Wo tut der blinddarm weh

Ausstülpungen im Dickdarm sind relativ häufig. Entzünden sich diese Divertikel, wird es ungemütlich – und oft braucht es zur Behandlung den Chirurgen.

Renato L. Galeazzi 15.09.2018, 05.30 Uhr

«Wo genau tut es weh?» Mit einer systematischen Abklärung der Beschwerden und der objektiven Befunde gelangt der Arzt zur richtigen Diagnose. (Bild: Imago)

Ein älterer Herr beklagt sich über Schmerzen im linken Unterbauch, leichtes Fieber und Übelkeit. «Es ist wie beim Blinddarm vor vielen Jahren», sagt er. «Nur gibt es links keinen Blinddarm.» Seine Hausärztin ist nicht überrascht. Denn sie weiss, dass die «Blinddarmsymptomatik» auch links vorkommt – meist in Form einer Divertikulitis.

Divertikel sind Ausstülpungen eines Hohlorgans. Sie können an vielen Orten im Körper vorkommen, am häufigsten sind sie aber im Verdauungstrakt. Die meisten Divertikel entstehen im sogenannten Sigmoid, dem vierten Teil des Dickdarms (vgl. Grafik). Seltener finden sie sich im übrigen Dickdarm. Die einzelne Ausstülpung besteht aus Schleimhaut, die durch eine Lücke in der Darmmuskelschicht getreten ist.

Natürliche Schwachstellen

Diese Lücken sind als Durchtrittsstellen für Blutgefässe natürliche Schwachstellen. Der «Blinddarm» hingegen, der eigentlich «Wurmfortsatz des Blinddarms» heisst, ist ein bei allen Menschen vorkommendes Anhängsel des rechten Dickdarms. Weil der Wurmfortsatz sämtliche Gewebeschichten des Darms enthält, spricht man von einem «echten» Divertikel. Die Divertikel im Sigmoid dagegen sind «falsche» Divertikel, da ihnen mindestens die Muskelschicht fehlt.

Dass die Darmschleimhaut meist im Sigmoid durch die Muskellücken in den Bauchraum gedrückt wird, hat physikalische Gründe: Nach dem Laplace’schen Gesetz verhält sich der Druck auf die Wand eines Hohlkörpers proportional zur Wandspannung und umgekehrt proportional zum Durchmesser des Hohlorgans. In beiderlei Hinsicht bietet das Sigmoid «optimale» Bedingungen. So ist es der dünnste Teil des Dickdarms, und seine Wandspannung ist hoch, weil der Speisebrei hier am Austrocknen ist. Die zirkuläre Muskelschicht muss daher gegen Widerstand arbeiten, um den Kot Richtung Ausgang zu bewegen.

Als wäre das nicht genug, zieht sich bei vielen Menschen die sigmoidale Darmmuskulatur unverhältnismässig stark zusammen, was den Druck auf die Wand zusätzlich erhöht. Der Grund für diese muskuläre Übererregbarkeit ist nicht bekannt, Stress scheint jedoch eine Rolle zu spielen. Weitere Risikofaktoren für die Divertikelbildung sind «Ernährungsfehler» (zu wenig Ballaststoffe, viel «rotes» Fleisch), Übergewicht, mangelnde Bewegung und Rauchen. Werden diese Faktoren ausgeschaltet, lassen sich Divertikel zwar nicht immer verhindern, doch das Risiko nimmt ab.

Die Häufigkeit von Divertikeln steigt im Laufe des Lebens an: von 20 Prozent bei unter 40-Jährigen auf 40 bis 60 Prozent bei über 60-Jährigen. Das Vorhandensein von Divertikeln ist allerdings noch keine Krankheit. Erst wenn Komplikationen auftreten, besteht ein gesundheitliches Problem. Zu nennen sind in erster Linie die Entzündung (Divertikulitis) sowie die akute Darmblutung. Da Letzteres ein Zeichen einer schweren Krankheit sein kann, sollte sie von einem Spezialisten abgeklärt werden. Die Divertikelblutung ist meist hellrot und sofort bemerkbar, da Blut im Darm als Abführmittel wirkt. Die meisten dieser Blutungen sind nicht lebensgefährlich und werden spontan gestillt.

