, etwa eine Kryptokokken-bedingte Hirnhautentzündung (Meningitis).

Wie unter Dimethylfumarat gab es auch unter Fingolimod einige wenige Fälle von JC-Virus-bedingter Gehirnerkrankung, also Progressiver multifokaler Leukenzephalopathie (40 Fälle bis Ende August 2020 bei mehr als 307.000 mit Fingolimod behandelten MS-Patienten).

Als schwerwiegende, aber nur gelegentlich auftretende Nebenwirkung von Fingolimod gilt das Makulaödem. Diese Augenerkrankung kann unbehandelt zur Erblindung führen.

Ein weiterer unerwünschter Effekt der Fingolimod-Therapie ist das erhöhte Risiko für bestimmte Krebstumoren: Beispielsweise entwickeln sich unter Fingolimod häufig Basalzellkrebs (Form von weißem Hautkrebs) und gelegentlich Schwarzer Hautkrebs (malignes Melanom).

Eine häufige Nebenwirkung ist auch der Anstieg der Leberenzyme - manchmal ein Anzeichen einer relevanten Leberschädigung.

Darüber hinaus gab es unter Fingolimod einzelne Fälle eines posterioren reversiblen Enzephalopathiesyndroms (neurologisches Krankheitsbild mit Hirnschwellung), eines Hämophagozytischen Syndroms (Krankheitsbild mit unkontrolliert überschießender Immunreaktion) und von atypischen Multiple Sklerose-Verläufen.

Siponimod

Wie Fingolimod ist Siponimod ein Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator (S1P-Rezeptor-Modulator), der für die MS-Therapie die Zulassung erhalten hat (allerdings nur für die Behandlung der aktiven Sekundär progredienten MS - siehe unten).

Siponimod wird täglich in Tablettenform eingenommen.

Vor Therapiebeginn ist eine genetische Untersuchung des Patienten nötig. Dabei werden genetische Faktoren ermittelt, welche die Verstoffwechslung des Wirkstoffes im Körper beeinflussen. Anhand des Untersuchungsergebnisses entscheidet sich, wie Siponimod dosiert wird beziehungsweise ob es überhaupt gegeben werden darf.

Nebenwirkungen: Sie unterscheiden sich bei Siponimod nicht wesentlich von denen bei Fingolimod (kardiale Nebenwirkungen wie AV-Block, Makulaödem, potenziell erhöhtes Infektionsrisiko etc.).

Ozanimod

Ozanimod ist ein weiterer S1P-Rezeptor-Modulator, der zur MS-Therapie eingesetzt werden kann. Er wird einmal täglich als Kapsel eingenommen.

Nebenwirkungen: Auch hier sind die Nebenwirkungen generell die gleichen wie bei Fingolimod. Bestimmte unerwünschte Effekte sind unter Ozanimod allerdings seltener. Neben krankhaft erhöhten Leberenzymen zählen dazu beispielsweise auch AV-Blockierungen. Deshalb muss bei Ozanimod - im Unterschied zu Fingolimod - die erste Einnahme nur bei MS-Patienten mit bestimmten Herzerkrankungen ärztlich überwacht werden.

Ponesimod

In der EU wurde im Mai 2021 einem vierten S1P-Rezeptor-Modulator die Zulassung für die Multiple Sklerose-Therapie erteilt: Ponesimod. Er wird wie die anderen Vertreter dieser Wirkstoffklasse einmal täglich eingenommen.

Nebenwirkungen: Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Infektionen der oberen Atemwege, erhöhte Leberenzyme und Bluthochdruck. Weitere unerwünschte Effekte sind zum Beispiel Harnwegsinfekte und Kurzatmigkeit (Dyspnoe).

Cladribin

Cladribin ist ein Immunsuppressivum, das zuerst zur Behandlung einer bestimmten Form von Blutkrebs (Haarzell-Leukämie) entwickelt wurde (als Injektionslösung). Vor einigen Jahren wurde es dann auch für die Multiple Sklerose-Therapie zugelassen. Über verschiedene Mechanismen sorgt der Wirkstoff hauptsächlich bei Lymphozyten für den Zelltod (Apoptose).

Die Cladribin-Therapie bei Multipler Sklerose besteht aus zwei Therapiezyklen, die sich über zwei Jahre erstrecken. Pro Jahr sind zwei Kurzzeiteinnahmephasen vorgesehen: In zwei aufeinanderfolgenden Monaten nimmt der Patient an jeweils vier bis fünf Tagen ein bis zwei Cladribin-Tabletten ein.

