Welches Buch stammt aus der Feder von Walter Moers?

Zamonien-Booknook

Seit einiger Zeit beobachte ich ein neues Phänomen, das besonders bei Büchersammlern, Bücherfressern und Bibliophilen aller Art immer beliebter wird: das sogenannte BOOKNOOK. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Buchstütze und miniaturisiertem Diorama, welches in jedes normale Bücherregal passen sollte und manchmal beleuchtet ist. Die darin dargestellten Szenen sind meist literarischen Ursprungs, oft beliebte Schauplätze aus Bestsellern wie etwa der Diagon Alley aus Harry Potter oder Hobbithöhlen usw. Viele Booknooks sind von Bastlern hergestellte Unikate, aber es gibt auch industriell und in Serie gefertigte Booknooks, die häufig als Bausatz angeboten werden.

So attraktiv, dass ich selber einen dieser Booknooks besitzen wollte, fand ich bisher keinen. Entweder waren die verwendeten Materialien nicht wertig oder die Gestaltung und Verarbeitung machte einen wenig überzeugenden Eindruck. Ich habe dieses Thema schließlich mit Carsten Sommer (www.carstensommer-objekte.de) besprochen – und so kamen wir auf die Idee, ein ZAMONISCHES BOOKNOOK herzustellen, das uns selbst in jeglicher Hinsicht überzeugt. Weil es:

1. aus haltbaren Materialien und mit lichtechten Farben hergestellt wird, also qualitativ absolut hochwertig ist. 2. professionell und detailliert modelliert und handwerklich perfekt verbaut ist und

3. nur in einer limitierten Auflage herstellbar ist.

Über das Motiv waren wir uns rasch einig. Nach einem knappen Jahr Entwicklungszeit können wir nun den Prototyp des Booknooks HILDEGUNST VON MYTHENMETZ IN DEN KATAKOMBEN VON BUCHHAIM präsentieren. Carstens Sommers Ergebnis übertrifft alle meine Erwartungen.

Welches Buch stammt aus der Feder von Walter Moers?

Je länger der Entwicklungsprozess dauerte, desto mehr wurde deutlich, dass der Kreativ- und Arbeitsaufwand von Carsten Sommer für jedes einzelne Exemplar gewaltig sein würde. Das schlägt sich einerseits im Preis für dieses in aufwändiger Handarbeit gefertigte Kunstobjekt nieder. Andererseits muss diese Booknook-Edition beschränkt werden, denn nur so ist Carsten Sommer in der Lage, in einem überschaubaren Zeitraum gleichbleibend hohe Qualität zu produzieren.

Für mich war die Entwicklung dieses Objektes ein in jeder Hinsicht aufregendes Unterfangen: HILDEGUNST VON MYTHENMETZ IN DEN KATAKOMBEN VON BUCHHAIM ist das erste Booknook-Multiple der Welt geworden – nicht mehr und nicht weniger.

Walter Moers

Der Blaubär-Roman feiert Geburtstag
Walter Moers über 20 ½ Jahre Zamonien und die weiteren Aussichten

Als ich mit der Arbeit an dem Roman Die 13 1/2 Leben des Käpt’n Blaubär begann, sollte diese voraussichtlich etwa ein halbes Jahr dauern, der Umfang des Buches sollte auf gar keinen Fall einhundertzwanzig Seiten übersteigen, und das ganze Werk sollte höchstens ein Dutzend Illustrationen enthalten. Das war der Plan. Es wurden dann fünf Jahre Arbeit, siebenhundertdrei Seiten und über hundert Illustrationen. Eine der beiden Lebensweisheiten, die ich seitdem aus eigener Erfahrung weitergeben kann – mehr habe ich in dieser Hinsicht nicht zu bieten –, lautet daher: Es kommt manchmal ein bisschen anders, als man plant. Die andere Maxime lautet: Benutzt regelmäßig Zahnseide oder Interdentalbürsten!

Nachdem ich den Roman beendet hatte, war ich der festen Überzeugung, dass ich so etwas in meinem ganzen Leben nie wieder tun würde. Fünf Jahre mit Zwergpiraten, Klabautergeistern, schlechten Ideen, einem Stollentroll, einem Prinzen aus der 2364. Dimension, einem halbblinden Rettungssaurier und vielen anderen seltsamen Charakteren zu verbringen kommt wahrscheinlich einem längeren Zwangsaufenthalt in einer geschlossenen Anstalt ziemlich nah. Aber aus meinem geplant einmaligen Ausflug in die Schriftstellerei – zuvor hatte ich nur Sprechblasen für Comics und Drehbücher verfasst – wurde unversehens eine Buchreihe über einen phantastischen Kontinent namens Zamonien mit mittlerweile neun Bänden und insgesamt 3521 Seiten. Der neueste Zamonienroman Der Bücherdrache ist seit März 2019 im Handel. Es kommt manchmal ein bisschen anders, als man plant.

