Welcher Supermarkt in Deutschland hat die meisten Kunden?

Auch 2021 weisen die Marktforscher von Nielsen Tradedimensions die 2020 in Deutschland erwirtschafteten Umsätze der Lebensmittelhändler im Top-30-Ranking aus.

Die 30 größten Lebensmittelhändler in Deutschland konnten 2020 ihren Gesamtumsatz mit 10 Prozent auf fast 264,1 Milliarden Euro steigern. Der Food-Umsatz lag hier bei knapp 223 Milliarden Euro, was eine Steigerung von 8,2 Prozent ausmacht. Dies ist vor allem der Corona-Pandemie geschuldet.

Bewegung unter den Top 4 der Branche ist auch dieses Jahr kaum zu verzeichnen. Und so ist das Ergebnis beim Marktanteil keine Überraschung: Edeka (− 0,4 Prozentpunkte), Rewe (+ 1,1 Prozentpunkte), die Schwarz-Gruppe (+ 0,5 Prozentpunkte) sowie Aldi (+ 0,1 Prozentpunkte) decken insgesamt 74,5 Prozent des Lebensmitteleinzelhandels in Deutschland ab (2019: 70,2 Prozent). Diese Unternehmen führen seit Jahren die Rangliste an. Der Abstand zwischen Edeka und Rewe hat sich durch die Lekkerland-Übernahme zum Jahresanfang 2020 deutlich verringert. Bewegung in diese Reihenfolge könnten die diesjährig anstehenden Real-Übernahmen bringen.

Die neue Nummer 5 der Rangliste ist der Drogeriemarktbetreiber dm. Real, das ehemalige Einzelhandelsunternehmen der Metro, belegt Platz 6 vor Rossmann und Metro, die sich mittlerweile auf das Großhandelsgeschäft fokussiert. Weiterhin haben ab Platz 9 folgende Händler ihre Positionen getauscht: Globus mit Bartels-Langness und Norma mit Transgourmet. Die Bartels-Langness-Gruppe hat im Gegensatz zu letztem Jahr einen Umsatzrückgang von 8,5 Prozent zu verzeichnen, was hauptsächlich auf den Großhändler Citti zurückzuführen ist. Globus wiederum konnte mit einer Umsatzsteigerung von 2 Prozent auf Platz 9 vorrücken. Auch Transgourmet muss durch die Pandemie einen Umsatzverlust von 11,7 Prozent hinnehmen, was das Unternehmen im Ranking auf Platz 12 verweist. Der Nürnberger Discounter Norma hingegen hat seine Position um einen Rang verbessern können. Das Bio-Unternehmen Dennree klettert auf Platz 16, während Alnatura (+ 20,9 Prozent) auf Platz 19 verweilt.

Der Branchenführer Edeka ist mit einer Steigerung auf über 67 Milliarden Euro vertreten und steht mit einem Marktanteil von 25 Prozent für ein Viertel des Lebensmittelhandels. Die Regionalgesellschaften haben ihren Umsatz um 10,8 Prozent gesteigert, Netto Markendiscount um 8 Prozent, nachdem im Vorjahr die Steigerung nur 1 Prozent betrug.
Die Nummer 2 im Top-30-Ranking, die Rewe-Gruppe, konnte ihren Umsatz auf über 55,6 Milliarden Euro steigern. Die Übernahme des Convenience-Großhändlers Lekkerland beeinflusst die Gruppe positiv, womit die großen Verluste in der Touristik-Branche aufgefangen werden.

Wie fielen bei den Discount-Unternehmen die Umsatzsteigerungen aus? Auch hier hat die Pandemie das Wachstum befeuert, die Unternehmen konnten nach längerer Zeit wieder einen guten Zuwachs generieren: Norma (10,3 Prozent), Lidl (9 Prozent), Aldi Nord (8,4 Prozent), Aldi Süd (8 Prozent), Netto (8 Prozent), Netto Nord (7,9 Prozent) und Penny (5,4 Prozent).

Auf der Verliererseite stehen Großhändler wie Citti, Hamberger, Transgourmet, Brülle & Schmeltzer und Metro. Bei Metro fiel der Umsatzrückgang vergleichsweise gering aus. Da hier das bereits im September endende Geschäftsjahr zugrunde liegt, ist eine kürzere Zeit des Lockdowns in den Umsatz eingeflossen. Metro wird den Corona-Effekt nächstes Jahr zu verzeichnen haben.

Insgesamt gesehen fällt das Umsatzwachstum des deutschen Lebensmittelhandels mit 6,4 Prozent deutlich höher aus als in den Jahren zuvor. Diese Steigerung ist auf verändertes Einkaufsverhalten in der Krisenzeit zurückzuführen – besonders durch fehlende Alternativen im Gastronomiebereich. Tradedimensions hofft auf eine positive Entwicklung des Lebensmittelhandels 2021 ohne weitere Pandemie-Effekte.

Die Top-30-Unternehmen des deutschen Lebensmittelhandels, erstellt von Nielsen Tradedimensions.
Weitere und detailliertere Informationen gibt es über: tradedimensions.de

Allgemein gilt: Die hier gezeigten Umsätze beinhalten alle Aktivitäten der jeweiligen Unternehmen im entsprechenden Jahr. Mit einem Stern* gekennzeichnete Umsätze 2020 sind Schätzungen von Tradedimensions. Es können rundungsbedingte Abweichungen auftreten.


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Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbandes Deutschland – Baden-Württemberg, glaubt, dass viele Innenstädte ihr Konzept überarbeiten müssen.

