Meine Frau hat mich betrogen wie gehe ich damit um

Dieser Beitrag wurde am 21.05.2018 auf bento.de veröffentlicht.

Manche Menschen sind in einer Beziehung – und führen daneben noch eine zweite. Die ist zwar anders, vielleicht von kürzerer Dauer, vielleicht besteht sie aus weniger Gesprächen. Und trotzdem hat diese zweite Beziehung das Zeug, die erste zu bedrohen.

Warum gehen Menschen fremd? Was bedeutet Liebe – nur mit einer Person zusammen zu sein, ihr immer treu zu bleiben? Oder sich gegenseitig zu erlauben, auch mal auszubrechen? Und was ist, wenn der eine will, der andere das aber nicht erträgt? 

Tatsächlich gehen viele nicht fremd, weil sie ihre Partnerin oder ihren Partner nicht mehr lieben – sondern, weil sie endlich mal wieder Sex haben möchten. Zu diesem Schluss kommt zumindest Ragnar Beer, Paartherapeut aus Göttingen. Der häufigste Grund für einen Seitensprung, sagt er, sei die sexuelle Unzufriedenheit in der eigenen Beziehung.

Warum Menschen fremdgehen, ob man das überhaupt so nennen kann, dazu forscht Beer schon länger. Seit 1996 leitet er das wissenschaftliche Projekt Theratalk , in dem er und sein Team Studien über die Bedürfnisse erheben, die Paare im Laufe von Beziehungen entwickeln. Dabei fand Beer zum Beispiel heraus, dass mehr als die Hälfte der sexuellen Wünsche in Beziehungen unerfüllt bleiben – und das Männer eher unzufrieden sind als Frauen.

Klar ist aber auch: Warum Menschen ausbrechen wollen, hat immer individuelle Gründe. Hier erzählen drei Menschen von ihren.

Lara, 25, aus Niedersachsen

Mein Freund meinte es von Anfang an ernst. Er ist nur ein Jahr älter als ich – aber wäre es nach ihm gegangen, hätten wir mit nicht einmal Mitte 20 geheiratet und wenig später Kinder bekommen. Dass mir das zu schnell ging, verstand er. Zusammengezogen sind wir trotzdem schon nach drei Monaten. Seine Zielstrebigkeit machte mir zwar einerseits Angst – aber sie gefiel mir auch. 

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Wir waren anderthalb Jahre zusammen, als ich über Freunde einen anderen kennenlernte. Er war genau das Gegenteil von meinem Freund. Er reiste viel und hatte noch keinen Plan für sein Leben. Ich mochte seine Sorglosigkeit, die Spontaneität, mit der er die Dinge anging. Ich dachte: "Mit dem steige ich in irgendeinen Flieger und ab geht es."

Wenn wir ohne meinen Freund unterwegs waren, gingen mir Gedanken durch den Kopf. Ich dachte: "Wir dürfen uns auf keinen Fall küssen, ich bin vergeben." Das Problem war nur: Ich wollte ihn unbedingt küssen. Und auch mit ihm schlafen. 

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Irgendwann konnte ich nicht mehr anders. Ich fasste einen krassen Entschluss: Ich erzählte meinem Freund, dass ich Freunde besuche. Und kaufte mir ein Zugticket, um zu dem Typen zu fahren.  

Da war mir schon klar: Wenn ich zurückkomme, mache ich Schluss. Ich wollte mir Zeit dafür nehmen, es in Ruhe machen – ich gab dem Druck nach, dachte, ich fahre erst einmal los, anschließend regele ich den Rest. Wenn das Verlangen nach einem anderen Mann so klar und stark ist, so dachte ich, läuft mit meiner Beziehung doch etwas schief. Dass ich mich damals vor allem eingeengt gefühlt habe und Angst vor dem Ehe- und Familienleben hatte, habe ich erst später erkannt. 

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Ich fuhr also los. An dem Samstag des Wochenendes küssten wir uns zunächst, in der Nacht auf Sonntag schliefen wir miteinander. Es war richtig intensiv. 

Als die Tage vorbei waren, ging es zurück in mein altes Leben. Ich machte Schluss, zog aus unserer gemeinsamen Wohnung aus und fing tatsächlich eine Beziehung mit dem anderen Mann an. 

Über vier Monate versuchten wir, ein Paar zu sein. Doch es war eine Katastrophe. Alles, was mich am Anfang an ihm fasziniert hatte, nervte mich schon bald. Dass er nicht wusste, was er aus seinem Leben machen wollte. Dass man nicht mit ihm planen konnte und dass er ständig mit anderen Frauen flirtete. Ich verließ auch diesen Mann. 

