Die Leiden des jungen Werther 4 Mai 1771 Analyse

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Schnellübersicht

  • erster Brief von Werther an seinen Freund Wilhelm
  • Werther ist in eine neue Heimat gezogen
  • Werther erinnert sich an "Leonore". Diese habe sich in ihn verliebt, während er ab und zu ihre Schwester besucht habe.
  • Er macht sich Vorwürfe: Er selbst habe sie nicht geliebt und auch nicht ihre Liebe ernst genommen, habe aber trotzdem ihre Gefühle absichtlich gefördert.
  • Werther hat mit einer Tante über einen Erbschaftsstreit zwischen der Tante und Werthers Familie gesprochen. Er konnte das Problem lösen. Er kann die negative Meinung, die seine Familie über die Tante hat, nicht nachvollziehen.
  • Werther findet die Stadt, in der er nun wohnt, unangenehm. Er ist aber fasziniert von der "unaussprechlichen Schönheit" der umgebenden Natur.
  • Werther beschreibt den Garten eines verstorbenen Grafen, der bald ihm gehören wird. Er ist wieder fasziniert von der Schönheit der Natur und davon, dass der Garten nicht zu rational "konstruiert" wurde (Sturm und Drang).

1. Anmerkungen


  • Es wird keine Information darüber gegeben, was aus Leonore geworden ist. Man kann daher nur spekulieren, dass sie vielleicht genauso gehandelt hat, wie Werther später (=sich selbst umgebracht hat). Andernfalls müsste man sich jedenfalls wundern, weshalb Werther Leonores Liebe als Hauptgrund dafür aufführen sollte, dass er seine Heimat verlassen hat (bei einer einfachen Liebe hätte auch ein klärendes Gespräch gereicht).
  • Am Anfang des Briefes schreibt Werther:

    Zitat: 4. Mai 1771

    Dich zu verlassen, den ich so liebe, von dem ich unzertrennlich war, (...)

    Das heißt natürlich nicht, dass Werther schwul ist (bzw. war). Zu der Zeit war es aber schlichtweg üblich, solch übertriebene Formulierungen zu verwenden, wenn man an Freunde schrieb (aus welchen Gründen auch immer).
  • Werther beschreibt immer wieder die Schönheit der Natur. Das ist ein typisches Motiv des Sturm und Drang und taucht noch öfter im Roman auf.

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Was macht dieser Werther, wo hält er sich auf und wie nimmt er seine Umwelt wahr? Orientieren Sie sich dafür an den Briefen vom 04.-22.Mai.

