Was hat eine zunge kann aber nicht sprechen

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Was hat eine zunge kann aber nicht sprechen


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Pup. mittelweit, rund, 1. Spur enger als r., L. R. und C. R. gut. Hornhauttrübung links (mit 6–7 Jahren Augenkrankheit bis zum 10. Lebensjahr).

Pat. und Ach. Ref. mittelstark, r. – Keine patholog. Zehenreflexe Keine Lust zur Arbeit, könne nicht 8 Stunden ruhig sitzen. Wolle handeln mit Wäsche etc., abends als Artist auftreten.

Mutter leide an Kopfschmerzen, 3-4 Tage lang, auch er habe darunter zu leiden, aber nur 10–20 Minuten lang. Er ärgere sich sehr leicht, lege sich dann hin. Vater sei ein ruhiger Mensch.

Frühere Krankheiten: Einmal eiterndes Geschwür am Glied („wird wohl weicher Schanker gewesen sein“). Besinnt sich gut auf Vorgänge vor der Aufnahme, insbesondere auf seine Erregung. • Erregung läßt jetzt nach.

1. 6. 20. Schreibt viel, erregt. Will Musik hören. Habe durch seinen Aufenthalt hier große pekuniäre Verluste.

2. 6. 20. Vor 10 Jahren Syphilis, Spritzen, Schmierkur. Quecksilberbäder.

Im Kriege Tripper, weichen Schanker. Beim Militär Ehrlich-Hata, Schmierkuren. Letzte Kur vor 2–3 Jahren. Angaben sind verschwommen, unsicher, Rededrang. Wassermann stark pos.

Angaben der Ehefrau: Kennt ihn seit 11 Jahren, seit 3 Jahren verheiratet. Nach Rückkehr aus Gefangenschaft verändert: erzählte alles doppelt, aggressiv gegen Frau und Mutter. Seit 4 Wochen Verschlimmerung, wollte alles in Brand stecken, zerschlug Möbel, sprach dauernd von Geld, verkaufte Sachen.

3 Kinder: 1. gest., Herzlähmung, 44 Jahr, 2. gest., Influenza, 1% Jahr. 3. 5 Jahre, kränklich, schwächlich, kein Ausschlag.

Infektion (eigene) negiert. Familienanamnese o. B.

3. 6. 20. Lumbalpunktion: Ph. I. Trübung, sehr starke Lymphozytose. Wa. 0,8 + + + +, 0,4 + + + +, 0,2 + + + +.

19. 6. 20. Stimmung wechselnd, leicht beeinflußbar, auch in seinem Gedankengang. Rededrang. Er verdiene in 1 Min. 5 Millionen. Kritiklos, sprunghaft.

20. 7. 20. Neigt zu Schlägereien, schimpft erregt, weint mitunter.

28. 8. 20. Dauernd starker Rededrang und motorische Unruhe. Verwertet alle Vorgänge in seiner Umgebung ideenflüchtig. Ich bin auch Arzt ... Kaltwasserkur ... psychische Behandlungs. Springt zum Französischen über.

25. 9. 20. Ruhiger, bittet nur gelegentlich entlassen zu werden, oder um eine Zigarette.

8. 10. 20. Gute Angaben über Vorgeschichte, Rechen- und Merkfähigkeit nicht wesentlich gestört. Über Umgebung recht gut orientiert.

Immer lustiger Mensch gewesen, habe andere mitgerissen, nie verzagt gewesen. Über depressive Phasen vor der Aufnahme nichts zu erfahren. Lebhaft, gesprachig, ausdrucksvolle Mimik und Gesten. Ideenflüchtige Reden. Affekt jetzt gleichmäßig euphorisch. Keine Sprachstörung. Keine Größenideen.

12. 10. 20. Bei Exploration noch Neigung zu Erregungszuständen.

13. 10. 20. Blutentnahme. Wassermann stark pos. Lumbalpunktion: 5 ccm klar, Ph. I. Opaleszenz. Sehr starke Lymphozytose. Wa. 0,8 + +++


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14. 6. 21. Apathischer Zustand. Liegt steif mit abgehobenen Kopf in Bett. Widerstand gegen passive Bewegungen. Läßt Urin ins Bett. Nahrung muß in den Mund geführt werden.

27. 7. 21. Dauernd katatones Bild. Mutazistisch.
17. 8. 21. Lebhaftere Mimik, antwortet auf Fragen.

24. 8. 21. Katatones Bild weniger ausgesprochen. Affektloser Gesichtsausdruck. Bewegungsarmut. Keine optischen und akustischen Halluzinationen. Er fühle sich in seinem Denken völlig frei, die Stimmung sei gut. Rechen- und Merkfähigkeit gut. Keine artikulatorischen Sprachstörungen.

14. 9. 21. Gut orientiert über Ort, Zeit, Person, Wohnung. Gute Stimmung

Gute Intelligenz.

Fühlt sich gesund bis auf die Lues, die wohl nicht heilbar sei; geisteskrank sei er nicht gewesen, vielleicht nervös. Sinnestäuschungen habe er nicht gehabt. Sei mal aufgeregt, wie jeder andere auch.

Körperlich: Ach. Sehnenreflexe bds. nicht sicher auszulösen. Lumbalpunktion: 5 ccm wasserklarer Liquor entnommen. Vermehrter Druck. Blutentnahme. Wa. neg. Liq. wie früher. Ph. I. Opaleszenz. Starke Lymphozytose. Wa. stark positiv.

17. 9. 21. Die Affektsteifheit ist noch nicht völlig abgeklungen, Bewegungsarmut, jedoch weitere Neigung zum Abklingen. Außer der Affektstumpfheit besteht zur Zeit leichte Beeinflußbarkeit und Andeutung von Negativismus. Gibt einsilbige Antworten. Neurologisch o. B.

Neurologisch o. B. Als gebessert entlassen.

3. Aufnahme. Angaben der Ehefrau: Seit Entlassung vollkommen geordnet, auffallend eitel. Fing an, Ende Jan. sehr zu trinken, klagte über starke Kopfschmerzen. Ließ häufig Urin in die Hosen. Erkennt Arzt und Pfleger wieder.

Somatisch: Pup. r. > I., Reaktion auf L. und C. +. Links Kornea wolkig getrübt in Zentren. Ach. Refl. Keine pathologischen Reflexe. Stimmungslage heiter.

9. 3. Vollkommen ruhig, verlangt lächelnd seine Entlassung.

18. 3. Läßt in wachem Zustand Urin ins Bett. Dauernd gleichgültig heiter lächelnd.

18. 4. Starke Hyperkinese. Dauernd rhythmische Bewegungen, schlägt in monotoner Weise die Hände um die Brust. Gesichtsausdruck starr, keine affektiven Veränderungen.

2. 5. Hyperkinetischer Zustand hält an. Dabei stark ideenflüchtig. Stimmung leicht gehoben. Größenideen.

12. 5. Ausgesprochen ideenflüchtig. Bewegungsunruhe außerhalb des Bettes gesteigert, Bewegungen zeigen eine gewisse Monotonie. Affektlage ziemlich indifferent, gelegentlich auch Äußerungen mit sinnlosen Größenideen. Keinerlei Krankheitsgefühl.

25. 6. Unverändertes Bild. Dauernd starker Bewegungsdrang. Schlägt andere Patienten. Starker ideenflüchtiger Rededrang, greift alle Begebenheiten um sich herum auf.

26. 7. Die Hyperkinese ist in den letzten Tagen erheblich abgeklungen, fast frei von psychomotorischen Störungen. In den letzten Wochen mehr. mals Äußerungen, er sei hier vergiftet worden, habe keine richtigen Salvar. sanspritzen bekommen, die Injektionsflüssigkeit sei so komisch gefärbt. Auch das Essen habe komisch bitter geschmeckt. Stimmungslage euphorisch, ausgesprochener als zur Zeit der abgeklungenen psychomotorischen Störungen. Ideenflucht, Rededrang, der sich im Verlaufe der Untersuchung steigert. Lebhafte Affektäußerungen, dabei behält aber der Gesichtsausdruck eine gewisse Starrheit und Steifheit. Phantastische Größenideen, verspricht Millionen. Kein eigentliches Krankheitsgefühl, „nur etwas aufgeregt“. Sitzt nicht still, sehr ablenkbar. Keine paralytische Demenz. Grobe Störung der Aufmerksamkeit, offenbar keine Rechenstörungen und Merkfähigkeitsdefekte.


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9. 11. Spricht zusammenhanglos. „Ich bin ein Objekt der Medizin“ etc. Viele Gestikulationen. Hebt die Hand zum Schwur etc. Beim Essen beißt er schnell ein Stück ab, stützt den Kopf in die Hände. Setzt sich auf Aufforderung nicht hin, bleibt barfuß im Zimmer stehen. Ängstlich gehemmter Gesichtsausdruck, blickt auf den Fußboden, bält eine Hand vor das Auge, sieht die Tür aufmerksam an. Schüttelt verzweifelt den Kopf, bleibt in gehemmter Stellung stehen: „Es wird ein Höherer jetzt entscheiden, was von mir

Unrecht und Recht entscheidet.“ „Es liegt in meinem Glauben, daß links rechts.“ Nimmt plötzlich stramme Haltung an, betrachtet aufmerksam einen im Zimmer hängenden Rock. Nickt. (Wo hier?) „Stehn in höherer Gewalt der Gerechtigkeit.“ „Ich bin das Experiment vom Ausland, weil hier auf dem, was bei mir liegt, sicher zu spät oder.“

Spricht immer erst nach mehrfacher Aufmunterung, wenig spontan.

10. 11. 21. Meist mutistisch. Spricht mitunter eine Zeitlang, hört abrupt wieder auf. Über die Motive des Schweigens unsichere Angaben, „darf ich denn reden?“ „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Spricht in zerfahrener Weise, mitunter zornmütig. Drängt hinaus. Manchen Äußerungen ist zu entnehmen, daß Pat. Krankheitsgefühl hat.

Nahrungsverweigerung. Abweisend bei der körperlichen Untersuchung. Temperatur 38,2 (ohne erkennbare Ursache). Zerfahren, lief nackt umher, erregt. Spricht von geschlechtlicher Infektion, die man an den Augen erkenne. Keine Anzeichen für Halluzinationen. Äußerungen religiösen Inhalts.

17. 11. Spricht unzusammenhängende Sätze. Weint. Vielleicht etwas unsicher in der Artikulation bei schweren Paradigmen. Merkfähigkeit stark herabgesetzt. Spricht zusammenhanglos über Rudererlebnisse.

18. 11. Das Essen von zu Hause sei vergiftet, hier nicht. „Es liegt noch einer hier, der auch ich ist.“

22. 11. Nahrungsaufnahme gut. Immer derselbe Rededrang. Spricht von Reminiszenzen aus seinem Leben.

26. 11. Ängstlich, fürchtet zu sterben, sei Versuchsobjekt.

3. 12. Meist mutistisch oder urze Äußerungen: depressiven oder para noischen Inhalts. Nahrungsverweigerung, sein Magen sei gefüllt, es gehe nichts mehr hinein“.

24. 12. Meist mutazistisch: liegt ausgestreckt auf dem Rücken in gespannter Haltung mit gespanntem Gesicht. Meist abgehobener Kopf.

12. 1. 22. Abduzensparese links. 14. 1. Immer gleiches Verhalten.

19. 1. Möchte aufstehen. Im Saal werde über ihn gesprochen, aus der Zeitung über ihn vorgelesen.