Danach fragte ich mich sehr häufig, warum ich ausgebrochen bin. Ich glaube, dass es mir in solchen Situationen um Aufmerksamkeit und die Lust auf etwas Neues geht. Wenn der Mann, mit dem ich gerade zusammen bin, sagt, dass ich gut aussehe, dann zählt das irgendwann nicht mehr so. Vor allem, wenn man schon eine Weile zusammen ist. 

Wenn aber ein anderer Mann mich gut findet, ist das aufregend, ich fühle mich geschmeichelt. Diese Bestätigung gibt mir viel. Ich fühle mich attraktiv und wahrgenommen. Außerdem ist der Sex etwas ganz anderes. Nicht unbedingt besser, aber eben neuer, unverbrauchter. Leider hält dieses gute Gefühl nicht lange.

Nach dieser Geschichte merkte ich, wie sehr mir der Mann fehlte, mit dem ich zusammengewohnt hatte. Wie falsch es war, unsere Beziehung zu beenden. Ich hatte ihm nie gesagt, wie eingeengt ich mich fühlte. Vielleicht hätten wir gemeinsam etwas ändern können?

Ich fuhr ich zu ihm und erzählte ihm, was ich getan hatte und wie leid mir das alles tut. Er hatte sich vieles schon gedacht, es aber nicht wissen wollen. Und ich hatte echt Glück. Wir kamen wieder zusammen. 

Heute steht die Sache manchmal noch zwischen uns. Wenn zum Beispiel im Fernsehen eine Szene gezeigt wird, in der jemand fremdgeht – dann wird es richtig unangenehm. Außerdem fragt er seitdem mehr nach, was ich mit wem mache und mit wem ich telefoniere. Aber das kann ich verstehen. Wäre ich an seiner Stelle, ich würde mich wahrscheinlich Tag und Nacht kontrollieren. 

Denn das, was er geschafft hat, mir zu verzeihen, könnte ich niemals. Ich würde durchdrehen, wenn ich wüsste, dass mein Freund vielleicht bei einer anderen liegt. 

Leo, 35 aus Hannover

Ich bin seit sieben Jahren verheiratet und habe gleichzeitig eine andere Freundin. Meine Frau und meine beiden kleinen Kinder haben davon keine Ahnung. 

Diese Konstellation funktioniert, weil meine Freundin polyamor lebt. Sie ist der Meinung, dass man mehrere Menschen gleichzeitig lieben und mit ihnen zusammen sein kann. Und auch ich freunde mich immer mehr mit diesem Konzept an. 

Angefangen hat das alles, weil meine Frau mich betrogen hat. Nachdem wir unser erstes Kind bekommen hatten, kriselte es in unserer Ehe. Wir hatten kaum noch Sex und stritten uns oft. Das neue Familienleben nahm einfach sehr viel Zeit in Anspruch. 

Und dann verliebte sie sich in einen anderen Mann und hatte einmal Sex mit ihm. Das war hart und hat mich sehr verletzt. Meine Reaktion darauf: Ich ging selbst mehrmals fremd.  

Was ist Polyamorie?

  • Die Polyamorie geht davon aus, dass es möglich ist, mehrere Liebesbeziehungen gleichzeitig zu haben.
  • Voraussetzung für solche polyamore Beziehungen ist aber, dass alle Beteiligten über einander Bescheid wissen und damit einverstanden sind.   
  • Das Herz mit dem Zeichen der Unendlichkeit gilt als Symbol für Polyamorie. 

Soweit ich weiß, hat meine Frau die Sache mit dem anderen Mann beendet und ist mir seither treu. Doch bei mir hat sich etwas verändert. Die Überzeugung, dass eine Beziehung unantastbar ist, habe ich nicht mehr. Ich schlafe mit anderen Frauen und habe danach kein schlechtes Gewissen mehr. 

So lernte ich auch die Freundin kennen, mit der ich meine Frau betrüge. Sie erzählte mir, dass sie polyamor lebt und ich behauptete, dass meine Ehe offen sei. Sonst hätte sie sich wahrscheinlich nicht auf mich eingelassen. 

Als ich ihr dann die Wahrheit sagte, war sie geschockt und sauer. Sie wollte nicht diejenige sein, mit der ich fremdgehe. Aber wir konnten trotzdem nicht die Finger voneinander lassen. Die Sache zwischen uns war schon zu ernst geworden. 

Das geht jetzt seit gut einem Dreivierteljahr so. Ich habe meiner Frau gesagt, dass ich eine polyamore Beziehung möchte, dass ich die Beziehung gern öffnen würde. Aber sie kann damit momentan nichts anfangen und ahnt auch nicht, was tatsächlich los ist. 

Ein schlechtes Gewissen habe ich auch gegenüber meinen Kindern nicht. Das klingt vielleicht egoistisch, aber für mich haben die beiden einfach nichts mit meinem Sexualleben zu tun. Solange sie nichts davon erfahren, geht es uns als Familie wohl besser.

