Er wünscht mir, dass ich glücklich werde

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Er wünscht mir, dass ich glücklich werde

Er wünscht mir, dass ich glücklich werde

25. Juli 2021 von Antonia in Gefühle

Foto: @sosheslays

Es gibt Beziehung, die machen uns glücklich, lassen uns leicht fühlen und in die Zukunft blicken. Und es gibt Beziehungen, die sind zu Beginn wunderschön, aber irgendwann nur noch zehrend. Sie rauben uns die Energie, sie kosten Kraft. Statt liebevoller Gespräche gibt es fast nur Streitereien, Diskussionen. Wir bleiben verunsichert und unglücklich zurück. Toxische Beziehungen sind zwischenmenschliche Verbindungen zu Menschen, die uns anstatt uns Kraft zu geben, unglücklich machen. Es sind toxische Verhaltensweisen unseres Gegenübers, die uns unsicher werden lassen. Bis man sich irgendwann nur noch fragt: Bin ich wirklich so ein schlechter Mensch?

Toxische Beziehung müssen nicht nur von Partner*innen ausgehen, sondern finden sich auch im familiären wie Freundeskreis. Auch eine Beziehung zur Mutter, zum Vater oder zu Freund*innen kann uns nicht gut tun und Energie rauben. Während wir uns von Freund*innen leichter lösen können, ist es im familiären Umfeld schon schwerer.

Toxische Beziehungen beginnen nicht erst mit physischer Gewalt, sie beginnen im Kleinen. Dann, wenn uns unser Gegenüber bewusst oder unbewusst immer nur schlecht fühlen lässt, uns manipuliert oder zu kontrollieren versucht. Dann, wenn uns die Beziehung die meiste Zeit unglücklich zurücklässt und wir uns selbst nur noch hinterfragen.

In einer gesunden Beziehung – egal ob romantisch oder nicht – geht es darum, dass wir uns gesehen und angenommen fühlen. Unser Gegenüber soll uns so nehmen wie wir sind. Das heißt nicht, dass es nicht Diskussionen, Streitereien oder Kritik geben kann, aber sie sollte immer aus einem fürsorglichen, liebevollen Standpunkt kommen. Und uns im besten Fall wachsen lassen.

Werden wir klein gehalten, in vielen Situationen verunsichert und kritisiert, egal, was wir tun, wird jeder Tag zum schwierigen Eiertanz, nur um keinen nächsten Streit auszulösen, ist es Zeit, hellhörig zu werden. Dann könnte es sein, dass ihr in einer toxischen Beziehung gelandet sein. Wichtig ist: Das kann wirklich jedem von uns passieren, der selbstbewussten starken Frau, dem jungen motivierten Mann oder der coolen Tochter. Für jeden gibt es Wege daraus.

Psychische Gewalt in zwischenmenschlichen Beziehungen wird viel zu oft verschwiegen. „Sei froh, dass du den Arsch los bist“, hört man noch, dann sollte man aber schnell einen Haken dran setzen. Ist ja nichts passiert. Dabei hinterlassen toxische Verhaltensweisen, denen wir ausgesetzt sind auch Spuren – auch noch lange, nachdem wir diese Menschen längst hinter uns gelassen haben. Allein der Weg aus einer toxischen Beziehung, in der zwar viel passiert, aber irgendwie nichts offensichtliches, ist mehr als schwer.

Wir haben 6 Frauen gefragt, wie sie sich aus toxischen Beziehungen gelöst haben, was sie bis heute beschäftigt und warum es sich immer lohnt, für sich einzustehen. Vielleicht macht es ja dem ein oder anderen Mut. 

Sarah, 37

Ich hatte vor ungefähr zehn Jahren eine toxische Beziehung. Aber um ehrlich zu sein, habe ich erst Jahre später gemerkt, dass die Beziehung toxisch war. In der Beziehung hat mich mein Ex-Freund zweimal betrogen. Er war jähzornig, hat mich klein gehalten und mir das Gefühl gegeben, ich wäre schuld an allem, auch seinem Fremdgehen.
Wie ich da rausgekommen bin?  Ich erinnere mich noch genau an den Tag. Es war gar nicht wirklich was vorgefallen, nur eine Meinungsverschiedenheit kurz vor meinem 27. Geburtstag. Und da dachte ich mir: „Stop, so will ich nicht weiter leben. Er wird nicht der Vater meiner Kinder.“ Ich habe mich dann getrennt. Wir wohnten damals zusammen und ich habe ihm gesagt, er soll und muss jetzt seine Sachen packen und gehen. Erst ein Jahr später hat er dann wirklich alls abgeholt.