Kleine Perforationen

Die Entzündung stellt die häufigste Komplikation von Divertikeln dar. Früher wurde angenommen, dass harter Darminhalt («Stuhlsteine») zu einer Verstopfung der Eintrittsstelle des Divertikels führt, was dann eine Stauung und Entzündung auslöst. Heute denkt man, dass kleine Durchbrüche (Perforationen) in der Divertikel-Schleimhaut die Ursache sind. Diese Erklärung deckt sich mit der Tatsache, dass von Divertikeln ausgehende Durchbrüche bis in den Bauchraum reichen können. Auf diese Weise entstehen gefährliche Eiterherde (Abszesse) und Fistelungen (Durchbrüche in andere Darmteile, in die Harnblase oder die Vagina). In diesen Fällen – sie können bis zum Darmverschluss führen – spricht man von einer komplizierten Divertikulitis.

Die Beiträge der Rubrik «Häufige Krankheiten – modern behandelt» sollen einen Überblick über die wichtigsten Aspekte einer Krankheit geben. Da bei jeder Beurteilung auch patientenspezifische Faktoren zu berücksichtigen sind, können sie das Gespräch mit dem eigenen Arzt nicht ersetzen. Bereits erschienene Artikel finden sich hier.

Wie der eingangs erwähnte ältere Herr klagen viele Divertikulitis-Patienten über Schmerzen im linken Unterbauch, Fieber und Übelkeit. Bei der körperlichen Untersuchung reagiert der Patient sowohl beim Drücken auf die Bauchdecke als auch beim Loslassen mit Schmerzen. Ebenfalls wegweisend für die Diagnose sind erhöhte Entzündungszeichen in den Laborbefunden. Um eine komplizierte Divertikulitis auszuschliessen, ist eine Computertomografie (CT) des Unterbauchs notwendig.

Das ist auch deshalb wichtig, weil eine unkomplizierte Divertikulitis meist relativ einfach und ambulant behandelbar ist: mit Instruktionen zur Ernährung (anfänglich nur flüssige, dann möglichst ballastarme Kost), Antibiotika zum Schlucken und allenfalls Schmerzmitteln. Wegen der vielfältigen Bakterienflora im Darm sind entweder Antibiotikakombinationen oder ein Breitbandantibiotikum während 7 bis 10 Tagen nötig.

Wenn Antibiotika nicht reichen

Zeigen sich im CT die Zeichen einer komplizierten Divertikulitis oder spricht der Patienten nicht innert dreier Tage auf die Therapie an, ist eine Spitaleinweisung unumgänglich. In diesem Fall müssen die Antibiotika intravenös verabreicht werden; der Patient braucht jetzt auch eine stärkere Schmerzstillung, und der Bauchchirurg muss konsultiert werden. Je nach Situation wird er notfallmässig operieren, so etwa bei akutem Darmverschluss, bei von aussen nicht entleerbaren Abszessen oder bei Bauchfelleiterung. Gelegentlich muss dabei ein künstlicher Darmausgang geschaffen werden. Dieser kann aber meist nach einiger Zeit – in einem zweiten Eingriff – wieder «zurückverlegt» werden.

Im günstigen Fall kann die Operation ohne künstlichen Darmausgang durchgeführt werden; der Eingriff geschieht idealerweise nach Abklingen der akuten Symptome («à froid»). Um weiteren Krankheitsschüben vorzubeugen, kann die Operation auch Patienten mit hartnäckiger oder wiederkehrender unkomplizierter Divertikulitis angeboten werden. Ziel jeder Divertikulitis-Operation sind die Entfernung der mit den entzündeten Ausstülpungen befallenen Dickdarmanteile und die Wiederherstellung der Darmkontinuität.

Um solch langwierige und potenziell gefährliche Krankheitsverläufe zu verhindern, sollte man schon in jungen Jahren an die Prophylaxe denken. Wie erwähnt besteht diese aus ballastreicher Ernährung, Rauchstopp und körperlicher Aktivität. Gefragt ist also jenes Verhalten, das ganz generell für ein langes und gesundes Leben ratsam ist.

Renato L. Galeazzi ist emeritierter Medizinprofessor. Er war als Chefarzt am Kantonsspital St. Gallen tätig.

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Der Blinddarm ist der Anfangsteil des im rechten Unterbauch aufsteigenden Dickdarms. Eigentlich ist die Bezeichnung "Blinddarmentzündung" sogar falsch, da sich nicht der ganze Blinddarm entzündet, sondern nur sein Anhängsel, der Wurmfortsatz. Wir verraten Ihnen, woran Sie eine Blinddarmentzündung erkennen und wann der Gang zum Arzt dringend notwendig ist.