Nebenwirkungen: Sehr häufig verursacht die Behandlung mit Cladribin-Tabletten einen Mangel an Lymphozyten (Lymphopenie). Häufig entwickelt sich eine verminderte Anzahl der Neutrophilen Granulozyten. Gürtelrose tritt ebenfalls gehäuft auf, besonders im Zusammenhang mit einem Lymphozyten-Mangel.

Auch schwere Infektionen traten in Untersuchungen an MS-Patienten unter Cladribin häufiger auf als in der Placebo-Gruppe (Vergleichspatienten, die ein Placebo = Scheinmedikament anstelle von Cladribin erhalten haben). In Einzelfällen führten solche Infektionen zum Tod (etwa bei einem von drei Patienten mit Tuberkulose).

Darüber hinaus hat man in klinischen Studien und bei der langfristigen Nachbeobachtung von Patienten unter Cladribin-Therapie festgestellt, dass diese Patienten häufiger Krebstumore entwickeln als Placebo-behandelte Patienten.

Natalizumab

Der gentechnisch hergestellte Antikörper Natalizumab blockiert besonders bei Lymphozyten ein spezielles Protein auf der Zelloberfläche. Dadurch können die Immunzellen nicht mehr ins zentrale Nervensystem einwandern und dort die für Multiple Sklerose typischen Entzündungen auslösen.

Üblicherweise wird Natalizumab alle vier Wochen als Infusion verabreicht.

Nebenwirkungen: Sehr häufige Nebenwirkungen sind Harnwegsinfektionen, Nasen-Rachen-Entzündung, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Fatigue (übermäßige Erschöpfung) und Gelenkschmerzen genannt. Häufig entwickeln sich Nesselsucht (Urtikaria), Erbrechen und Fieber. Gelegentlich werden schwere allergische Reaktionen auf das Medikament beobachtet.

Besonders beachtet werden muss das Risiko einer Progressiven Multifokalen Leukenzephalopathie (PML) entwickelt. Bis Ende August 2020 wurden bereits mehr als 800 Fälle dieser gefährlichen Viruserkrankung des Gehirns bei Patienten unter Natalizumab-Gabe registriert. Deshalb wird der Einsatz dieses Wirkstoffes sorgfältig überlegt und engmaschig überwacht.

Eine weitere seltene infektiöse Komplikation, die sich unter Natalizumab-Therapie ergeben kann, sind Herpesvirus-assoziierte Infektionen.

Ocrelizumab

Auch Ocrelizumab ist ein gentechnisch hergestellter Antikörper und zählt zu den sogenannten Anti-CD20-Antikörpern: Er bindet an ein bestimmtes Oberflächenprotein (CD20) von B-Lymphozyten, was zu deren Auflösung führt. Die B-Lymphozyten sind an der Schädigung der Nervenhüllen (Myelinscheiden) und Nervenzellfortsätze bei Multipler Sklerose beteiligt.

Die Anwendung erfolgt in Form von Infusionen. Die Therapie wird mit zwei Infusionen zu je 300 mg Ocrelizumab im Abstand von 14 Tagen begonnen. Danach erhalten MS-Patienten alle sechs Monate eine Infusion zu 600 mg.

Nebenwirkungen: Als häufigste Nebenwirkung werden Infusionsreaktionen genannt (z.B. Juckreiz, Ausschlag, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Fieber, Schüttelfrost leichter Blutdruckanstieg oder -abfall). Sie fallen meist mild aus.

Es wurden einige wenige Fälle von Progressiver multifokaler Leukenzephalopathie (PML) bei Patienten beobachtet, die kurz zuvor auf Ocrelizumab umgestellt wurden. Die meisten davon wurden zuvor mit Natalizumab behandelt (siehe oben).

Grundsätzlich muss während einer Behandlung mit Anti-CD-20-Antikörpern auf opportunistische Infektionen (= Infektionen, die infolge einer gestörten Immunabwehr auftreten) und die Reaktivierung von Hepatitis B-Viren nach ausgeheilter Infektion geachtet werden.

Ofatumumab

Ofatumumab ist ein weiterer Anti-CD20-Antikörper. Multiple Sklerose-Patienten können sich den Wirkstoff selbst mithilfe eines Fertigpens unter die Haut injizieren. Eingeleitet wird die Therapie mit drei Injektionen im Abstand von sieben Tagen. Nach einer einwöchigen Pause folgt die nächste Injektion und dann alle vier Wochen eine weitere.