Heute weiß ich, mein Ex-Freund hat damals durch das Fremdgehen alles kaputt gemacht. Aber wenn man verliebt ist, dann denkt man, es geht schon irgendwie. Doch das Vertrauen war weg. Und durch seinen Jähzorn wurde alles schlimmer. Ich erinnere mich, wie ich einmal am Boden in der Ecke saß und er mich angeschrien hat, nachdem er mich betrogen hatte. Und es gab Momente, in denen er mich fast geschlagen hat. Angesehen hat man es ihm nicht: BWL-Student, intelligent, aber leider gar nicht empathisch.

Bis heute merke ich noch Nachwehen: Ich habe wenig Vertrauen. Auch habe ich bei Streits mit meinem jetzigen Freund, der wirklich empathisch ist, immer Angst, dass wir doch in eine toxische Beziehung abrutschen oder ich meinen Selbstwert wieder infrage stelle. Toxische Beziehungen machen einfach sehr viel kaputt.

Was ich allen Frauen raten will: Vergesst niemals euren Selbstwert und eure Selbstliebe. Stellt eure Bedürfnisse nicht hinter andere Bedürfnisse. Ihr seid genauso viel Wert.

Nicole, 29

Die Beziehung zu meinem Vater war schon immer toxisch, nur habe ich es nicht gesehen. Als kleines Mädchen hörte ich von meiner Familie immer: „Dein Vater wird dich nie loslassen können. Du wirst es mal sehr schwer haben.“ Worte, die ich als junge Frau erst richtig  verstanden und gespürt habe.

Es ging los, als ich Anfang 20 war und mitten im Bachelor-Studium steckte. Für mich war klar, dass ich endlich zu meinem Mann nach Nordrhein-Westfalen ziehen werde. Als ich meinen Eltern von meinen Plänen erzählt habe, war mein Vater nur noch mein Feind.  Wir haben ein halbes Jahr lang nicht miteinander gesprochen, obwohl wir im selben Haushalt wohnten. Ich habe es immer wieder probiert, auf ihn zuzugehen, doch er ist nicht darauf eingegangen.

Ihm hat es nicht gefallen, dass ich mich von ihm abnabeln, mein eigenes Leben führen will und Entscheidungen treffe, die er nicht beeinflussen kann.

Alles, was ich getan habe, war falsch und wurde kritisiert. Ich solle mich endlich verpissen. Am besten noch heute. Je eher, desto besser. Das würde das Leben für uns alle leichter machen. Er könne mich nicht mehr sehen. Ich sei undankbar. Ich könne nichts. Tag ein, Tag aus wurde mir irgendwas von ihm vorgeworfen. Vorausgesetzt, er war nicht beleidigt und hat mit mir gesprochen.

Er hat mir das Gefühl gegeben, für alles schuld zu sein. Bis heute hört man mich sagen, „Das ist nicht meine Schuld!“, wenn irgendwas kaputt ist oder nicht funktioniert.

Meinen Umzug habe ich mit meinem alten VW Golf selbst gewuppt, weil er mit seinem Transporter nicht helfen wollte. Er hat sich noch nicht mal verabschiedet, als ich mit meiner letzten Ladung an Sachen weggefahren bin. Mittlerweile darf ich nicht mehr nach Hause, meine Mutter darf mich seit meinem Auszug nicht besuchen, weil er sie sonst nicht mehr ins Haus lässt. Was er bereits getan hat. Er hat einfach das Türschloss ausgetauscht.

Mein Körper hat auf diesen jahrelangen Stress nicht vertragen: Spätakne, Lebensmittelunverträglichkeiten sowie Magen-Darm-Probleme.

