Text: Petra Boschen Foto: AdobeStock/ mariesacha Pferde können schwere Reiter tragen – aber dafür brauchen sie bestimmte Voraussetzungen, wie eine neue englische Studie bestätigt. Der Fokus liegt auf Röhrbein, Rücken und Lendenpartie. Ab 62 Kilogramm inklusive Turnierkleidung ist Schluss! Das ist das Maximalgewicht für Reiter und Senioren in den Ponyprüfungen auf den Bundeschampionaten. Jockeys dürfen für Rennen nicht schwerer als 55 Kilogramm sein, und Vielseitigkeitsreiter wurden bis 1998 nach der Geländestrecke gewogen und mussten mindestens 70 Kilogramm auf die Waage bringen – inklusive Sattel. Es besteht augenscheinlich ein enger Zusammenhang zwischen Reitergewicht, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden unserer Pferde beziehungsweise Ponys. Doch wie viel Gewicht kann ein Reitpferd tragen? Welches Gewicht passt zu welchem Pferd? Und vor allem: Wie schwer ist zu schwer? Damit hat sich die Veterinärin Dr. Sue Dyson aus dem englischen Norfolk beschäftigt. Gerade in Großbritannien wird das Thema Reitergewicht stark diskutiert, kämpfen dort doch laut einer Studie von 2017 mehr als 63 Prozent der Bevölkerung mit zu viel Körpermasse. Im April 2018 wurde sogar eine Zuckersteuer eingeführt, um den Drang der Briten nach Süßem einzudämmen. Schwere Menschen, die sich von stark geforderten Vierbeinern tragen lassen, sind in England kein seltener Anblick. Dr. Sue Dyson hat für ihre wissenschaftliche Testreihe vier Reiter unterschiedlicher Gewichtsklassen (61 kg bis 142 kg) auf sechs verschiedene Pferde gesetzt. Bei den halbstündigen Ritten der Probanden wurde vor allem auf Veränderungen des Gangbildes sowie Anzeichen von Unzufriedenheit auf Seiten des Tiers geachtet. Das Ergebnis: Pferde können problemlos zehn Prozent ihres Körpergewichts tragen. Für einen durchschnittlichen Warmblüter von 600 Kilogramm entspricht das einem Reiter, der nicht mehr als 60 Kilogramm auf die Waage bringt. Auch 15 Prozent sind unter normalen Umständen gut für das Pferd zu verkraften, so die Wissenschaftlerin. Ein Durchschnittswarmblüter kann also auch noch einen Menschen mit 90 Kilogramm tragen. 120 kg Lebendgewicht – 20 Prozent des Pferdegewichts – „erträgt“ das Beispielpferd nur noch unter „optimalen Bedingungen“. Alle Reiter, die schwerer sind und sich trotzdem regelmäßigin den Sattel schwingen, können chronische Schäden an Muskulatur sowie Bewegungsapparat hervorrufen. Die Gleichung sehr schwerer Reiter braucht ein von Natur aus schwereres Pferd trifft es aber auch nicht. … weitere Informationen finden Sie in der Oktober-Ausgabe.
Der Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. (kurz: TVT) hat im Jahr ein Merkblatt inklusive Studie zum Thema “Reitergewicht”: Beurteilung der Gewichtsbelastung von Pferden unter Tierschutzgesichtspunkten” veröffentlicht und spricht in diesem Empfehlungen hinsichtlich der Thematik aus. In dem Merkblatt empfiehlt der TVT, dass ein Reiter maximal 15 Prozent des Pferdegewichts wiegen sollte. Weitere Untersuchungen haben in diesem Zusammenhang aufgezeigt, dass es darüber hinaus vor allem um die Breite der Lende und den Umfang des Röhrbeins geht. Denn je breiter die Lende und je größer der Umfang des Röhrbein ist im Verhältnis des Vierbeiner ist, desto weniger dauerhafte Schäden wurden beim Pferd durch das zusätzliche Reitergewicht festgestellt. Wie schwer darf ich für mein Pferd sein? Wie schwer ein Reiter für sein Pferd sein darf, hängt vom Röhrbeinbelastungsindex des Pferdes ab.
