Welches körperteil hat man bei ötzi nicht gefunden

Nach ihrer Entdeckung am 19. September 1991 musste die Gletschermumie zunächst einiges über sich ergehen lassen – Chronologie eines Jahrhundertfunds

Welches körperteil hat man bei ötzi nicht gefunden

Foto: REUTERS/Sudtiroler Archaeologiemuseum/EURAC/Marco Samadelli-Gregor Staschitz

Wie geht man mit einem seltsamen Fund um, den man nicht einschätzen kann? Eine schwierige Frage, vor allem, da wir nicht vor automatischen Annahmen gefeit sind. Erika Simon etwa, die gemeinsam mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann Helmut am 19. September 1991 (Tag 1) die berühmt gewordene Eismumie Ötzi entdeckt, hält die Leiche aus der Entfernung zunächst für "Zivilisationsmüll". Bei genauerer Betrachtung werden allerdings die menschlichen Merkmale deutlich. Das in den Ötztaler Alpen beim Tisenjoch wandernde Paar tippt auf eine verunglückte Bergsteigerin, ist der teilweise noch im Eis steckende Leichnam doch recht klein und zierlich.

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Würde man einen Steckbrief über Ötzi verfassen, dann dürften folgende Angaben nicht fehlen: Er wurde ca. 48 Jahre alt, war zu Lebzeiten etwa 160 cm groß und 50 kg schwer. Forscher gehen davon aus, dass er schulterlanges, dunkles und welliges Haar besaß und einen Bart trug. Seine Haut war vermutlich braungebrannt.

Die erste Rekonstruktion des Steinzeitmanns wurde übrigens im Jahr 2011 von den holländischen Künstlern Adrien und Alfons Kennis erstellt und ist im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen zu bestaunen, wo auch der wahrhaftige Ötzi liegt. Weil die Felsmulde, in der die Mumie gefunden wurde, auf Südtiroler Seite liegt, wurde Ötzi im Jahr 1998 samt seiner Utensilien nach Bozen überstellt.

Mit seinen rund 48 Jahren war Ötzi älter als der Durchschnitt seiner Zeitgenossen, wie der Archäologe Walter Leitner weiß, der als Professor an der Universität Innsbruck bis heute über die Gletschermumie forscht. Ötzi war also alt. Und krank. Wie die Wissenschaft herausfand, litt der Jungsteinzeitmensch an Karies, Parodontose und Borreliose. Er hatte auch Gastritis und war mit dem Magenbakterium Helicobacter infiziert. Die Krankenakte würde sich problemlos weiterführen lassen.

ÖTZI - Der Mann aus dem Eis

Die Archäologie-Sensation aus Südtirol

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Die Archäologie-Sensation aus Südtirol: kurze Geschichte & Fundort des Ötzi

Ötzi, auch der „Mann vom Hauslabjoch“, „Der Mann aus dem Eis“, „Mumie von Similaun“ genannt, ist neben Reinhold Messner der wohl berühmteste Südtiroler. Bis heute gilt die unscheinbare Mumie als eine der sensationellsten Entdeckungen der Archäologie, weil sie detaillierte Einblicke in die Lebensumstände der Jungsteinzeit gibt. 

Ötzi wurde am 19. September 1991 beim Tisenjoch auf 3.200m von den deutschen Wanderern Erika und Helmut Simon entdeckt. Der außergewöhnlich heiße Sommer ließ den Gletscher zurückgehen und gab dabei Ötzi, seine Kleidung, seine Werkzeuge und Waffen frei. Da Ötzi in der Grenzregion zwischen dem österreichischen Bundesland Tirol und der italienischen Provinz Südtirol gefunden wurde, erhoben zunächst beide Staaten – als klar wurde, dass es sich um einen einzigartigen Fund handelt - Anspruch auf die Mumie. Plötzlich waren beide Seiten so an Ötzi interessiert, dass sogar eigens die die Staatsgrenzen neu vermessen wurden! Die Vermessung im Oktober 1991 ergab allerdings, dass Ötzi 93 Meter von der Grenze entfernt auf italienischem Staatsgebiet gefunden wurde.