Welche Rolle spielt der LEH in der Innenstadt?
Sabine Hagmann: Das kommt drauf an, um welche Innenstadt es geht. In den Großstädten spielt der Lebensmitteleinzelhandel vielleicht keine ganz so große Rolle. Der LEH trägt zur Grundversorgung bei – zum Beispiel von Mitarbeitern, die in der Innenstadt arbeiten.

Die Innenstädte waren auch schon vor der Pandemie von Leerstand geplagt. Viele hatten gehofft, dass der Lebensmittelhandel Teil der Lösung sein kann. Wie hat sich das während der Pandemie verändert?
Der LEH ist ein Frequenzbringer. Arbeitnehmer gehen in die Innenstadt, um sich mittags zu versorgen. Das gilt auch für die Touristen, die sicher wiederkommen werden. Aber auch das Wohnen kommt immer stärker zurück.

Erreicht der LEH in der Innenstadt überhaupt noch Bewohner?
Ja! Ein gutes Beispiel ist Stuttgart. Im Kern der City im Dorotheen-Quartier wurden gerade viele neue Wohnungen gebaut. Natürlich luxuriöse Wohnungen. Aber hippes Wohnen ist in der Stadt immer häufiger möglich. Über den Märkten werden Wohnungen eingerichtet. Das kennen wir auch von Ikea in Hamburg. Und in kleinen Städten ist es sowieso noch üblich, dass dort gewohnt wird.

Wie geht es für die Händler weiter?
Wir sind der Ansicht, dass wir mit dem Virus leben müssen. Der Staat darf nicht mehr nur auf Inzidenzen schauen. Selbst das RKI geht davon aus, dass der Einzelhandel mit seinem unterdurchschnittlichen Infektionsgeschehen öffnen darf. Man muss mehr testen. Und die Öffnung der Geschäfte als Teil der Lösung begreifen.

Der LEH wurde in letzter Zeit doch auch stark kritisiert. Zu viele Non-Food-Produkte, heißt es. Im Saarland gibt es sogar ein Werbeverbot.
Der LEH macht einen super Job. Die Situation ist für die Mitarbeiter und Manager extrem anspruchsvoll. Wenn der LEH sein Sortiment erweitert, ist das legitim. Wenn man Werbung verbietet, darf deshalb der Einzelhandel ja nicht wieder öffnen. Was ist also die Alternative? Es wird online oder gar nicht gekauft. Der LEH ist ein Teil der Lösung. Und die Öffnung weiterer Geschäfte ein weiterer Teil.

Im Saarland soll Click & Collect durch das Verbot gefördert werden?
Das ist keine Alternative für den Kunden. Wir haben hier maximal 15 Prozent des Umsatzes, die so aufgefangen werden. Wer ist der Kunde? Der Kunde arbeitet zu Hause. Hat vielleicht Kinder, die von zu Hause unterrichtet werden müssen. Das Werbeverbot ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht.

Wann wird die Innenstadt wieder ihre alte Frequenz bekommen?
Die Menschen werden noch vorsichtig bleiben. Solange die Gastronomie nicht aufhat, wird es entspannter sein in den Innenstädten. Wenn geimpft wird, müsste aber auch in einem Monat viel passieren. Wir sehen das beispielsweise in Israel.

Auch der LEH hatte in den letzten Jahren auf Gastronomie gesetzt.
Wir wissen das von 2020: Handel und Gastronomie gehören ganz fest zusammen. Wäre ich ein Händler, würde ich eher weiter darauf setzen, als das Angebot aufzugeben. Weil es sensationell zum Sortiment passt. Es ist toll, was der LEH da leistet. Verwöhnen geht nicht digital. Verwöhnen geht nur vor Ort.

Lidl hat angekündigt, vermehrt in die Innenstädte zu ziehen. Ist das ein Hoffnungsschimmer?
Wir wünschen uns Innenstädte, die bunt sind. Aber ich glaube auch, dass zu viele Lebensmittelläden sich nicht durchsetzen. Insgesamt werden die Innenstädte an ihrem Konzept arbeiten müssen. Wir müssen an den Kunden denken. Und der hat sich im letzten Jahr sehr verändert.


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„Innenstadt macht gerade keinen Spaß“, sagt Christian Albrecht, Inhaber von vier Edeka-Märkten. Während sich drei seiner Märkte positiv entwickeln, lässt der 300 m² große Laden in der Innenstadt von Bad Bergzabern zu wünschen übrig.

Christian Albrecht ist die Ursache des Problems klar: „Die Frequenz fehlt in der Innenstadt.“ Normalerweise kaufen dort die Mitarbeiter der ansässigen Geschäfte, Schulkinder und Innenstadtbesucher ein. Durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie ist das bunte Treiben so nicht mehr möglich.

Bürger wollten den Markt
Vor sieben Jahren hat Albrecht den Markt in der Innenstadt eröffnet. Damals hatte es eine Bürgerbefragung gegeben, um herauszufinden, was in Bad Bergzabern gebraucht wird. 90 Prozent haben laut Albrecht damals gesagt, dass ihnen ein Lebensmittelgeschäft fehle. Durch glückliche Umstände konnte Albrecht sein Elternhaus nutzen, um den Markt in der Innenstadt zu eröffnen. „Es war auch eine Image-Geschichte für uns“, sagt der Kaufmann.

