Wer sein leben retten will, wird es verlieren bedeutung

18 Woche im Jahreskreis     Freitag

Aus dem Heiligen Evangelium nach Matthäus - Mt 16,24-28

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. 

Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen. 

Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen? 

Der Menschensohn wird mit seinen Engeln in der Hoheit seines Vaters kommen und jedem Menschen vergelten, wie es seine Taten verdienen. 

Amen, ich sage euch: Von denen, die hier stehen, werden einige den Tod nicht erleiden, bis sie den Menschensohn in seiner königlichen Macht kommen sehen.

Tagesimpuls:

Wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.  (Mt 16,25)

Manchmal entscheide ich mich, etwas zu tun, was ich eigentlich nicht so gerne will, aber ich tue es dann für andere, und ich meine, ich würde es um Jesu willen tun. Ehrlich gesagt bin ich mir aber oft nicht sicher, ob das richtig ist. Wenn ich immer so handeln würde, dann würde ich gar keine Zeit mehr für mich und für das Gebet haben. Ich bin so sicher, dass es enorm wichtig ist, genug Zeit für das Gebet zu finden. Aber andererseits will ich auch nicht egoistisch sein, ich will ja nicht nur für mich leben, ich will ja auch für die Menschen da sein. Jesus hat sich auch immer wieder stören lassen. Andererseits hat er auch viel Zeit für das Gebet gefunden.

Wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.

Ich weiß echt nicht, ob ich es immer richtig entscheide. Aber ich hoffe sehr, dass Jesus den guten Willen sieht. Wenn ich mich dafür entscheide, etwas zu tun, was die Menschen von mir wollen, dann ist es gewiss aus Liebe zu ihm. Mein Motiv dabei ist, dass ich dieses Wort leben will. Ich will mein Leben, meine Pläne, verlieren um seinetwillen.

Wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.

Ich will nicht den Eindruck erwecken, dass ich so besonders selbstlos wäre. Aber manchmal denke und handle ich so. Wahrscheinlich haben die meisten Leser ganz andere, viel treffendere Beispiele, wo sie ihr Leben um Jesu willen verlieren, oder sogar verlieren müssen. Ich lade Sie ein, darüber nachzudenken. Und was immer es ist, dass Sie es Jesus dann gern schenken. Und wenn es Ihnen so geht wie mir, dass Sie sich gar nicht immer sicher sind, was überhaupt das Richtige ist, dann legen wir es in Jesu Hände, beten zu ihm, dass er uns in der jeweiligen Situation Klarheit schenkt, und wenn wir keine Klarheit bekommen, dass wir nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden und vertrauen, dass Jesus sich über unseren guten Willen freut.

Gebet:

Jesus, es ist gewiss nicht sehr häufig, dass ich mein Leben um deinetwillen verliere. Allzu oft geht es mir doch um meinen Willen, um meine Bequemlichkeit, um meine Ziele. Aber manchmal handle ich auch so wie oben beschrieben. Ich bitte dich, dass du mir hilfst, auf diesem Weg weiterzugehen, dass ich einmal an das Ziel komme, das Paulus beschreibt: „Nicht mehr ich lebe, sondern Jesus lebt in mir."

Pastor Roland Bohnen 

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Wer sein leben retten will, wird es verlieren bedeutung

