Wie bekommt man Zwillinge Junge und Mädchen

Der rasche Anstieg der zweieiigen Zwillinge - Statistischer Zufall oder gibt es dafür Gründe? Ein Frauenarzt im Klinikum Mittelbaden und eine Gynäkologin des Kinderwunschzentrums Heidelberg erklären, wie die Zahlen zustande kommen und, was der medizinische Fortschritt damit zu tun hat.

Als Erich Kästners Zwillingsgeschichte „Das doppelte Lottchen“ 1949 erschien, waren Zwillinge noch ein seltenes Phänomen. Es galt damals die „Hellin-Regel“, nach der im Schnitt jede 85. Geburt eine Zwillingsgeburt sein sollte. Diese Zeiten sind vorüber. 1.989 Zwillingsgeburten gab es im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg, das ist der zweithöchste Wert seit Bestehen des Landes. Bei jeder 54. Geburt wurden Zwillinge geboren.

Laut Statistischem Landesamt waren in den 1980er Jahren Zwillingsgeburten mit einem Jungen und einem Mädchen am seltensten, seit 2001 befinden sich die gemischt-geschlechtliches Zwillingspaare im Anstieg. Eineiige Zwillinge haben immer das gleiche Geschlecht. Bei zweieiigen Zwillingen kann das Geschlecht und die Zusammensetzung variieren. Gründe für den Geburten-Anstieg von zweieiigen Zwillingen sind „späte Geburten“ und die künstliche Befruchtung.

„Späte Geburt“ als Grund

Michael Wannenwetsch, leitender Arzt für Geburtshilfe und Pränataldiagnostik am Klinikum Mittelbaden, sieht die Schwangerschaft älterer Frauen als Faktor für den Anstieg der Zwillings-Schwangerschaften in ganz Europa. Bei einer späten Befruchtung haben die Eierstöcke weniger Kapazität, sagt der Gynäkologe. Das Gehirn sendet deshalb, zum Ausgleich, auf einen Schlag eine große Menge an Hormonen aus, die die Eizellreifung der Frau stimulieren. So kann es passieren, dass mehr als eine befruchtete Eizelle entsteht. „Das macht die Natur so“, sagt Wannenwetsch.

Mehr Zwillinge durch In-Vitro-Fertilisation

Ein weiterer Faktor zum Anstieg der Geburten von zweieiigen Zwillinge sei die künstliche Befruchtung durch eine „In-Vitro-Fertilisation“ (IVF), sagt Wannenwetsch. „In Vitro“ beschreibt die Befruchtung der Eizelle im Reagenzglas. Die Eizellen werden der Frau entnommen, befruchtet und wieder eingesetzt. In Deutschland gängig sei der Single-Embryonen-Transfer, sagt Gynäkologe Wannenwetsch.

Bei diesem Prozess wird nur eine Eizelle befruchtet. Gesetzlich erlaubt sei in Deutschland aber auch die Befruchtung von bis zu drei Eizellen. In Dänemark oder Tschechien, aber auch in Spanien werden in der Regel mehr Eizellen befruchtet und eingesetzt, um die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft zu erhöhen, sagt der Frauenarzt. Die Folge sind vermehrte zweieiige Zwillings-Schwangerschaften.

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Gründe für den Rekord von gemischt-geschlechtlichen Zwillingen, sieht Wannenwetsch im Anstieg der zweieiigen Zwillinge allgemein: „Wenn mehr Zweieiige gezeugt werden, sind auch mehr davon verschiedenen Geschlechts. Zumal ja Eineiige immer das gleiche Geschlecht haben.“

Das Geschlecht dürfen Mediziner bei der Zeugung nicht untersuchen, sagt Wannenwetsch: „Das ist in Deutschland verboten.“ Auch Christina Thöne, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Kinderwunschzentrum Heidelberg sieht keinen medizinische Ursachen für die vielen Jungen-Mädchen-Paare.

