Wie viele Fehlgeburten pro Jahr in Deutschland

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Gesundheit Dreimonatsfrist

Veröffentlicht am 12.02.2016

Wie viele Fehlgeburten pro Jahr in Deutschland
Wie viele Fehlgeburten pro Jahr in Deutschland

Früher sah man in der Frühschwangerschaft nur Rauschen auf dem Ultraschall. Heute kann man schon früh die Umrisse des Kindes sehen

In den ersten drei Monaten verlieren viele Frauen ihr Baby. Früher wussten die meisten da noch gar nicht, dass sie schwanger waren. Heute schon. Viele erleben den Abort als großen Verlust.

Bloß nichts sagen. Abwarten, bangen und hoffen. Viele Paare behalten es erst mal für sich, wenn sie erfahren, dass sie vielleicht Eltern werden. Vielleicht, diese Einschränkung ist in den ersten Schwangerschaftsmonaten wichtig. „Man schätzt, dass dreißig, vielleicht sogar bis zu vierzig Prozent aller Schwangerschaften in den ersten zwölf Wochen in einem Abort enden“, sagt Christian Albring, Vorsitzender des Berufsverbands der Frauenärzte.

Abort, das ist die medizinische Bezeichnung für einen Abgang des Embryos oder Fötus im ersten Schwangerschaftsdrittel. Erst nach der zwölften Woche spricht man von einer Fehlgeburt.

Für ein frühes Ende der Schwangerschaft gibt es viele mögliche Gründe: Am häufigsten sind genetische Störungen, fehlerhafte Zellteilungen, die eine Weiterentwicklung des Embryos nicht ermöglichen. „Auch eine Gelbkörperschwäche, Infektionen oder Immunreaktionen, also Abstoßungsreaktionen des mütterlichen Gewebes gegenüber dem Gewebe der Plazenta, können Ursachen sein“, erklärt Albring.

Nur in sehr seltenen Fällen steckten ernsthafte Erkrankungen bei der Frau dahinter. „Es ist einfach so, dass die Natur in den ersten Wochen genau schaut, welcher Embryo sich zu einem gesunden Kind entwickeln kann und welcher nicht“, sagt Alexandra Gottmann, Frauenärztin und Psychotherapeutin in der Pro-Familia-Beratungsstelle in Troisdorf.

Früher hätten Frauen das oft gar nicht mitbekommen. Heute wüssten Frauen schon sehr früh, dass sie schwanger sind. „Man kann bereits ab der sechsten Woche einen Herzschlag auf dem Ultraschallgerät sehen“, sagt die Ärztin. Dann bauen viele Schwangere schon eine Bindung zum Kind auf. Außerdem sind Schwangerschaften heute oft lange geplant: „Dementsprechend hoch sind auch die Erwartungen, dass alles klappt.“

Aber das ist rein statistisch in bis zu vier von zehn Schwangerschaften nicht der Fall. „Frauen wissen ja auch um die Gefahr“, sagt Bettina Strehlau, Diplom-Psychologin und Hebamme aus Berlin. „Es ist aber doch etwas ganz anderes, wenn es einen selbst betrifft.“

Der Zeitpunkt der Fehlgeburt spiele in der persönlichen Betroffenheit dann kaum eine Rolle: „Wenn Frauen und ihre Partner sich auf das Elternsein freuen, vielleicht auch lange versucht haben, schwanger zu werden, dann ist eine Fehlgeburt immer mit großer Traurigkeit und Schmerz verbunden.“

Manche Paare sind dann froh, niemandem von der Schwangerschaft erzählt zu haben. Für andere sei es aber wichtig, über ihren Verlust zu sprechen, sagt Strehlau. Sie empfiehlt den Frauen, sich Verbündete zu suchen: „Es gibt bestimmt Frauen im nahen Umfeld, die auch schon so eine Erfahrung gemacht haben.“ Die könne man zum Beispiel fragen, was ihnen geholfen und gut getan hat.

Nach dem Abort rauschen die Hormone in den Keller. Das kann die Trauer zusätzlich verstärken, sagt Albring. Wichtig sei, sich zu schonen und ein paar Tage Ruhe zu haben. Vielleicht kann auch der Partner freinehmen. „Auch er hat ja schließlich einen Verlust erlebt, den er verarbeiten muss“, sagt Strehlau.

„Gemeinsame Gespräche über die Gefühle, Ängste und Sorgen sind jetzt ganz wichtig für die Paarbeziehung.“ Sie empfiehlt zur Trauerbewältigung einen Brief an das Kind. Da könne man alles reinschreiben, was man dem Kind gerne sagen würde und ihn gemeinsam mit den Ultraschallbildern als Erinnerung aufheben. Manchen helfe das, um symbolisch Abschied zu nehmen.

Viele Frauen machen sich nach einer Fehlgeburt außerdem große Sorgen: Kann ich überhaupt ein Kind bekommen? Albring beruhigt: „Ein oder zwei Spontanaborte sind etwas ganz Normales im Leben einer Frau, und die Wahrscheinlichkeit, danach wieder schwanger zu werden, ist sehr hoch.“

Trotzdem plagen betroffene Frauen oft Selbstzweifel: Habe ich mich nicht richtig verhalten? Eine Beratung kann den inneren Druck nehmen: „Es ist wichtig, dass Frauen wissen, dass sie keine Schuld tragen, sondern die Natur ihre eigenen Entscheidungen trifft“, sagt Alexandra Gottmann.

Bis die seelischen Wunden heilen, brauche es Zeit, sagt Strehlau: „Erfahrungsgemäß dauert es mehrere Monate, bis Frauen an den Punkt kommen, an dem die Trauer nicht mehr so wehtut.“ Wer die Trauer nicht überwinden kann oder große Ängste vor einer neuen Schwangerschaft entwickelt, sollte sich psychologische Hilfe suchen. Manchmal sei auch eine Paartherapie gut, sagt Strehlau. „Besonders wenn Paare sehr unterschiedlich mit der Trauer umgehen und nicht darüber sprechen können.“

Nach einem Abort sollten Frauen mindestens zwei Monate abwarten, bevor sie versuchen, wieder schwanger zu werden, rät Albring. „Die Gebärmutter braucht Zeit, um sich von der vorherigen Schwangerschaft vollständig zu erholen.“

Waren Stress, Konflikte oder eine Erkrankung die mögliche Ursache, ist es sinnvoll, mit einer neuen Schwangerschaft so lange zu warten, bis die belastenden Faktoren gelöst sind. Frauen, die bereits drei oder mehr Aborte hatten, sollten die Ursachen medizinisch abklären lassen.

Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland ist im Jahr 2021 mit rund 94 600 gemeldeten Fällen gegenüber dem Vorjahr um 5,4 % zurückgegangen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, war die Zahl der Abbrüche im ebenfalls von der Corona-Pandemie geprägten Jahr 2020 lediglich um 0,9 % zurückgegangen. Anhand der vorliegenden Daten ist keine eindeutige Ursache für den stärkeren Rückgang im Jahr 2021 zu erkennen.

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