Wer sein leben retten will, wird es verlieren bedeutung
Im Markusevangelium sagt Jesus einmal zum Volk und seinen Jüngern: "Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis könnte ein Mensch sein Leben zurückkaufen?" (Mk 8,34-37). Dieser Text steht im Markusevangelium am Ende des 8. Kapitels, an jenem Punkt der Erzählung vom Geschick Jesu, als sich, nach dem vielversprechenden "galiläischen Frühling", der Himmel gleichsam verdüstert und die ersten Hinweise auf das schreckliche Ende der Geschichte auf einem Hügel bei Jerusalem gegeben werden. Vorhergeht das Bekenntnis des Petrus und die erste der drei Ankündigungen Jesu, daß es ihm bestimmt sei, zu leiden und eines gewa ltsamen Todes zu sterben. Nach dieser Ankündigung wendet sich Jesus an diejenigen, die sich als seine Jünger verstehen, und erklärt ihnen, wozu sie bereit sein müssen, wenn sie ihm folgen wollen. Er nennt zwei Voraussetzungen: 1. "Sich selbst verleugnen" und 2. "sein Kreuz auf sich nehmen". Betrachten wir diese beiden Voraussetzungen etwas näher. Zunächst die erste: "sich selbst verleugnen". Die herkömmliche Übersetzung ist heute nicht mehr ganz glücklich, da wir mit dem Wort "verleugnen" gewöhnlich einen wenig ehrenvollen Akt bezeichnen. Immerhin ist deutlich, daß die Forderung der Selbstverleugnung in eine andere Richtung zielt als die heute beliebtere Forderung der Selbstverwirklichung. Was ist nun damit gemeint? Das dem deutschen "verleugnen" zugrundeliegende Wort des Urtextes bedeutet schlicht "Nein sagen, eine Absage erteilen". Jesus verlangt also von seinen Jüngern, daß sie "zu sich selbst Nein sagen", daß sie "sich selbst eine Ab sage erteilen"; er verlangt also den Verzicht auf alle persönlichen Ansprüche. Keine persönlichen Ansprüche stellen ist das erste, wozu der bereit sein muß, der Jesu Jünger oder Jüngerin sein will. Was das konkret heißt, brauche ich wohl kaum auszuführen: sich in jedem Fall zufrieden geben mit dem, was man vorfindet, für sich selbst nichts verlangen, vollkommene Bescheidenheit. Und jeder von uns weiß, wie wenig er selbst und seine Mitchristen danach handeln und leben. Und zweifellos regen sich jetzt in Ihnen schon die ersten "Aber...". Diesen Einwänden sollten wir mit der schlichten Frage begegnen: Wollen wir wirklich seine Jünger und Jüngerinnen sein? Wollen wir wirklich ihm folgen? Dann, sagt Jesus, müssen wir damit beginnen.Die zweite Voraussetzung für die Jüngerschaft lautet: "Sein Kreuz auf sich nehmen". Wir sind es schon gewohnt, diese sprichwörtlich gewordene Wendung im übertragenen Sinn zu verstehen und auf alles mögliche anzuwenden. "Ach, es ist ein Kreuz!" seufzen wir und: "Jeder hat sein Kreuz zu tragen!" Dabei meinen wir meistens nur die alltäglichen Plackereien, Kümmernisse und Beschwerden, und selbst diese nehmen wir alles andere als entschlossen auf uns, von "gern" gar nicht zu reden. Zur Zeit Jesu ging das Wort "Kreuz" den Menschen nicht so leicht über die Lippen, denn sie wußten, welch gräßliche Realität es bedeutete. Der Kreuzestod war der qualvollste und schändlichste Tod, den man in der Antike kannte, und von Ausnahmen abgesehen wurden nur Sklaven und Rebellen zu dieser Hinrichtungsart verurteilt. Auf dem Weg zum Ort der Hinrichtung lud man dem Delinquenten selbst den Querbalken auf die Schultern. Das ist der Hintergrund für Jesu Wort vom "Aufnehmen des Kreuzes": Es bezieht sich auf das Tragen des Kreuzbalkens zur Hinrichtungsstätte. Was Jesus seinen Jüngern mit diesem drastischen Wort sagen will, ist deutlich: Sie dürfen auch vor den schlimmsten Martern nicht zurückschrecken; Schmerzen und Qualen sollen sie entschlossen auf sich nehmen; und nicht nur das: Selbst dem Tod sollen sie mit offenen Augen entgegen gehen. Dabei denkt Jesus nicht in erster Linie an den natürlichen Tod, dem jeder Mensch unweigerlich entgegengeht, es geht hier ja um eine Voraussetzung für die Jüngerschaft. Der Jünger soll bereit sein, gleichsam einen Tod zu sterben, um Jesus folgen zu können. Und es ist offenbar für jeden ein besonderer, ganz