Auch wenn es keinen „Rechner“ gibt, mit dem das Maximal-Gewicht berechnet werden kann, liefert der so genannte Röhrbeinbelastungsindex. Hat das Röhrbein, also der dritte Mittelfußknochen des Pferdes, eine Dicke von mehr als 20 cm pro 450 kg auf, kann das Pferd verhältnismäßig viel Gewicht tragen. Konkret wird der Röhrbeinbelastungsindex wie folgt berechnet:
Welches Reitergewicht für welches Pferd? Wie viel Gewicht ein tragen kann, hängt von vielen Faktoren wie Körperbau, Trainingszustand, Ausrüstung etc. ab. Jedes Pferd kann ein anderes Reitergewicht tragen.
Immer wieder liest man “Das Pferd ist ein Gewichtsträger” – Doch was heißt das? Wie schwer ein Pferd tragen kann, hängt von der Pferdetypen, der Nutzungsrichtungen und am allermeisten dem Körperbau ab. Pferde mit kurzen bis mittellangen, nicht durchhängendem Rücken können in der Regel ohne Probleme schwere Lasten tragen. Auch kräftige Beine und eine große Gurtentiefe wirken sich positiv auf die “Gewichts-Belastbarkeit” des Pferdes auf. Vierbeiner mit einem besonders langen, geschwungenem oder sogar hängendem Rücken sollte hingegen nicht als Gewichtsträger eingesetzt werden. Weitere wichtige Komponenten sind außerdem reiterliches Können, Ausbildungsstand des Pferdes sowie die Konstitution des Vierbeiners. Auch die Ausrüstung wie beispielsweise der Sattel des Reiters spielen einen entscheidende Rolle und müssen auf das Pferd abgestimmt sein. Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. hat eine Tabelle erstellt, die die urchschnittliche Belastung verschiedener Pferderassen zeigt. Hier wird deutlich, dass Rassen, die oft als Gewichtsträger angesehen werden, nicht unbedingt welche sind. Wichtig ist aber zu sagen, dass es sich lediglich um Durchschnittswerte handelt, es innerhalb der Rasse zu Abweichungen kommen kann und jedes Pferd stets individuell beurteilt werden sollte.
Quelle: Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V Zwischen den Pferderassen gibt es also deutliche Unterschiede. Dieses hängt oft mit der ursprünglichen Nutzung und der dementsprechenden Zuchtintention zusammen. Gebirgspferde wie der Haflinger sind mit dem Ziel gezüchtet worden, schwere Lasten über die Alpen zu transportieren. Shetlandponys kommen von den schottischen Shetland Inseln, wo das Klima rau und das Futterangebot dementsprechend knapp ist. Um auch andere Pferderassen zu versorgen, zogen die schottischen Mini-Ponys jahrelang schwere Karren oder trugen schwere Lasten. So gehört das Shetlandpony zu den stärksten Pferderassen überhaupt, da sie bis zu 60 Kilo schleppen können, was durchschnittlich 30 Prozent ihres eigenen Gewichts entspricht. Besonders hervorgehoben werden muss zudem das Islandpferd: „Islandpferde werden seit Jahrhunderten auf eine reiterliche Nutzung durch erwachsene Reiter gezüchtet. Trotz ihrer relativ geringen Widerristhöhe und des dadurch auch geringeren Gewichts gegenüber anderen Pferden und Kleinpferderassen haben Isländer in den vergangenen Jahrhunderten einige Besonderheiten entwickelt, die sie befähigen, relativ hohe Gewichte relativ schadlos zu tragen.“ So sieht man auch heute noch zahlreiche Erwachsene, die die verhältnismäßig kleinen Islandpferde reiten. Darüber hinaus zeigt die Tabelle, dass Rassen wir das Quarter Horse oder das Süddeutsche Kaltblut keinen sonderlich hohen RI haben. Für viele ist das vor allem in Bezug auf das Kaltblut eine Überraschung. Warmblutrassen wie der Hannoveraner oder Trakehner, die oft im Turniersport unterwegs sind, zeigen ebenfalls einen eher niedrigen Röhrbeinbelastungsindex auf. Wie schwer darf man für einen Isländer sein? In Verhältnis zu ihrer geringen Körpergröße können Isländer recht schwer tragen. Durchschnittlich können sie circa 20% Prozent ihres Körpergewichts tragen.