Nebenwirkungen: Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Ofatumumab zählen Infektionen der oberen Atemwege, Harnwegsinfektionen, lokale Reaktionen an der Einstichstelle (Rötung, Schmerz, Juckreiz, Schwellung) und Injektions-bedingte Reaktionen im gesamten Körper (Fieber, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Schüttelfrost, Müdigkeit).

Wie oben erwähnt, besteht bei allen Anti-CD20-Antikörper allgemein das Risiko, dass opportunistische Infektionen auftreten oder eine ausgeheilte Hepatitis-B-Infektion wieder aufflammt.

Rituximab

Auch Rituximab ist ein Anti-CD20-Antikörper und wird manchmal in der Therapie von Multipler Sklerose eingesetzt - allerdings ist er für dieses Anwendungsgebiet nicht zugelassen (weder in der EU noch in der Schweiz), wird hier also "off label" eingesetzt.

Mehr über Anwendung, Neben- und Wechselwirkungen von Rituximab erfahren Sie hier.

Alemtuzumab

Alemtuzumab ist ein weiterer gentechnisch hergestellter Antikörper, der sich gegen ein bestimmtes Oberflächenprotein (CD52) von Lymphozyten richtet. Durch Binden an dieses Protein setzt er die Auflösung der Immunzellen in Gang.

Der Wirkstoff wird als Infusion verabreicht - im ersten Jahr an fünf aufeinanderfolgenden Tagen und ein Jahr später an drei aufeinanderfolgenden Tagen. Bei Bedarf kann Alemtuzumab auch ein drittes und viertes Mal an drei aufeinanderfolgenden Tagen gegeben werden, jeweils in einem Mindestabstand von 12 Monaten zur vorherigen Gabe. Insgesamt sind also maximal vier Therapiezyklen möglich.

Nebenwirkungen: Sehr häufig ruft Alemtuzumab Infusionsreaktionen (Kopfschmerzen, Hautreaktionen, Fieber, Erbrechen etc.), Infektionen (z.B. mit Herpesviren) und autoimmune Schilddrüsenerkrankungen hervor. Als häufige Nebenwirkung tritt ITP (idiopathische thrombozytopenische Purpura) auf, eine seltene Autoimmunkrankheit. Gelegentlich entwickeln Multiple Sklerose-Patienten während der Therapie Störungen des weißen und roten Blutbildes. Selten kommt es zu autoimmunen Nierenerkrankungen.

Nach Bekanntwerden von neuen, teils schweren Nebenwirkungen hat man die Anwendung von Alemtuzumab eingeschränkt und mit bestimmten Vorsichtsmaßnahmen verknüft. Zu diesen Nebenwirkungen zählen neue immunvermittelte Krankheiten (wie Autoimmunhepatitis, Hämophilie A) sowie akute Herz-Kreislauf-Nebenwirkungen (wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Lungenblutung), die bislang vor allem ein bis drei Tage nach einer Alemtuzumab-Infusion aufgetreten sind.

Andere Immuntherapeutika

>> Azathioprin: Dieses Immunsuppressivum ist für die Behandlung verschiedener Erkrankungen zugelassen - in der EU (aber nicht in der Schweiz) unter anderem auch für die Behandlung von Multipler Sklerose. Es sollte wegen der schlechten Studienlage aber nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden - etwa wenn ein MS-Patient zusätzlich an einer Erkrankung leidet, die sich mit Azathioprin gut behandeln lässt (z.B. Morbus Crohn). Mehr über Wirkung, Anwendung und Nebenwirkungen von Azathioprin lesen Sie hier.

>> Mitoxantron: Dieser unter anderem immunsuppressiv wirkende Arzneistoff ist in der EU und der Schweiz für die Behandlung von Multipler Sklerose zugelassen. Wegen der schlechten Studienlage und seiner hohen Giftigkeit soll er aber nur als Reservemedikament in Ausnahmefällen gegeben werden. Zu seinen schwerwiegendsten Nebenwirkungen zählen Herzschädigung und ein erhöhtes Risiko für Blutkrebs (Leukämie).