Die In-Vitro-Befruchtung von drei Eizellen, „das ist fast Körperverletzung“, sagt Thöne. Sie meint damit die Komplikationen von Mehrlingsgeburten während der Schwangerschaft und bei der Geburt selbst. Im Kinderwunschzentrum arbeiten fünf Ärztinnen, die Paare unterstützen, denen der natürliche Weg zum Kind verwehrt bleibt.

Auch Thöne sagt, dass der Anstieg der Zwillingsgeburten mit der künstlichen Befruchtung, aber auch mit der Hormonstimulation bei der Frau zusammenhängt. Der Anteil der durch künstliche Befruchtung entstandenen Kinder liege in Deutschland bei etwa zwei Prozent.

Künstliche Befruchtung im Ausland erhöht Risiken

Gynäkologe Michael Wannenwetsch respektiert den Kinderwunsch, sieht jedoch die mehrfache Befruchtung im Ausland kritisch. „Eine Zwillings-Schwangerschaft ist eine Risikosituation“, sagt er, vorzeitige Wehen durch die Doppelbelastung werden regelmäßig zum Problem. „Wir brauchen eine europäische Regelung“, sagt er. Idealerweise solle die Anzahl der befruchteten Eizelle auf eine beschränkt werden.

Zweieiige Zwillinge kommen deutlich häufiger vor als eineiige. Wie sie entstehen, ob sie das gleiche Geschlecht haben können, wie man feststellt, was man bekommt und ob es eine familiäre Häufung gibt.

Was ist der Unterschied zwischen eineiigen und zweieiigen Zwillingen?

Bei eineiigen Zwillingen teilt sich eine befruchtete Eizelle in einem sehr frühen Entwicklungsstadium in zwei Zellpopulationen, wodurch zwei Embryoanlagen entstehen können. Eineiige Zwillinge sind genetisch identisch, da sie von der gleichen Eizelle und Samenzellen stammen.

Zweieiige Zwillinge entstehen hingegen, wenn innerhalb eines Zyklus zwei Eizellen reifen und auch befruchtet werden. Das ist der Grund, warum zweieiige Zwillinge auch unterschiedliche Geschlechter haben können. Diese müssen übrigens nicht beim selben Mal Sex befruchtete werden. Medizinisch gesehen wären sie jedoch bei der Entstehung an unterschiedlichen Tagen keine Zwillinge.

Auch die zwei Eisprünge müssen nicht unbedingt gleichzeitig passieren. Allerdings erfolgen sie meist innerhalb eines Tages, da die hormonelle Situation im Körper der Frau sich so ändert, dass danach für den Rest des Zyklus kein weiterer Eisprung mehr möglich ist. Durch diesen möglichen zeitlichen Abstand ist es übrigens theoretisch möglich, dass zweieiige Zwillinge zwei unterschiedliche Väter haben.

Da sie aus zwei befruchteten Eizellen mit jeweils einer eigenen Erbgutausstattung entstehen, sind zweieiige Zwillinge grundsätzlich genetisch nicht identisch. Sie sind sich genetisch genauso ähnlich oder fremd wie Geschwister, die im Abstand von Jahren gezeugt wurden.

Können zweieiige Zwillinge das gleiche Geschlecht haben?

Während eineiige Zwillinge immer das gleiche Geschlecht haben, können zweieiige Zwillinge sowohl Jungen- oder Mädchen-Paare sein, oder aber Junge und Mädchen.

Wann kann man feststellen, ob man eineiige oder zweieiige Zwillinge erwartet?

In der Regel machen es moderne Ultraschallverfahren heutzutage möglich, schon früh während der Schwangerschaft zu erkennen, ob die Zwillinge eineiig oder zweieiig sind. Am eindeutigsten ist das zwischen der achten und zwölften Schwangerschaftswoche: Dann ist sichtbar, ob sich die Embryos in zwei getrennten oder in einer Embryonalhülle entwickeln. Nach der 16. Schwangerschaftswoche wird das fast unmöglich, da dann die Embryonalhülle so nah an der inneren Gebärmutterwand liegt, dass man sie nicht mehr eindeutig erkennen kann.