Muss ein Pferd dauerhaft zu viel Reitergewicht tragen, kann das erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Dazu hat der TVT eine Studie durchgeführt, in welcher sechs Pferden zwischen 500 und 600 kg von vier verschiedenen Reiter mit einem Körpergewicht zwischen 60,8 kg und 142,1 kg geritten wurden. Bei den schweren und sehr schweren Reitern zeigten die Pferde Unwohlsein, Schmerzen und Lahmheit, sodass das Reiten zeitig abgebrochen wurde. Die Gewichtsbelastung lag hier bei 20% der Pferdekörpergewichts und mehr. Das zeigt deutlich, dass gesundheitlich Folgen drohen, wenn Pferde mit zu viel Gewicht belastet werden. Die Vierbeiner zeigen häufig Veränderungen in der Muskulatur in Form von Verspannungen und Verhärtungen. „Es ist unbestritten, dass zusätzliches Gewicht auf dem Rücken eines Pferdes zu Veränderungen sowohl in der Anatomie als auch im Bewegungsablauf führt. Die Gewichtsbelastung des Rückens führt zu einem verstärkten Durchbiegen der Wirbelsäule nach unten und einer Versteifung in der seitlichen Bewegung. In der Bewegung sind u.a. eine Verlängerung der Standphase und eine Verkürzung der Hängephase der einzelnen Gliedmaßen messbar. Diese Veränderungen sind abhängig von der Höhe der Gewichtsbelastung und können auf Dauer zu Schmerzen und chronischen Veränderungen v.a. am Rücken und den Beinen führen“, folgert der TVT in dem veröffentlichten Merkblatt. Vor allem Gewichtsbelastungen von 25 oder sogar 30% des Pferdegewichts bringen Schäden an der Muskulatur mit sich und verursachen dauerhafte Schäden am Rücken oder am gesamten Bewegungsapparat. Diese können als tierschutzwidrig angesehen werden. Kann man mit 100 kg reiten? Reiter mit 100 Kilogramm Körpergewicht können reiten, die Pferden sollten aber dementsprechend belastbar sein.
Bleibt festzuhalten – DAS Maximal-Reitergewicht gibt es zwar nicht, aber es gibt entscheidende Richtlinien, an die man sich zum Wohle des Pferdes halten sollte. Wie viel der Vierbeiner tragen kann, hängt von zahlreichen Faktoren wie dem Körpergewicht von Pferd und Reiter, dem Alter, dem Trainingszustand, den Trainingsgegebenheiten (Boden, Ausstattung etc) und der Ausrüstung ab. Bist Du Dir unsicher, ob Du zu schwer für Dein Pferd bist, empfehlen wir Dir, Rücksprache mit Deinem Reitlehrer oder Tierarzt zu halten. So könnt ihr gemeinsam darüber beratschlagen und stets die Gesundheit des Vierbeiners im Auge behalten.
Beliebte Pferde im ehorses Marktplatz Michelle Holtmeyer hat nach ihrem Germanistik-Studium in Bangkok und Berlin gelebt, bevor sie zu ehorses & edogs kam. Sie ist nicht nur leidenschaftliche Dressurreiterin, sondern versorgt Dich als Expertin rund um das Thema Pferd mit Branchen-News und Ratgebern. Erreichen kannst Du Michelle unter .
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