© Südtiroler Archäologiemuseum

Was macht Ötzi also so besonders? Aus der Steinzeit gibt es kaum archäologische Funde, detaillierte Einblicke in diese Zeit sind also schwierig. Der gute Erhaltungszustand Ötzis änderte das aber grundlegend! Sein Todeszeitpunkt konnte auf die Zeit um 3.200 v.Chr. datiert werden, er war dabei vermutlich Mitte 40 Jahre alt. Die Mumie ist heute noch 1,58 Meter groß, da der Körper beim Gefrieren schrumpfte, muss er zu Lebzeiten wohl von stattlicher Figur gewesen sein. Seine DNA wurde entschlüsselt, seine Essensgewohnheiten untersucht (letzte Mahlzeit: Hirsch, Steinbock, Getreide und Farn), seine genaue Herkunft konnte im Zahnschmelz herausgelesen werden, seine Kleidung wurde untersucht und nachgebaut, seine Waffen erprobt und über seinen wohl hohen Status gerätselt (er trug ein für diese Zeit unglaublich wertvolles Kupferbeil bei sich). Ötzi war über 50 Mal tätowiert, Strichbündel aus Kohle zieren seinen Körper, die wohl medizinischen Hintergrund hatten. Nicht ohne Grund, denn seine Krankenakte ist lang: Gebrochenen Rippe, schwarzen Lungen (vermutlich vom Rauch der Lagerfeuer), Arthritis, Gefäßverkalkungen und Magengeschwüre. 
Und wäre Ötzi nicht schon geheimnisvoll genug, folgte beim Röntgen noch eine weitere sensationelle Entdeckung: Ein Pfeil in seiner Schulter, der vermutlich eine Hauptschlagader zerfetzte. Ötzi, ein Mordopfer! Vermutlich ging der Attacke im Hochgebirge einige Tage früher ein anderer Angriff  zuvor, da Ötzi eine tiefe Schnittwunde an der rechten Hand aufweist, die wohl von einer Abwehrreaktion stammte. 

Wer sich näher mit der Gletschermumie beschäftigen möchte, dem empfiehlt sich ein Ausflug ins Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen, in dem die Mumie und all ihre Gegenstände ausgestellt sind und modern präsentiert und erklärt werden. In Unser Frau im Schnalstal wurde im ArcheoParc Ötzis Lebenswelt in einem spannenden Freilichtmuseum nachgebaut. 

Der Fundort der Gletschermumie kann auch erwandert werden, ist aber eine anspruchsvolle Tour und sollte nur von Wanderern mit guter Kondition und Erfahrung im Hochgebirge unternommen werden! 


War der Steinzeitmann nach einem möglichen Konflikt vielleicht auf der Flucht, wie einige Forscher spekulieren? Dazu passt aber nicht so recht, dass er einer Analyse seiner Verdauungsorgane zufolge gerade mal eine Stunde vor seinem Tod eine kräftige Mahlzeit mit Steinbockfleisch, Vollkornbrot und Gemüse verzehrte. Andererseits ist das Tisenjoch ein idealer Rastplatz für einen Wanderer, der in wenigen Stunden rund 2000 Meter dort hinaufgestiegen ist. Pfeile und den 180 Zentimeter langen Bogen aus Eibenholz hatte Ötzi so an einen Felsen gelehnt, wie Wanderer heute ihren Rucksack abstellen würden. Dort lag diese Waffe auch noch, als der Gletscher 5300 Jahre später den Steinzeitmann und seine Ausrüstung wieder frei gab. An dieser Stelle bläst der Wind nicht allzu sehr, und der Steinzeitmann hatte während seiner Rast eine hervorragende Sicht. Nicht nur auf das Alpenpanorama, sondern auch auf mögliche Verfolger. Weshalb aber überraschte ihn dann doch ein Pfeil, der ihn in den Rücken traf? Die Situation scheint vertrackt. Deshalb haben die Forscher aus Bozen inzwischen Spezialisten der Münchner Kriminalpolizei um Hilfe gebeten. Doch die Ergebnisse dieser "Profiler" stehen noch aus.

Weshalb war er überhaupt dort oben unterwegs?

Mit Sicherheit interessieren sich die Kriminalbeamten auch für die Frage, die ebenfalls viele Forscher umtreibt: Was hatte Ötzi überhaupt dort oben zu suchen? War er nur auf der Flucht? Wenn ja, weshalb blieb er dann nicht in den tieferen Lagen des Vinschgaus im heutigen Südtirol, in dem er nach Isotopenanalysen etliche Jahre vor seinem Tod lebte? Wer in einer Notsituation auf einen hohen Gebirgspass geht, auf dem selbst im Hochsommer ein Schneesturm toben kann, dem dürfte das Gelände nicht unbekannt sein. War Ötzi vielleicht schon früher über diesen Pass Richtung Norden gelaufen? Alexander Binsteiner kann sich das gut vorstellen. Schließlich hatte der Gletschermann eine Axt bei sich, deren Schneide aus Kupfer gemacht war, das vom Mitterberg im Salzburger Pongau stammte. Kupfer war damals sehr selten und entsprechend wertvoll. Ötzis Kupferbeil war ein Vermögen wert, er gehörte also eher zur Oberschicht, mittellos war er wohl kaum. Wobei jedoch über die Gesellschaftsstrukturen seiner Zeit nur sehr wenig bekannt ist.