Die Innenstadt verändert sich
Der Markt in Innenstadtlage hat keine heiße Theke oder ein Gastronomieangebot. Deshalb konnte Albrecht lediglich das Personal während der frequenzarmen Zeit etwas anpassen. „Wir haben da nicht so viele Stellschrauben“, sagt der Inhaber. Trotzdem glaubt er, dass die Innenstadtlage wieder interessant werden kann: „Man muss jeden Standort individuell prüfen – auf Umfeld, Kaufkraft und Frequenz.“

Geschäfte schliessen
Gleichzeitig verändere sich die Innenstadt in Bad Bergzabern stark, sagt Albrecht. Inhabergeführte Geschäfte hätten vermehrt geschlossen. Onlineshopping nehme zu. Für den Kaufmann ist die Lebensmittellieferung jedoch noch zu unattraktiv. „Die letzte Meile ist zu teuer“, sagt Albrecht. Schaue man sich die absoluten Zahlen an, seien die Umsätze auch immer noch nicht wirklich prickelnd. „Man darf hier nicht nur auf das prozentualen Wachstum schauen“, findet der Kaufmann. Lebensmittel seien immer noch eine emotionale Angelegenheit. Die Kunden wollen laut Albrecht auch während der Corona-Pandemie das Einkaufserlebnis. Der Trend, seltener einzukaufen und dafür mehr, habe sich schon vor den Beschränkungen abgezeichnet. „Wenn die Leute einkaufen gehen, dann richtig“, sagt Albrecht. 2020 habe sich der Samstag bei Edeka Albrecht auch zum stärksten Tag entwickelt. Die Einkäufe haben sich in Bad Bergzabern von der Woche vermehrt aufs Wochenende verschoben. Die Corona-Pandemie verstärke diesen Trend lediglich.


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Weg vom reinen Versorgungsstandort hin zum Wohlfühlzentrum – das ist der Weg zur neuen Normalität der von Corona malträtierten Innenstädte. Das heißt machen und nicht grübeln.

Die Rufe nach der Belebung unserer Innenstädte hallen durchs Land. Sie werden lauter, aber werden sie auch erhört? Innenstädte erweisen sich als komplexes System, das seit März 2020 und spätestens nach dem zweiten Corona-Lockdown durcheinandergewirbelt wird, aber länger schon eine gewisse Schwächesymptomatik zeigt. Durch Corona potenziert sich diese.

Die verhaltenen, stufenweisen Wiedereröffnungspläne der Bundesregierung stoßen nach einem Jahr Pandemie mit etlichen Rückschlägen auf Skepsis. Der Inzidenzwert ist kein wirklicher Maßstab mehr, die versprochenen Finanzhilfen kommen nicht an beziehungsweise fließen nur spärlich. Angestrebte Wiedereröffnungstermine platzen, die Einführung kostenloser Selbsttests verzögert sich, ebenso die Pro‧gnosen bis zur Durchimpfung der Bevölkerung.

„Die Lage im Handel ist dramatisch“, betont HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth unter Berufung auf eine aktuelle Umfrage des Verbandes unter mehr als 2.000 Händlern. Mindestens 50.000 Unternehmen seien akut in Insolvenzgefahr, und jeder weitere Tag des Lockdowns werde diese Zahl erhöhen. Rund 250.000 Jobs seien akut gefährdet. „Ohne passgenaue staatliche Unterstützung und ohne Öffnungsperspektive werden in vielen Innenstädten in den kommenden Wochen die Lichter ausgehen.“

Der Online-Handel boome, und Corona habe diesen Wandel verstärkt. Eine Ursache für Leerstand in Innenstädten seien die Mieten, sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. „Gerade kleinere inhabergeführte Einzelhändler schaffen es bei sinkenden Umsätzen oft nicht mehr, die hohen Mietforderungen der Immobilieneigentümer zu erfüllen. Sie müssen dichtmachen, wenn es ihnen nicht gelingt, die Mietbedingungen ihrem Umsatz anzupassen.“ Damit gehe Individualität und Besucherfrequenz in den Innenstädten verloren, sagt Dedy. Gleichzeitig durchforsten die mehr oder weniger großen, innerstädtischen Ankermieter angesichts der Online-Expansion ihre Filialstandorte und machen dabei in der Regel dicht und nicht auf. Dadurch entstehen weitere Lücken.

Die Innenstädte müssten neu gedacht und weiterentwickelt werden. Aber wo anfangen? „Wir sind längst in einer digitalisierten Welt angekommen“, konstatiert Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, aber die offenbar noch nicht in den Innenstädten. Die Kommunen und viele Unternehmen haben bislang zu wenig in die Digitalisierung investiert, obwohl die Entwicklung bereits weit vor der Pandemie eindeutig erkennbar war. Auch Staat, Bundesländern und Kommunen fehlen aus Sicht des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel Deutschland e. V. (bevh), selbst für ihre hoheitlichen Aufgaben, digitale Visionen. Ebenso werde die fortschreitende Digitalisierung sowie der rasch wachsende Online-Handel als ursächlich für einen bereits länger andauernden Erosionsprozess vieler Zentren ausgemacht, nicht aber als Kern der Lösung gesehen, so der bevh.
Der stationäre Handel versucht bei geschlossenen Türen, beispielsweise mit Click & Collect oder dem Einkauf zu individuell vereinbarten Terminen etwas abzufangen. Das ist meist keine grundlegende Maßnahme, sondern oftmals aus der Not heraus geboren, situativ und nicht konzeptionell auf Standort und die dort bestehenden Kundenstrukturen und -ansprüche abgestellt. „Neue Serviceangebote der stationären Händler sind für viele Konsumentinnen und Konsumenten interessant, allerdings erst wenig bekannt und somit noch kaum genutzt.“ Zu diesem Schluss kommt der Corona Consumer Check des IFH KÖLN im vergangenem Februar. Also dürfte in diesem Fall, trotz der guten aktuellen Performance, sich dieser Service künftig relativieren.