>> Methotrexat: Der Wirkstoff kommt in niedriger Dosierung als Entzündungshemmer und Immunsuppressivum bei verschiedenen Erkrankungen zur Anwendung. Für die Multiple Sklerose-Therapie besitzt er allerdings keine Zulassung. Selten wird Methotrexat aber trotzdem bei MS gegeben. Empfohlen wird dies wegen nicht ausreichend belegter Wirksamkeit und fehlender Zulassung aber nur bei MS-Patienten, die gleichzeitig an einer Erkrankung leiden, die eine Behandlung mit Methotrexat erfordert. Mehr über diesen Wirkstoff lesen Sie hier.

>> Cyclophosphamid: Auch dieser immunsuppressive Wirkstoff wird in seltenen Fällen bei Multipler Sklerose gegeben, obwohl er keine Zulassung dafür besitzt und seine Wirksamkeit bei dieser Erkrankung nicht ausreichend belegt ist. Es gilt hier deshalb das Gleiche wie für Methotrexat: Cyclophosphamid sollte nur MS-Patienten verabreicht werden, die eine Zweierkrankung haben, die mit diesem Wirkstoff behandelt werden muss. Mehr über Cyclophosphamid erfahren Sie hier.

Immuntherapie bei Primär progredienter MS (PPMS)

Zur Behandlung einer primär progredienten Multiplen Sklerose ist bislang nur ein einziges Medikament zugelassen - Ocrelizumab. Laut aktueller Leitlinie kann gegebenenfalls auch Rituximab zur Anwendung kommen, auch wenn es überhaupt keine Zulassung für Multiple Sklerose besitzt. Es wird hier also im "off label-use" (= außerhalb seiner Zulassung) angewendet.

Bei älteren Patienten sinkt die Wirksamkeit dieser beiden Anti-CD20-Antikörper, während die Komplikationsrate ansteigt. Der Leitlinie zufolge sollte die Anwendung von Ocrelizumab bzw. Rituximab deshalb bei PPMS-Patienten ab dem 50. Lebensjahr sehr sorgfältig überlegt werden - vor allem dann, wenn sich im MRT keine entzündliche Aktivität im zentralen Nervensystem erkennen lässt.

Im Einzelfall kann allerdings eine Immuntherapie auch in dieser Altersgruppe versucht werden (begrenzt auf zwei Jahre), wenn bei einem Patienten der Grad der Behinderung rasch zunimmt und der Verlust der Selbstständigkeit droht.

Immuntherapie bei Sekundär progredienter MS (SPMS)

Wirksame Immuntherapeutika gibt es derzeit nur für die aktive SPMS - also für eine sekundär progrediente MS mit Schüben oder neuen entzündlichen Nervenschädigungen im MRT. Für betroffene Patienten kommen laut Leitlinie Siponimod, Beta-Interferone, Cladribin und die Anti-CD20-Antikörper Ocrelizumab und Rituximab in Betracht. Argumente für eine Immuntherapie mit diesen Wirkstoffen sind zum Beispiel junges Lebensalter, kurze Krankheitsdauer und geringer Behinderungsgrad.

Nur in Ausnahmefällen sollte Mitoxantron bei aktiver SPMS gegeben werden, weil dieser Wirkstoff erhebliche Nebenwirkungen (siehe oben) verursachen kann.

Bei unbehandelten Patienten mit nicht aktiver SPMS sollte grundsätzlich keine Immuntherapie begonnen werden. Nur wenn die Behinderung rasch zunimmt und der Verlust der Selbstständigkeit droht, kann im Einzelfall eine Behandlung mit einem der Anti-CD20-Antikörper versucht werden (zunächst begrenzt auf zwei Jahre). Es fehlt zwar der Nachweis, dass eine solche Behandlung hier hilft, aber eine andere Therapieoption gibt es für solche Patienten bislang nicht.

Immuntherapie bei Klinisch isoliertem Syndrom (KIS)

Patienten, die erstmals einen Schub mit Symptomen einer Multiplen Sklerose erleben, ohne dass alle Diagnosekriterien für MS erfüllt sind, sollten eine Immuntherapie erhalten. Für die Behandlung eines solchen Klinisch isolierten Syndroms (KIS) sind bislang allerdings nur einige Beta-Interferone und Glatirameracetat zugelassen.

Gegebenenfalls kann man - unter engmaschiger Überwachung des Patienten - mit einer Immuntherapie bei KIS noch abwarten, wenn man eher von einem milden Verlauf ausgehen kann (beispielsweise weil die Schub-Symptome nur leicht ausgeprägt sind).