Zuerst habe er Angst gehabt, geglaubt, daß er bestohlen worden sei. Eltern hätten ihn beruhigt. Ideenflüchtig, spricht halblaut, wenig Mimik.

23. 2. Körperliches Wohlbefinden. Liest die Zeitung. Krankheitseinsicht. Spricht geordnet über sein Vorleben. Faßt manchmal Fragen schwer auf, wiederholt auffällig das Wort: „nicht wahı?". Auf Fragen richtige Antworten, und zwar ausführlich. Kein Silbenstolpern.

Pup. r. Y l., långs-oval verzogen, L. R. und C. R. normal. Augenbewegungen: r. nach oben, unten und zur Mitte ausgiebig, nach außen wird der äußere Lidwinkel nicht vollkommen erreicht. L. Auge steht fixiert ini Augenwinkel, Bewegung nach oben und unten wenig eingeschränkt, nach außen fast gleich 0, (nach außen wird die Mittellinie nicht ganz erreicht). Pat. Refl. r. Y l. +, sonstige Refl. +. Oppenheimer r. pos., 1. Sensibilität o. B. Therapie: Schmierkur. Neo-Salvarsan.


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sei nicht schlecht, nur etwas niedergedrückt, weil er im Kolleg vorgestellt worden sei. Spricht langsam, stockend, widerstrebend. Zeigt ängstliches Wesen, irrt mit den Augen im Zimmer umher, fährt herum, sobald jemand das Zimmer betritt. Bestreitet jedoch, Angst zu haben.

22. 2. Liegt in steifer Haltung im Bett, den Kopf vom Kissen abgehoben. Neigt zu kataleptischen Haltungen. Gesichtsausdruck völlig affektlos. Nahrungsaufnahme nicht spontan, läßt sich mit dem Löffel füttern.

23. 2. Beginn der Schmierkur.

27. 2. Liegt meist in starrer Haltung mit starrem Gesichtsausdruck im Bett, er solle degradiert werden, habe gesehen, wie jemand mit seinem Mantel durchs Zimmer ging. Schon 5 Tage Arrest bekommen, weil er nicht nach Afrika gehen wollte. Berichtet von Erlebnissen während und nach der Militärzeit in monotoner Weise, fast ohne abzusetzen. Negiert das Hören von Stimmen. Wolle nicht Herr angeredet werden.

Die Kleinheits- und Angstvorstellungen werden nicht spontan geäußert, durch Fragen ergibt sich, daß sie zwar noch bestehen, jedoch wird Pat. nicht mehr – wie anfangs - von ihnen beherrscht. Allgemeine Affektlosigkeit. Seine Frau sei noch hier (vom gestrigen Besuche), habe sie sprechen hören.

4. 3. Ilört die Stimme seiner Frau im Nebenzimmer, sage immer „mein Mann, mein Mann“. Habe Frau beschimpft.

(Wie ist es mit den Gedanken?) „Verstehe alles, aber ich kann nichi gleich antworten.“ Wenn ich mich aufrichte, stirbt mein Genick ab.“ Kann die Geburtstage seiner Verwandten nicht angeben. (Fühlen Sie sich krank?) „Ich kaufe mir immer Weißbrot, und nun hat der Bäcker, wo ich es sonst hole, nichts mehr.“

Gesichtsausdruck starr, affektlos.
6. 3. Neo-Salvarsaninj. 0,3 intravenös.

11. 3. Örtlich nicht genau orientiert, zeitlich ebenfalls, über politische Ereignisse ausreichend.

Erklären von Bildern: Es wird oft gar kein Zusammenhang angegeben, beginnt oft mit Nebensächlichkeiten. Einzelnes wird verkannt.

Bei der Intelligenzprüfung seinem Bildungsgrade nach genügende Antworten, ab und zu Fehlantworten. Merkfähigkeit gut, nach 3 Min., nach 5 Min. vergessen. Keine artikulatorische Sprachstörung beim Nachsprechen.

14. 3. 0,45 Neo-Salvarsan intravenös.

17. 3. Lebhaft, folgt mit den Augen den Vorgängen der Umgebung, sagt spontan „Guten Morgen“. Gibt auf Befragen nach den zu Anfang geäußerten Wahnideen an, daß der Urin noch immer etwas rieche, auch der Kot rieche stark, dies erklärt er damit, daß er obstipiert sei. Ob die anderen Pat. sich vor dem Geruch des Urins ekelten, wisse er nicht, eine Reihe von Kranken ließen den Urin ins Bett, das könnten sie aber auch vorher schon getan haben. Degradiert worden sei er, weil er unrechtmäßig befördert worden sei; ganz unverständliche Angaben darüber, sagt schließlich, er wisse es

22. 3. Drängt heraus, ist freier. Zeigt im Besuch der Frau Interesse, möchte arbeiten, macht sich Sorge um die Zukunft, besonders da Frau gravide ist. Keine Wahnideen gegenüber der Frau.

8. 4. (Weshalb hier?) „Kopfschmerzen, war nervös. Ich war kurz von Gedanken.“ Fühle sich seit 14 Tagen gesund. Hat volle Erinnerung für früher geäußerte Beziehungsideen, Halluzinationen, volle Krankheitseinsicht dafür. Das seien Einbildungen gewesen, alles dummes Zeug. Bei der Intelligenzprüfung werden die meisten Fragen richtig beantwortet, bei negativen Resultaten entschuldigt er sich damit, daß er nur zur Dorfschule gegangen sei, oft wegen der Arbeit gar nicht in die Schule gekommen sei. Noch etwas gedrücktes Wesen. Sprache leise, halb flüsternd. Gesichtsausdruck der Affektlage entsprechend, nicht sehr lebhaft.


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Ich werde einige Hauptzüge der Fälle zusammenstellen.

Fall 16. 38jähr. Mann, Lues vor etwa 15-16 Jahren.' Dauer 4 Jahre. Schlaffes depressives Bild. Exitus.

Fall 17. 29jähr. Mann. Zeit der Infektion unbekannt. Dauer 642 Jahre. Folgende Phasen: depressiv-manisch -- Anfall mit nachfolgender Paraphasie

Remission linksseitige Lähmung ängstlich deprimiert Siechtum Tod.

Fall 18. 53jähr. Mann. Zeit der Infektion etwas vor 25 bis 30 Jahren. 3 recht typische melancholische Schübe, der letzte durch einen deliranten Verwirrtheitszustand kompliziert. Dauer 372, Jahre. Ausgang unbekannt.

Fall 19. 30jähr. Arbeiter. Lues vor 10 Jahren. Erregte manische Phase gehemmte Phase gemischt mit katatonen Zügen erregte Phase. Dauer 372-4 Jahre. Ausgang noch unbekannt, aber aller Wahrscheinlichkeit nach Demenz und Tod.

Fall 20. 25jähr. Mann. Lues vor 4 Jahren. 3 sehr typische gehemmte, echt depressive Phasen, von denen die dritte in ein deutlich paralyseähnliches Siechtum iiberging. Dauer 41/2 Jahre. Pat. vorläufig körperlich noch rüstig.

Fall 21. 35jähr. Mann. Zeit der Infektion unbekannt. Folgende Phasen: manisch -- erregt - Remission

Erregungszustand Remission, ausgesprochen katatones Bild deutliche Paralyse. Dauer 5 Jahre. Pat. lebt noch.

Fall 22. 37jähr. Mann. Lues vor 3 Jahren. Ausgesprochen katatones Bild Remission wieder anstaltsbedürftig. Weitere Nachrichten konnten nicht herbeigeschafft werden. Fall 23. 40jähr. Frau.

40jähr. Frau. Lues vor 22 Jahren. Manische Phase 4jährige Remission kataton stuporöse Phase depressive Phase Demenz. Tod. Dauer 6 Jahre.

Der Ausgang der Krankheit ist in 3 Fällen Siechtum und Tod, in weiteren drei Fällen hat sich nach 31/2- bis 5jährigem Verlauf eine Demenz, die klinisch wie eine Paralyse aussieht, entwickelt, und in zwei Fällen ist der Ausgang vorläufig unbekannt.

Die Dauer der Erkrankung ist sodann höchst auffallend. Sie beläuft sich nämlich mindestens auf 312 Jahre (nur in einem Falle fehlen nähere Angaben) und schwankt in den tödlich verlaufenden Fällen zwischen 4 und 612 Jahren.

Mit diesen Notizen vor den Augen wird man zwar einwenden können, daß der Dauer der Krankheit keine allzu große Rolle beizumessen ist. Und man wird vielleicht weiter sagen, daß die Fälle eigentlich nichts anderes lehren, als daß man in einigen Kliniken mit der Diagnose der progressiven Paralyse etwas zurückhaltend ist.


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ABHANDLUNGEN AUS DER NEUROLOGIE, PSYCHIATRIE, PSYCHOLOGIE UND IHREN

GRENZGEBIETEN BEIHEFTE ZUR MONATSSCHRIFT FOR PSYCHIATRIE UND NEUROLOGIE

HERAUSGEGEBEN VON K. BONHOEFFER

Aus der Klinik für psychische und nervöse Krankheiten zu Gießen (Direktor: Geheimrat Prof. Dr. R. Sommer) und aus der psy- chiatrischen und Nervenklinik der Universität Frankfurt a. M.

(Direktor: Professor Dr. K Kleist)

Druck von Ernst K10ppel, Quedlinburg.

Dem Andenken meines Vaters! Inhaltsverzeichnis

Einleitung Die rein kardiogenen psychischen Störungen Die kardiogenen Psychosen bei Arteriosklerose . Die kardiogenen psychischen Störungen bei weiteren Komplikationen Der Verlauf und die Gestaltung der Psychosen beim Auftreten von Herz-

störungen Ergebnis und Ausblick Literatur

Die Art des Gegenstandes ließ im Beginn der Arbeit die Besorgnis aufkommen, ob wohl genug Material zur Verfügung stehen würde. Die verständnisvolle Teilnahme meines Chefs, Herrn Geheimrats Sommer, machte auch alte Jahrgänge zugänglich, und die liebenswürdige Bereitwilligkeit meines früheren Chefs, Herrn Prof. Kleist, überließ auch Frankfurter Fälle zur Bearbeitung. Ihnen beiden, meinen hochverehrten Lehrern, bin ich dafür, wie für so vieles andere, zu tiefem Dank verpflichtet. Es besteht die Hoffnung, daß dadurch die Darstellung an Abgerundetheit und Vollständigkeit einiges gewonnen hat, wenn auch so manche Lücke noch schmerzlich empfunden wird.


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vereinheitlichende Wirkung im Sinne der Prädilektionstypen feststeht, im Körper selbst und zwar in bestimmten Einrichtungen desselben zu suchen sind. Dieser Gedanke führt immer wieder von neuem dazu, gerade den Psychosen im Gefolge von Erkrankungen innerer Organe besondere Aufmerksamkeit zu widmen, sei es, daß wir auf diesem Wege wirklich dem Wesen der ätiologischen resp. pathogenetischen Zwischenglieder näher zu kommen hoffen, sei es, daß es uns durch sorgfältige Untersuchung und Auswertung der Symptomatik gelingt, bestimmte Einzelzüge mit der Affektion gewisser innerer Organe in Beziehung zu setzen.