Teilen sich die Kinder ein Amnion, das ist die spätere Fruchtblase, sind es sicher eineiige Zwillinge. Werden zwei Fruchtblasen entdeckt, können die Zwillinge in seltenen Fällen auch eineiig sein, meist sind sie dann aber zweieiig. Werden die Embryos über eine gemeinsame Plazenta versorgt, sind sie eindeutig eineiig. Ein Drittel der eineiigen Zwillinge verfügen aber auch je über einen eigenen Mutterkuchen.

Zweieiige Zwillinge hingegen haben immer eine eigene Fruchtblase und eine eigene Plazenta. Wird der Platz in der Gebärmutter eng, kann es allerdings sein, dass beide Mutterkuchen zu einem verschmelzen und dann bei der Geburt wie eine gemeinsame Plazenta erscheinen.

Nach der Geburt kann man die Eineiigkeit bzw. Zweieiigkeit der Zwillinge mit einem Gentest bestätigen, für den Zellen, zum Beispiel aus der Mundschleimhaut entnommen, untersucht werden.

Grundsätzlich gilt: Je früher man sich sicher ist, desto besser. Denn besonders eine Schwangerschaft mit eineiigen Zwillingen muss genau überwacht werden. Da sich zwei Drittel der eineiigen Zwillinge eine Plazenta teilen, kann es sein, dass eines davon schlechter versorgt wird, als das andere. Das kommt besonders häufig im letzten Trimester vor. Und kann dazu führen, dass die Geburt eingeleitet werden muss, wenn das Risiko im Bauch zu hoch wird.

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Gibt es eine familiäre Häufung für zweieiige Zwillinge?

Es wurde wissenschaftlich nachgewiesen, dass es innerhalb einer Familie zu einer Häufung von Zwillingsgeburten kommen kann. Diese Neigung wird von der Seite der Mutter weitervererbt. So haben etwa Schwestern von Zwillingsmüttern eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit, ebenso Zwillinge zu bekommen. Dies gilt nicht für eineiige, sondern nur für zweieiige Zwillinge.

Was gibt es häufiger: eineiige oder zweieiige Zwillinge?

Nur etwa ein Viertel aller in Deutschland geborenen Zwillinge sind eineiig. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 4:1000. Während sich an dieser Rate seit Jahrzehnten wenig verändert hat, kommen immer mehr zweieiige Zwillinge zur Welt.

Dafür gibt es mehrere Gründe, unter anderem diese:

  1. Die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung wird häufiger wahrgenommen. Dabei entstehen oft mehrere Embryonen, in Deutschland dürfen der Frau bis zu drei implantiert werden. In rund jedem sechsten Fall geht die Geburt von zweieiigen Zwillingen in Deutschland auf künstliche Befruchtung zurück (Stand: 2011).
  2. Auch durch Hormontherapien, die den Eisprung der Frau anregen sollen, entstehen vermehrt zweieiige Zwillinge. Dadurch ist es möglich, dass gleich mehrere Eizellen heranreifen.
  3. Dass Mütter im Durchschnitt immer älter werden, ist ein weiterer Faktor, der die Geburt von zweieiigen Zwillingen begünstigt. Komisch, aber wahr: Je älter eine Frau ist, desto unwahrscheinlicher wird sie schwanger. Die Wahrscheinlichkeit, Zwillinge zu bekommen, steigt aber.
  4. Frauen wurden in den vergangenen Jahrzehnten durchschnittlich größer und schwerer. Und auch dieser Fakt führt zu vermehrten Zwillingsschwangerschaften. Am höchsten ist die Chance übrigens bei Müttern mit einem BMI von über 30.

Quellen: Thieme.de, Wikipedia.com, Spiegel.de

Bildquelle: Getty Images

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