Am Online-Boom teilhaben
Den kann beispielsweise das Projekt Fashionbox in Mönchengladbach bieten, als zentrales von der Stadt initiiertes, innerstädtisches Abhol- und Testcenter für online bestellte Kleidung. Hier kann der Kunde seine online bestellte Ware, gleich ob von Zalando, Amazon oder regionalen Anbietern, entgegennehmen, in Umkleidekabinen mit großen Spiegeln an- und ausprobieren, sich gleichzeitig mit Freunden zum Plausch nebst gleichzeitiger Begutachtung treffen und das gastronomische Angebot nutzen. Gleichzeitig ist die Retourenabwicklung schneller und einfacher. Der Test läuft, und im Idealfall ergibt sich daraus ein Treffpunkt mit sozialer Komponente und Erlebniswert/Entertainment, welcher negative Online-Effekte für die Innenstadt quasi im Sinne eines Umkehrschubs auffängt.

Boris Hedde, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung IFH KÖLN, sieht die Zeit gekommen, die reine Einkaufsfokussierung beim Innenstadtmarketing und bei den Handelsunternehmen hinter sich zu lassen. „Natürlich ist der Einkaufsbummel nach wie vor der Hauptanlass für den Innenstadtbesuch bei allen Altersgruppen, jedoch insbesondere die Jüngeren erwarten von Städten heute Erlebniswert, Kultur, Entertainment und Treffpunkte. Eine Wandlung vom reinen Versorgungsstandort zum Wohlfühlstandort. „Das können auch Handelsunternehmen befeuern“, ist er überzeugt.

Hedde sieht insbesondere jetzt die Zeit für zukunftsweisende Experimente gekommen. Nicht alles konzeptionell durchplanen bis zur letzten Schraube, sondern sich auch gedanklich Freiräume schaffen. Dazu gehört auch die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger und ihrer Vorstellungen sowie Erwartungen an die Innenstadt, so, wie die Fuldaer Zukunftswerkstatt die Ideenfindung angeht.

Der LEH ist schon dabei
Welche Rolle spielt bei der Revitalisierung der Innenstädte der Lebensmitteleinzelhandel (LEH), der sich in den Vorjahren eher aus der City zurückgezogen hat? Hedde bewertet den LEH generell als einen Frequenzbringer, bei dem im Vergleich zu anderen Einzelhandelssparten mehr Kundinnen und Kunden häufiger einkaufen – und das darüber hinaus ziel- und altersgruppenübergreifend. Dadurch sei der LEH ein potenzieller Kundenmagnet, aber kein genereller Heilsbringer für den innerstädtischen Handel. Natürlich suchen beziehungsweise besetzen auch die Lebensmittelhändler stark frequentierte Standorte, beispielsweise im Umfeld von Nahverkehrsknotenpunkten wie Penny in München, in der Nähe des Königsplatzes, Lidl in der Bayernmetropole am Isartor oder der 35. Aldi in Düsseldorf am Kö-Bogen II, mit dem Aldi Süd die Erschließung urbaner Standorte fortsetzt. Aktuell leben bei steigender Tendenz mehr als 77 Prozent der Bundesbürger in Städten. Parallel nimmt die Zahl der Ein- bis Zwei-Personen-Haushalte weiter zu. Wenn die Städte aber von den Menschen als Wohn-, Lebens- und Kulturräume zurückerobert werden, dann sind Nachbarschaftsangebote und Stammhändler und -kunden damit eingebunden und profitieren von einer allgemeinen Frequenzsteigerung. Die enge Verknüpfung von Wohnraum und LEH macht Schule.

Damit sind urbane Standorte auch für Rewe- und Penny-Standorte Zielpunkte. „Durch flexible, angepasste Konzepte und durch Modularisierung leisteten beide Vertriebslinien einen entscheidenden Beitrag zur Lokalität und zum wohnortnahen Einkauf“, heißt es in Köln. Die Rewe-Märkte in den Innenstadtlagen und Quartieren seien mit ihren flexiblen Verkaufsflächen und standortspezifisch abgestimmten Sortimenten „echte Vollsortiments-Nahversorger“. Darüber hinaus positioniere sich Penny als Nachbarschaftsmarkt und spreche „seine“ Nachbarn direkt an. Penny gibt nicht nur jedem Standort einen eigenen Namen, sondern entwickelt für jeden Markt auch das passende Flächen- und Sortimentskonzept. 

Tegut liefert ebenfalls zwei gute Beispiele: zum einen das Konzept des ‧digitalen und nachhaltigen Kleinstladens „tegut… teo“. Durch flexible Öffnungszeiten können die Menschen nahezu rund um die Uhr einkaufen. Mit der Tegut-App geht das schnell und unkompliziert. Gerade nachdem in Fulda die Ausgangssperre aufgehoben war, konnte man sehen, dass die Menschen den „teo“ wieder genutzt haben. „Er aktiviert also die Menschen vorbeizukommen“, ist man in der Tegut-Zentrale überzeugt. Zum anderen kommt das neue Konzept „QUARTIER“. Der Erstling hat jetzt in Fulda in der Bahnhofstraße eröffnet. Dabei setzt Tegut auf ein Sortiment, das die Menschen zu einer „abwechslungsreichen, ausgewogenen Pause animiert“.