In letzterer Hinsicht haben seit jeher als besonders bezeichnend gegolten die Erkrankungen des Herzens. Man geht wohl nicht fehl, wenn man diese Ansicht vor allem auf die Gleichstellung zurückführt, die der Sprachgebrauch zwischen Herz und Gemüt herstellt. Aber nicht nur solche allgemeine, sozusagen populäre Beweggründe liegen vor, sondern auch spezielle medizinische Erfahrungen; wir finden z. B. bei den sthenokardischen Anfällen der Coronarsklerose häufig die sogenannte Präkordialangst. Wir weisen auch darauf hin, daß de Monchy in 53,3 Proz. seiner Fälle von Arteriosclerosis cerebri mit Angst Herzabweichungen vorfand, was nach ihm auf einen Zusammenhang beider Erscheinungen hinweist.

Nun sind ja diese Erwägungen keineswegs neu; besonders hat Stransky diese Zusammenhänge besprochen. Er hat angenommen, daß bei manchen Herzkranken mit paroxysmalen Angstanfällen ein abnormer Reizzustand der sensiblen Herznerven sich entwickele, der bei dem Vorhandensein eines disponierten Gehirns zur illusionären Verarbeitung dieser Sensationen und damit zur Entwicklung einer Angstpsychose führen könne. Wir werden weiter unten des näheren auf diese Ansicht eingehen. Vorläufig genügt es, durch die angeführten Gesichtspunkte und Fragestellungen die Besonderheit angedeutet zu haben, die dem Problem der Psychosen bei Herzkrankheiten im Rahmen der übrigen exogenen Psychosen zukommt.

Wir geben vielmehr zunächst einen Überblick über die Ergebnisse, die bis jetzt auf diesem Gebiet vorliegen. Wir gehen dabei, um die ältere Literatur zu überschlagen, von der Arbeit J. Fischers aus'). Dieser findet einen direkten Zusammenhang in den Fällen, bei denen infolge gestörter Zirkulation die Funktion des Gehirns beeinträchtigt ist, während er dort nur einen indirek

') Anmerkung: Kurz sei, um von der Betrachtungsweise der älteren Autoren ein Bild zu geben, auf die Darstellung Witkowskys hingewiesen, der das Wesentliche und Gemeinsame in den Psychosen bei Herzerkrankungen in einer motorischen Unruhe mit triebartigen, zuweilen gewalttätigen Äußerungen erblickt.


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Schließlich werden wir noch unsere Aufmerksamkeit richten auf den Verlauf anderer Psychosen beim Bestehen von Herzfehlern, insbesondere wenn dieselben zur Dekompensation führen. Hierbei soll besonders die Bedeutung einer pathoplastischen Wirksamkeit untersucht werden; wiewohl dieser Gesichtspunkt natürlich auch in den vorhergehenden Kapiteln nicht unberücksichtigt bleiben darf. Des weiteren wird hier Gelegenheit sein, den Einfluß bestimmter Konstitutionsanomalien auf die pathogenetische Wirksamkeit kardiogener Noxen sozusagen im Experiment zu studieren. Auch gewisse allgemeinere, theoretisch wichtige Schlußfolgerungen hoffen wir aus diesen Beobachtungen ableiten zu dürfen.

So der Plan unserer Arbeit. Dadurch wird es deutlich werden, wo wesentlich das kardiale Moment entscheidend wirkt, sei es pathogenetisch im Sinne einer besonders gearteten Noxe, sei es pathoplastisch im Sinne der Beeinflussung und Färbung der anderweit verursachten pathopsychischen Situation. Andererseits ergeben sich Gesichtspunkte für das Konstitutionsproblem. Wir erinnern hier nochmals an Kleists Aufstellung der symptomatisch-labilen Konstitution. Ferner sind zu beachten die dahin gehenden Forschungen der biologischen Richtung, wie sie H. Fischer vertritt, der die innersekretorischen Korrelationsanomalien in ihrer Bedeutung für die körperlichen Grundlagen des Seelenlebens untersucht hat. Schließlich sind die Vorstellungen heranzuziehen, die E. Kretschmer in seinem bekannten Buch über Körperbau und Charakter entwickelt hat. Vom klinisch-analytischen Standpunkt aus liegen weiterhin bereits wichtige Arbeiten auf diesem Gebiet vor. Sowohl de Monchys oben erwähnte Monographie über die Arteriosklerose des Gehirns als auch Seelerts Arbeit über die Verbindung endogener und exogener Faktoren im Symptomenbild und in der Pathogenese von Psychosen und J. Pernets Untersuchungen über die Bedeutung der Vorgeschichte für die Gestaltung der progressiven Paralyse haben wertvolles Material in dieser Richtung beigebracht, das freilich noch einer Messung und Sichtung harrt an den Ergebnissen der Konstitutionsforschung, die auf anderen Wegen gewonnen worden sind.

Diese Umschreibung unseres Arbeitsplanes und unserer Ziele diene als Rechtfertigung, daß einem so kleinen Abschnitt, wie ihn die Psychosen bei Herzkrankheit darstellen, eine so relativ umfängliche Studie gewidmet wird, nachdem bereits so vielfache und wertvolle Arbeiten darüber vorliegen. Je weiter der Wissenskreis wird, um so vielfältiger werden die Beziehungen eines ihm entstammenden Sonderproblems. Um diese in ihrer Gesamtheit darzustellen, muß die Knappheit des früheren Rahmens überschritten werden. Sie würde heute Magerkeit bedeuten. Die Vereinfachung der Betrachtungsweise muß dort aufgegeben werden, wo die Erfahrung uns verwickeltere Verhältnisse in der Wirklichkeit kennen lehrt. Wir wollen nicht künstlich scheinen, wo die Natur einfach zu uns spricht. Aber es liegt im Wesen jeder biologischen Forschung, daß ihre Gegenstände nicht so einfach sind, wie man wohl manchmal wünschen möchte, und die Psychiatrie ist und bleibt nun einmal ein Teilgebiet biologischnaturwissenschaftlicher Forschung, so wenig die Vertiefung seelenkundlicher Beobachtung in ihrem Wert verkannt werden soll. So muß man sich also entschließen, den Tatsachen und der Erfahrung folgend, auch dort, wo es notwendig ist, Verwickeltheit statt Einfachheit darzustellen, und den Versuch wagen, Verkettungen und Verzahnungen durchsichtig zu machen, Wechselwirkungen und Bezie. hungen klar zu legen und mit Offenheit die Punkte aufzuzeigen, an denen wir nicht weiter kommen.


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sich. Abends ausgesprochenes Beschäftigungsdelir. Pat. läuft umher, trifft allerlei Anordnungen, glaubt in seinem Hause zu sein.

1. 6. Heute etwas freier, gibt Auskunft. Ist örtlich und zeitlich desorientiert. Fühlt sich krank, will zur Kur, will den Fahrplan haben. Beim Besuch der Frau, die er sofort erkennt, starke ängstliche Erregung. Glaubt, die Franzosen kämen, um ihn zu erschießen. Jammert stereotyp, rauft sich das Haar, drängt aus dem Bett.

3. 6. Im allgemeinen besteht die ängstliche Verwirrtheit fort; tagsüber ist Pat. ruhiger, abends erregter. Geht fortwährend aus dem Bett, starrt öfter nach einer Richtung. Spricht unverständliche Worte vor sich hin.

5. 6. Bewußtsein klar, zeitlich und örtlich orientiert. Unterhält sich ruhig mit seiner zu Besuch weilenden Frau. Schläft gut, wünscht in ein Einzelzimmer verlegt zu werden. Puls noch unregelmäßig, Herzdämpfung hat sich bedeutend verkleinert, Spitzenstoß weniger hebend im 6. J.-C.-R. Urinmenge vermehrt.

Noch zyanotisches Aussehen. Linke Pupille weiter als rechte. Lichtreaktion +. Konvergenzreaktion beiderseits vorhanden, etwas träge. Patellarsehnenreflexe nicht auszulösen, ebenso Achillessehnenreflexe und Bauchdeckenreflexe.

8. 6. Pat. ist meist besonnen. Stimmung mürrisch, unzufrieden, Pat. nörgelt viel. Hat allerhand Wünsche, gibt an, weder Stimmen noch Gestalten wahrzunehmen. Dann wieder spricht er mit angstvoller Miene und in abgerissenen Sätzen von den Franzosen, die unter seinem Bett steckten und ihn erschieben wollten.

10. 6. Pat. ist zuweilen noch ängstlich: die Franzosen verfolgen ihn, die Kugeln sausen um seinen Kopf. Bisweilen recht ruhig und besonnen, unterhält sich frei und ungezwungen, will bald wieder zur Kur nach Bad Nauheim gehen.

13. 6. Pat. verhält sich meist ruhig. Die Helle des Bewußtseins schwankt wiederholt im Laufe weniger Stunden. Im allgemeinen ist die Stimmung ablehnend, mürrisch und gereizt. Auf seine Verfolgungsideen geht Pat. nicht mehr ein, davon wisse er nichts mehr. Pat. wird von seiner Frau abgeholt.

24. 7. Pat. wird in Bad Nauheim allein umherspazierend angetroffen, grüßt höflich, teilt mit, daß er einen Rückfall „mit dem Wasser“ gehabt habe. Im Wesen sehr zurückhaltend.

Die Abhängigkeit der geschilderten Psychose von der Herzerkrankung steht fest; sie setzt ein nach oder bei der Resorption der Ödeme, jedenfalls in einem Zeitpunkt, in dem diese schon äußerlich geschwunden sind. Eichhorsts Beobachtung des Einsetzens psychischer Störungen gerade bei der Resorption von Ödemen unter Digitaliswirkung wurde bereits oben erwähnt (S. 10). Fügt sich nun unser Fall symptomatologisch in das Bild, das Eichhorst entwirft, erst Apathie, dann Hyperkinese und traumhafte Verwirrtheit? Diese Frage ist zu verneinen. Im Beginn steht vielmehr eine deutliche manische Verstimmung des Pat.; dahin weisen seine Vielschreiberei, seine Redelust, seine Ungeniertheit, die vielen Wünsche, die zeitweise gehobene und vergnügte Stimmung. Freilich finden sich bereits eine gewisse mißtrauische Gereiztheit und bisweilen auftretende Verfolgungsideen. Aber rasch ändert sich das Bild. Mürrisch-gereizt geht der Pat. umher und halluziniert anscheinend. Nach einer Embolie gerät Pat. bald in einen tiefen Stupor mit Nahrungs- und Antwortverweigerung, mit negativistischen Muskelspannungen und mit Unreinheit. Aber auch dieser Zustand hat keinen Bestand; es folgt ein delirantes Stadium mit Verkennung der Umgebung, Beschäftigungsdrang und Sinnestäuschungen. Dieses schlägt in eine schwere ängstliche Erregung um. Von da geht es unter Schwankungen zur Genesung. Stundenweise, namentlich morgens, ist der Pat. freier, ruhiger und besonnener; gegen Abend wird er verwirrt, ängstlich, erregt. In diesem Zustand wurde er entlassen. Einen Monat später finden wir ihn genesen, höflich und etwas zugeknöpft.


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(Haben Sie Kinder?) „Nein, ich will doch, nein, Sie wollen, was wollen Sie, wüßte nicht, wer's war. Die Nachbarschaft (plötzlich erregt) he, wer ist denn da? Da wollen wir mal so sprechen, das hat doch keinen Zweck. Das dreht sich ja heute, bleib' drüben, drüben mehr. Wer, weiß ich nicht. Laßt mir meine Ruh".

(Welches Jahr?) Wer kann das wissen, das ist doch ganz egal.“ Nestelt an den Hemdenknöpfen, dreht sich im Bett.