Dauer der Immuntherapie

Wann eine Immuntherapie bei Multipler Sklerose beendet werden kann oder sollte, wurde bislang noch nicht ausreichend in Studien untersucht. Man geht aber davon aus, dass mit zunehmendem Alter beziehungsweise Krankheitsdauer die entzündliche Krankheitsaktivität eher abnimmt - der Effekt einer Immuntherapie verkleinert sich dadurch. Zudem ist das Risiko für Nebenwirkungen bei vielen Immuntherapeutika umso höher, je älter ein Patient ist.

Deshalb können Arzt und Patient in bestimmten Fällen nach einer gewissen Zeit gemeinsam entscheiden, die Immuntherapie versuchsweise zu unterbrechen. Eine solche Therapiepause kann zum Beispiel nach mindestens fünfjähriger Gabe von Beta-Interferonen oder Glatirameracetat erwogen werden, wenn der Patient vor Beginn der Immuntherapie nur eine geringe Krankheitsaktivität (z.B. wenig Schübe, geringe entzündliche Aktivität im MRT) zeigte und es während der Therapie zu keiner Krankheitsaktivität kam.

Bei einigen anderen Immuntherapeutika wie Natalizumab, Fingolimod oder Ocrelizumab sollte - wenn Patienten keine Krankheitsaktivität zeigen - individuell über eine Beendigung der Therapie entschieden werden. Zu dieser Fragestellung gibt es nämlich keine Studien.

Eine von vornherein begrenzte Therapiedauer gibt es bei Alemtuzumab (max. vier Therapiezyklen) und Cladribin (max. zwei Therapiezyklen). Wenn Patienten nach Ende einer solchen Behandlung keine Krankheitsaktivität zeigen, sollten zunächst keine anderen Immuntherapeutika gegeben werden. Es werden aber regelmäßige Kontrolluntersuchungen empfohlen.

Sonstige Therapien

Schon vor einigen Jahrzehnten kamen Forscher auf die Idee, dass sich die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose möglicherweise durch einen "Neustart" des Immunsystems behandeln lässt, und zwar mit einer autologen Stammzelltherapie (autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation, aHSCT). Vereinfacht ausgedrückt funktioniert die Therapie wie folgt:

Man gewinnt Blut-Stammzellen aus dem Körper des MS-Patienten - also Stammzellen, welche die verschiedenen Blutzellen (inklusive der Lymphozyten) hervorbringen. Dann wird das Immunsystem des Patienten medikamentös zerstört (etwa mit Medikamenten, wie sie zur Chemotherapie bei Krebs angewendet werden). Anschließend bekommt der Patient seine zuvor entnommenen Stammzellen über eine Infusion wieder zurück. Diese bauen dann ein neues blutbildendes System auf - und damit auch ein neues zelluläres Immunsystem.

Die aHSCT soll vor allem bei schubförmig verlaufender Multipler Sklerose mit hoher Krankheitsaktivität von Nutzen sein können. Derzeit laufen weltweit mehrere Studien zur autologen Stammzelltransplantation bei Multipler Sklerose, unter anderem in Deutschland.

In Deutschland, Österreich und einigen anderen EU-Ländern ist die aHSCT derzeit nicht zur Behandlung von MS zugelassen, in einzelnen anderen Ländern aber schon (z.B. Schweden). In der Schweiz erhielt die aHSCT im Jahr 2018 eine Zulassung für die MS-Therapie unter bestimmten Auflagen.

Bei Multipler Sklerose ist allgemein eine ausgewogene Ernährung ratsam (für einen positiven Effekt bestimmter Diätformen gibt es bislang keinen Beweis). Außerdem sollten Patienten über den negativen Einfluss von Übergewicht und Rauchen Bescheid wissen.

Ein nachgewiesener Mangel an Vitamin D sollte bei Multiple Sklerose-Patienten ausgeglichen werden, zum Beispiel mit einem Vitamin-D-Präparat. Die Einnahme eines solchen Präparats kann auch erwogen werden, wenn kein Vitamin-D-Mangel besteht. Dabei sollte Patienten aber klar sein, dass für eine Vitamin-D-Zufuhr bislang kein positiver Einfluss auf den Multiple Sklerose-Verlauf nachgewiesen werden konnte.

Von extrem hoch dosierten Vitamin-D-Präparaten (Vitamin-D-Ultra-Hochdosistherapie) raten Experten wegen nicht auszuschließender Gesundheitsrisiken ab.

