Warum IAA in München und nicht in Frankfurt?

In einigen Wochen wird feststehen, wo die Automesse im kommenden Jahr über die Bühne geht. Drei Städte dürfen sich noch Hoffnung machen.

29.01.2020| Update: 29.01.2020 - 17:47 Uhr | von Stefan Menzel und Katrin Terpitz

IAA 2019 in Frankfurt

IAA 2019 in Frankfurt © dpa

„Eine Entscheidung über die Stadt, in der die IAA ab 2021 stattfinden wird, ist in den nächsten Wochen zu erwarten“, hieß es vom VDA.

Insgesamt sieben Städte hatten sich um die künftige Ausrichtung der IAA beworben. Berlin, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln, München und Stuttgart hofften darauf, dass sie den Zuschlag als zukünftige IAA-Stadt bekommen würden. Die endgültige Entscheidung dürfte der VDA voraussichtlich im März treffen.

Frankfurt war über Jahrzehnte der traditionelle Veranstaltungsort für die IAA. Vor der deutschen Wiedervereinigung hatte der Verband der Automobilindustrie (VDA) auch seinen Verbandssitz in Frankfurt, die Bindungen an die Stadt waren deshalb vergleichsweise eng. Im vergangenen Jahr war der Langfristvertrag mit der Messe Frankfurt jedoch ausgelaufen. Der Verband der Automobilindustrie als Veranstalter der Messe sucht deshalb nach einem neuen Standort.

Die Enttäuschung in Frankfurt ist groß. „Wir sind froh und stolz, dass die Messestadt Frankfurt rund sieben Jahrzehnte lang erfolgreich als Gastgeber für die Automobilbranche zur Verfügung gestanden hat“, sagte Uwe Behm, Geschäftsführer der Messe Frankfurt dem Handelsblatt. „Bei der Messe Frankfurt sind wir nun frei, den verfügbaren, hochattraktiven Zeitslot mit anderen lukrativen Veranstaltungen zu füllen“, sagte Behm.

Beim VDA sieht man die Trennung sehr nüchtern. „Ein glaubhafter Neubeginn ist nur möglich, wenn man sich für eine neue Stadt entscheidet“, hieß es in Kreisen des Verbandes.

Andernorts ist man hingegen hoffnungsfroh. „Wir freuen uns sehr, dass Hamburg in der engeren Auswahl ist. Hamburg hat als Standort viele Vorzüge für eine Mobilitätsschau, mit denen wir offenbar punkten konnten“, sagte Bernd Aufderheide, Chef der Messe Hamburg. „Wir haben unser IAA-Konzept mit hanseatischer Gelassenheit vorgetragen. Statt mit Promis wollen wir mit Fakten überzeugen.“

Christian Göke, Chef der Messe Berlin, erklärte: „Wir freuen uns, in der Finalrunde der Bewerbung um die neue IAA zu sein. Wir werden weiter dafür kämpfen, die IAA nach Berlin zu holen.“ Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) zeigte sich ebenfalls erfreut: „Die Ausrichtung einer neuen IAA, die sich als Schaufenster und Plattform für innovative, nachhaltige Mobilitätsangebote profilieren will, könnte der Verkehrswende in Berlin zusätzliche Impulse verleihen.“

Auch die Messe München ist zuversichtlich, das Rennen zu machen. „Entsprechend werden wir unsere Anstrengungen noch einmal intensivieren, um diese immens wichtige Messe nach München zu holen und sie gemeinsam mit dem Verband zur Mobilitätsplattform der Zukunft auszubauen“, erklärte die Messe in einem Statement.

Tatsächlich soll die größte Automesse Deutschlands ein neues Konzept bekommen. Sie wird keine reine Automesse mehr sein, sondern soll auch neue Ideen rund um Mobilität präsentieren. Bis Ende Januar hatten die Bewerberstädte Zeit, an ihren Konzepten für eine neue IAA zu feilen.

Beim VDA wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass es keine Vorfestlegung auf eine einzelne Stadt gebe. Auch Berlin als Hauptstadt besitze keine Favoritenrolle. Hannover galt von Anfang an als Außenseiter, weil die niedersächsische Landeshauptstadt bereits die Nutzfahrzeug-IAA ausrichtet, die ebenfalls der VDA veranstaltet.

In der vergangenen Woche hatten die sieben Bewerberstädte ihre neuen Messekonzepte dem VDA und den Marketingverantwortlichen der großen Mitgliedsunternehmen aus der Autoindustrie präsentiert. Diese Runde hatte dann eine unverbindliche Vorauswahl getroffen, die der Vorstand des VDA dann am Mittwoch auf die Finalisten verkürzte.

Für den Februar sind dann weitere letzte Gespräche mit den übrig gebliebenen Bewerberstädten geplant. Einzelne Mitgliedsunternehmen hatten sich bereits im Vorfeld auf einen engeren Kreis von Bewerbern festgelegt. So sprach sich Volkswagen beispielsweise für Berlin, Frankfurt und München aus.

Mit der endgültigen Entscheidung wird beim VDA für März gerechnet. Dieser Zeitplan garantiert auch, dass sich die neue VDA-Präsidentin Hildegard Müller an der Endauswahl beteiligen kann. Die frühere Staatsministerin im Kanzleramt und Ex-Innogy-Vorständin tritt ihr neues Amt an der Spitze des Autoverbands am 1. Februar an.

Mit der künftigen IAA will der Verband der Automobilindustrie klassische Messeideen erneuern. Deutschlands mächtigstem Industrieverband geht es vor allem darum, dass sich die Branche künftig als Anbieter umfassender Mobilitätskonzepte präsentieren kann.