Um Ötzi seine letzten Geheimnisse … | … zu entlocken, untersuchen die Forscher die Mumie mit modernsten Methoden. In den Labors herrschen Minusgrade und eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit. So nimmt der empfindliche Leichnam keinen Schaden.

Einen Verdacht auf seinen Job könnten seine Haare liefern, in denen Forscher relativ große Mengen des hochgiftigen Arsens entdeckten. Genau dieses Element aber findet sich auch in erklecklichen Mengen im Kupfer vom Salzburger Mitterberg. Könnte Ötzi dieses Kupfer also vielleicht verarbeitet haben und dabei einiges Arsen abbekommen haben, das der Organismus gern in den Haaren deponiert? Kannte der Steinzeitmann vielleicht den Pass deshalb gut, weil er dort nach Norden zog, um aus dem Salzburger Land Kupfer zu holen? War er also als Händler im Norden, zog er vielleicht sogar auf Raubzügen über das Tisenjoch? Für beides sind eine gute Kondition und durchtrainierte Muskeln sicher eine gute Voraussetzung, weil man damals meist zu Fuß unterwegs war. Indizien mag es geben, trotzdem bleiben solche Überlegungen nicht mehr als Vermutungen. Zuverlässig lässt sich auch diese Frage nicht beantworten.

Weshalb behielt er sein wertvolles Kupferbeil und weitere Wertgegenstände auch über den Tod hinaus bei sich?

Das Kupferbeil wirft noch eine weitere Frage auf: Wieso hatte der Schütze des Pfeils – wer auch immer das gewesen sein mag – diese Waffe nicht mitgenommen? Schließlich war sie äußerst wertvoll. Auch Pfeil und Bogen tastete der Täter nicht an; die wertvolle Bärenfallmütze nahm er ebenfalls nicht an sich. Dagegen zog er den Schaft des Pfeils wieder aus der Wunde. Und das, als Ötzis Herz noch schlug. Das weiß man, denn es finden sich Blutspuren im Schusskanal. Das Herz muss also nach Entfernen des Schaftes noch Blut dorthin gepumpt haben. "Wollte der Täter damit vielleicht seine Spuren verwischen und hat deshalb den Schaft mitgenommen?", überlegt Albert Zink.

Perfekte Waffen |

In Ötzis Köcher fanden sich neben zwölf grob bearbeiteten Schäften auch zwei schussbereite Pfeile. Sie sind knapp 90 Zentimeter lang und aus den kräftigen Ästen des Wolligen Schneeballs gefertigt. Die Feuersteinspitze wurde mit Hilfe von Birkenteer eingeklebt, dem pechähnlichen Destillat aus verschwelter Birkenrinde. Zur weiteren Sicherung diente eine Fadenumwicklung.

Am Schaftende finden sich die bis heute ältesten Überreste einer dreiteiligen Radialbefiederung. Sie wurde mit Birkenteer und dünnen Nesselfäden angebracht und stabilisierte den Pfeil im Flug.

Alexander Binsteiner geht von einem ganz anderen Zusammenhang aus: Könnte Ötzi nicht Händler gewesen sein, der mit Kumpanen zusammen Kupfer aus dem Salzburger Land holte? Als die Gruppe wieder einmal unterwegs war, lauerten ihr Wegelagerer auf. Ötzi bekam einen Pfeil in den Rücken, seine Kumpel aber konnten die Angreifer zurückschlagen. Den Pfeilschaft konnten sie zwar aus dem Rücken ziehen, doch ihre Hilfe kam zu spät. Den verstorbenen Ötzi bestatteten sie dann oben auf dem Tisenjoch in einer natürlichen Rinne. Und zwar, wie es zu der Zeit üblich war, mit seiner persönlichen Ausrüstung und damit auch mit dem wertvollen Kupferbeil.

Einen solchen Handel nicht nur mit Kupfer, sondern auch mit vielen anderen Gegenständen gab es damals zwischen verschiedenen Regionen Europas. Das hat Alexander Binsteiner nachgewiesen. Räuber gab mit Sicherheit auch. Trotzdem hat die Überlegung einen Haken: Analysen seines Verdauungstrakts zeigen eindeutig, dass Ötzi sich in den Tagen vor seinem Tod südlich des Tisenjochs aufgehalten hat. Er war also auf dem Weg nach Norden. Wenn er wirklich Händler war, wollte er das wertvolle Kupfer also erst holen. Weshalb aber sollte seine Karawane dann überfallen worden sein? "Auch einer seiner Arme war so abgewinkelt, wie es bei einem tödlich Getroffenen passieren kann", überlegt Albert Zink. Wenn seine Kameraden ihm hätten helfen wollen, hätten sie sicher den Arm in eine bequemere Stellung gelegt. Und Pfeil und Bogen hätten sie wohl auch nicht am Felsen stehen lassen, sondern dem Toten mit seinem Kupferbeil mit ins Grab gegeben.