(Haben Sie Schmerzen?) Sieht ratlos um sich: „Ja, ja, ja.“

(Wo haben Sie Schmerzen?) „Ja, ja, das ist doch alles egal.“ (Freundlich lächelnd): „Alles egal, ich will schlafen."

Pat. ist nicht zu fixieren, faßt die Fragen anscheinend nicht auf, greift nach den glänzenden Knöpfen an den Mänteln der Ärzte. Vorgehaltene Gegenstände erkennt sie nicht. Uhr: „Das ist Ihre Mutter." Notizbuch: „Ja, ja, das ist sie, die Mutter.“ Worte nachsprechen: Heute +. Haus +. Haustür t. Garten to Selterswasserflasche „Seltersflasche“. Dampfschifffahrtsgesellschaft – ,,Dampfschiffahrt". Artilleriebrigade – ,,Allerie".

26. 7. Pat. war die ganze Nacht schlaflos, saß meist aufrecht, sprach unzusammenhängend vor sich hin. Wa.-Re. im Blut und im Liquor negativ, Zellzahl im Liquor 13/3. Keine Eiweißvermehrung.

27. 7. Zeitlich und örtlich desorientiert. Spricht dauernd zusammenhanglos vor sich hin, macht Handbewegungen in der Luft, bezeichnet heute vorgehaltene Gegenstände meist richtig.

Während der nächsten beiden Tage blieb der Zustand unverändert, schläft wenig, spricht inkohärent vor sich hin.

30. 7. Heute vollkommen klar, zeitlich und örtlich genau orientiert. Erzählt dem Arzte lächelnd, daß sie ihn für einen evangelischen Pfarrer gehalten habe. „Ich war ja ganz verwirrt, wußte gar nicht mehr, wo ich war. Das kommt alles von dem kranken Herzen.“ Puls jetzt regelmäßig, kräftig. Herzbefund unverändert. Pupillen reagieren prompt auf Li. und Co. Nahrungsaufnahme gut. Schläft die ganze Nacht ruhig.

2. 8. Nett, freundlich, ruhig, wird nach Hause entlassen.

Es handelt sich hier um ein akut einsetzendes Bild von Verwirrtheit, indem zuerst der halluzinatorische, später der inkohärente Charakter überwog, auftretend bei einer seit langer Zeit an einem schweren Herzfehler Leidenden, ohne daß Ödeme bestanden. Der Zustand dauerte in fast unveränderter Ausprägung 7 Tage lang und schlug nach Besserung der Herztätigkeit plötzlich in Beruhigung mit Krankheitseinsicht und relativ guter Erinnerung um. Eine ängstliche Färbung trat nicht besonders hervor.

Anders verhielt es sich damit in einem Falle Bonhöffers, bei dem sich die psychotischen Erscheinungen gleichfalls vor der Bildung von Ödemen entwickelten. Eine 35jährige Herzleidende suchte wegen zunehmender Herzbeschwerden und Angst das Krankenhaus auf. Als körperlicher Befund ließen sich eine schwere Vitium cordis, unregelmäßige Herztätigkeit und Zyanose erheben, dagegen bestanden keine Ödeme. Die Kranke war ängstlich und hatte Gehörshalluzinationen.


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28. 11. Am Tag über alles orientiert, er habe schlecht geschlafen und geträumt. Was, weiß er nicht genau.

Fühlt sich trotz der Atemnot relativ wohl.

Schläft die Nacht über auf Schlafmittel gut.

29. 11. Körperlich: stark abgemagerter, großer, hagerer Mann. Herz: Spitzenstoß außerhalb der Mammillarlinie im 5. S.-C.-R.; Herzgrenzen nach links erweitert. Töne rein. Zeitweise typische Extrasystolen. Thorax starr. Altersemphysem der Lungen. Leberrand derb, palpabel, beginnende Stauungsleber. Keine Odeme. Sämtliche Reflexe nur sehr schwach auslösbar. Keine pathologischen Reflexe.

Wird mit Digipurat und Papaverin hydrochlor. behandelt.

Pat. ist tagsüber klar, leidet sehr an Lufthunger. Gegen Abend sthenokardischer Anfall, gerät in einen förmlichen Angstparoxysmus, glaubt, sofort sterben zu müssen, in den nächsten Stunden trete der Tod ein, seine Kinder kämen nicht zu ihm, bestreitet, diese heute gesehen zu haben, obwohl sie ihn am Vormittag besucht haben, bittet um Erlösung, will Gift, ruft laut um Hilfe, spricht den Pfleger mit falschem Namen an, korrigiert sich aber sofort, als der Anfall unter Papaverin vorübergeht.

Nachts schläft Pat. auf Schlafmittel gut.

1. 12. Verschlechterung im körperlichen Befinden. Häufige Extrasystolen. Große Atemnot, Pat. läßt Urin unter sich gehen, ist aber vollkommen klar, erkennt die Umgebung, ist zeitlich und örtlich orientiert. Sehr schlechte Nachtruhe, liegt meist wach, ringt nach Luft. Zuweilen dabei ängstlich erregt, ruft nach seinen Kindern und Hausgenossen.

3. 12. Weitere Verschlechterung auf körperlichem Gebiet, schlechte Herztätigkeit, schwacher, kaum fühlbarer, unregelmäßiger Puls. Pat. ist sehr matt, kann kaum sprechen und auswerfen, läßt Urin unter sich, ist aber besonnen und klar. Nachts schläft Pat. auf Schlafmittel gut.

4. 12. Pat. fühlt sich kräftiger. Puls bessert sich, Völlig orientiert; schläft nachts gut.

5. 12. Pat. ißt mit gutem Appetit, unterhält sich, fühlt sich besser. In der Nacht im Anschluß an sthenokardische Anfälle ängstlich erregt, schläft gegen Morgen ein.

8. 12. Pat, macht weitere Fortschritte. Appetit und Schlaf gut. Herztätigkeit regelmäßiger. Steht einige Stunden am Tage auf.

11. 12. Gutes Allgemeinbefinden. Wesentliche Besserung des Pulses. Kaum noch Extrasystolen. Dyspnoe fast geschwunden. Immer wohl orien

Keine Herabsetzung der Merkfähigkeit. Liest und unterhält sich mit frischem Interesse. Ist zuversichtlicher und guter Stimmung.

12. 12. Weiter Wohlbefinden. Schläft ohne Schlafmittel gut. Psychisch völlig frei. Wird nach Hause entlassen.

In diesem Falle sehen wir direkt aus der die sthenokardischen Anfälle begleitenden Herzangst und aus den dem Lufthunger entstammenden Gefühlen der Beklemmung Erregungszustände herauswachsen, in denen Todesahnungen, Erinnerungstäuschungen, leichte Bewußtseinstrübung und starke Selbstmordneigung auftreten. Die Abhängigkeit dieser Erregungen von den genannten Sensationen wird besonders dadurch klar, daß es bei der Verschlechterung des Allgemeinbefindens trotz hochgradiger Hinfälligkeit und Schwäche wegen des Fehlens sthenokardischer Anfälle nicht nur zu keiner Verstärkung des psychotischen Bildes kommt, sondern im Gegenteil der Pat. klar, besonnen und ruhig ist. Es wäre darum falsch, hier Zirkulationsstörungen anzuschuldigen als Ursache der Erregungszustände. Vielmehr wird die Entstehung dieser Zustände aus den die körperliche Erkrankung begleitenden Sensationen psychisch vermittelt. Das Primäre stellt hier die Angstempfindung dar, das atembeklemmende Gefühl der Bedrohung. Aus ihr entwickelt sich dann die ängstliche Gemütsbewegung, der Angstaffekt, der seinerseits die Todesgedanken und die Selbstmordneigung hervorruft'). Ferner verursacht er auf seiner Höhe wie jede andere starke Affekt leichte Bewußtseinstrübung und Erinnerungstäuschung. Mit dem Zurücktreten des Affektes flaut auch die Erregung ab. Der Typus psychopathologischen Geschehens, der hier vorliegt, ist allerdings ein grundsätzlich anderer als der bei der Kompensationsstörung vorwaltende. Die pathogenetische Noxe stellt die abnorme Empfindungsqualität dar, die direkt psychisch einwirkt.


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5. Fall. Konrad H., 62 Jahre alt, in Behandlung der Frankfurter Klinik vom 13. 5. bis 31. 5. 1922.

Wird aus dem Siechenhaus eingeliefert, weil er nachts im Garten umhergeirrt ist; atmet beschleunigt und mühsam. Er sei oft zu aufgeregt, das komme aus dem Magen, der verdaue nicht. Er habe saures Aufstoßen, er leide an Asthma, auch die Blase sei nicht in der Reihe, er müsse alle Viertelstunden pissen. Am Tage sei es nicht so schlimm. Es sei alles kaputt.

Zur Vorgeschichte gibt er an: Sein Vater sei mit 40 Jahren an unbekannter Ursache gestorben, Mutter mit 38 Jahren an Schlaganfall gest., eine Schwester früh gest. Pat. selbst normale Entwicklung, mit 14 Jahren Ruhr, war Bierbrauer. Aktiv gedient, einmal Tripper, keine Lues. Hat dann über 20 Jahre in Hamburg am Hafen gearbeitet. Ließ sich öfter wegen Bronchialkatarrh behandeln. Nicht viel getrunken, kein Schnaps. Viel geraucht, immer vergnügt gewesen. Sein Leiden habe 1916 mit Herzbeschwerden und Aufgeregtheit begonnen, später hätten sich Kurzatmigkeit und Blasenbeschwerden eingestellt. Nie Rheumatismus. Seit 2 Jahren auch Magenbeschwerden, an Stärke allmählich zunehmend. Dumpfes Gefühl in der Magengegend, saures Aufstoßen, zuweilen Erbrechen. Nachts Heißhunger. Deswegen voriges Jahr in Krankenhausbehandlung. Rasche Besserung, doch jetzt wieder wie vorher.

Hat sich nach Aufzehrung seiner Ersparnisse vom Bettel ernährt. Vor 3 Wochen wegen Kurzatmigkeit in das Siechenhaus gekommen. Habe letzte Nacht nicht schlafen können, habe sich leise angezogen und sei im Garten spazieren gegangen. Das wisse er ganz genau. Deswegen sei er dann hierher gebracht worden.

Körperlich: Großer Mann in mittlerem Ernährungszustand; eingefallene Wangen. Sitzt keuchend im Bett, kann sich nicht richtig hinlegen. Neurologisch o. B. Faßförmiger Thorax. Emphysem der Lungen. Atemgeräusch hinten unter den Schulterblättern, bronchial mit lautem Expirium. Schleimigeitriger Auswurf. Herz nach links verbreitert. 1. Spitzenton paukend. 2. Aortenton verstärkt. Blutdruck 145 mm Hg. Leib weich, schlaff. Leber vergrößert, druckschmerzhaft, ferner Druckempfindlichkeit unter dem Schwertfortsatz. Kein Tumor. Keine Anzeichen von Magengeschwür. Urin 0. B. Keine Ödeme.

Psychisch: Örtlich und zeitlich wohl orientiert. Leichte Herabsetzung der Merkfähigkeit. Keine Störung beim Bildererklären und Sprichwörterdeuten. Keine Halluzinationen, keine Wahnideen. Ist im Wesen sehr erreg. lich, grob und unverträglich, hat allerhand Wünsche, will sofort wieder entlassen werden, der Kopf sei Gott sei Dank klar; erzählt trotz der Dyspnoe frisch und lebhaft. Klagt über Angstgefühle am Herzen, das würge ihm seinen Hals zu.