Darüberhinaus feiern wir 2019 zu meiner großen Bestürzung ein 20 1/2-jähriges Doppeljubiläum. Denn so lange ist es schon her, dass mit Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär der erste Band der Zamonien-Reihe erschienen ist. Im Herbst 2019 legen wir daher das originale Blaubär-Hardcover von 1999 mit den Schwarzweiß-Illustrationen, dem blauen Farbschnitt sowie dem Originalposter wieder auf. Außerdem gibt es die farbige Ausgabe, koloriert von Florian Biege, erstmals im Taschenbuch. Welchen Blaubär hätten Sie denn gern?

Im Jahr 2020 könnte es dann zum nächsten Zamonienroman Die Insel der 1000 Leuchttürme kommen, einem Briefroman aus der Feder von Hildegunst von Mythenmetz, den er erstmals auch selbst illustriert hat.

Das Erscheinen der Blaubär-Sonderausgaben kann ich garantieren, aber im Falle des Briefromans kann ich nur hoffen, dass Mythenmetz den Termin für die Abgabe seiner Illustrationen einhält. Es kommt ja manchmal ein bisschen anders, als man plant.

Ausblick: Weitere Zamonienbände sind geplant, einige davon  in Arbeit, teilweise schon seit Jahren. Dazu gehört auch Das Schloss der Träumenden Bücher, der dritte Teil der Buchhaim-Trilogie. Dass es damit länger dauert als geplant, liegt daran, dass sich andere Projekte wie Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr, Weihnachten auf der Lindwurmfeste, Der Bücherdrache sowie die beiden Graphic Novel-Bände von Die Stadt der Träumenden Bücher dazwischengeschoben haben. Dies waren, was die Illustrationen angeht, zum Teil sehr umfangreiche und viel Zeit beanspruchende Teamarbeiten, die mit den anderen Künstlern Lydia Rode und Florian Biege terminlich abgestimmt werden mussten und daher Vorrang hatten. Es kommt eben manchmal ein bisschen anders, als man plant.

Und ich hoffe auch, dass das so bleibt. Denn sonst wären die Arbeit und das Leben ja völlig vorhersehbar und langweilig.

Ich bin sehr froh darüber, in der Buchbranche zu arbeiten, wo man sich, anders als in anderen Medien, immer noch die Zeit für ein Werk nehmen kann, die es nun einmal braucht. Ich denke, das kommt nicht nur mir, sondern auch meinen Lesern zugute.

Ach so, nach längerer Überlegung eine Korrektur zu Lebensweisheit Nummer 2: Benutzt doch lieber Interdentalbürsten als Zahnseide, denn die sind nicht nur effektiver in der Zahnzwischenraumreinigung, sondern auch einfacher zu handhaben.

Wer ist Walter Moers? Wenig ist über den 54 Jahre alten Autor bekannt. Seine Romane, Figuren wie das Kleine Arschloch, der Alte Sack, Käpt'n Blaubär, seine Comics und Illustrationen künden von einem beinahe allumfassenden Interesse. In seinen Bestsellern über den Kontinent Zamonien verbirgt der scheue Moers sich gerne hinter dem Dinosaurier Hildegunst von Mythenmetz, der von seinen unzähligen Abenteuern berichtet. Dieses Alter Ego lieferte sich zuletzt auch Wortgefechte mit Moers. In Oberhausen sind derzeit die zeichnerischen Werke Moers' zu sehen.

Und sein Buch "Das Labyrinth der träumenden Bücher" ist erschienen, die Fortsetzung seines Meisterwerks "Die Stadt der träumenden Bücher" von 2004 . "Welt Online" unternahm den Versuch, mit dem Autor über seine Literaturvorstellungen zu reden. Das Gespräch wurde per Mail geführt.

Welt Online: Herr Moers, woher rührt Ihr Faible für Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts?

Walter Moers: Wahrscheinlich von meiner anhaltenden Beschäftigung mit Arno Schmidt, der uns immer wieder mit der Nase darauf stößt, dass unsere besten Sachen in dieser Zeit geschrieben worden sind.

Welt Online: Haben Sie nicht als Schüler unter der Klassiker-Rezeption gelitten?