Meine Eltern waren nicht bei unserer Hochzeit im November. Meine Mutter wollte kommen, aber ich wusste, was ihr blühen wird, wenn sie sich gegen seinen Willen durchsetzt. Den Abend vor der Trauung lag ich in den Armen von meinem Mann und habe bitterlich geweint: Ich heirate ohne meine Familie.

Seit dem 25. Dezember 2019 habe ich keinen Kontakt mehr zu meinem Vater. Ich sehe ihn nicht, wir sprechen nicht miteinander und ich schreibe ihm auch nicht.
An jenem Weihnachtsfeiertag sagte er mir, dass ich mich freuen kann, wenn mein Verlobter mich überhaupt heiratet und mich nicht vorher noch verlässt. Da habe ich meine Sachen gepackt und bin gefahren. Vorher habe ich ihm allerdings noch ins Gesicht gesagt, dass er für mich und meine Mutter toxisch ist.

Ich hatte den Mut, endlich das auszusprechen, was ich mich die ganze Zeit nicht getraut habe. Das Fass war endgültig übergelaufen.

Diesen August wollten mein Mann und ich meine Mutter besuchen. Mein Vater hat es mitbekommen und mir geschrieben: Ich bitte dich, nicht zu kommen. Bleib bei deiner neuen Familie!

Das Schlimmste an der ganzen Sache ist, dass ich meine Mutter nicht sehen kann. Ich vermisse sie so sehr. Ihr fehlt die Kraft, sich von ihm zu trennen. Zudem steckt auch ein finanziellen Faktor dahinter, da meine Eltern keinen Ehevertrag haben und meine Mutter meinem Vater seine Anteile nicht auszahlen könnte.

Auf der einen Seite existiert mein Vater nicht mehr für mich, aber auf der anderen Seite ist er immer noch der Partner meiner Mutter und somit weiterhin präsent. Aber nur noch als kleiner Bruchteil in meinem Leben.

Mittlerweile rede ich offen darüber, was bei mir in der Familie los war/ist und merke, dass es mir gut tut.  Das kann ich nur jedem ans Herz legen: Sprecht darüber, wenn ihr soweit seid.

Was ist eine toxische Beziehung?
Liebe, Geborgenheit, Empathie und Rückhalt: Das wünschen sich Menschen, wenn sie eine zwischenmenschliche Beziehung eingehen. Doch entstehen in Beziehungen manchmal destruktive Dynamiken. Von einer toxischen Beziehung spricht man, wenn eine Beziehung, bei einer*m oder beiden Partner*innen psychisches und/oder körperliches Leid entsteht. Meistens ist die Beziehung geprägt von einem starken Ungleichgewicht zwischen Autonomie und Bindung sowie einem Mangel an Gleichberechtigung. Toxische Beziehung sind häufig ein Abhängigkeitsverhältnis, in denen ein oder eine Partner*in immer unsicherer ist oder an Selbstbewusstsein verliert. Zu erkennen, dass man in einer toxischen Beziehung steckt, ist schwer. Man liebt die Person, die einem durch ihr Verhalten schadet.

Marie, 62

Es ist mittlerweile 33 Jahre her, und eigentlich sollte man es zu den Akten legen. Doch in gewissen Momenten ist manchmal alles wieder da.

Eine Beziehung zu einem 18 Jahre älteren Mann, das war schon ein Ungleichgewicht. Hinzu kamen aber auch noch eine Ehefrau, drei Kinder, sein Außendienst und sein ausschweifendes Leben mit Alkohol und Unverbindlichkeit.

Eine 21-jährige Frau die sich Hals über Kopf in den charmanten, gut aussehenden und lebenserfahrenen Mann verliebte und sich sicher war, dass er für sich alles aufgibt, bei ihr endlich treu ist und sie das Beste ist, was ihm passieren kann.  Sie weiß, dass Liebe blind machen kann, doch bei ihr ist es sicher was anderes.

7 Jahre glaubt sie an die große Liebe, 7 Jahre geht es auf und ab, Trennung, Versöhnung, Tränen, Glücksgefühle, das ganze Programm.
Immer im Hinterkopf: Das tut dir nicht gut, er wird sich nicht ändern, er ist ein toller Mann, er ist ein Arsch.

Ratschläge und Sorgen von Freund*innen und Familie verhallen im  Nichts, denn nur sie weiß ja, wie er wirklich ist.