Stationäre Erlebniswelten
Nichtsdestotrotz bestimmt der gesamte stationäre Einzelhandel nach wie vor den Erlebniswert und trägt maßgeblich dazu bei, wie attraktiv deutsche Innenstädte wahrgenommen werden. Weitere Top-Treiber für den Erlebniswert sind Sehenswürdigkeiten sowie Freizeit- und Kulturangebote. Um Stadtzentren attraktiver zu gestalten – nicht zuletzt, um die geschlossenen Innenstädte nach Corona zu revitalisieren –, gilt es, Verantwortliche von Städten, Handel und der Immobilienbranche an einen Tisch zu bringen. Auch die Digitalisierung und eine zukunftsorientierte Positionierung von Städten – etwa durch den passenden Online-Auftritt – sind oft noch ein Manko. Hier besteht Handlungsbedarf – schließlich kaufen zwei Drittel der Innenstadtbesucher (auch) online ein.

Die Alten sind ja noch halbwegs treu, aber die Städte müssen für jüngere Zielgruppen attraktiver werden. Der klassische Einkaufsbummel ist das Hauptmotiv für den Besuch von Innenstädten – vor allem für ältere Personen (65 Prozent). Bei jüngeren Menschen unter 25 Jahren gibt die Hälfte an, zum Einkaufen in die Stadt zu kommen. Dafür sind Gastronomie oder Behörden-/Arztgänge für jüngere öfter ein Besuchsanlass als bei älteren Menschen. Für die Praxis bedeutet das: Ein Blick auf die Einwohnerstruktur und die speziellen Bedarfe der Zielgruppen vor Ort ist unerlässlich bei der Konzeption zukunftsfähiger Innenstadtmodelle.


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… täglich: Das verliert der gesamte Einzelhandel in Deutschland an jedem weiteren Tag des Lockdowns. Die Handelsverbände befürchten eine Pleitewelle; viele Unternehmen wollen klagen.

Es falle ihm extrem schwer, den sonst üblichen Jahresausblick zu geben. Stefan Genth, Chef des Handelsverbands Deutschland (HDE), wurde drastisch. Nach dem vorausgegangenen Corona-Gipfel wirft er der Politik Wortbruch vor. Jeder Tag, an dem der Handel weiter schließen müsse, koste die Branche 700 Millionen Euro, rechnete er vor.
Es sei eine Farce, wie der Bundeswirtschaftsminister parallel zur Entscheidung eines verlängerten Lockdowns verkündet habe, jetzt könne die Überbrückungshilfe III beantragt werden – denn bisher seien nur rund 90 Millionen Euro an Hilfen überhaupt bei den Händlern angekommen. „Ohne weitere Hilfe müssen nach unseren Umfragen 20 Prozent der Innenstadthändler im ersten Halbjahr aufgeben; 37 Prozent rechnen im zweiten Halbjahr damit“, rechnet Genth vor. Selbst wenn die Mode-, Schmuck- und Elektro‧nik‧läden bereits im März wieder öffnen dürften, werde der Umsatz im sogenannten Non-Food-Bereich im Gesamtjahr 2021 um 15 Prozent oder 25 Milliarden Euro unter dem Niveau des Vorkrisenjahres 2019 liegen. Verzögere sich die Öffnung bis in den Mai, liege das Minus sogar bei 29 Prozent – oder 47 Milliarden Euro.

Ging der HDE bisher davon aus, dass die Krise zu bis zu 50.000 Insolvenzen und dem Verlust von bis zu 250.000 Arbeitsplätzen führen könne, so blickt der Verband inzwischen noch pessimistischer in die Zukunft. „Die 50.000 sehen wir mittlerweile als untere Grenze. Es können deutlich mehr werden“, sagte Genth.

Altmaiers Einsicht?
Die klaren Worte von HDE und anderen Wirtschaftsverbänden blieben bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier offenbar nicht ungehört. Mitte Februar hatte er Vertreter von rund 40 Organisationen und Unternehmen zum Wirtschaftsgipfel eingeladen – und Hilfen angekündigt. Der HDE begrüßte die Hilfszusagen für größere Handelsunternehmen; jetzt können die staatlichen Überbrückungshilfen künftig auch Unternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Jahresumsatz zustehen.

Eine Öffnungsstrategie fehlt aber noch immer. Reinhold von Eben-Worlée, Präsident des Verbands Die Familienunternehmer, zeigt sich nach dem Gipfel überrascht, dass der Bundeswirtschaftsminister den Austausch nicht dazu genutzt hat, einen eigenen Stufen-Öffnungsplan vorzustellen. „Es braucht jetzt einen für ganz Deutschland einheitlichen Stufenplan, der von den Landkreisen je nach Lage vor Ort umgesetzt wird“, sagt er. Wichtig sei dabei nicht nur der starre Blick auf die Inzidenzzahlen, sondern auch auf die Auslastung der Intensivbetten oder die Impfquote unter den Risikogruppen“

Öffnungsstrategie gefordert
Nach wie vor aber setzt sich der Verband für weitere Veränderungen bei den Coronahilfen ein und pocht auf eine transparente und faire Öffnungsperspektive für den Handel. So müsse eine Möglichkeit zur Auszahlung eines Unternehmerlohns geschaffen werden. Ansonsten drohe vielen Inhabern kleiner und mittelständischer Unternehmen der Absturz in die Armut. Zudem müssten die Abschreibungsmöglichkeiten für die unverkäufliche Ware vereinfacht und auf die komplette Saisonware bezogen werden.

Zudem fordern alle Unternehmensvertreter wie schon zuvor eine transparente und faire Öffnungsperspektive für die derzeit geschlossenen Einzelhändler. Der Einzelhandel habe in den letzten Monaten bewiesen, dass er auch bei Inzidenzen von über 50 oder 35 mit seinen funktionierenden Hygienekonzepten sicherstellen könne, dass der Einkauf nicht zum Hotspot werde. Das zeige besonders der durchgehend geöffnete Lebensmittelbereich. Hier seien täglich rund 40 Millionen Kundenkontakte ohne größere Ansteckungen möglich, so Genth.