Der Patient erholte sich rasch, war immer sehr gesprächig, erzählte von allem möglichen, was er noch vorhabe, will da- und dorthin reisen.

In diesem Falle ist eine Einwirkung der Arteriosklerose auf die Gestaltung des psychischen Bildes nicht zu erkennen. An eine triebartige Erregung, die in einer Nacht abklingt, schließt sich ein Zustand gereizter Stimmung mit leicht manischer Färbung, mit Rededrang, gehobenem Selbstbewußtsein und gesteigerten Ansprüchen an. Die psychische Alteration setzt ein vor der Bildung von Ödemen bei leichter Stauung der inneren Organe und bei starker Atemnot mit Herzangst. Sie restituiert sich wieder zu einem Habitualzustand, der auch nicht als arteriosklerotische Demenz bezeichnet werden kann.


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(Seit wann krank?) „Im Sommer krank geworden“. (Was?) „Etwas am Magen, das muß geschnitten werden; der Pfarrer, der hat uns die Augen verdorben die Frau dahinten muß den Kindern etwas eingestreut haben in die Pupillen.“

(7X9?) „,49“. Spricht 6 Zahlen nach, weiß danach die Aufgabe nicht mehr, gibt selbst an, das Gedächtnis habe sehr nachgelassen.

Erklärt Sprichwörter ganz gut, Unterschiedsfragen leidlich. (Wann war der Krieg?) „,1900 nein 19..., da war ich ja selber drin, da hab' ich ja mitgeholfen“. (Mit wem?) „Mit wem denn jetzt?" (Führer?) „Nun etwa Hindenburg, und wie heißen sie doch alle“. (Krieg zu Ende?) ,,Ja, schon im September, jetzt im September“. Alle Bewegungen, wie Kußhand, wischen, klopfen, nähen, drohen, Kaffeemühle usw., werden richtig ausgeführt.

Sehr euphorisch, fühlt sich nicht krank. Konfabuliert viel, z. B. gestern habe sie ihre Schwester besucht usw.

Abends wird Pat. unruhig, ruft dauernd, unterhält sich mit ihren Kin. dern, die sie anscheinend hört.

In den nächsten Tagen unter Digitalisbehandlung wenig verändert, tags. über ruhig, nachts laut und erregt.

29. 5. Herzschwäche, sehr starke Ödeme, vollkommene Areflexie. Keine Druckempfindlichkeit der Nervenstämme.

Stimmung ganz heiter, Pat. ist völlig desorientiert, verkennt die Umgebung, glaubt Bekannte vor sich zu haben, konfabuliert sehr viel von Besuch, Tätigkeit, verflossenen Ereignissen usw. Dabei sind auch Anzeichen von Wortfindungsstörung und Perseveration zu bemerken.

Nachts stöhnt und jammert Pat. laut.

30. 5. Trotz Digitalis und Coffein noch keine Steigerung der Diurese. Psychisch unverändert.

1. 6. Glaubt in Rostock zu sein, weiß aber, daß sie in einer Klinik ist, erkennt den Arzt. Perseveriert sehr stark bei Fragen nach Zeitangaben. Namen gibt sie richtig an, Alter mit 50 Jahren. Dann entspinnt sich folgende Unterhaltung: (Geboren?) „23... na, wie denn: August 52“. (Falsch.) (Wie alt?) „52 Jahre“. (Wohnung?) ,,Ich hab' gewohnt... bis jetzt in Frankfurt a. M., ich will in Schwerin wohnen mit meiner Familie“. (Wie lange hier?) „Vielleicht 3 Jahre ... doch“. (Krank?) „Ich bin verrückt gewesen hier“. (Körperlich?) „Ganz gesund, nur mit dem Herzen ist da was. Das hat mein Onkel verschuldet, der hat erst das größte Herz genommen, dann das schlechte Herz. Der hat 3 Herzen gehabt, 2 oder 3. Die hat er nach Marienburg gebracht. Mir zugunsten hat er das beste genommen. Da hat er mir das Herz gegeben für mein Herz. Das war ein Doppelherz“. (Vorhalt.) „Er hat es aber doch gehabt“. Verworrene Wahnbildung.

Merkfähigkeit herabgesetzt. Erzählt, heute nacht sei jemand dagewesen, so Menschenfresser oder so

Das war wie ein Hexensabbath die Nacht. Mindestens 5-6 Personen seien in ihrem Einzelzimmer gewesen, 2 oder 3 kleine Hunde hätten sie gehabt. Einen furchtbaren Krach hätten die gemacht.

Schreit plötzlich jammernd auf, ruft nach ihren Kindern: „Wo seid ihr denn? Kommt doch rein!“

Puls etwas regelmäßiger, 4x17 i. d. Min., klein, weich. Leberschwellung und Aszites haben zugenommen.


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que j'expliquerai après; je demands protection gouvernement b. et allemand. de M.“ Bietet als Entgelt dafür seine Uhr an. Läßt den Arzt fünfmal hintereinander rufen, will stets von neuem das Telegramm vorgelesen haben.

Gibt an, doppelter Dr. zu sein, schreibt seinen Namen und den des Dr. M. ohne Brille, schreibt einzelne Buchstaben doppelt.

Gegen abend ganz unvermittelt einsetzende starke Erregung von kurzer Dauer. Springt plötzlich aus dem Bett, läuft durch den Saal auf den Korridor, sucht ein Fenster einzuschlagen, schimpft und schreit, stößt den nacheilenden Pfleger zur Seite, stampft mit den Füßen auf, sagt, man hintergehe ihn, weil er auf die von ihm abgesandten Depeschen noch keine Antwort habe. Meint, sein Zutrauen zu den Gießener Ärzten sei nun auch untergraben. Auch hier sei er von Mördern umgeben, droht dem Arzt, daß seine Regierung sich eine solche Behandlung ihres Gesandten nie gefallen ließe, schwört in pathetischer Weise, daß der Arzt, seine Familie, das ganze Deutsche Reich dem Untergang geweiht seien. Läßt sich durch Zureden relativ rasch beruhigen.

Verlangt ein Beefsteak, Kakao und heiße Milch, ißt das Fleisch zur Hälfte, läßt sich den Kakao und die Milch vom Pfleger vortrinken. Erhält Digitalis und Diuretin.

Gegen 10 Uhr abends heftige Erregungsszene gelegentlich einer Morphininjektion. Sehr rasche Beruhigung; günstige Wirkung.

17. 7. Nachts nur wenige Stunden Schlaf. Gegen 4 Uhr morgens Kollaps. Starker Schweißausbruch. Puls flatternd, kaum fühlen. Temperatur 39° C. Auf Fragen gibt Pat. leidlich korrekte Antworten.

Erkundigt sich morgens, ob er schon gestorben sei. Als ihm widersprochen wird: „Das glaube ich doch nicht, ich bin schon gestorben.“ Behauptet stets von neuem, er sei von Mördern umgeben, man wolle ihn töten. Geht zuweilen aus dem Bett und ans Fenster, um auf der Straße die Polizei zu rufen.

Temperatur schwankt zwischen 37,9° und 39° C.

Der Harn enthält hyaline und granulierte Zylinder, viel rote Blutkörperchen und Epithelzellen. Die Ausscheidung ist gering.

18. 7. Schlief nachts sehr wenig, stöhnte fortwährend. Puls 130 bis 140 i. d. Min., zuweilen dikrot. Cheyne-Stokesscher Atemtypus, heftige Schweißausbrüche. Kurzdauernde Kollapszustände, in denen Kampher verabreicht wird. Temperatur zwischen 37,7° und 38,7° C. Urinmenge in 24 Stunden 300 ccm.

Meint, die Luft wäre voll Gift, bittet, man möge sein Trinkglas bedecken. Klagt, er sehe so schlecht, es fliege ihm fortwährend etwas vor den Augen, wie eine flimmernde Bewegung. Verlangt, daß man die Speisen vorkoste.

19. 7. Nachts sehr mangelhafter Schlaf, heftige Schweißausbrüche. Ungemein beschleunigter Puls, 140-160 i. d. Min. Zustand von Somnolenz. Deutlicher Verfall der Kräfte. Klagt selbst über Schwäche, verlangt starken Wein und kräftige Bouillon. Nimmt sehr wenig Nahrung. Temp. zwischen 36,8° und 37,5° C. Fürchtet sich vor jedem Unbekannten. Ofters treten Zuckungen in den unteren und oberen Extremitäten auf.

20. 7. Urin wenig getrübt, enthält 142°/00 Eiweiß. Temp. 36,3° C. Profuser Schweißausbruch. Große Schwäche und Prostration. Beständiges Stohnen. Flatternder Puls.


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Hieraus geht hervor, daß die beiden Typen kardialer Einflußnahme auf die Psyche in ganz verschiedenen Ebenen der Persönlichkeit liegen; der eine Typus, das eigentliche kardiogene Irresein, wirkt durch eine noch unbekannte Noxe vor allem auf den formalen Ablauf des Seelenlebens, erzeugt zumeist exogene Reaktionstypen im Sinne Bonhöffers, der andere Typus beeinflußt das Seelenleben inhaltlich nach der Richtung der Angst, sie stellt eine psychische Determinante im pathogenetischen Geschehen dar. Dieser zweite Typus der von einer Herzerkrankung ausgehenden psychischen Störungsform tritt bei der Arteriosclerosis cerebri klarer hervor, als bei unkomplizierten Fällen; das liegt daran, daß erst bei einer anderweitigen Störung des Seelenlebens die pathologische Wirkungsmöglichkeit eines auch im Normalen vorhandenen psychischen Elements sichtbar wird. Birnbaum würde hier von Pathoplastik sprechen, aber u. E. wird durch eine solche Schematisierung die lebensvolle Klarheit des wirklichen Vorganges eher verdunkelt als beleuchtet; denn pathoplastisch wirken ja auch viele andere Faktoren, die Lebenserfahrung, das Wissen, die Anschauungen des Kranken, die man kaum geneigt sein wird, in eine Reihe mit Empfindungen zu setzen, die durch pathologische Veränderung eines Organs erzeugt werden. Die pathologische Angst des herzkranken Arteriosklerotikers entsteht dadurch, daß die normale Angstempfindung des Herzleidenden auf einen pathologisch veränderten Grundzustand der Seele stößt; die pathologische Angst in der Psychose, wie sie sich sonst häufig findet, kann direkt aus der pathologischen Veränderung der Psyche erwachsen, sei es, daß diese Wahnvorstellungen, sei es, daß sie Sinnestäuschungen hervorbringt.

Die schärfere Formulierung der beiden kardiogenen Erkrankungsformen ergibt sich aus den Beobachtungen an Arteriosklerotikern mit genügender Klarheit. Das Verhältnis dieser beiden zueinander bedarf aber noch einiger erläuternder Worte. Daß ein kardiogenes Irresein ausgeht in eine durch kardiale Mißempfindungen ängstlich gefärbte arteriosklerotische Demenz, dafür stehen uns weder fremde noch eigene Erfahrungen zur Verfügung. Dagegen ist uns ein Beispiel bekannt, das zur Entscheidung der Frage geeignet ist, wie sich durch Herzerkrankung ängstlich gefärbtes Zustandsbild beim Auftreten einer Herzdekompensation verhält.

