Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte Bedeutung

Die Schriftstellerin Ulla Hahn zitiert in einem Zeitungsartikel einen Text aus dem Talmud, einer wichtigen Schrift aus dem Judentum. Der Text lautet:

„Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.

Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.“


(FAZ, 30. Juni 2020, 12)

Achte auf deine Gedanken - achte auf deine Worte. Eine Mahnung, die zu allen Zeiten ihre Berechtigung hatte und hat. Die Sprache ist ein Mittel der Kommunikation, das uns Menschen auszeichnet. Und die Kommunikation kann nur gelingen, wenn ich vertrauen kann, dass der andere die Worte so gebraucht wie man sie allgemein versteht. Wenn er ihnen nicht einen eigenwilligen Inhalt gibt.

An das Zitat aus dem Talmud fügt Ulla Hahn fügt noch ein Gespräch aus dem Buch „Alice im Wunderland“ an. Alice fragt den verrückten Hutmacher:

„Kannst du denn die Worte so benutzen, wie du willst?“

Der antwortet:

„Die Frage ist nicht, was ein Wort wirklich bedeutet. Die Frage ist, wer Herr ist und wer nicht.“

Die Herren bestimmen die Sprache und die Bedeutung der Worte. In allen Diktaturen beobachte ich, dass Sprachregelungen getroffen werden, die der Herrschaft dienen. Der russische Revolutionär Lenin sagt es deutlich:

„Die wesentliche Voraussetzung für die Zerstörung der bestehenden Ordnungen ist die Zerstörung der Sprache.“
(Zitat danach: Ulla Hahn: FAZ, 30. Juni 2020, Seite 12)

Die Sprache ist dann nicht mehr ein Medium der Kommunikation, sondern ein Mittel der Indoktrination.

Der Text aus dem Talmud, den Sie eingangs gehört haben, setzt nicht bei der Sprache an. Zuerst geht es in der jüdischen Schrift ums Denken.

„Achte auf deine Gedanken.“

Auch Jesus hat sich zum Thema Sprache und Denken geäußert. Er sagt:

„Was aus dem Mund herauskommt, das kommt aus dem Herzen und das macht den Menschen unrein. Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsche Zeugenaussagen und Verleumdungen. Das ist es, was den Menschen unrein macht.“

(Matthäus, 15, 18-20)

Jesus ruft deshalb zum Umdenken auf. Mit diesem Ruf tritt er in die Öffentlichkeit.

Ein Leitsatz, an dem sich das Denken und dann auch das Reden und Handeln orientieren kann, ist die Goldene Regel. Ich habe sie als Kind in der negativen Form gelernt: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Jesus formuliert positiv:

„Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“

(Matthäus 7,12)

Die Goldene Regel kann mir in Entscheidungssituationen helfen: Ich versetze mich in die Situation des anderen und überlege: Was würde ich an seiner Stelle erwarten?

Dann wird mir vielleicht bewusst, was ich tun soll. Diejenigen, die andere in den Medien beschimpfen und bedrohen, möchten wahrscheinlich nicht so von ihren Mitmenschen behandelt werden.

Im Denken fängt das Böse an. Es zeigt sich in Worten und Taten. Aber im Denken hat auch das Gute seinen Ursprung und führt dann zu guten Worten und guten Taten.


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Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte Bedeutung
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Rabbi A hat von Rabbi B die Lehre von Rabbi C erhalten. Was sich für uns heute mitunter seltsam anhört, ist keine literarische Ausschmückung, sondern zeigt, wie wichtig es ist, die Quelle einer Lehre oder Meinung zu kennen.

APHORISMEN Wer sich viel mit dem Talmud beschäftigt, den verwundert es, dass manches Zitat lediglich mit der Quellenangabe »Talmud« in die Welt gesetzt wurde. So ist ein vermeintlicher Klassiker der Spruch »Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte, achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen, achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten, achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter, achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal«.

