Meine tochter hat depressionen wie kann ich ihr helfen

Wenn es Eltern schlecht geht, spüren dies schon kleine Kinder haargenau. Sie können es aber nicht einordnen, was um sie herum passiert und geben sich schnell die Schuld dafür. Deshalb sollten Eltern sie damit nicht alleine lassen und ihnen die Krankheit erklären. Gute Hilfsmittel dafür sind Bücher: «Mamas Monster» oder «Annikas andere Welt» sind für kleinere Kinder gedacht. Für ältere Kinder und Jugendliche eignet sich «Mein Schwarzer Hund: Wie ich meine Depression an die Leine legte».

Wie ist es für eine Mutter, wenn ihre Tochter unter Depressionen leidet und sich sogar selbst verletzt? Wir fragen Claudia, wie man als Angehöriger mit der Krankheit umgehen kann, wie kann man Erkrankte unterstützt und wie man sich selbst schützt.

Wir fragen Claudia, wie man als Angehöriger mit der Krankheit umgehen kann, wie kann man Erkrankte unterstützt und wie man sich selbst schützt.

Bei Naima ging die Depression so weit, dass sie sich selbst verletzte. Naima, 19 Jahre alt, spricht über Selbstverletzung, Depressionen und warum es so wichtig ist, offener mit dem Thema Depression umzugehen. 

Wir sprechen auch mit Dr. Pfaff über seinen Weg als Arzt, welche Chancen er in der Behandlung von psychischen Erkrankungen sieht und was für ihn dabei am wichtigsten ist. 

Eine Depression kann sich über Monate hinziehen, was für Angehörige kräftezehrend ist. Sie fühlen sich zuweilen ohnmächtig oder schuldig, sind erschöpft und überfordert und manchmal auch wütend. Wichtig ist, diese Grenzen zu erkennen und auf die eigene Gesundheit achten, indem man

  • eine Auszeit nimmt.
  • sich mit Freunden austauscht.
  • sich einer Selbsthilfegruppe für Angehörige anschliesst.
  • bei Bedarf selbst zum Therapeuten geht oder mit dem oder der Erkrankten zusammen ein «Angehörigengespräch» vereinbart. Es kann erleichternd sein, von einer Fachperson zu hören, wie Depressionen ablaufen, welche Behandlungsoptionen es gibt und dass es legitim ist, wenn sich auch Angehörige Hilfe holen.

Wichtig: Sich nicht einfach vom Erkrankten abwenden, sondern ehrlich sein und sagen, dass man weiterhin da sein wird, es alleine aber nicht schafft.

Depressive Menschen lassen manchmal niemanden an sich heran und können abweisend sein. Das ist für jene, die helfen wollen, schwer nachvollziehbar und kränkend. Aber: Wer depressiv ist, tut dies nicht aus böser Absicht, sondern weil er in diesem Moment nicht anders reagieren kann. Angehörige, die sich dies bewusst machen und die Abweisung nicht persönlich nehmen, schaffen es besser, damit umzugehen. Weniger günstig wäre, sich seinerseits von der erkrankten Person abzuwenden.

Disclaimer: 
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Eltern können ihrem Kind Raum für Gespräche anbieten. Dabei ist es wichtig, viel Geduld zu haben und das Zuhören in den Vordergrund zu stellen. Möglichst zurückhaltend sollten Eltern mit Tipps und Kommentaren sein, wie: “Kopf hoch, wird schon wieder” oder “Reiß dich doch mal zusammen”. Diese Äußerungen setzen den Betroffenen meist noch mehr unter Druck bzw. die Ausweglosigkeit wird ihm bewusster, denn das Problem liegt darin, dass Betroffene dazu aktuell nicht in der Lage sind. Das Kind kann nichts dafür, auch wenn es Außenstehenden manchmal so scheint, als könne es sich einfach aus seiner Situation befreien. Dass es dies nicht kann, ist ja gerade seine Krankheit.