Multiple Sklerose: Symptomatische Therapie

Multiple Sklerose kann vielfältigste Symptome hervorrufen (gestörte Blasenfunktion, Fatigue, Muskelkrämpfe etc.). Gezielte Maßnahmen helfen, diese Beschwerden zu lindern und so die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die symptomatische Therapie ist daher ein unverzichtbarer Teil der Multiple Sklerose-Therapie. Sie umfasst neben medikamentösen vor allem auch nicht-medikamentöse Maßnahmen (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Psychotherapie etc.). Hier einige Beispiele:

Physiotherapie

Die Physiotherapie mit ihrem breiten Spektrum an Techniken und Methoden kann gegen verschiedensten MS-Symptome helfen, beispielsweise in folgenden Fällen:

Spastiken - also krankhaft angespannte, steife, verkrampfte Muskeln, die oft auch schmerzen - sind ein häufiges Symptom von Multipler Sklerose. Eine regelmäßige Physiotherapie kann dagegen helfen. Sie ist deshalb zentrales Element der nicht-medikamentösen Behandlung von Spastiken (neben der Vermeidung Spastik-auslösender Faktoren).

Auch Patienten mit beeinträchtigenden Störungen der Bewegungskoordination (Ataxien) profitieren von einer regelmäßiger Physiotherapie. Ziel dabei ist die Förderung der Koordination, zum Beispiel durch koordinatives Gangtraining/Aufstehen.

Verursacht eine Multiple Sklerose Störungen der Darmfunktion (chronische Verstopfung und/oder Stuhlinkontinenz), kann neben anderen nicht-medikamentösen Methoden auch eine Physiotherapie inklusive Beckenbodentraining versucht werden.

Oft ist es sinnvoll, wenn MS-Patienten die verschiedenen Übungen, die sie mit ihrem Physiotherapeuten trainieren, auch zuhause regelmäßig durchführen (z.B. das Beckenbodentraining oder Übungen gegen Muskelverkrampfungen). Der Therapeut gibt entsprechende Anleitungen für das selbstständige Training mit.

Ergotherapie

Die Ergotherapie will erreichen, dass Multiple Sklerose-Patienten ihren Alltag ohne fremde Hilfe bewältigen und möglichst lange unabhängig bleiben können. Alle Übungen orientieren sich dabei an den Bedürfnissen des Patienten im Alltag.

Beispielsweise empfiehlt sich eine Ergotherapie - neben Physiotherapie - bei gestörter Bewegungskoordination (Ataxie) und unwillkürlichem, rhythmischem Zittern (Tremor). Patienten können mithilfe des Therapeuten unter anderem normale, energiesparende Bewegungen einüben und gezieltes Greifen nach Gegenständen (wie einer Tasse) trainieren. Bei einem bestehenden Handycap lernen Patienten damit umzugehen und auf "Ersatzbewegungen" auszuweichen.

Bei Bedarf erproben und trainieren Therapeuten mit ihren Patienten auch den Umgang mit Hilfsmitteln wie Rollator oder Handgelenksgewichten (bei Tremor in den Händen).

Die Ergotherapie kann die Beeinträchtigungen des Körpers und Gehirns meist nicht rückgängig machen. Sie hilft aber den Betroffenen, möglichst lange selbstständig zu bleiben. Dafür brauchen Menschen mit MS Geduld und müssen üben - mit und ohne Therapeuten.

Medikamente gegen Symptome

Falls nötig, können bei verschiedenen MS-Symptomen auch Medikamente zur Linderung eingesetzt werden - meist begleitend zu nicht-medikamentösen Maßnahmen. Einige Beispiele:

  • Antispastika (wie Baclofen, Tizanidin) gegen Spastiken
  • Fampridin bei Gangstörungen
  • Anticholinergika (z.B. Trospiumchlorid, Tolterodin, Oxybutynin) bei überaktiver Blase
  • Desmopressin gegen nächtlichen Harndrang (Nykturie) / häufiges Wasserlassen bei meist nur kleinen Harnmengen (Pollakisurie)
  • Analgetika (Schmerzmittel), z.B. gegen Kopfschmerzen, Nervenschmerzen
  • PDE-5-Hemmer (wie Sildenafil) bei Erektionsstörungen (Erektile Dysfunktion)
  • Antidepressiva (v.a. SSRI = Selektive-Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) bei depressiver Verstimmung

Multiple Sklerose: Rehabilitation

Während die symptomatische Therapie auf die Verbesserung einzelner Multiple Sklerose-Symptome abzielt, geht es bei einer Rehabilitation um mehr - nämlich darum, dass MS-Patienten insgesamt wieder besser am täglichen Leben teilhaben können.