Und dann ist sie schwanger. Er ist „not amused“, aber okay, das Kind kriegen sie schon groß. Sie ist sich sicher: Jetzt wird er sich endgültig für sie entscheiden. Doch nichts ändert sich. Sie ist nur noch alleine, er kommt nicht mehr so oft zu Besuch und sie nicht mehr so flexibel mit Kind.

Trotzdem wird sie wieder schwanger. Doch diesmal will er das Kind nicht.

Plötzlich erhellt isch alles. Die Lichter der Erkenntnis gehen an und die Gefühle sind weg. Alles weg. Der Schutz des Kindes gibt ihr die Kraft, neue Wege zu gehen. Allein, frei und befreit.

Das zweite Kind ist heute 33 Jahre alt.

Chrissie, 32

Ich bin mit 24 Jahren in den Krieg gezogen – gegen mich selbst. Für ihn. Und dieser Krieg hat fünf toxische Jahre lang angedauert. Er hat damals meinen Lebensschauplatz verwüstet und ein Schlachtfeld hinterlassen. Aber ich stand seitdem nicht still und habe meine Stadt wieder aufgebaut. Stein für Stein für Stein. Ein massiver Schutzwall aus Selbstachtung, der seine Rückkehr für immer verhindern würde.

Wenn ich an diese Zeit zurückdenke, schnürt sich meine Brust zu. Noch heute! Alles, was mein damaliges Ich ausgemacht hat, wurde mir genommen, bis es meine vielen, fröhlichen Nuancen und mein lautes Lachen nicht mehr gab.

Meine Welt war klein und farblos geworden. Meine Energiereserven wurden aufgebraucht und meine Nerven überstrapaziert.

Der Alltag war von seinen Besitzansprüchen, Bevormundungen und falschen Versprechen durchzogen. Er war Meister im Zweierlei-Maß-messen und hat mich mit haltlosen Anschuldigen überhäuft. Ich hab mich gefühlt wie ein Mängelexemplar – nie genug für die Welt, geschweige denn für mich selbst. Jeder Tag wurde zu einem wackeligen Tanz auf rohen Eiern. Ein Tag so, ein anderer so. Zwischendrin hat er mir dann wieder ein paar Sterne vom Himmel gepflückt und mir versprochen, mich „in 1000 Leben zu lieben“.

Er wurde immer lauter und ich immer leiser. So leise, bis ich mir selbst egal wurde und mich in der breiten Masse verstecken konnte.

Ich wusste schon damals, dass ich uns nicht mehr reparieren konnte, aber wir haben es noch eine Weile weiterlaufen lassen. Von Schlafstörungen und Selbstzweifeln geplagt, habe ich mich körperlich und emotional immer weiter von ihm entfernt. Innerlich war ich stets auf dem Sprung. Und dann kam der eine Moment, in dem mein Herz zerbrochen ist. Ich erinnere mich an jedes Detail dieses Augenblicks. Es gibt sogar ein Foto von mir, das ich am besagten Tag gemacht habe. Eine zerknickte Momentaufnahme als ausgedrucktes Spiegelbild, das ich nach der Trennung noch ’ne ganze Weile mit mir herumgetragen habe. Ich wollte nie wieder vergessen, wie meine Augen in dem Moment ausgesehen haben – leergelebt. In dieser Nacht ist die Illusion unserer Liebe gestorben. Einfach so. Ohne großes Trara, ohne Explosion oder flehende Worte. Es ist einfach passiert, ganz leise. Und danach habe ich es nicht mehr geschafft, dieses Bild von uns wieder zusammenzusetzen. Mir sind vorher zu viele Teile meiner selbst verloren gegangen. Keines der Puzzleteile haben je wieder zusammengepasst und in unserer Bilderbuchgeschichte fehlten ganze Seiten.

Dazu gibt es einen passenden Satz von Mo Willems, der eng mit meinen chaotischen Gefühlen von damals verknüpft ist: “If you ever find yourself in the wrong story, leave.” Das hab ich dann auch getan.