Eltern können erfragen, ob sich das Kind manchmal einsam oder unglücklich fühlt, ob oft Tränen fließen, ob nur noch an wenigen Dingen Freude besteht oder auch, ob es schon mal daran gedacht hat, sich das Leben zu nehmen. Werden einzelne dieser Fragen bejaht, sollten Eltern unbedingt einen Kinder- und Jugendpsychiater zu Rate ziehen. Eine tatsächliche Unterscheidung zwischen einer normalen Verstimmung und einer Krankheit können nur Fachärzte treffen. Generell sollte ein Arztbesuch nicht zu lange herausgezögert werden. Eltern sollten hellhörig sein, wenn Selbstmordgedanken geäußert werden und in diesem Fall anbieten, mit dem Jugendlichen zu einem Kinder-und Jugendpsychiater zu gehen. Oftmals ist es auch so, dass insbesondere Jugendliche nicht mit den Eltern über ihre Probleme sprechen wollen. In diesen Fällen sollte nicht zu stark auf die Jugendlichen eingedrängt werden, „doch zu erzählen, was mit ihnen los ist“, sondern eher professionelle Hilfe gesucht werden.

Wenn Eltern oder Kontaktpersonen sich nicht in der Lage fühlen, über Probleme und Gefühle mit den Depressiven bzw. Selbstmordgefährdeten zu sprechen, sollten sie den Kindern die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme mit einem Kinder- und Jugendpsychiater ermöglichen. In vielen größeren Städten gibt es darüber hinaus Kinder- und Jugendberatungen, einen schulpsychologischen Dienst, Suchtberatungsstellen. Auch ein Sorgentelefon für Kinder- und Jugendliche (www.nummergegenkummer.de) ist von Montag bis Freitag zwischen 15.00 bis 19.00 Uhr erreichbar: Telefonnummer 0800 - 111 0 333 oder 116 111. Für Eltern ist ebenfalls vom „Nummer gegen Kummer e.V“ ein bundesweites telefonisches Gesprächs-, Beratungs- und Informationsangebot eingerichtet, das schnell, kompetent und anonym unterstützt: Elterntelefon: 0800 - 1 111 0 550

Meine tochter hat depressionen wie kann ich ihr helfen
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Tatsächlich betrifft eine psychische Erkrankung aber auch immer die nächsten Angehörigen. Sie sind es, die den Betroffenen in aller Regel begleiten, regelmäßig aufbauen und langfristig emotional und auch finanziell unterstützen. Gerade für Eltern stellt die psychische Erkrankung ihres Kindes eine besondere Herausforderung dar. Neben der Sorge um die Gesundheit des eigenen Kindes, belasten sie häufig starke Selbstvorwürfe und Zukunftsängste. Anlässlich des heutigen Europäischen Tags der Depression erzählt eine betroffene Mutter aus München, wie es ihr mit den Depressionen ihrer beiden Kinder erging und wie sie es trotzdem bisher geschafft hat, die Hoffnung nicht aufzugeben.

Ihre beiden Kinder sind von Depressionen betroffen. Welche Auswirkungen hatte die Erkrankung auf Sie als Mutter? Wie haben Sie sich dabei gefühlt?

Ich habe mich schuldig gefühlt, habe teilweise nächtelang gegrübelt und Ursachenforschung betrieben und habe in der Rückschau tatsächlich gewisse Verhaltensmuster bei mir gefunden, die die Entwicklung der Depression, vor allem bei meiner Tochter, begünstigt haben. Der Sohn ist sechs Jahre jünger und hat das Glück, dass mich die Erfahrungen mit der Krankheit seiner Schwester befähigt haben, damit besser umgehen zu können. Dennoch habe ich in den letzten Jahren auch häufiger geweint und war teilweise verzweifelt, aber man muss stark sein für seine Kinder. Stark kann man nur sein, wenn man auch für sich selbst sorgt. Ich bin seit Anfang dieses Jahres in einem Sportverein und mache einmal pro Woche Sport. Auch ansonsten versuche ich mich mehr zu bewegen. Ich merke, dass mir Bewegung hilft.

Was war in dieser Situation die größte Belastung für Sie?