Ich kann mich sexuell und gefühlsmäßig völlig auf andere einlassen. Für mich ist Monogamie einfach auf lange Sicht kein authentisches Konzept und zu oft unehrlich.

Deswegen ist die Sache klar: Es würde meine Frau verletzten, wenn ich ihr die Wahrheit erzählen würde. Sie und unsere Beziehung könnten das nicht tragen. Erst wenn ich weiß, dass ich nicht mehr mit ihr zusammen sein will, kann ich ihr alles sagen.

Solange ich mir da aber nicht sicher bin, habe ich zu große Angst vor den Konsequenzen: Meine Familie würde zerbrechen. Ich liebe beide Frauen und will sie nicht verlieren. Aber ich habe keine Ahnung, wie lange das noch gut geht. 

Maria, 27, aus Hamburg

Ich bin bisexuell und mein Freund weiß das. Das erste Mal, als ich mich neben meiner Beziehung ausgelebt habe, hatte ich was mit meiner besten Freundin. Wir hatten schon vorher immer mal geknutscht und dann ist es nach einer Party einfach passiert.

Ein schlechtes Gewissen hatte ich deswegen aber nicht. Ich wusste, dass er es heiß findet, wenn ich mit einer anderen Frau Sex haben würde. Und deswegen erzählte ich ihm auch einfach davon. 

Er fasste es ganz gut auf, doch danach veränderte sich etwas in unserer Beziehung. Wir stellten uns Fragen: Was ist, wenn ich mal Sex mit einem oder einer anderen habe? Ist dann Beziehung hinfällig – und all die Intensität, die sie hatte? Nur wegen eines körperlichen Kontakts, der emotional vielleicht gar nichts bedeutet?

Wir merkten beide, dass wir uns gern mit anderen ausprobieren wollten. Deswegen trafen wir eine Abmachung: Sex mit anderen ist okay. Aber nicht im eigenen Bett, nicht innerhalb des Freundeskreises und nur mit Verhütung.

Anders hätte unsere Beziehung nicht mehr funktioniert. Wir mussten einen Kompromiss finden, damit wir uns nicht verlieren. Wir liebten uns, wollten aber trotzdem das Leben genießen und nicht nach strengen Regeln leben. Und "Genießen" bedeutete für uns eben auch: sich mit anderen ausprobieren zu dürfen.   

Ich freute mich über unsere Abmachung. Für ihn war es nicht einfach. Es brauchte viele Gespräche, bis er verstand, dass eine körperliche Begegnung mit anderen Menschen kein Trennungsgrund sein muss. Doch ich muss sagen: Die vielen Auseinandersetzungen, der Gedankenaustausch, machte uns stärker. Er schaffte eine Intimität zwischen uns, die wir bis dahin nicht kannten. Der Kompromiss, aus der Beziehung ausbrechen zu dürfen, hielt uns zusammen.

Ich hatte dann mit sechs unterschiedlichen Frauen Sex und großen Spaß dabei. Was er gemacht hat, weiß ich nicht. Und das will ich auch nicht.

Doch dann habe ich etwas gemacht, das viel schlimmer ist, als irgendeine körperliche Geschichte. Ich ließ mich auch emotional auf jemanden Neues ein, auf einen Mann.

Zum ersten Mal fühlte ich mich richtig schuldig. Ich hatte gegen unsere Regel verstoßen, wir durften uns anderen nur körperlich nähern. Ich hatte mit dem anderen Mann zwar nicht geschlafen, wusste aber, da ist etwas. 

Ich glaube, dass ich mich auf diese Weise überhaupt auf jemanden einließ, hatte auch mit meinen Lebensumständen zu tun: Ich hatte gerade gekündigt, hatte wenig Geld und fühlte mich jeden Tag mehr und mehr nutzlos. Hinzu kam, dass es zwischen mir und meinem Freund nicht mehr gut lief. Ich ließ meine schlechten Launen an ihm aus, das gab fast immer Stress.  

Und dann kam da dieser andere Typ, mit dem ich mich super verstand. Wir lachten, feierten, er lenkte mich ab. Da hatte ich auf einmal echt Schiss. Ich dachte häufig nur an den anderen. Mehr und mehr spürte ich, dass ich meinen Freund verlassen muss. Was mal als aufregender Kompromiss gedacht war, war plötzlich ernst geworden. 

Ich machte Schluss und flüchtete für einige Zeit ins Ausland. Weg von all den Problemen. Fernab meiner Heimat merkte ich dann, was ich wirklich wollte: nicht den, der mich nur kurzfristig emotional abgeholt hatte, sondern meinen Freund, mit dem ich über Jahre zusammen war. Ich vermisste unsere Gespräche. Als ich wieder in Deutschland war, besprach ich das mit ihm. Heute sind wir wieder ein Paar – die Regel, dass wir mal mit anderen Sex haben dürfen, wenn uns danach ist, gibt es auch wieder.

Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.