Es hat zwar eine ganze Weile gedauert, unsere beiden Lebensstränge, die wir über Jahre miteinander verknüpft haben, wieder zu entwirren, aber mit dieser Trennung bin ich erwachsen geworden. Ich habe den emotionalen Erpressungen, die danach folgten, standgehalten, in dem ich von Tag zu Tag gelebt und mich langsam entwöhnt habe. Ich konnte endlich wieder Luft holen und habe mich step by step durch den kalten, unerbittlichen Entzug jahrelanger Manipulation gekämpft, ohne mich je nochmal umgedreht zu haben.

Clara, 35

Er war das Opfer und ich war der Täter – wie eine ständige Wolke hing dieser Vorwurf im Raum.

Jedes Mal, wenn wir telefonierten, achtete ich penibel genau auf meine Wortwahl. Zu oft hatten wir miteinander diskutiert, die gleichen Worte verwendet, das scheinbar Gleiche gesagt und dennoch mit keinem auch annähernd die gleiche Frequenz gefunden. In dieser Zeit, dachte ich, es wäre eine Phase. Schließlich hatte doch alles so gut angefangen, und die ersten Monate waren wunderschön. Wir waren beide bereit gewesen, eine neue Beziehung einzugehen, als wir verliebt beschlossen, es miteinander zu versuchen.

Was ich damals nicht bemerkte, war, dass er mir im wahrsten Sinne den Schlüssel zu seinem Herzen gab.

Er hatte mir den größtmöglichen – sehr zweifelhaften – Liebesbeweis in meine Hände gelegt: die alleinige Verantwortung seines Lebensglückes.

Er hatte sie, wenn er mit mir war, abgegeben und urteilte zum Teil gnadenlos. Es war für mich zu diesem Zeitpunkt keineswegs (be)greifbar, noch war es mir bewusst: Ich war nach etwa 12 Monaten in eine Abhängigkeit hineingeraten, die ich niemals bereit gewesen wäre, auch nur zu erwägen, die für mich weder jemals erstrebenswert noch Teil des Begriffs Liebe war. Im Nachhinein wurde mir diese Abhängigkeit und ihre Ausprägung erst richtig klar.

Ich war nicht abhängig von ihm, aber er hielt mich an sich, indem er kleine alte Glaubenssätze in mir nährte und zu große Unsicherheiten heranzog.

Ich hatte das Gefühl nichts richtig machen zu können, Angst zu scheitern und nicht der „gute“ liebenswerte Mensch zu sein, der ich doch eigentlich nur sein wollte.

Als er beispielsweise an einem gutartigen Tumor erkrankte, war seine Schlussfolgerung, dass es vom Stress des Todes MEINES Vaters käme, den er einmal in seinem Leben gesehen hatte, nicht von seinem jahrzehntelangem Rauchen. Der Stress, sein Mitgefühl und seine Sorge um mich, den ich ausgelöst hatte, hatten ihn nach seiner Wahrnehmung krank gemacht.
Als ich an Burnout erkrankte, wurde ich von ihm immer wieder daran erinnert, dass es da draußen Menschen gibt, denen es wirklich schlecht geht. Wieder nährte er das, was sowieso schon ein riesiges Problem für mich war, eine nicht greifbare Erkrankung überhaupt einzugestehen.

Es gab unzählige unbegreifliche Szenen, in denen er sich sogar in gefährliche Situation brachte und hineinsteigerte, nur um sich darin bestätigt zu sehen, dass ich ihn nicht liebe. Nicht genug.

Er wollte nicht nur gesehen, sondern bedingungslos geliebt und getragen werden. Das Schlimmste daran war, dass er nicht bereit war, dies zu reflektieren. Sein Lieblingsbuch war „Wie enttarne ich Lügner“, was voraussetzte, dass er sich ständig von anderen belogen fühlte. Alle anderen mussten also reflektieren, meine Rolle war die des Lügners, er war ja schon auf der guten Seite.

Der Tag, an dem ich dem ich nach 19 Monaten den „Schlüssel“ endlich wegwarf, war, als ich endlich wieder wusste, wer ich bin: Fassungslos und unter Tränen legte ich den Telefonhörer meines kleinen Zimmers der Burnout-Klinik auf. Mein Freund hatte gerade das freundliche Feedback der behandelnden Ärzte revidiert und mir klar gemacht, was für ein schlechter Mensch ich doch sei. Ich hatte ihn angeschrien, wie er so etwas behaupten könne und gleichzeitig, war ich wieder zutiefst verzweifelt und verunsichert, ob es wirklich so war. War das doch einer der Gründe, weshalb ich hier war?  Ich fühlte mich kaum noch, war absolut kraftlos und zutiefst verunsichert, wer ich war. Sollte ich meine Freunde anrufen und fragen, ob das alles stimmte? Ob er Recht hatte?