Moers: Nein, im Gegenteil. Ich hatte sogenannte fortschrittliche Lehrer, die uns zwangen, unsere kostbare Lektüre-Zeit mit Grass, Böll oder Frisch zu verplempern.

Welt Online: Besonders Gottfried Keller, dem Sie mehrfach huldigen und der als Gofid Letterkerl in Zamonien auftaucht, ist doch eigentlich komplett vergessen. Zu Unrecht?

Moers: Der wiederum wurde mir von einem fähigen Deutschlehrer nahegelegt. Es gab ja auch ein paar gute. Keller wird in der Tat sträflich vernachlässigt, aber da kann man nichts machen. Ich halte "Spiegel, das Kätzchen" immer noch für das beste Kunstmärchen in deutscher Sprache, und den "Grünen Heinrich" für einen der besten Romane.

Welt Online: Man hat den Eindruck, dass aktuelle Hochliteratur in Zamonien keine Rolle spielt. Es ist eine Retrowelt, die mit der Genie-Huldigung des späten 19. Jahrhunderts endet.

Moers: Es gibt ein paar Ausnahmen. Dass es aber im Wesentlichen so ist, hat hauptsächlich mit der Überschaubarkeit zu tun. Die literarische Welt des 18. und 19. Jahrhunderts lässt sich von heute aus gemütlich überblicken, wie auch das naturwissenschaftliche Weltbild dieser Zeit. Für unsere Gegenwart ist das völlig unmöglich geworden.

Welt Online: Und was halten Sie von den Erzählwelten der Gegenwartsliteratur?

Moers: Meine Lektüre hört mit dem 19. Jahrhundert nicht auf. Der modernste Roman, den ich in letzter Zeit gelesen habe, war "Zazie in der Metro" von Queneau ...

Welt Online: Hm, von 1959 ...

Moers: ... den ich allerdings schon lange kenne. Der war immer noch so komisch, wie ich ihn in Erinnerung hatte.

Welt Online: Lesen Sie denn neue Literatur? Was gefällt Ihnen denn?

Moers: Romane lasse ich mir fast nur noch als Hörbücher vorlesen; die höre ich beim Zeichnen. Der letzte war allerdings "Moby Dick" in der neuen Übersetzung.

Welt Online: Und sonst?

Moers: Ich lese vorwiegend Sachbücher.

Welt Online: Als Übersetzer von Hildegunst von Mythenmetz können Sie im Gegensatz zu uns Lesern dessen gewaltiges Werk überschauen. Allein die "Reiseerzählungen eines sentimentalen Dinosauriers" umfassen 25 Bände. Müssen Sie das alles noch durcharbeiten?

Moers: Das werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr schaffen. Die Frage ist, wie viel davon ich noch packe.

Welt Online: Wie viel haben Sie sich vorgenommen? Und bleiben Sie Mythenmetz als Erzähler treu?

Moers: Als Nächstes folgt der dritte Teil der Buchhaim-Trilogie mit dem Titel "Das Schloss der träumenden Bücher". Der wird natürlich von Mythenmetz erzählt. Das darauf folgende Zamonien-Buch wird dann von einem Mitglied der Familie Smeik erzählt. So ist jedenfalls der Plan.

Welt Online: Schmeißen Sie von Ihrer eigenen Arbeit etwas weg? Wie halten Sie es mit dem Papierkorb?

Moers: Ich habe mal einen ganzen Roman in den Giftschrank gesperrt.

Welt Online: Rebellieren der Roman und die Figuren darin nicht unaufhörlich und wollen raus?

Moers: Nein. Der war wirklich daneben. Ich habe die Handlung in der deutschen Gegenwart angesiedelt und die Figuren waren richtige Menschen. Das liegt mir anscheinend nicht. Meine Protagonisten müssen vierzehn Arme haben oder drei Gehirne oder so was.

Welt Online: Ursprünglich sprachen Sie davon, populäre Genres zu benutzen. Also Schelmenroman, Abenteuerroman, Schauergeschichte, Bildungsroman usw. Das "Labyrinth der träumenden Bücher" ist eine Fortsetzung, die eine Fortsetzung in Aussicht stellt. Warum die Rückkehr?

Moers: Keine Ahnung. Rückblickend hat die Arbeit an "Die Stadt der träumenden Bücher" den meisten Spaß gemacht, das wollte ich wohl noch mal wiederholen. Aber die Sammlung von Ideen für eine Fortsetzung hat schon bei der Niederschrift von "Die Stadt der träumenden Bücher" begonnen, irgendwie war das damals schon klar, dass es weitergehen muss. Ich schreibe aber immer an mehreren Zamonien-Büchern gleichzeitig. Momentan noch an einem aus dem Genre Science-Fiction und an einem Briefroman.