Dazu versucht man zum Beispiel, bestehende Beeinträchtigungen bei Alltagsaktivitäten (z.B. beim Gehen, Anziehen, Körperhygiene) zu beseitigen oder zumindest zu verbessern. Drohende Beeinträchtigungen (etwa auch im Beruf) will man vermeiden. Außerdem zielt die Rehabilitation bei Multipler Sklerose darauf ab, die Selbstständigkeit und Mobilität der Patienten zu fördern und ihre soziale Einbindung (in Familie, soziales Umfeld und Beruf) zu erhalten beziehungsweise zu verbessern.

Demnach sollten MS-Patienten in folgenden Situationen eine Rehabilitation angeboten werden:

  • bei anhaltender, funktionell bedeutsamer Beeinträchtigung nach einem MS-Schub
  • wenn im Krankheitsverlauf der Verlust wichtiger Funktionen und/oder der Selbstständigkeit und/oder eine erhebliche Zunahme körperlicher bzw. psychosomatisch bedingter Funktionsstörungen droht
  • wenn der Verlust der sozialen und/oder beruflichen Integration droht
  • bei funktionell gering Betroffenen, um die Krankheitsbewältigung zu unterstützen und die Patienten strukturiert über die Hintergründe der Erkrankung, die notwendigen Therapien und mögliche Selbsthilfemaßnahmen aufzuklären (Psychoedukation)
  • bei schwerstbehinderten MS-Patienten mit klar definierten Therapiezielen und der Notwendigkeit interdisziplinären Vorgehens

Um diese Ziele erreichen zu können, braucht es eine mehrwöchige und multimodale Rehabilitation. "Multimodal" bedeutet, dass sich das Reha-Programm aus unterschiedlichen Bausteinen zusammensetzt - individuell angepasst auf jeden MS-Patienten. Häufige Bausteine der MS-Rehabilitation sind zum Beispiel:

  • Physiotherapie
  • Ergotherapie
  • Bewegungs- und Trainingstherapien
  • Sprechtherapie
  • Techniken zur Krankheitsbewältigung
  • aktivierend therapeutische Pflege zur Förderung der Alltagskompetenzen
  • Schulung und Information (zu Krankheit, Therapien etc.)

Ambulant oder stationär

Grundsätzlich ist eine MS-Rehabilitation ambulant oder stationär in entsprechenden Reha-Einrichtungen möglich. Entscheidend im Einzelfall sind das Ausmaß bestehender Beeinträchtigungen und die individuellen Reha-Ziele.

Wer etwa noch ausreichend mobil ist und nur geringe funktionelle Einschränkungen hat, kann ambulant eine regelmäßige funktionelle Therapie erhalten. Dagegen ist bei Multiple Sklerose-Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Beeinträchtigung (v.a. eingeschränkter Mobilität) eine stationäre Rehabilitation ratsam.

Manchmal ist auch eine Behandlung in einer Fachklinik für Multiple Sklerose sinnvoll, wo zusätzlich eine intensive multimodale Therapie durchgeführt wird (MS-Komplexbehandlung). Das ist der Fall bei komplexen Beschwerdebildern und/oder Begleiterkrankungen, die zeitnah medizinisch abgeklärt werden müssen und/oder weitergehende medizinische Behandlungsmaßnahmen erfordern (z.B. eine Verabreichung von Medikamenten wie Baclofen direkt in den Rückenmarkskanal = intrathekal).

Multiple Sklerose: Komplementäre und alternative Heilmethoden

"Komplementäre" und "alternative" Heilverfahren sind keine klar und allgemeingültig definierten Begriffe. Im Allgemeinen werden sie als Ergänzung (komplementäre Verfahren) beziehungsweise Alternative (alternative Verfahren) zur konventionellen (schulmedizinischen) Behandlung einer Erkrankung betrachtet.

Komplementäre und alternative Heilmethoden wecken oft besonderes Interesse bei Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose. Homöopathie, Pflanzenheilkunde (Phytotherapie), Akupunktur – in diese und andere Verfahren setzen viele MS-Patienten große Hoffnung.