Doch in diesem Moment, hatte ich endlich wieder Kraft gesammelt und Klarheit gefunden, die so lange weggewesen war: NEIN, er hat nicht Recht.

Er hatte alles dafür getan, seine große Angst in die Wirklichkeit umzusetzen: mich zu verlieren und selbst der Alleingelassene zu sein. Er war das Opfer seiner selbst.

Simone

Wo fängt man an, seine Geschichte zu erzählen, die so persönlich, intim und verletzlich ist für einen selbst?
Immer noch erschrecke ich mich, wenn ich die Täter gefühlt unbewusst in Schutz nehme oder merke, wie peinlich es mir ist, darüber zu sprechen.

Gerade stecke ich in den Vorbereitungen meines Debütspielfilm Haus der Stille. Der Film ist das Resultat zweier toxischer Beziehungen. Er basiert auf Erfahrungen von unterschiedlichen Frauen. Ich merke, wie ich durch die Arbeit an den Film wieder erinnert werde, und merke, es waren nicht nur zwei Beziehungen in meinem Leben, die so ekelhaft ungesund waren. Doch ich möchte heute bei den zwei Beziehungen bleiben.

Zu tief eintauchen kann ich nicht, mein inneres Schutzystem springt immer noch an, wenn ich davon erzähle.

Ich hatte einen Freund, der sich gern genommen hat, was ihm gehört. Heulend lag ich beim zweiten Mal im Bett. Ich war traumatisiert, fand aber die Kraft und habe die Beziehung beendet.

Es folgten einige ungesunde Beziehungen, doch dann kam eine, die alles für mich verändern sollte. Diese Beziehung war für mich psychisch die Hölle. Mein Partner war ein zutiefst unzufriedener Mensch. Nur: Das weiß ich heute. Kein Mensch tut einem anderen etwas an, wenn er in Balance ist.
Er hat sich verbal an mir ausgetobt, mich manipuliert und mich immer hilfloser werden lassen. Meine einzige Rettung: meine Therapie. Dort lernte ich viel über Selbstliebe und über mich. Irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ich habe so viele meiner Sachen gepackt, wie ich nur tragen konnte.

Wie toxisch diese Beziehung war, habe ich ein paar Tage danach gespürt. Ich war so ausgesaugt, mit fast 40 Grad Fieber bin ich bei meiner damaligen Ärztin zusammengebrochen.

Ich habe mir sofort eine neue Wohnung gesucht. Die Therapie hat mir geholfen, dann bin ich mit Kundalini Yoga in Berührung gekommen. Da fing meine Heilung erst richtig an. Ich konnte immer mehr verstehen, weshalb mir diese Dinge widerfahren sind und am Ende habe ich mich für das glücklich sein entschieden. Was ein anstrengender Weg war und bleibt. Stetig sorge ich dafür in der Balance zu bleiben. Einmal gelingt es mir mir mehr, mal weniger, doch es ist mein Leben und ich kann entscheiden.

Ihr seid in einer toxischen Beziehung mit eurem Partner oder eurer Partnerin, euren Eltern oder Freund*innen und wollt mit jemanden darüber reden?  Erste Ansprechpartner*innen gibt es hier:
Telefonseelsorge 0800/1110111
Nummer gegen Kummer 116117
Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen 0800/0116016
Hilfetelefon Sexueller Missbrauch 0800/2255530
Auch ein Gespräch mit einem Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin kann euch Wege aufzeigen, was in eurer Beziehung falsch läuft und woran ihr arbeiten könnt oder wann es Zeit ist, zu gehen. Wem das alle zu schwer erscheint: Vertraut euch euren Freund*innen an, redet darüber und macht einen Realitätscheck. Gemeinsam finden sich leichter Lösungen.

Er wünscht mir, dass ich glücklich werde