Händler werden klagen
Nicht nur der HDE rechnet jetzt mit Klagen der Unternehmen gegen die Regierungsbeschlüsse. Einige machen bereits Ernst: Der Unitex-Einkaufsverbund mit 800 angeschlossenen Mode-Einzelhändlern hat Eilanträge gegen den verlängerten Lockdown angekündigt. Die Lockdowns seien unverhältnismäßig, denn es gebe keinen Beleg, dass die Geschäfte Corona-Hotspots seien, so die Begründung. In Bayern unterstützt der Handelsverband die Klagen. „Wir werden diese abstrusen Regelungen gerichtlich überprüfen lassen“, so der Sprecher des Handelsverbands Bayern, Bernd Ohlmann. „Die Politik hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht und bleibt in dieser für uns alle dramatischen Situation den versprochenen Plan zum Ausstieg aus dem Lockdown schuldig“, klagte er. Der Umgang der Politik mit den betroffenen Handelsunternehmen sei unangemessen.


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Um die Wirtschaft vor dem Crash zu bewahren, wird die Insolvenzantragspflicht bis 30. April ausgesetzt. Anwalt Robert Buchalik (Foto) sagt, dass dies ein Fehler sei.

Wie schätzen Sie die Situation bezüglich Unternehmenspleiten ein?
Robert Buchalik: Es ist davon auszugehen, dass derzeit viele Unternehmensinsolvenzen massiv verschleppt werden. Das gilt insbesondere für die Gastronomie, Hotelbranche, Handel – soweit nicht Lebensmitteleinzelhandel und signifikanter Handelsumsatz mit Online-Geschäften – und Eventdienstleister. Zwar halten sich viele Unternehmen mit Corona-Hilfen über Wasser, die sind aber entweder noch nicht geflossen oder nicht geeignet, um Insolvenzantragspflichten abzuwenden. Auch ist ein Ende der Pandemie nicht absehbar. Umsatzeinbrüche wird es noch längere Zeit geben. Irgendwann geben dann viele der betroffenen Unternehmen auf und stellen einen Insolvenzantrag. Wurde die Insolvenz zuvor nachweisbar verschleppt – und das werden Insolvenzverwalter in vielen Fällen nachweisen können – drohen erhebliche zivil- und sogar strafrechtliche Haftungsrisiken für die Geschäftsführer, Vorstände oder Einzelkaufleute.

Wie erfolgreich ist das Covid-19-Aussetzungsgesetz?
Ob es wirklich erfolgreich ist, wird sich zeigen. Im Moment trägt es in erheblichem Umfang zur Insolvenzverschleppung bei. Auch wähnen sich viele Unternehmen in einer Scheinsicherheit. Sie stützen sich auf das Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz, das im Übrigen in kurzen Abständen immer wieder Änderungen erfährt, ohne dass die Anwendungsvoraussetzungen im Einzelfall vorliegen.

Was heißt das genau?
Es ist davon auszugehen, dass bei vielen Unternehmen nicht alle Voraussetzungen vorliegen und nicht einmal bekannt sind. Kommt es dann doch zu einem Insolvenzverfahren, wird das böse Erwachen folgen. Nicht zuletzt motiviert das Insolvenzaussetzungsgesetz auch deshalb, die Insolvenz zu verschleppen, weil es die Corona-Hilfen nur gibt, wenn sich das Unternehmen noch nicht in einem Insolvenzverfahren befindet.

Die Insolvenzantragspflicht wird jetzt bis zum 30. April ausgesetzt. Wird dadurch der Markt entlastet?
Das Gesetz ist mittlerweile in Kraft, wird aber eher zur Insolvenzverschleppungshaftung beitragen als helfen. Die Aussetzung wird das Risiko für die betroffenen Geschäftsleiter erhöhen, weil sie sich in einer Scheinsicherheit wähnen, die nicht existent ist. Im Übrigen trägt der Gesetzgeber mit der Einführung des neuen § 15b in die Insolvenzordnung, ebenfalls am 1.1.2021 in Kraft getreten, zur Haftungsverschärfung bei.

Welche Bedingungen sind an die Antragsaussetzungspflicht geknüpft?
Auf die Aussetzung kann man sich nur berufen, wenn

  • das Unternehmen am 31.12.2019 noch nicht zahlungsunfähig war;
  • die Insolvenzreife Folge der Covid-19-Pandemie war;
  • das Unternehmen staatliche Hilfen bis zum 28.2.2021 beantragt hat (Ausnahmen möglich);
  • positive Aussichten auf Erlangung der Hilfeleistung bestehen;
  • die Insolvenzreife mit Auszahlung der Hilfeleistung beseitigt wird.

Was wäre eine bessere Lösung?
Viel besser wäre es, wenn man ein Insolvenzverfahren light ermöglicht und auch während dieses Verfahrens Corona-Hilfen gewährt. Damit würden weitere Instrumente zur Rettung des Unternehmens genutzt werden können (z. B. Insolvenzgeld, Eingriff in bestehende Verträge etc.). Vor allem würden die am Ende existenzvernichtenden Haftungsrisiken für die betroffenen Geschäftsleiter entfallen.

In welchen Branchen treten die meisten Insolvenzen auf?
Derzeit lassen sich noch keine Schwerpunkte erkennen, weil das aktuelle Insolvenzgeschehen wegen der Corona-Hilfen und der massiven Verschleppung rückläufig ist. Heute ist nach wie vor nicht planbar, wie sich die nächsten Wochen entwickeln.