persönlicher Tod, denn nicht umsonst heißt es, jeder soll sein Kreuz aufnehmen, um damit gleichsam zur Hinrichtungsstätte zu gehen. Was für ein "Tod", was für eine "Hinrichtung" ist hier gemeint?Das sagt der nächste Spruch. Und dieser erklärt zugleich, welchen Sinn die beiden Forderungen haben, die Jesus an seine Jünger stellt; sie wirken ja zunächst eher abschreckend als einladend: "Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten."Hier steht ein Stichwort im Mittelpunkt, das wir lieber hören als das vom Tod: Leben. Jesus redet vom Gewinn und Verlust des Lebens mit Begriffen, die der Handels- und Finanzwelt entstammen, so als ginge es hier um ein Geschäft. Das wird noch deutlicher in der Fortsetzung, wenn er sagt: "Denn was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis könnte der Mensch sein Leben zurückkaufen?"Der entscheidende Satz formuliert ein perfektes Paradox: "Wer sein Leben retten will, wird es verlieren." Es ist offensichtlich, daß Jesus hier mit dem Begriff "Leben" spielt. Er redet von einem Leben, das man eben dadurch verliert, daß man sein Leben erhalten will. Irgendwie wird hier von "Leben" in einem doppelten Sinn gesprochen. Jesus scheint hier Leben und Leben zu unterscheiden, aber wie? Nun, man könnte ja sagen, das eine meint das irdische Leben und das andere meint das ewige Leben, und der Sinn des Satzes ist: Wer dieses irdische Leben um jeden Preis erhalten will, der wird das ewige verlieren. Wer aber, wie die Märtyrer, bereit ist, dieses Leben für Christus aufzuopfern, der gewinnt dafür das ewige Leben. Das ist die herkömmliche Deutung, und sie ist sicher nicht falsch. Aber ich glaube, sie genügt nicht, ja ich bin mir nicht einmal sicher, daß sie den entscheidenden Punkt trifft.Vielleicht versuchen wir es einmal anders herum und fragen: Was verstehen wir denn heute unter Leben? Auch heute meinen wir damit ja nicht nur das physische Leben, sondern sehr häufig etwas, was man mit dem unschönen Wort "Lebensqualität" bezeichnet. "Leben" meint dann: lebenswertes Leben. "Das ist doch kein Leben!" sagt man, wenn man das Leben nicht für lebenswert hält, mit den Lebensumständen nicht zufrieden ist, besonders wenn es am Einkommen oder an der Gesundheit hapert. Unter lebenswertem Leben verstehen viele Menschen vor allem das Leben genießen können, Freizeit haben, in den Urlaub fahren können, schöne Erlebnisse haben usw. Die Aufforderung: "Lebe doch endlich einmal!" bedeutet dann: "Laß es dir gut gehen, damit du vom Leben etwas hast!" Das Leben gilt diesen Menschen nur dann als wirkliches Leben, wenn es interessant, aufregend und erlebnisreich ist, kurz: ein schönes Leben, das man genießen kann. Nur ein Leben im Genuß ist ein Leben; das andere ist überhaupt kein Leben.Diese Einstellung zum Leben war schon in der Antike, zur Zeit Jesu, sehr verbreitet. "Freunde, solange wir leben, wollen wir auch leben!" lautet eine alte Inschrift. Aber in der Antike hatten nur verhältnismäßig wenige Menschen auch die Mittel, um sich ein angenehmes Leben zu machen. Das ist in der heutigen Gesellschaft Europas anders. Bei uns hat sich die genußbetonte, hedonistische Lebensart praktisch alle Schichten erobert, und das Trachten nach Erlebnissen prägt unsere Gesellschaft so weitgehend, daß der Soziologe Gerhard Schulze sie kurzerhand als "Erlebnisgesellschaft" tituliert hat. In seinem 1992 erschienen Buch schildert er, wie diese Erlebnisgesellschaft das Ziel des Lebensgenusses zu erreichen sucht; wie sie einen "Erlebnismarkt" schafft mit "Erlebnisangeboten", "erlebnisbezogener Werbung" für die "Erlebnisverbraucher". (Besonders der letzte Begriff deckt auf, wozu dieses Glücksprogramm führt: Der Mensch sinkt herab zum "Erlebni sverbraucher". Schon das Wort "Verbraucher" hat etwas Unmenschliches an sich; aber was ist das für ein Mensch: der "Erlebnisverbraucher?) Ich brauche Ihnen das nicht zu konkretisieren und auszumalen, denn Sie alle kennen das, sei es aus eigenem Erleben, sei es aus der Beobachtung Ihrer Mitmenschen.Freilich hat der