Da diese Fragestellung zu dem Thema des Verlaufs von Psychosen bei Herzstörungen im engeren Sinne als hierher gehört, soll dieser Fall im Eingang des fünften Kapitels seine Darstellung erfahren. Hier wird nur kurz bemerkt, daß ein Übergang des einen Krankheitstypus in den andern wegen der Verschiedenheit in ihrer Struktur nicht wahrscheinlich ist, ja selbst bei seinem Vorkommen als mehr oder minder zufällig imponieren würde.


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27. 12. Etwas ratlos, fühlt, daß sein Geist benebelt sei, weiß sich das nicht zu erklären. Name und Alter gibt Pat. richtig an. (Welches Jabr?) Wie man hört und sieht, 1922, wenn das stimmt; heute stimmt ja die ganze Welt nicht.“ (Monat?) „Weihnachten, wenn das stimmt; ja, ich habe neulich gesehen, da waren Kinder da. Den Tag vor der Benebelung, wie ich da unten

Wie ich die Feiertage fort bin mit meinem Freund, da waren Weihnachtskinder da: die haben mir eine kleine Dose gebracht. Wo ich hier gegenwärtig bin, das weiß ich nicht, sonst wüßte ich ja alles. Ehe ich hierber kam, war ich im Spital – im Heiligegeistspital in der Langestraße. Ich bin nicht richtig klar, ich gebe keine richtige Aufklärung, was ich mache. Ich weiß nicht, durch den Krieg habe ich meine ganze Kraft verloren. Jetzt sitze ich hier, es schmeckt mir nichts; ich simuliere wo ich bin. Ich weiß nicht, nachts ist einer zu mir gekommen, ich hatte ja keine Ahnung, der hat mir eine Spritze gegeben. Da sagte ich, was das ist. Da sagte er, ich wäre den ganzen Samstag durcheinander gewesen. Die Schwester hatte sich beschwert. Ich sagte, ich wüßte in Wirklichkeit von nichts. Meine Frau ist da, meine Kinder. Dann ist alles nichts, ich habe nichts." (Beruf?) „Ja, ich war bei der Eisenbahn als Güterbodenarbeiter und war zuhause bis im Mai.“ (Beginn der Krankheit?) „Rheumatismus im Winter, wie ich in Rußland war, sonst möchte ich wirklich nicht klagen. - Ja, wie ich hierher gekommen bin... Fruiber war ich nicht krank.“ (Getrunken?) „Ich trinke nichts, das stimmt alles nicht. Ich tue nur die Decke betrachten und das Rohr, und da meine ich, es wäre Fußboden und ein Wasserrohr.“

Bilder, selbst seltene, benennt Pat. richtig, nur bezeichnet er eine Koralle als roten Ast und meint beim Salamander, das sei kein Salamander.

Nachts ist er stets laut, verwirrt und trägt das Bettzeug umher.
30. 12. Nachts ruhig, klagt zuweilen über Atemnot und Durchfälle.

13. 1. Örtlich und zeitlich orientiert. Psychisch bis auf eine gewisse Ängstlichkeit unauffällig.

24. 1. Das Allgemeinbefinden hat sich etwas gehoben, die Atmung ist freier geworden, die Zyanose des Gesichts ist zurückgegangen. Puls mittelkräftig, regelmäßig. Gibt an, nicht mehr so ängstlich zu sein und wesentlich besser zu schlafen. Die nächtliche Unruhe ist ganz geschwunden.

3. 2. 23. Nach dem Heiligegeistspital zurückverlegt.

Hier entwickelt sich im Laufe einer Leberzirrhose eine Herzschwäche und damit zugleich eine akute Psychose von delirantem Charakter, die nach kurzem Bestand übergeht in einen Zustand von Schwerbesinnlichkeit, Ratlosigkeit und Ungewißheit, während nachts noch delirante Phasen auftreten. Auch diese schwinden, und es bleibt nur noch eine allgemeine ängstliche Stimmungsfärbung zurück. Nach 4 Wochen ist Pat. wieder psychisch frei. Dieser Verlauf entspricht in seinem akuten deliranten Beginn, mit seinen nächtlichen Exazerbationen und der langsamen Rückbildung dem Bild einer Dekompensationspsychose, wie wir es auch sonst zu sehen gewöhnt sind. Die Einwirkung der Leberkrankheit ist nicht zu erkennen. Nun sind, wie ich schon l. c. betonte, überhaupt psychische Störungen bei Leberzirrhose selten, vermutlich wegen des chronischen Verlaufs dieses Leidens. Allerdings soll die Leberzirrhose nach Boström zum Delirium tremens disponieren. Es kann aber hier in dem Auftreten eines deliranten Zustandes keine Bestätigung dieser Ansicht erblickt werden; denn ein solcher ist auch ohne Leberstörung sehr häufig. Weiter sind die nervösen Folgeerscheinungen nach Leberschädigung recht verschiedenartig, beim Ikterus morose Stimmung oder kataleptische Symptome, beim Zerfall des Lebergewebes toxische Delirien. Eine in bestimmter Richtung abgeänderte psychische Reaktionsweise findet sich zumal bei der Leberzirrhose nicht, und so kann es nicht wundernehmen, daß auch im obigen Fall ein Einfluß derselben nicht bemerkbar wird.


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28. 9. Pat. hat sich im ganzen etwas erholt. Der Puls ist etwas voller geworden, aber noch sehr unregelmäßig. Die Atemnot ist zurückgegangen. Gegen Abend deliranter Zustand, glaubt sich zuhause, unterhält sich mit Bekannten, tastet suchend umher. Eine besondere ängstliche Färbung tritt nicht hervor.

30. 9. Delirante Unruhe geringer. Herzdämpfung nach rechts verbreitert. Puls qualitativ unregelmäßig. Leber vergrößert. Geringe Ödeme an den Beinen. Etwas Stauungsbronchitis. Im Urin Spur von Alb. Erhält weiter Digitalis.

5. 10. Herzbefund unverändert. Pat. liegt meist teilnahmslos da, hält sich sauber, nimmt sein Essen.

12. 10. Wesentliche Besserung. Die Dyspnoe ist sehr zurückgegangen. Puls noch inäqual. Psychisch ist Pat. regsamer, nimmt an seiner Umgebung Anteil, beklagt sich über einen anderen Pat., der viel hustet. Keinerlei ängstliche Verstimmung.

25. 10. Pat. ist seit gestern sehr kurzatmig. Puls klein, unregelmäßig aussetzend. Pat. liegt stöhnend in den Kissen, schluckt kaum. Urinausscheidung sehr gering.

26. 10. In der Nacht sehr unruhig, spricht verwirrt. Läßt Kot und Urin unter sich. Keine Reflexdifferenzen. Pat. stöhnt den ganzen Tag, atmet mühsam.

27. 10. Auf Novasurol Urinausscheidung gesteigert. Allgemeinbefinden nicht verändert, hochgradige Prostration.

29. 10. War nachts sehr unruhig und störend, hört Stimmen, verkennt die Umgebung, will aufstehen.

3. 11. In den letzten Tagen psychisch etwas freier. In der Nacht wird Pat. sehr unruhig, völlig desorientiert, deliriert, läßt Kot und Urin unter sich.

4. 11. Am Vormittag Exitus letalis.

Bei diesem 56jährigen Arteriosklerotiker bestand seit Jahren eine hochgradige Myokarditis, die auch schließlich das Ende herbeiführte. Der Verlauf des psychopathologischen Erlebens ist dabei sehr bemerkenswert. Nach wiederholten Schlaganfällen entsteht eine hypochondrisch und ängstlich gefärbte Depression, die sich bis zu einem ernsten Selbstmordversuch steigert. Nach einer kurzen deliranten Phase wird die Depression immer stumpfer und farbloser und macht schließlich einer leicht euphorischen Demenz Platz, die auch durch das Auftreten von Stauungserscheinungen nicht sehr beeinflußt wird. Erst nach einem erneuten (apoplektischen?) Insult steigert sich die Herzstörung zur Dekompensation mit Pulsarythmie und Dyspnoe. Es entwickeln sich kurzdauernde nächtliche Delirien und Benommenheitszustände ohne ausgesprochene ängstliche Färbung, dabei schieben sich öfters freiere Intervalle dazwischen, bis der Herztod eintritt. Aus diesem Verlauf läßt sich etwa folgendes entnehmen. Auslösend wirkte auf das ängstlich hypochondrische Zustandsbild der Depression der voraufgegangene Schlaganfall. Dabei müssen die


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pressive Zustandsbilder bei Demenzpsychosen wirken. Einen Beweis hierfür zu erbringen, ist zur Zeit unmöglich. Auch hierüber können erst statistische Untersuchungen Klarheit bringen, deren ausgiebige Anwendung auf psychiatrischem Gebiet überhaupt viel Nutzen verspricht. Freilich ist in der Frage besonders noch der Umstand zu berücksichtigen, daß ein depressives Zustandsbild bei einer organischen Psychose auch das Zeichen einer manisch-depressiven Ver. anlagung sein kann.

Im folgenden wird über einen Fall berichtet, bei dem der melancholische Gesamtzustand von konstitutionellen Momenten abhängig war, wie das Auftreten eines Suizids seines Sohnes wahrscheinlich macht, bei dem die Beeinträchtigung der Herzfunktion aber sichtlich eine andere Rolle, die des auslösenden Agens, übernahm.

10. Fall. Carl F., 56 Jahre alt, in Beobachtung der Gießener Klinik seit 21. 1. 1924.

Ein Sohn hat sich vor 2 Jahren erschossen, er war vorher „nervös“. Sonst in der Familie nichts Besonderes.

Pat. selbst normal entwickelt, von Kind an Sprache etwas stammelnd und leichtes Schielen. Mit 14 Jahren Knochenhautentzündung am rechten Bein. Seitdem nicht mehr krank gewesen. Ist seit 33 Jahren verheiratet und hat 2 gesunde Kinder.

Im Herbst vorigen Jahres zugleich mit Anschwellung des rechten Fußes traurige Verstimmung mit ängstlichem Gefühl auf der Brust, mit Todesahnungen und Lebensüberdrub. Dabei war er zuerst leicht erregbar und jähzornig. Der Arzt habe damals von Herzerweiterung gesprochen. Das Gedächtnis ließ nach. Allmählich wurde er ruhiger, blieb sehr ängstlich und niedergedrückt, hatte an nichts mehr Freude. Ofters litt er an 1-2 Minuten dauerndem Erstickungs- und Beklemmungsgefühl. Fühlte sich der Arbeit nicht mehr gewachsen, hat aber noch bis zum Tag vor der Aufnahme geschafft.

Körperlicher Status: Kleiner, untersetzter Mann mit rundem Gesicht und großer Glatze in mäßigem Ernährungszustand. Zahlreiche Operationsnarben am rechten Bein.

Herz: Grenzen nach rechts und links oben erweitert. Lautes systolisches Geräusch über dem ganzen Herzen, besonders laut über der Basis. Puls mäßig gefüllt, regelmäßig, 80 i. d. Min. Blutdruck 150/110 mm Hg. nach Riva-Rocci.

Im Urin 1%. Eiweiß, kein Zucker; im Sediment hyaline Zylinder, weiße und rote Blutkörperchen.

Die übrigen inneren Organe o. B. Leichtes Odem des rechtes Fußes.

Strabismus divergens des linken Auges mit konsekutiver Hemiamblyopie. Pupillen mittelweit, rund, meist gleich, zuweilen anisokor, Lichtreaktion to Konvergenzreaktion nicht zu prüfen. Übrige Reflexe mit Ausnahme einer leichten Abschwächung des rechten Kniephänomens regelrecht.