Zu erleben, dass eine Depression nicht in jedem Falle heilbar ist. Am schlimmsten waren und sind die Suizidankündigungen meiner Tochter. Die Angst, das Kind eines Tages zu verlieren, den Kampf gegen die Depression zu verlieren. Die Tochter wohnt nicht mehr zu Hause, dadurch habe ich auch nicht mehr so die Kontrolle über ihr Leben. Sie geht nicht immer ans Handy, wenn ich anrufe, sie liest manchmal auch keine Nachrichten. Wenn dann bei WhatsApp kein blaues Häkchen zu sehen ist, ist das für mich sehr belastend. Letztes Jahr konnte sie ihr damaliger Therapeut nicht erreichen. Er machte sich große Sorgen. Da er meine Nummer nicht hatte, rief er die Polizei. Über Umwege erreichte er mich dann doch noch. Und ich bin damals voller Angst zur Tochter gefahren, habe im Auto am ganzen Körper gezittert. Vor dem Haus standen schon Polizei und Rettungswagen. Sie hatte sich nichts angetan, aber dieses Gefühl, eines Tages wird sie sich vielleicht etwas antun, das ist das schlimmste Gefühl, das man sich als Mutter vorstellen kann. Und ich glaube, das können sich Eltern von nichtdepressiven Kindern nicht vorstellen, was man in solchen Momenten durchmacht.

Wie ergeht es Ihnen und Ihren Kindern aktuell?

Der Sohn ist 14, besucht die 9. Klasse im Gymnasium, es geht ihm gut. Er lenkt sich in seiner Freizeit mit Computerspielen ab, aber er verbringt inzwischen wesentlich weniger Zeit vor dem PC als noch vor zwei Jahren. Zum Glück ist er psychisch im Moment einigermaßen stabil. Er hatte aber auch einen sehr guten Therapeuten. Die Tochter ist 19, sie ist sehr labil und instabil. Sie hat häufig Suizidgedanken und sieht keinen Sinn mehr im Leben. Sie hatte bislang leider immer Therapeuten, die ihr nicht helfen konnten, wobei bei ihr die Depression auch wesentlich stärker ausgeprägt ist als bei meinem Sohn.

Hatte die Corona-Krise einen Einfluss auf das seelische Befinden Ihrer Kinder und auf Sie selbst?

Der Sohn hat sich über den Lockdown gefreut. Er ist kein guter Schüler und geht nicht gern in die Schule; da kamen diese „Corona-Ferien“ ohne Schulbesuch und ohne Notendruck gerade richtig. Neben der Depression leidet er unter sozialer Phobie. Er hatte deshalb kein Problem mit den Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen. Es kostet sehr viel Überredungskunst, ihn zum Beispiel dazu zu überreden, sonntags mal mit uns essen zu gehen. Durch die Schließung der Gaststätten hatte sich dieses „Problem“ erledigt. Er lag uns schon immer in den Ohren, dass wir doch lieber Essen bestellen sollten. Corona hat das dann möglich gemacht, zu seiner großen Freude. Die Tochter war letztlich auch froh über den Lockdown und dass nun auch ihre Freundinnen alle daheimbleiben mussten und keine Party mehr machen konnten. Denn es macht ein junges Mädchen natürlich traurig, wenn sie bei Instagram mitbekommt, wie ausgelassen gleichaltrige Mädchen am Wochenende feiern, während sie antriebs- und lustlos im Bett liegt. Ich glaube, bei ihr kam ein bisschen das Gefühl auf: „In der Pandemie sind endlich alle gleich.“ Unser zurückgezogener Lebensstil war auf einmal die Norm bzw. wurde sogar staatlich angeordnet. Die Tochter wohnt zwar nicht mehr daheim, aber ich habe sie besucht, und das war ja auch zum Glück während des ganz strengen Lockdowns möglich. Ansonsten konnten mein Mann und ich beide im Homeoffice arbeiten. Wir haben zum Glück Berufe, die nicht von der Corona-Krise betroffen sind. Auch das hat natürlich geholfen, diese Zeit besser zu überstehen.


Wir führen wegen der Krankheit der Kinder schon lange ein zurückgezogenes Leben und haben nur wenig soziale Kontakte. Depression macht einsam. Nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern. Viele Bekannte haben sich zurückgezogen. Klar, sie wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Und bevor man etwas Falsches sagt, sagt man lieber nichts. Deshalb war Corona und der damit verbundene Lockdown für uns nicht so ein großes Problem.