Im Folgendem wird der obenstehende Arbeitsauftrag aufgabengemäß bearbeitet. Werther ist ein junger Mann, der vor kurzem in eine neue Stadt gezogen ist, um ihm Namen seiner Mutter einen Erbschaftstreit zu klären, den er schnell und problemlos klärte. Er schreibt in seinem ersten Brief am 4. Mai 1771, wie froh er darüber sei, weg zu sein, obwohl er die Stadt, in der er wohnt, als unangenehm bezeichnet. Umso mehr schwärmt er von der umliegenden Natur und dem Garten eines verstorbenen Grafen, der auf einem Hügel liegt und bald Werther gehören soll. Im den darauffolgenden Briefen vom 10. bis zum 12. Mai spricht Werther erneut und intensiver sein Glück, der Natur um ihn herum wegen, aus. Er beschreibt jegliche Natureindrücke, die er macht, ausführlich, von den kleinsten, mikrokosmischsten bis hin zu den größten makrokosmischsten Dingen, dass er fast jeden Tag mindestens eine Stunde an einem nahgelegenen Brunnen säße und von der Herrlichkeit dieser Erscheinungen förmlich überwältigt sei. Ein Pantheismus ist in seinen Naturbeschreibungen deutlich zu erkennen, welcher sich über einen Großteil des Romans hinwegzieht. Auf die Anfrage seines Freundes, ob man Werther seine alten Bücher schicken solle, antwortet er am 13. Mai, dass man sie ihm vom Halse halten soll. Er benötigt keine Bücher mehr, um sein Herz aufbrausen zu lausen. Das einzige, was er noch braucht, ist den Wiegesang aus seinem Homer, den er zur Beruhigung liest. Am 15. Mai schreibt er, dass er sich mit den „geringen“ (bäuerlichen) Leuten des Dorfes gut versteht, insbesondere mit den Kindern, obwohl sie anfangs abweisend auf ihn reagierten, da er selbst zum Bürgertum gehört. Dies scheint Werther jedoch dadurch überbrückt zu haben, dass er sich im offenen Gespräch sehr negativ über die Adeligen äußert und diese als feige und unehrlich bezeichnet. Im Brief vom 17.Mai scheint seine Stimmung jedoch an einem Wendepunkt zu stehen, da er darüber spricht, zwar Bekanntschaften, aber noch keine Gesellschaft, also noch keine Freunde, gefunden zu haben. Außerdem sehnt er sich nach einer Beziehung zu einer Frau und denkt an seine, inzwischen verstorbene, Jugendliebe. Die zusammenhängenden Aspekte von Liebe und Tod treten hier zum ersten Mal auf. Ebenfalls berichtet er davon, einen jungen Mann getroffen zu haben, der wohl Kunst studiere und somit eigentlich einen potentiellen Freund für Werther hätte darstellen können, jedoch empfand er keinerlei Interesse an ihm. Neben dem Kunststudenten, traf Werther auf einen fürstlichen Amtmann, der Werther eingeladen habe, ihn auf seinem fürstlichen Jagdhof zu besuchen. Werther erwähnt vorzuhaben, dieser Einladung bald nachgehen zu wollen. Es wirkt seltsam, dass Werther in einem Brief die Gesamtheit des Adels als negativ darstellt, sich daraufhin nach einem Freund sehnt, sich dann aber gegen einen Kunststudenten, der genau wie Werther malt, und für einen fürstlichen Amtmann entscheidet. Dies erscheint widersprüchlich. Ebenso widersprüchlich, wirkt der schnelle Wechsel Werthers Gemütszustandes, den er am 22. Mai im Brief schildert. Auch wenn Werther die potentielle Einsamkeit im vorherigen Brief bereits andeutete, leidet er nun unter akuter Melancholie. Er redet, in üblich umschweifender Manier, darüber, dass es ihm nicht Reiche, nur ein Bedürfnis-stillendes Leben zu führen, wie es doch so viele Menschen tun. Die Wirklichkeit sagt ihm nicht zu und er fühlt sich in dieser wie eingesperrt, während er in seiner Fantasie eine Möglichkeitswelt findet, die seinen Vorstellungen entspricht und in der er absolute, grenzenlose Freiheit ausleben kann. Nach einem Gedankenbruch beginnt Werther das Verhalten von Kindern zu beschreiben und inwiefern diese ziellos durch ihr Leben irren, dies aber nicht bemerken. Daraufhin behauptet er, dass Erwachsene genauso seien und genauso sinnlosen Titeln hinterherjagen und unabhängig von der Qualität ihres Lebens stets bemüht sind, dieses zu verlängern. Werther fühlt sich den anderen Menschen, die sich den Eingrenzungen fügen, überlegen und weist insbesondere auf seine persönliche Freiheit hin, die ihm ermögliche, diesen „Kerker“, jederzeit, wenn er es denn will, zu verlassen. Auf einmal wird der Leser mit den ersten selbstmörderischen Tendenzen Werthers konfrontiert, obwohl er noch in wenigen Briefen zuvor las, inwiefern Werther sein Leben und die Natur um ihn herum liebt. Der „Kerker“, dem Werther entkommen will, ist das Leben selbst, von dem er sich eingegrenzt fühlt.