Der häufigste Grund für eine Blinddarmentzündung (Appendizitis) ist die Verstopfung des Darms. Wenn sich im Dickdarmausgang Kot sammelt, können Bakterien für die Entzündung des Wurmfortsatzes verantwortlich sein.

Weitere mögliche Ursachen für eine Blinddarmentzündung:

  • Knicke im Darm, die für eine Verstopfung sorgen
  • Narbengewebe im Darm, die den Darm verengen
  • Fremdkörper, wie Kirschkerne, Parasiten oder Wucherungen

Ein klassisches Symptom für eine Blinddarmentzündung, das wohl die meisten kennen, sind Bauchschmerzen, vor allem im Unterbauch rechts. Doch das ist nicht das einzige Anzeichen, das auf eine Blinddarmentzündung hinweist. Weitere Symptome können sein:

  • Fieber
  • Beschleunigter Puls
  • Übelkeit
  • Appetitlosigkeit
  • Verstopfung oder Durchfall

Wo tut der blinddarm weh

Wie kann man herausfinden, ob man eine Blinddarmentzündung hat?

© Getty Images/iStockphoto, vitapix

Viele Menschen fragen sich bei Bauchschmerzen und Druckgefühl im Unterbauch sofort, ob vielleicht eine gefährliche Blinddarmentzündung vorliegt. Um das schnell herauszufinden, gibt es einige Handgriffe und Methoden:

  1. Blumberg-Zeichen
  2. Psoas-Zeichen
  3. Sitkowski-Zeichen
  4. McBurny-Punkt
  5. Lanz-Punkt
  6. Rovsing-Symptom

Im Video zeigen wir Ihnen, wie die Selbsttests zum Blumberg-Zeichen, Psoas-Zeichen und Sitkowski-Zeichen ablaufen. Und das steckt hinter dem McBurny-Punkt, dem Lanz-Punkt und dem Rovsing-Symptom:

McBurny-Punkt: Um eine Blinddarmentzündung festzustellen, wenden Ärzte diese Methode an. Man kann sie bei akuten Bauchschmerzen auch selbst anwenden, um herauszufinden, ob der Blinddarm entzündet ist: Der Punkt liegt in der Mitte der Verbindungslinie zwischen Bauchnabel und dem rechten Vorsprung des Hüftknochens. Der Betroffene muss auf einem harten Untergrund liegen und entspannt ein- und ausatmen. Mit den Fingern einer Hand drückt man auf den McBurny-Punkt. Bei einer Blinddarmentzündung tritt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein stechender Schmerz auf.

Lanz-Punkt: Dieser Punkt liegt zwischen dem rechten und mittleren Drittel der Verbindungslinie zwischen den beiden Vorsprüngen des Hüftknochens. Der Test auf eine Blinddarmentzündung verläuft beim Lanz-Punkt genau wie beim McBurny-Punkt.

Rovsing-Symptom: Diese Methode unterscheidet sich nur minimal von den oben genannten: Anstatt eines festen Druckes wird bei dieser Methode der Dickdarm zum rechten Unterbauch hin mit leichtem Druck ausgestrichen. Bei einer akuten Blinddarmentzündung treten sofort stechende Schmerzen auf.​

Eine Blinddarmentzündung kann tödlich enden, wenn der Blinddarm durchbricht. Das heißt, wenn das Entzündungssekret in den Bauchraum austritt. Deshalb sollten Sie trotz aller Heimdiagnosen immer einen Arzt aufsuchen, auch wenn alle oben genannten Handgriffe keine Schmerzen hervorrufen.

Eine Blinddarmoperation, auch Appendektomie genannt, ist für Ärzte und Chirurgen ein Routineeingriff. Oft muss gar kein Schnitt mehr angesetzt werden, sondern ein kleiner Einstich in die Bauchdecke genügt schon, um den Blinddarm zu operieren. Der Vorteil eines solchen Eingriffes ist nicht nur die ausbleibende Narbe auf dem Unterbauch, sondern auch die geringere Wahrscheinlichkeit, dass sich die Wunde entzündet.

Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel kann einen Besuch beim Arzt nicht ersetzen. Er enthält nur allgemeine Hinweise und darf daher keinesfalls zu einer alleinigen Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung herangezogen werden.