Der öffentliche Nahverkehr soll deshalb Teil des neuen Messekonzepts werden. Der Verband will das Messegelände auch teilweise verlassen und zu zentralen Punkten in die Städte gehen. „Die neue IAA ist mehr als eine Automesse. Sie ist ein Konzept, mit der sich die austragende Stadt gemeinsam mit uns zu einer Smart City entwickeln soll“, sagte VDA-Geschäftsführer Martin Koers im Vorfeld.

Besucher der IAA sollten das bereits bei der Ankunft am Bahnhof oder am Flughafen erleben können. „Dort betreten sie einen Ort mit intelligenten Verkehrskonzepten, mit einer vernünftigen Vernetzung der Verkehrsträger, auf nachhaltiger Basis“, ergänzte der VDA-Geschäftsführer.

VDA will mehr Besucher und Aussteller anziehen

Eine neue IAA zu entwickeln sei mehr als nur der Versuch, die Besucherzahlen oder die verkauften Quadratmeter Ausstellungsfläche zu steigern. Die Messe sei das Spiegelbild der Automobilindustrie, „einer Branche, die sich gerade wandelt wie nie zuvor“, hob der VDA-Geschäftsführer hervor. Bei der letzten Frankfurter IAA im vergangenen September waren die Besucherzahlen deutlich geschrumpft. Nur noch gut 500.000 Menschen kamen auf das Messegelände, etwa 300.000 weniger als in den Vorjahren.

Wenn die Autobranche jetzt verstärkt digitale und vernetzte Fahrzeuge entwickle, dann müsse das auch auf der Leitmesse der Branche zu sehen sein. Es reiche nicht mehr aus, einfach nur neue Modelle auf einen Messestand zu stellen, so der VDA.

Der Verband gibt sich optimistisch, dass ein neues Konzept auch wieder für eine größere Beteiligung auf Ausstellerseite sorgt. Auf der letzten Frankfurter IAA im September fehlten etwa 30 Automarken, die der deutschen Leitmesse in den Jahren zuvor noch die Treue gehalten hatten. Gerade aus dem Ausland waren viele Automobilhersteller ferngeblieben. „Wir wollen internationale Marken zurückgewinnen, die wir verloren haben“, sagte Koers. Es solle auch keine Dominanz bestimmter Aussteller auf der IAA geben.

Ein neues IAA-Konzept soll auch dafür sorgen, dass die Besucherzahlen wieder nach oben gehen. Für den Verband ist die Automesse aus wirtschaftlicher Hinsicht sehr wichtig. Mehr als die Hälfte des VDA-Jahresetats wird mit den Erlösen aus der IAA bestritten.

Die erste Automobil-Ausstellung nach neuem Muster soll es im Jahr 2021 geben. Am traditionellen Termin im September und am Zwei-Jahres-Rhythmus will der Verband festhalten. Bei der Terminwahl ist der Verband nicht ganz frei: Der deutsche Branchenverband muss etwa auch Rücksicht auf internationale Konkurrenten wie den Pariser Autosalon nehmen. Auch Paris sucht nach einem neuen Messekonzept, mit dem das Thema Mobilität grundsätzlich in den Mittelpunkt rücken soll.

Die nächste IAA-Stadt kann nicht damit rechnen, dass sie die Automesse ähnlich wie Frankfurt gleich für Jahrzehnte veranstalten darf. Eine Zusage für einige Jahre werde es zwar geben, aber eben nicht mehr für einen extrem langfristigen Zeitraum, hieß es dazu beim VDA.

Diskussion nicht nur in Deutschland

Der Industrieverband hält sich damit also die Option offen, den Veranstaltungsort auf mittlere Sicht wieder zu wechseln. Das hält den Druck auf potenzielle Bewerberstädte hoch, sich ab und an wieder ein neues Veranstaltungskonzept auszudenken.

Der VDA will zudem an der Trennung zwischen Pkw-IAA und Nutzfahrzeug-IAA festhalten. Mit der geplanten zusätzlichen Präsentation von Mobilitätskonzepten auf der Pkw-Messe gebe es zwar künftig Überschneidungen.

Trotzdem lohne es sich immer noch, die eigene Nutzfahrzeug-IAA in Hannover zu veranstalten. Die Lkw-Schau ziehe vor allem professionelle Besucher an, während die Pkw-IAA die Veranstaltung für ein größeres Massenpublikum bleibe. In Hannover werden auch Busse und Transporter für den öffentlichen Nahverkehr ausgestellt.

Nicht nur in Deutschland gibt es Diskussionen darüber, wie klassische Automessen künftig aussehen sollen. Die Detroit Motor Show, einstmals die wichtigste Veranstaltung für Nordamerika, klagt ebenfalls über nachlassendes Interesse. Die Messemacher aus Detroit hoffen darauf, dass eine zeitliche Verlegung diesen Prozess stoppen kann: Sie wechseln in diesem Jahr vom kalten Wintertermin im Januar in den wärmeren Juni.

In Deutschland hatten etliche Unternehmen aus der Automobilindustrie immer wieder Kritik am bisherigen IAA-Konzept geäußert. Insbesondere der VW-Konzern als größtes und wichtigstes VDA-Mitglied war unzufrieden mit den bisherigen Messeideen.

Der Konflikt um die Messe gehörte auch zu den Gründen, die zum vorzeitigen Ausscheiden des bisherigen VDA-Präsidenten Bernhard Mattes führten. Der frühere Ford-Deutschlandchef hatte sein Amt zum Jahreswechsel aufgegeben.