Das mag nach den Sprüchen der Väter klingen, doch tatsächlich stammt diese Weisheit wohl von dem englischen Schriftsteller Charles Reade (1814–1884). Irgendwann hat jemand damit begonnen, das Zitat dem Talmud zuzuschreiben – ohne Stellenangabe. Und dann fand es die nächste Person toll und schrieb es ab. Irgendwann hat es sich dann verfestigt. So erging es vielen Sammlungen mit Aphorismen aus dem Talmud. Unsere Weisen hätten vielleicht gefragt: Aber woher hast du diese Lehre?

Unsere Weisen hätten gefragt: Aber woher hast du diese Lehre?

Ein anderes Beispiel, wenn auch etwas weniger spektakulär, ist der Satz: »Zwei können dreimal so viel tragen wie einer.« Der Spruch eignet sich bestens dafür, über Gruppendynamik zu schreiben und darüber, wie wichtig Zusammenarbeit ist. Als Quelle wird Sota 34 angegeben.

Schauen wir uns die Stelle an. Auf Blatt 34a wird der Vers »Jeder von euch nehme einen Stein auf die Schulter entsprechend der Anzahl der Stämme Jisraels« (Jehoschua 4,5) diskutiert. Der größere Zusammenhang ist die Größe der Weinrebe, die die Späher aus dem Land mitbrachten. Die Abbildung davon ist legendär. In diesem Zusammenhang wird auch die Überquerung des Jordans erwähnt, wie sie im Buch Jehoschua beschrieben ist.

Kurz darauf berichtet der Talmud, dass Rabbi Jehuda sprach: »Abba Cha­lafta und Rabbi Elieser ben Matja und Chananja ben Chakhinai standen (später) an diesen Steinen, und sie schätzten jeden auf ein Gewicht von 40 Sea.«

Nun sagt der Talmud: »Es wurde gelernt, dass ein Mensch nur ein Drittel von dem, was er tragen kann, auf die Schulter heben kann.« Wie groß die Weintraube war, könne man also daraus errechnen, dass zwei Stangen zum Einsatz gekommen sind. Zwei Stangen mit jeweils zwei Trägern. Die Rechnung lautet also: Ein Mann kann 120 Sea tragen. Vier Männer waren notwendig. Sie haben gemeinsam 480 Sea getragen (wobei es noch andere Rechnungen gibt).

Irgendwann hat jemand damit begonnen, das Zitat dem Talmud zuzuschreiben – ohne Stellenangabe.

So schwer war die Traube, welche die Späher aus dem Land mitbrachten. In Rabbiner Jakob Sterns Sammlung Lichtstrahlen aus dem Talmud (Leipzig 1900) wurde daraus: »Zwei können dreimal so viel tragen wie einer.« Offenbar wurde das mit dem Drittel falsch verstanden und dann weitergegeben. Oder es handelt sich um eine Vermischung mit Informationen, die Rabbiner Stern aus dem Midrasch kannte.

Denn dieser sagt mit Blick auf den Talmud, dass ein Stein 40 Sea gewogen habe (Bamidbar Rabba 16,14). Dann fährt der Midrasch fort: »Wenn jemand ein Gewicht allein hebt, dann schafft er ein Sea. Wird ihm etwas aufgeladen, dann kann er zwei Sea tragen. Wenn er zwei Sea hebt, kann er mit jemand anderem drei Sea tragen.«

ZITAT Aus Rabbiner Sterns Buch scheint das Zitat auch in die USA gelangt zu sein. Denn in einer ähnlichen Sammlung in englischer Sprache erscheint das Zitat ebenfalls. Von dort wird es vermutlich weiterhin übernommen werden.

Es ist also weiterhin angeraten, sich die Quelle einer Information genau anzuschauen. Das haben schon die Rabbinen des Talmuds vorgemacht, und spätere Generationen haben dies beibehalten. Aus gutem Grund.