Die Wirksamkeit von komplementären und alternativen Heilmethoden (generell oder bei Multipler Sklerose) ist in der Regel nicht wissenschaftlich belegt. Bei manchen Methoden können auch Risiken bestehen.

Multiple Sklerose-Patienten sollten deshalb immer zuerst mit ihrem behandelnden Arzt besprechen, wenn sie ergänzend zur schulmedizinischen Multiple Sklerose-Behandlung andere Heilmethoden anwenden wollen (also komplementäre Methoden). Eine schulmedizinisch notwendige Behandlung durch alternative Heilmethoden zu ersetzen, ist dagegen nicht ratsam.

In der folgenden Tabelle finden Sie eine Auswahl alternativer/komplementärer Verfahren, die bei Multipler Sklerose Anwendung finden:

Methode

Beurteilung

Akupunktur

Sehr oft ergänzend (komplementär) zur MS-Therapie eingesetzt. Der Versuch, damit beispielsweise Schmerzen zu lindern, kann sinnvoll sein.

Akupressur

Hier gilt das Gleiche wie für die Akupunktur.

Amalgam-Entfernung

Das aus den Füllungen austretende Quecksilber soll angeblich an der MS-Entstehung beteiligt sein. Der wissenschaftliche Nachweis dafür fehlt.

Bestimmte Ernährungsformen/Diäten

Bisher konnte für keine Ernährungsform oder Diät eine positive Wirkung auf Verlauf und Symptome von MS nachgewiesen werden. Experten empfehlen allgemein eine abwechslungsreiche, ausgewogene Kost mit viel frischem Gemüss, Obst, Fisch und ungesättigten Fettsäuren, aber wenig Fleisch und Fett.

Bienengifttherapie (Apitherapie)

Bienengift soll entzündungshemmende Prozesse im Körper anstoßen. Der wissenschaftliche Nachweis einer Wirksamkeit bei MS fehlt aber. Zudem besteht das Risiko schwerer allergischer Reaktionen. Gilt daher als gefährlich und nicht ratsam!

Enzymkombinationen / Enzymtherapie

Sollen krankheitsauslösende Immunkomplexe abbauen. Eine großangelegte Studie konnte aber keine Wirksamkeit bei MS nachweisen.

Frischzellentherapie

Risiko schwerer Allergien (bis hin zu Kreislaufversagen) sowie Infektionsrisiko. Gilt daher als gefährlich und nicht ratsam!

Homöopathie

Manchen MS-Patienten zufolge bessern sich damit Symptome wie Schwindel, Blasen- und Stuhlgangbeschwerden, Konzentrationsprobleme, mangelnde Belastbarkeit sowie das Allgemeinbefinden.

Immunaugmentation (Verstärkung der Immunreaktion)

Birgt ein Infektions- und Allergierisiko und die Gefahr, dass sich die MS verschlechtert. Ist also gefährlich und nicht ratsam!

Intrathekale Stammzelltherapie

Injektion patienten-eigener Stammzellen in den Rückenmarkskanal. Birgt das Risiko schwerer bis tödlicher Nebenwirkungen. Ist also gefährlich und nicht ratsam!

Schlangengift

Birgt das Risiko schwerer Allergien. Gilt daher als gefährlich und nicht ratsam!

Schweinehirn-Implantation in die Bauchdecke

Kann die MS verschlechtern, schwere allergische Reaktionen hervorrufen und zum Tode führen. Ist also gefährlich und nicht ratsam!

Tai Chi

Die langsam und bewusst ausgeführten Übungen können sich positiv auf manche MS-Symptome auswirken, z.B. auf eine gestörte Bewegungskoordination (Ataxie).

Qigong

Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Die Übungen wirken stresslindernd und entspannend, was die MS-Therapie unterstützen kann.

Sauerstoff-Überdruck-Therapie (hyperbarer Sauerstoff)

Soll das Fortschreiten von MS aufhalten, was aber in Studien nicht bewiesen werden konnte.

Weihrauch

Entzündungshemmende Wirkung. Gute Ergebnisse etwa bei entzündlichen Darmerkrankungen und rheumatoider Arthritis. Aber zur Wirksamkeit bei MS gibt es keine Studien.

Yoga

Die verschiedenen Übungen (etwa zur Bewegung, Koordination, Entspannung) können sich positiv auf Symptome wie Spastik und Fatigue auswirken.