Psychischer Status: Zeitlich und Örtlich gut orientiert. Lebhaftes Krankheitsgefühl. Beginnt sofort zu weinen. Muß sich öfter lange besinnen, gibt aber ganz gute Auskunft. Klagt über Beklemmungsgefühle, allgemeine Schlaffheit und Unlust. Wird erregt, als er auf den Tod des Sohnes zu sprechen kommt, schluchzt. Bewegt sich sehr wenig, sieht meist still vor sich hin. Die Merkfähigkeit war, namentlich für das Wiederholen von 6 Ziffern, herabgesetzt.


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Andererseits ist bei der Dementia praecox noch jene Form der Einwirkung auf das psychische Leben vom Herzen aus zu beleuchten, die bei dessen Funktionsstörung als kardiogenes Irresein in Form exogener Reaktionstypen auftritt. Es entspräche diese dann der Kombination des Grundleidens mit dem darüber liegenden Bild der von der Herzstörung abzuleitenden Störung, ähnlich wie dies bei der Arteriosclerosis cerebri usf. gefunden wird. In Wirklichkeit scheinen diese Vorkommnisse extrem selten zu sein.

In der Literatur sind keine sicheren Beobachtungen niedergelegt, die eine Überlagerung einer Dementia praecox z. B. durch ein kardiogenes Delir zeigen. Es ist darum hier ein Fall heranzuziehen, der in der Gießener Klinik, freilich vor langer Zeit und von anderer Seite, aber recht eingehend und so plastisch aufgezeichnet worden ist, daß man sich wohl heute noch ein Bild von dem psychopathologischen Geschehen machen kann.

Fall 12. Marie F., 20 J. alt, in Behandlung vom 24. 2. bis 4. 3. 1898.

Anamnese: Keine hereditäre Belastung. Normale Jugendentwicklung. In der Kindheit Masern, Röteln und zweimal Lungenentzündung, erholte sich stets rasch. In der Schule mäßig gelernt. Mit 15 Jahren Menarche. Stets munter, tätig und gesund. Herbst 1897 starke Erkältung. Menopause von 6 Wochen. War gleichmäßig heiter und unauffällig. Seit Anfang Februar 1898 ruhiger, arbeitete langsamer und mit Widerwillen, klagte über Müdigkeit, baß oft untätig herum und aß schlecht. Nach einiger Zeit traten Beziehungsideen auf. Man rede über sie, sie wäre närrisch, man lausche ihre Gedanken ab, man wolle sie holen, Dabei beständig große Furcht, öfters auch nachts ängstliche Erregungszustände. Seit drei Tagen weinerlich, glaubt, man rede schlecht über sie, starrt manchmal in eine Ecke des Zimmers, springt zur Mutter und schreit vor Angst: „Sie holen mich, sie holen mich!" In der folgenden Nacht schläft sie vor Angst nicht. Am nächsten Morgen geht sie ruhelos durchs Haus, macht eigentümliche Handbewegungen, Verbeugungen mit dem Kopfe. Die ängstliche Stimmung nimmt rasch zu. Die Pat. ißt und trinkt nichts mehr, äußert Vergiftungsideen, betet viel, gibt Antwort, anscheinend auf Stimmen. Schließlich beginnt sie sich auch vor den Angehörigen zu fürchten, sieht Gestalten vor den Fenstern, die sie holen wollen, kennt sich aber in ihrer Umgebung aus.

24. 2. Die Pat. kramt ruhelos, weinerlich vor sich hinstöhnend, in ihrem Bett, rutscht hin und her, faltet und ringt die Hände, gibt keine Antwort auf Fragen, sondern wehrt angstvoll ab. Nach einer Weile läuft sie unschlüssig im Krankensaal hin und her, umarmt schließlich eine andere Patientin, blickt sie starr an und klagt: „Mein Heinrich, mein Heinrich!“ Sie läßt sich ohne Widerstreben in ihr Bett zurückbringen, steht aber bald wieder auf, geht ans Fenster und klagt: „Ich muß sterben, ach, mein Heinrich, armer Konrad, warum kommst du nicht? Ach, Anna, wo ist mein Engelchen? Ich bin nicht wert, daß mich die Sonne bescheint.“ Ergeht sich in klagendem Murmeln, anscheinend betenden Inhalts.


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Es besteht leichte Pupillendifferenz, rechts weiter als links, ferner ein Herpes an Mund, Nase und Wangen.

In der Nacht schlaflos, wimmert leise vor sich hin, nimmt keine Nahrung.

25. 2. Den ganzen Tag über ängstlich erregt, wühlt und kramt umher, bleibt nicht einen Augenblick ruhig liegen. Dabei große Ratlosigkeit und Unschlüssigkeit. Redeprobe: Ach, ach, meinen Mann und meine Kinder sehe ich nicht mehr! Gott behüte mich! Ich verzage. Ach, Heinrich! Heute Morgen war er hier.

Soll ich weinen, soll ich lachen oder soll ich zum Fenster hinausschauen? Ach Gott, ach Gott, schieß mich nicht tot!“ Sie ist dabei nicht zu fixieren, klagt immer in eintöniger Weise fort, scheint aber die Situation zu erkennen, da sie den Arzt als Doktor anspricht. Zuweilen eigentümliche Redewendungen: „Meine Zunge sieht mich nicht, die Krone liegt nicht mehr auf ihr, soll ich sinken, soll ich lahmen?“

Pat. nimmt auch heute keine Nahrung zu sich. Läßt sich körperlich nicht untersuchen. Nachts wird sie etwas ruhiger, starrt zuweilen regungslos vor sich hin, schläft gegen 3 Uhr ein.

26. 2. Beständig in Bewegung, zögernd und unschlüssig, greift nach allem, tastet umher, knüpft Betteile zusammen. Das Ganze geschieht unter monotonem ängstlichem Wimmern und Stöhnen ohne Motiv und Zweck. Sondenfütterung. In der Nacht schläft sie.

27. 2. Dieselbe ratlose triebhafte Unruhe wie an den Vortagen. Gibt keine Auskunft, schaut halb weinend, halb lachend ihr Gegenüber an, sucht sich oft festzuklammern, widerstrebt jedem Versuch der körperlichen Untersuchung. Temperatur nie über 37° C. In der Nacht sehr unruhig, zerstört Matratzenteile, zieht die Leibwäsche aus, steht dann unschlüssig nackt inmitten eines Haufens von Wäsche und Bettstücken.

28. 2. Bewegungsunruhe unverändert. Versuch der Sondenfütterung muß wegen heftigsten Widerstrebens und lauten ängstlichen Schreiens abgebrochen werden. Pat. wird immer unruhiger, zerstört das Bettzeug.

Am Spätnachmittag komatöser Zustand. Pat. liegt regungslos und blaß mit kleinem aussetzendem Puls da, atmet oberflächlich, reagiert auf nichts. Auf Kampfer Besserung. Von 2 Uhr nachts an wieder unruhig in gewöhnlicher Weise.

1. 3. Pat. wühlt sinnlos in den Betten, starrt bald lachend, bald ängstlich vor sich hin, zerreißt, trinkt etwas Wasser, ißt aber nichts, spricht nichts mehr, schläft gegen Mitternacht ein.

2. 3. Nunmehr besteht ein ausgesprochener Mutismus neben einer mäßigen Hyperkinese. Dabei immer noch ratlos und unschlüssig, befolgt keine Aufforderungen, läßt sich aber untersuchen.

Blasses Mädchen in herabgesetztem Ernährungszustand. Atmung ruhig. Temperatur 37,1° C. Puls sehr schwach, 98 i. d. Min. Am Nervensystem nichts Besonderes nachzuweisen.

Nach der Untersuchung wieder in spielender Unruhe, schiebt die Gegenstände hin und her, dreht am Lichtschalter herum, betastet die Reagenzgläser und läuft ratlos umher.

3. 3. Hyperkinese unverändert. Jammert manchmal laut vor Angst: „Ach Gott, ach Gott, die schießen mich! Vater! Mutter! gebt mir ein Messer! Laßt mir das Wasser!" Dann lächelt sie die Frager wieder eigentümlich an und flüstert unverständlich. Körperlich sehr mitgenommen. Puls sehr schwach. In der Nacht Cheyne-Stokessches Atmen. Temperatur subnormal.


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Hirnapparate eine gänzlich andere wird. Der tagsüber besonnene Kranke gerät in eine hyperkinetische Erregung, oder der amnestische Symptomenkomplex ergänzt sich durch Auftreten von Bewußtseinstrübung und Sinnestäuschungen zum regelrechten Delir.

Durch diese Überlegungen zeigt sich zugleich, daß es fehlerhaft wäre, ohne weiteres anzunehmen, daß die Trübung des Bewußtseins eine Steigerung des Krankheitsvorganges bedeutete; vielmehr ist daraus nur auf eine Umschaltung oder Umgruppierung seelischer Apparate zu schließen, die begreiflicherweise auch ihrerseits krankhaft bedingt sein kann. Im ganzen läßt sich aber sagen, daß vermutlich die Ausbreitung des pathologischen Prozesses im Gehirn maßgebend sein muß für das Auftreten von Bewußtseinstrübungen und nicht etwa eine Anlageanomalie. Die Differenz der einzelnen heteronomen Zustandsbilder, die ja auch insofern einer Erklärung bedarf, als sie sich nicht auf die Verschiedenheit der Bewußtseinslage bezieht, scheint eher mit dem Betroffensein bestimmter Hirngebiete zusammenzuhängen, als mit einer konstitutionellen Eigenart des Individuums. Dafür spricht erstens der Umstand, daß verschiedene Zustandsbilder im Rahmen einer Erkrankung auftreten, zweitens ist nur so erklärbar die 'Tatsache, daß ein und derselbe Organismus auf dieselbe Schädlichkeit wie das Erlahmen der Herzkraft mit zwei verschiedenen Zustandsbildern reagieren kann, wie oben nachgewiesen wurde. Weitere Hypothesen aufzustellen über die Gründe, weswegen die Ausbreitung des krankhaften Vorgangs im Gehirn im Einzelfall verschieden ist und sich während des Krankheitsverlaufs ändert, würde zu weit führen und ohne Nutzen sein.

Über die Natur der pathogenetisch wirksam werdenden Noxen bei den soeben geschilderten Formen kardiogenen Irreseins läßt sich zur Zeit nur weniges aussagen. Jacob hat sie erblicken wollen in den chemischen Wirkungen der Beeinträchtigung des Stoffwechsels im Nervengewebe als Folge des schlechten Ernährungszustandes der Großhirnrinde, der sich durch mangelnde arterielle Zufuhr und durch venöse Hyperämie ausbildet. Ohne Zweifel leidet diese These trotz ihrer Richtigkeit an ihrer allzugroßen Allgemeinheit. Beeinträchtigungen im Stoffwechsel der Nervenzellen kommen sicherlich unter den allerverschiedensten Umständen zustande. Auf Grund unserer Beobachtungen ist vor allem die Unabhängigkeit der fraglichen Noxe von der Ausbildung oder vom Rückgang irgendwelcher Odeme im Bereich des übrigen Körpers festzustellen. Des weiteren gehört sie hinsichtlich ihrer psychopathologischen Folgen in eine Klasse mit den Stoffen, die auch bei Infektionskrankheiten und bei Erkrankung anderer innerer Organe gebildet werden. Es ist anzunehmen, daß diese Noxe in einer Veränderung der Blutbeschaffenheit besteht, freilich nicht der gleichen Art, wie bei den obengenannten Erkrankungen, aber doch einer ähnlichen. Dabei ist zu bemerken, daß diese Noxe vermutlich viel häufiger vorhanden ist, als sie psychopathologisch wirksam wird. Sie braucht zur Entfaltung ihrer pathogenetischen Kraft eine geeignete Grundlage. Auch Jacob hebt die auffallende Tatsache hervor, daß nur in relativ wenigen Fällen die schlechte Blutversorgung zu psychischen Alterationen führt. Als Erklärung nimmt er an, daß das Gehirn in diesen Fällen eben in seiner Funktionstüchtigkeit geschwächt sei entweder durch hereditäre Einflüsse oder durch andere schädigende Momente. Gerade an diesem Punkte mußte die weitere Forschung einsetzen und sich richten auf die Aufdeckung oder wenigstens genauere Festlegung der Grundlage, auf der die Wirkungsmöglichkeit der kardiogenen Noxe erwächst.