Welt Online: "Der Schrecksenmeister" erschien mit einem Jahr Verspätung, im "Labyrinth" klagt Mythenmetz darüber, dass das Orm ihn nicht mehr durchfließt? Verarbeiten Sie eine eigene Schreibkrise?

Moers: Nein, so was hatte ich bisher noch nicht. Das hat dann eher den Grund, dass andere Projekte dazwischengekommen sind. Ich hab in den letzten Jahren viel fürs Fernsehen gemacht.

Welt Online: Mal das Manuskript an die Wand geworfen?

Moers: Das wäre mir zu kostspielig, ich schreibe vorwiegend mit dem Computer.

Welt Online: Können Sie auch so melodramatisch sein wie Mythenmetz?

Moers: Schlimmer.

Welt Online: Wie äußert sich das? Mythenmetz weint Lindwurm-Tränen und versucht es mit Rauchen im Qualmoir ...

Moers: Ich bringe mich neuerdings gerne mit klassischer Musik in Stimmung zum Schreiben. Das muss am Alter liegen. Früher habe ich kaum Klassik gehört.

Welt Online: Zeichnen Sie die Illustrationen Ihrer Werke, nachdem der Text fertig ist, oder parallel?

Moers: Das Zeichnen ist so eine Art Meditationshilfe für den Text. Deswegen werden meine Schraffuren auch immer dichter: Ich nehme mir zunehmend mehr Zeit für die Ausarbeitung der Grundideen, zeichnerisch wie textlich. Beim "Labyrinth der träumenden Bücher" sind die meisten Illustrationen vor dem Text entstanden.

Welt Online: Was ist denn leichter?

Moers: Zeichnen, ganz klar. Zeichnen ist Spielen, Schreiben ist Arbeit.

Welt Online: Benutzen Sie für Ihre Anagramme eigentlich eine Maschine oder sind "Dölerich Hirnfiedler" für Hölderlin und "Ojahnn Golgo van Fontheweg" für Goethe mehr mit der Feder auf Papier gekratzt worden?

Moers: Ich benutze die Plastikbuchstaben eines "Scrabble"-Spiels. Anagramm-Maschinen sind unfähig zur Schaffung von wirklich klangvollen oder komischen Namen. Dafür taugt das eigene Gehirn viel besser.

Welt Online: Und gibt es einen Dichter, für den Sie kein hübsches Anagramm gefunden haben?

Moers: Ja, ausgerechnet für Arno Schmidt. Das liegt an den wenigen Buchstaben.

Welt Online: Hat sich Laptantidel Latuda, der schärfste Kritiker Hildegunst von Mythenmetz', auch bei Ihnen gemeldet?

Moers: Ich kommuniziere nicht mit Kritikern.

Welt Online: Herr Moers, Hildegunst von Mythenmetz greift Sie ständig an, polemisiert gegen Ihre Übersetzungen und Kürzungen. Wann haben Sie die Kärrnerarbeit satt?

Moers: Er ist extrem undankbar, das ist richtig. Aber das ist mein Schicksal, das muss ich annehmen. So wie ein Märtyrer.

Welt Online: Sie wollen doch nicht sagen, dass Sie leiden?

Moers: Doch. Irgendjemand hat mir eines Tages Mythenmetz auf den Hals gehetzt, da bin ich sicher. Wer das war und woher Mythenmetz kam, weiß ich nicht, vielleicht aus einer anderen Dimension oder einer Quantenfalte im Universum. Ich verstehe nichts von Physik! Aber eins ist sicher: Er ist gekommen, um mich zu quälen.

Welt Online: Ein letztes: Die Buchhaim-Romane sind Oden sondergleichen an das Büchermachen, an Drucker, Metteure, Ausstatter. Schätzen wir Leser die Handwerkskunst des Büchermachens nicht genug?

Moers: Es geht tatsächlich immer mehr flöten. Wir arbeiten gerade an einer Comicfassung der "Stadt der träumenden Bücher". Da wollten wir unbedingt, dass das Lettering der Sprechblasen von Hand und nicht an einem Computer gemacht wird. Das war gar nicht so einfach. Aber wir haben jemanden gefunden, der das noch von Hand macht. Dieses Handwerk stirbt tatsächlich aus.

Walter Moers: Das Labyrinth der träumenden Bücher. Knaus, München. 432 S., 24,99 Euro.