Auf Basis der obigen Zusammenfassung, lassen sich Folgende Merkmale des Werthers anhand der Briefe vom 4. – 22. Mai 1771 festhalten. Werther ist ein klassischer Stürmer und Dränger. Empfindsamkeit wird bei ihm auf die Spitze getrieben, und alles was er fühlt, fühlt er absolut. So fühlt er sich zunächst wohl in der Natur und bricht in dieser jegliche Maximen der ihm bekannten Empfindungswelt. Die pantheistischen Leitmotive der Natur werden von ihm bis ins kleinste Detail malerisch umschrieben, als wäre er selbst noch beim schreiben des Briefes gefesselt von dem Gedanken an diese. Dadurch, dass die Briefe im Präsens verfasst sind, wirken die Beschreibungen und Eindrücke Werthers direkter und näher. Dies wird nachdrücklich dadurch unterstützt, dass Raum und Zeit des Textes, für zeitgenössische Leser identifizierbar sind. Die erzählte Welt wird mit pseudorealistischer Authentizität inszeniert, die den Leser noch intensiver in die umschweifenden Empfindungsmonologe Werthers vertieft. Umso stärker ist daher der zeitraffende Effekt des Verhältnisses von erzählter Zeit, zu Erzählzeit. In nur wenigen Minuten vergehen in Werthers Welt fast 2 Wochen, weswegen sein Gemütswandel umso plötzlicher wirkt. Während der Leser Werther am Anfang als einen sehr emotionalen aber lebensfrohen jungen Mann kennen lernt, schwankt der Eindruck ab dem 17. Mai, insbesondere durch den Brief am 22. Mai. Er wirkt melancholisch, fast schon lebensverachtend und stellt sich selbst über alle anderen, in der Hoffnung damit seine Trauer zu unterdrücken und sich besser zu fühlen. Während Werther in der Natur ist, fühlt er sich als Eins mit dieser und vollkommen. Während Werther in der Gesellschaft von Menschen ist, vereinsamt er langsam und entwickelt Suizidgedanken. Er schafft es offenbar nicht, sich richtig zu integrieren, weil er sich selbst im Weg steht. Auch wenn er es selbst nicht wahrhaben will, sieht er sich als was Besseres als die meisten anderen Menschen. Obwohl er meint, die Adeligen zu verachten und sich den Bauern näher zu fühlen, bezeichnet er eben jene als „gering“, wodurch er sich durch seine höhere Stellung als Bürgerlicher profiliert und nimmt gleichzeitig die erste Gelegenheit eines fürstlichen Amtmanns an, ihn auf seinem Jagdhaus zu besuchen. Aber eben genau dieses Verhalten ist typisch für den klassischen Stürmer und Dränger des bürgerlichen Standes. Fühlt sich in der Natur, fern von den Menschen und jeglichen Standesangelegenheiten, wohl, da ihn in der Gesellschaft nur folgendes erwartet: Entweder ein bäuerliches Leben, für das er sich selbst als „zu gut dafür“ ansieht, oder das adelige Leben, das ihn daran zurückerinnert, dass es Leute gibt, die notwendigerweise über ihm stehen. Beide Bereiche wirken wie Grenzen auf Werther, die er nicht überqueren kann. In der Gesellschaft keinen Platz findend, flieht er in die Natur, in der er fortan jeglichen Frohsinn, jegliche Freude und jegliches Glück findet. Als Stürmer und Dränger sind auch die plötzlichen Stimmungswechsel zu erklären, denn alle Emotionen, alle Empfindungen Werthers, sind absolut. Entweder ist er absolut im Reinen mit sich, dem Leben und der Natur, und liebäugelt umfassend und sprachgewannt mit jeder Kleinigkeit, der er in der Natur zu Teil wird, oder er fühlt sich absolut eingegrenzt, ausgeschlossen, einsam und allein. Andere Individuen verachtet er und hebt seine Dominanz ihnen gegenüber hervor, um somit seine eigene Verletzlichkeit zu verbergen. Die selbstmörderischen Gedanken in Verbindung mit dem Gedanken an enttäuschte Liebe und Einsamkeit werden schon früh im Roman aufgegriffen und können als Voraussicht, auf das, was kommen mag, verstanden werden.

Schließlich lässt sich der junge Werther als typische Figur des Sturm und Drang charakterisieren, die für diese Epoche sogar ikonisch werden sollte und so kann man auch seine Wahrnehmung der Umwelt erklären. Empfindungen sind beim Werther bis ins absolute Maximum inszeniert, sowohl die schlechten als auch die guten und als solche durch seinen monologischen, innenperspektivischen und subjektiven Erzählstil umgesetzt. Werther verbringt seine Zeit am liebsten in der Natur und dann, überglücklich. Ein pantheistisches Leitmotiv der Natur prägt seine Wahrnehmung (zu Anfang der Geschichte). Wenn Werther doch mal versucht, unter Menschen zu kommen, plagen ihn fehlende Freund – und Liebschaften und die daraus resultierende Einsamkeit, an der er sich jedes Mal auf Neue und zum Ende hin endgültig, zerreißt.