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Witkowsky, Allg. Zeitschr. f. Psych., Bd. 32. 1875. Ziehen, Psychiatrie, Leipzig 1902.


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Medizinischer Verlag von S. Karger in Berlin NW.6.

In den Abhandlungen aus der Neurologie, Psychiatrie,

Psychologie und ihren Grenzgebieten Beihefte z. Monatsschrift für Psychiatrie u. Neurologie, sind bisher erschienen: Heft 1: Typhus und Nervensystem. Von Prof. Dr. Georg Stertz in

Marburg. (Vergriffen.) Heft 2: Ueber die Bedeutung von Erblichkeit und Vorgeschichte für das

klinische Bild der progressiven Paralyse. Von Dr. J. Pernet in

Zürich. (Vergriffen.) Heft 3 : Kindersprache und Aphasie. Gedanken zur Aphasielehre auf

Grund von Beobachtungen der kindlichen Sprachentwickelung und

ihrer Anomalie. Von Priv.-Doz. Dr. Emil Fröschels in Wien. Mk, 5.50 Heft 4: Epilepsie und Dementia praecox. Von Prof. Dr. W. Vorkastner in Greifswald.

Mk. 5.Heft 5: Forensisch-psychiatrische Erfahrungen im Kriege. Von Priv.-Doz. Dr. W. Schmidt in Heidelberg.

Mk. 8. Heft 6: Verbindung endogener und exogeuer Faktoren in dem Symptomen

bilde und der Pathogenese von Psychosen. Von Priv.-Doz. Dr. Hans Seelert in Berlin.

Mk. 4.Heft 7: Zur Klinik und Anatomie der reinen Worttaubheit, der Heilungs

aphasie und der Tontaubheit. Von Prof. Dr. Otto Pötzl in Prag. Mit zwei Tafeln.

Mk. 6. Heft 8: Die Spielbreite der Symptome beim manisch-depressiven Irresein. Von Prof. Dr. P. Schröder in Greifswald.

Mk. 3.Heft 9: Die symptomatischen Psychosen und ihre Differentialdiagnose. Von Priv.-Doz. Dr. Hans Krisch in Greifswald.

Mk. 2.25 Heft 10: Die Abderhaldensche Reaktion mit bes. Berücksichtigung ihrer Er

gebnisse i.d. Psychiatrie. Von Priv.-Doz. Dr.G.Ewald in Erlangen. Mk.9.Heft 11: Der extrapyramidale Symptomenkomplex (das dystonische Syn

drom) und seine Bedeatung in der Neurologie. Von Prof. Dr. G.

Stertz in Marburg. (Vergriffen.) Ieft 12: Der anethische Symptomenkomplex. Eine Studie zur Psychopatho

logie d. Handlung. Von Priv.-Doz. Dr. O. Albrecht in Wien. Mk. 4.- . Heft 13: Die neurologische Forschungsrichtung in der Psychopathologie

und andere Aufsitze. Von Prof. Dr. A. Pick in Prag. Mk. 8.Heft 14: Ueber die Entstehung der Negrischen Körperchen. Von Prof. Dr.

L. Benedek u. Dr. F.0. Porsche in Debreczen. Mit 10 Tafeln. Mk. 15.Heft 15: Ueber die Bedeutung und Entstehung der Stereotypien. Von Priv.Doz. Dr. Jakob Kläsi in Basel.

Mk. 3.Heft 16: Ueber Psychoanalyse. Von Dozent Dr. R. Allers in Wien. Mk. 3.60 Heft 17: Die Zergliederung des psychischen Krankheitsbildes bei Arterio

sklerosis - cerebri. Von Nervenarzt Dr. S. J. R. de Monchy in Rotterdam.

Mk. 3.Heft 18: Epilepsie u. manisch-depressives Irresein. Von Dr. Hans Krisch in Greifswald.

Mk. 3.Heft 19: l'eber die paranoiden Reaktionen in der Hast. Von Dr. W. Försterling in Landsberg a. d. W.

Mk. 3.60 Heft 20: Dementia praecox, intermediäre psychische Schicht und Kleinhirn

Basalganglien - Stirnhirnsysteme. Von Prof. Dr. Max Loewy in Prag-Marienbad.

Mk. 4.20 Heft 21: Metaphysik und Schizophrenie. Eine vergleichende psychologische Studie. Von Dr. G. Bychowski in Warschau.

Mk. 5.Heft 22: Der Selbstmord, Von Priv.-Doz. Dr. R. Weich brodt in Frankfurt a. M.

Mk. 1.50 Heft 23: Ueber die Stellung der Psychologie im Stammbaum der Wissen

schaften und die Dimension ihrer Grundbegriffe. Von Dr. Heinz Ahlenstiel in Berlin.

Mk. 1.80 Heft 24: Zur Klinik der nichtparalytischen Lues-Psychosen. Von Dozent Dr. H. Fabritius in Helsingfors.

Mk. 4.Heft 25: Herzkrankheiten und Psychosen. Eine klinische Studie. Von Dr. E. Leyser in Giessen.

Mk. 4.Heft 26: Die Kreuzung der Nervenbahnen und die bilaterale Symmetrie des tierischen Körpers. Von Prof. Dr. L. Jacobsoh n - Lask in Berlin.

Mk. 5.40 Die Abonnenten der „Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie"

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Obige Preise sind Goldpreise, eine Goldmark gleich 10/12 Dollar.


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versucht werden, die Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung zu finden.

So sehr nun wohl auch eine große Reihe von Forschern über dieses interessante Problem nachgedacht hat, so findet man in der zugänglichen Literatur doch nur wenige diesbezügliche Arbeiten. In den gangbaren Lehrbüchern über die Anatomie des Nervensystems von Schwalbe, Edinger, Obersteiner, Koelliker, van Gehuchten, Déjérine, Bechterew, Barker und ebenso in den Lehrbüchern über die vergleichende Anatomie von Gegenbaur, Ariens Kappers etc., findet sich nichts darüber gesagt.

Obersteiner z. B. verbreitet sich in der letzten Auflage seines Lehrbuches (p. 281) deslängeren

über das Vorhandensein der kreuzenden Fasern im Zentralnervensystem, er sagt aber selbst nichts darüber wie dieses Phänomen deuten sei, noch führt

andere Autoren an, die darüber Erklärungen abgegeben resp. Hypothesen aufgestellt haben. Das ist in der Tat sehr merkwürdig, obwohl ein Schüler von ihm, A. Spitzer, eine sehr bedeutsame Arbeit zwei Jahre vor Erscheinen der letzten Auflage des genannten Lehrbuches veröffentlicht hat. Dies merkwürdige Verhalten ist wohl nur dadurch zu erklären, daß Obersteiner die bisher gegebenen Deutungen über das Kreuzungsproblem noch für so zweifelhaft und ungenügend hielt, daß auf diesen Gegenstand näher einzugehen, ihm verfrüht erschien. Vielleicht haben sich die anderen Verfasser von Lehrbüchern das Gleiche eingestanden und deshalb von der Aufwerfung der Frage und eigener Meinungsäußerung Abstand genommen.

Diejenigen Autoren, welche die Tatsache der kreuzenden Nervenbahnen zu erklären versucht haben, sind mit Ausnahme von Rádl in der erwähnten Arbeit von Spitzer ausgezählt. Spitzer referiert recht eingehend die einzelnen Auffassungen, beleuchtet sie in sehr kritischer Weise, lehnt die gegebenen Deutungen als unzureichend ab und versucht dann selbst eine Lösung des Problems zu geben. Wir werden uns weiter unten mit dem Spitzer schen Lösungsversuch eingehend zu beschäftigen haben. Andere Arbeiten über diesen Gegenstand als die von Spitzer angeführten und die R á dlsche sind auch mir nicht begegnet. Jedenfalls scheinen keine ausführlichen Abhandlungen noch nach dem Jahre 1912, in welchem die Rádlsche Arbeit erschien, publiziert worden zu sein. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß noch einzelne Autoren sich gelegentlich über dieses Problem an irgendeiner Stelle geäußert haben, aber jeder wird zugeben, daß man nur zufällig einer solchen Stelle begegnen kann, und solche kurzen Erklärungen können auch unmöglich der Bedeutung dieser Erscheinung gerecht werden,


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„Inmitten dieser Zweifel scheint uns eins der Diskussion nicht weiter zu bedürfen, nämlich daß die Dekussation zu erstin den sensorischen Bahnen geschaffen worden ist (optische, sensible etc., sämtlich bei den niederen Wirbeltieren); mit notwendiger Konsequenz ergab sich daraus die Kreuzung im entgegengesetzten Sinne bei den motorischen Bahnen.“

Das Sehbild, welches die niederen Wirbeltiere haben, nennt Cajal ein p a nora mis ches. Diese Tiere sehen ohne Relief, sie setzen nur gleichsam die Bilder beider Seiten wie zwei Photographien zusammen.

p. 23. Fig. 1 (Fig. 7 bei Ca jal) „zeigt Gestalt und Richtung des geistigen optischen Bildes unter der Voraussetzung, daß es keine

Kreuzung der Sehnerven gäbe. Die Inkongruenz beider Bil- der tritt deutlich zutage es wäre unmöglich, daß das Tier beide Bilder zu einer zu- sammenhängenden Vorstellung vereinigen könnte“. Fig. 2*) „zeigt mit größter Beweiskraft, daß, dank der Kreuzung beide Bilder, das rechte und das linke, miteinander korrespon- dieren und ein zusammenhän- gendes Ganzes bilden“.

p. 24. ,,1. Bei den niede

Wirbeltieren übermittelt Lob. opt.

jedes Auge, und wir könnten

sogar sagen, jeder Raumsinn, Fig. 1. Schema zur Darstellung der Projek- dem Gehirn die auf dieser tion des Objektbildes auf Retina und Lobus Seite gesammelten Eindrücke opticus bei homolateralem Verlaufe der Op- der Objekte, und vermöge der ticusfasern

Kreuzungen besteht die sensoNach S. Ramón y Cajal. rische Hirnrinde

zwei Flächen, einer rechten, welche dem linken Raum, und einer linken.

*) Fig. 2 ist nicht der Arbeit (a jals, sondern der Darstellung Wundts aus der sechsten Auflage seines Lehrbuches entnommen.

Sie entspricht aber der von Cajal gegebenen Figur, was Sehfaserkreuzung und die dadurch angeblich bewirkte Bildeinstellung betrifft.