Soziologe auch die andere Seite der Medaille gesehen: Das alles wird um einen hohen Preis erkauft (im doppelten Sinn des Wortes). Die Inflation der oft künstlich gemachten Erlebnisse führt nämlich zu einem "Rückgang der Erlebnisintensität"; das Erlebnis ist am Ende nur noch ein eingebildetes Erlebnis, eine Erlebnissuggestion; ein wirklich erfüllendes Erlebnis und ein wirklicher Genuß kommt gar nicht zustande. So kommt es zu einer paradoxen Situation: Je mehr sich die Menschen mit Erlebnissen vollstopfen, desto größer wird ihr Erlebnishunger. Was den Hunger befriedigen soll, macht ihn nur noch größer. Der Magen knurrt immer lauter, je mehr er gefüllt wird. Weil man unbedingt etwas vom Leben haben will, hat man am Ende nichts davon. Der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner hat dasselbe Phänomen beschrieben und mit Hilfe von drei Buchtiteln charakterisiert: "Wir arbeiten uns zu Tode, wir amüsieren un s zu Tode, wir lieben uns zu Tode.""Wer sein Leben retten will, wird es verlieren." Hat nicht Jesus genau diesen paradoxen Sachverhalt erfaßt und prägnant beschrieben? Hat er nicht die Erkenntnisse der heutigen Gesellschaftsanalytiker und -kritiker längst vorweggenommen? Ich meine schon. Er wußte zwar nicht, mit welcher technischen Perfektion wir heute die alte Maxime verfolgen, aber er wußte, daß jeder Versuch, im Lebensgenuß das höchste und eigentliche Lebensziel zu sehen, zum Verlust dessen führt, was allein den Namen "Leben" verdient. Er wußte, daß es kein armseligeres Leben gibt als das jener Menschen, die kein höheres Gut kennen als "Leben" in dem geschilderten Sinn.Darum fordert er zum Verzicht auf persönliche Ansprüche auf und erklärt: der Verzicht ist mit einem Gewinn an Leben verbunden. Das gilt zunächst für Materielles. Wer einfach lebt und z.B. vom Auto aufs Fahrrad umsteigt, verliert wenig und gewinnt viel: Zeit - Autofahrer haben bekanntlich nie Zeit und kommen immer zu spät -, Freude, ein ruhiges Gewissen. Wer aufs Fernsehen verzichtet, verliert wenig und gewinnt viel: Zeit, Phantasie, Ruhe, Mitmenschlichkeit.Dasselbe gilt aber auch im Miteinander der Menschen. Wer sich nicht in den Vordergrund drängt, wer sich aus gesellschaftlicher Anerkennung nichts macht, weil ihm nur an Gottes Anerkennung liebt; wer es über sich bringt, um Verzeihung zu bitten und Verzeihung zu gewähren, ohne nachtragend zu sein; wem es gelingt, in vollkommener Demut seinen Dienst zu tun; wer es lernt, sich zu beherrschen, der verliert wenig und gewinnt viel: innere Freiheit, überlegenen Humor, viele Freunde und jenen Frieden, der jede Vernunft übersteigt."Wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird es retten": Diese Rechnung geht also in gewisser Hinsicht jetzt schon auf, nicht erst im Jenseits. Das kann man sogar ganz ohne Religion und Glaube begreifen. Was freilich das Leben in seiner ganzen Fülle sein kann, das wird nur der erfassen, der sich entschlossen in die Nachfolge Jesu begibt, mit allem, was dazugehört. Diesen Menschen hat Jesus das Leben in Fülle versprochen, das auch mitten im Leid noch lebenswertes Leben ist, ja jetzt erst recht. Und seit Ostern wissen wir, daß er selbst, daß sein Name für dieses Leben steht. Als Überwinder des Todes kann er sagen: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6). Wer danach sucht, der wird auch finden.Freilich, dafür muß etwas sterben, nämlich das, was Paulus den "alten Menschen" genannt hat (Röm 6,6). Mit dem Sterben des alten Menschen meint Paulus nichts anderes als das, was Jesus mit den beiden Voraussetzungen für die Nachfolge gemeint hat. Der alte Mensch in uns muß gleichsam hingerichtet werden, damit der neue Mensch in uns zum Leben erwachen kann. Das kann man von allen Heiligen lernen. Ein Beispiel dafür, was das konkret heißen kann, ist aber auch Albert Schweitzer.Albert Schweitzer, nach dem eine Straße vor der Universität benannt ist, berichtet in seiner Autobiographie, wie er viel darüber nachgegrübelt habe, was Jesu Wort vom Verlieren und Retten des Lebens denn für ihn persönlich zu bedeuten habe. In seiner Studentenzeit, so schreibt er, kam es ihm unfaßlich vor, daß er, wo er so viele Menschen um sich herum mit Leid und Sorge ringen sah, ein glückliches Leben führen durfte. Das Wort Jesu ließ ihn nicht los, er suchte nach dem Opfer, das ihm persönlich zum Gewinn des von Jesus verheißenen Lebens verhelfen sollte. Und so beschloß er mit 21 Jahren, sich bis zu seinem 30. Lebensjahr ganz der Wissenschaft und der Kunst zu widmen und anschließend einen unmittelbar menschlichen Dienst aufzunehmen. Dieser Entschluß, so schreibt er, verschaffte ihm zum äußeren Glück auch das innerliche. Die berühmte Lebenswende Albert Schweitzers ist als o letztlich durch jenes Jesuswort ausgelöst worden, dessen Sinn wir heute abend nachspüren. Am Ende muß diesen Sinn jeder für sich selbst finden.Das Wort vom Kreuztragen hat eine neue Dimension erhalten, seit jener, der es zum erstenmal sprach, selbst am Kreuz sein Leben ließ. Seither wissen wir um den ganzen ungeschminkten Ernst dieser Forderung, aber auch um die Verheißung, die damit verbunden ist, und die Menschen wie Albert Schweitzer bezeugen. Freilich, es kann nicht jeder ein Albert Schweitzer sein. Und dennoch bleibt das Kreuz Christi ein Symbol der Hoffnung, ja ein Wegweiser selbst für solche, die der Kirche und dem christlichen Glauben eher fern stehen. Solche Menschen scheinen manchmal sogar besser zu begreifen, wofür dieses Kreuz steht, als die Christen selbst. So hat der Lyriker Erich Fried auch ein Gedicht geschrieben mit dem Titel "Kreuzweg":Links und rechts ein Diebin der Mitte ein KaiserWas ist das für ein WegweiserMann mit dem Stacheldraht?Mit dem Stacheldrahtreifen im Haarund sein Atem wird schon leiserWas ist das für ein Wegweiseroben auf meinem Berg?Oben auf meinem Bergmit des Blutes rostigen RestenUnd zeigt nach Osten und Westenund zeigt keine Ortschaft an.Kein Wort zeigt einen Ortaußer wenn das ein Wort istwenn dieses INRI ein Ort istan den man kommen kann?Der Dichter mit seinem Blick für Symbolik sieht im Kreuz Jesu einen Augenblick lang einen Wegweiser; denn es sieht jenen Wegweisern an Kreuzwegen, die wir kennen, nicht unähnlich. Vielleicht kam ihm der Gedanke tatsächlich vor einem Wegkreuz. Im nächsten Augenblick bemerkt er jedoch, daß es ein merkwürdiger Wegweiser ist: Er weist zwar, wie es viele Wegweiser an Kreuzwegen tun, in zwei Richtungen ("nach Osten und Westen," sagt der Dichter), aber man sucht vergeblich nach der Aufschrift, die die Ortschaft angibt, zu der die Wege führen. Aber dann fällt ihm auf: Da ist doch eine Aufschrift, freilich eine rätselhafte: INRI. Sollte das ein Ort sein, an den man kommen kann? Der Dichter setzt am Schluß ein Fragezeichen, obwohl der Satz grammatisch gar keine Frage ist. Könnte nicht dieses INRI ein Ort sein, an den man kommen kann? Jener Ort, zu dem dieser merkwürdige "Wegweiser" hinführen möchte?Ich muß gestehen, daß ich wie elektrisiert war, als ich diese Deutung des Kreuzes zum erstenmal las. Der Dichter läßt es offen, ob seine Deutung zutrifft, ob dieses INRI auf dem Kreuz des Kaisers, der zwischen zwei Dieben hängt, zu einem Ort weist, an den man gelangen kann. Als Christen aber dürfen wir antworten: Natürlich, das ist ja der Ort, wo unsere Heimat ist; der Ort, wo unser Herz zu Hause ist oder es wenigstens sein sollte. Dieser "Jesus von Nazaret, König der Juden" ist unser König, und dort, wo dieser König mit der Stacheldrahtkrone regiert, ist unser Platz, da gehören wir hin. Und dorthin werden wir endgültig gelangen, wenn wir den Weg zu Ende gegangen sind den dieser Wegweiser weist. Und so möchte ich schließen mit den Versen eines anderen Dichters: Reinhold Schneider.Wer heimlich Christi LeidenAn seinem Leib gespürt,Wird im HinüberscheidenVom ersten Glanz berührt;Wer Christi Tod erlitten,Wird mit ihm auferstehn;Wo er hindurchgeschritten,Da wage ich's zu gehn.

catholic-church.org/ao/ps/reiser4.html

Wer sein leben retten will, wird es verlieren bedeutung
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