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Auch wenn der Onlinekauf von Lebensmitteln durch die Corona-Krise profitiert und von interessierter Seite gehypt wird: Im LP-Test liegt noch vieles im Argen. Und die Anbieter müssen ihren eigenen Ansprüchen erst noch gerecht werden.

Welcher Supermarkt in Deutschland hat die meisten Kunden?

Bildquelle: Getty Images

Es könnte so schön sein! Viele Anbieter preisen ihre Lieferungen von Lebensmitteln an. Online einkaufen und liefern lassen – sooo einfach. Große Auswahl, frische Ware, schnelle Lieferung. Aber anbieten heißt noch lange nicht liefern. Dem geneigten Kunden wird das Leben auch schon mal schwer gemacht. Edeka 24 beispielsweise ist aktuell zu sehr gefordert und deshalb nur für Bestandskunden da. Keine Änderung im Testzeitraum. Vergleichbar also der Kontrolle am Eingang des Supermarktes: Nur der Kunde darf rein, der in der Nähe wohnt. Rewe macht es leider nicht besser. Im Frankfurter Raum können die Tester nicht online einkaufen. Rewe wirbt zwar gleichzeitig für den Onlinekauf mit einem zehnprozentigen Vorteil und kostenloser Lieferung beim ersten Kauf. Aber im Testzeitraum bis Ende Januar gab es keine Chance für einen Kauf. Bei einem Nach-Check Mitte Februar sah es noch genauso aus.

Verwundert sind wir Tester über die Liefertage. Es gibt solche, an denen laut Website keine Zustellung (Rewe und Bringmirbio) erfolgt. Auf den stationären Markt bezogen heißt das: Ruhetag. Mit Vollgas zurück in die 70er?

Viele Anbieter liefern nur in ausgewählte Gebiete. Sogar Amazon Fresh. Ganz egal, ob der Kunde Prime-Status besitzt oder nicht. Wohnt er nicht im Ballungsraum, hat er Pech. Dabei wäre da doch der Bedarf am ehesten vorhanden. Auf den Kauf im Netto-Onlineshop verzichten wir dann gleich ganz. Denn die meisten aller angebotenen Artikel gibt es nur im Gebinde. Sechs Gläser Nutella à 750 Gramm, fünf Kartons Müsli à 750 Gramm, 18 Pack Schmelzkäse à 250 Gramm, 15 Pack Schokolade à 100 Gramm und, und, und. Netto nennt es Einkauf im Vorratspack. Wer will 18-mal Schmelzkäse? Wir nicht. Hefe hätten wir geordert. Gab es aber nicht.

Achtung! Kunde droht mit Einkauf!
Wie immer ist der Test natürlich nur eine Momentaufnahme. Und natürlich kostet Onlineverkaufen Ressourcen und Geld. Aber wer anbietet, muss auch mit Kunden rechnen. Klar ist ein Test ein Blick von außen, er findet Punkte, an denen es knirscht, und bietet Potenzial zur Verbesserung. Sicher ist, Lieferzeiten und Warenverfügbarkeit haben in einer Pandemie nichts mit Normalität zu tun. Aber warum eigentlich? Corona begleitet uns doch schon ein Jahr – leider. Zu kurz, um sich drauf einzustellen? Nicht mal der Auftritt im Web, die Handhabung der Website, die Sicherheit, die Produktauswahl, die Liefergebühren, die Zahlungsmethoden, die Verpackungen und Serviceleistungen haben sich sichtbar angepasst – Corona hin, Corona her.

Was waren wir blauäugig: Theoretisch bietet ein Einkauf im Online-Supermarkt klare Vorteile. Kein Schlangestehen nach einem Einkaufswagen, am Desinfektionsspender, am Pfandautomaten, an der Theke und an der Kasse. Kein vergebliches Suchen nach einem Artikel in den ach so vielen Regalreihen. Kein lästiges Aus- und Einpacken sowie kein Schleppen nach Hause. Aber gemach. Stimmt nur zum Teil.

Beim Web-Auftritt, der Handhabung der Websites und der Sicherheit fällt den Testern auf, dass nur einer mit einer Zertifizierung wirbt. Dabei dient ein Siegel dem Kunden als Orientierung. Die Siegel „Trusted Shops“, „internet privacy standards“, „EHI Geprüfter Online-Shop“ und „TÜV Süd s@fer-shopping“ geben Sicherheit. Doch so ein Siegel können nur deutsche Anbieter erwerben, wenn sie sich bei ihrer örtlichen Lebensmittelüberwachungsbehörde registrieren lassen. Was hindert die Anbieter? Auch Siegel wie das B-Corp- oder das Gemeinwohl-Siegel sind überlegenswert. Denn Kunden erkennen so, ob Unternehmen gut mit den Mitarbeitern und der Umwelt umgehen.

MethodeWas:Ein Test in sechs Rubriken: Auftritt, Sicherheit, Service, Angebot, Abwicklung und Lieferung. Beim Auftritt geht es um den im Web, die Handhabung der Website, Verständlichkeit, Übersichtlichkeit, Navigation und Online-Hilfe. Bei Sicherheit um Betreiberinformation, Kontaktmöglichkeiten, Bezahlung, AGB, FAQ und Zertifizierung. Beim Service um Liefergebiete, Mindest- bestellwert, Verkaufsaktionen, Rabattstaffel, Filterfunktionen, Verfügbarkeitsanzeige und Alternativen. Beim Angebot um Sortimentsvielfalt, Frische-Garantie, MHD-Anzeige und Pfandrückgabe. Bei der Abwicklung um Wunschtermin, Lieferkosten, Zuschläge, abweichende Lieferadresse, Bestellbestätigung und Support. Und bei der Lieferung um Lieferdauer, Zustellung, Verpackungs- und Warenqualität.Wie:Bestellt wurde von KW 2 bis 4 von Montag bis Mittwoch in der Zeit von 8 bis 12 Uhr. Weitere Vorgaben waren die Bestellung von einem Artikel aus dem Obst- und Gemüsebereich, einem kühlpflichtigen und einem tiefkühlpflichtigen Produkt. Darüber hinaus sollte die Bestellung mit einem normalen Einkauf im Supermarkt vergleichbar sein.Wen:

Ein Einkauf bei Rewe und Edeka 24 war aus den oben beschriebenen Gründen nicht möglich. Eingekauft wurde auch nicht bei Netto. Die Tester kauften bei Tegut, Getnow, Picnic, Amazon Fresh, Bringmirbio, Mytime und Bringmeister ein.

Service und AngebotSortimente lassen sich kaum vergleichen. Nicht untereinander und nicht mit dem stationären Händler. Ein kleiner Supermarkt führt mindestens 10.000 Artikel. SB-Warenhäuser halten Zehntausende von Artikeln vor. Im Web der unbegrenzten Möglichkeiten ist das aber anders. Zwei werben mit ihren Zahlen: 3.000 Artikel (Bringmirbio) und 5.000 Artikel (Getnow). Na immerhin, aber was wir dann beim Klicken und Scrollen durch das Sortiment sehen, ist übersichtlich. Kein Vergleich zum stationären Händler. Bringmirbio und Getnow haben keine Tiefkühlprodukte. Grundbedarf könnten wir decken. Allerdings ohne die Milch der eigenen Marke. Kaum Auswahl regionaler Produkte. Muss der Online-Käufer aufgrund seiner Bequemlichkeit auf Auswahl verzichten? Nicht überall. Positiv Amazon Fresh. Hier gibt es „Lokale Lieblinge“. Bringmeister wirbt mit „Das volle Edeka-Sortiment“. Fünf Zeitungen im Zeitschriftenregal? Nix da. Und Hemme Vanille- und Schokomilch? Im Supermarkt um die Ecke in Berlin finden das auch die kritischsten Tester. Online aber nicht.

Zuwendung zum Kunden kann man bewerten. Auch die Abkehr. Nachvollziehbar, aber für Kunden ärgerlich sind Mindestbestellwerte (einige sind einfach zu hoch), auch suchen wir schon mal nach einer Verkaufsaktion (schade, gibt es nur selten), auch eine Rabattstaffel (zum Teil) würden wir begrüßen. Ärgerlich werden wir, wenn die Verfügbarkeitsanzeige fehlt. Ist das ein Glücksspiel? Ausnahme bei Bringmeister. Sollte beim Kommissionieren der Ware ein Artikel nicht verfügbar sein, kommt ein Ersatzprodukt in die Tüte. Ist das nicht gewünscht – eine Vorabinfo erhält der Kunde per Mail – kann er es beim Fahrer reklamieren.

Picnic geht anders ran. Beim Blick in den Warenkorb sieht der Kunde, ob alle georderten Artikel vorrätig sind. Wenn nicht – liefert Picnic eine Alternative. Bei anderen Anbietern haben wir Kunden Pech.

Frische Ware will jeder. Auch wir. Aber nur wenige Anbieter geben eine Frische-Garantie. Bei denen, die mit normalem Versender wie DPD oder DHL arbeiten, ist zudem keine Leergut-Rückgabe möglich. MHD-Anzeigen sind Mangelware, und niemand bietet eine Geld-zurück-Garantie.

Was uns Testern gefällt: Bei Bringmirbio muss der Kunde Obst und Gemüse nicht in vorgefertigten SB-Packungen kaufen. Äpfel, Mandarinen etc. sind als lose Ware erhältlich. Kein unnötiger Verpackungs- und Plastikmüll, der die Mülltonne belastet. Bei Picnic bekommt der Kunde mit der ersten Lieferung ein Handout. Hier findet er alles Wissenswerte rund um den Anbieter. Zudem kann der Kunde sein Leergut bei Lieferung – wie auch bei Bringmeister – zurückgeben. Rückgabe des Leerguts, E-Fahrzeug und recycelte Tüten, in denen geliefert wird und die der Kunde zurückgeben kann, damit sie dem Wertstoffkreislauf wieder zugeführt werden, finden wir bei Picnic richtig gut.

Immer mit der Ruhe!
Heute bestellt und morgen im Wunsch-Zeitfenster geliefert? Das ist im Test leider die Ausnahme. Bei Mytime und Bringmirbio warten die Tester immerhin sieben Tage auf ihre Bestellung. Zum Überfluss ist sie auch noch unvollständig. Also doch auf in den Supermarkt. Wir Tester legen Wert darauf, dass angekündigte Liefertermine auch eingehalten werden. Nicht so bei Getnow. Angegeben wird ein Liefertermin zwischen dem 19. und 21. Januar. Tatsächlich kommt die Ware am 22. Januar still und heimlich. Der Paketbote (DHL) klingelt nicht, sondern legt das Paket am vereinbarten Ort ab.

Auch Amazon Fresh hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Drei bestellte Artikel kommen von drei verschiedenen Lieferern. Ergo: Der Kunde bezahlt dreimal Versandkosten. Damit sind die Versandkosten doppelt so hoch wie die Kosten der bestellten Waren. Spitze! Der voraussichtliche Liefertermin für einen Artikel ist mit 23. bis 27. Januar angegeben. Gekommen ist das überdimensionierte Paket am 22. Januar. Super läuft es dagegen bei Tegut. Das gewählte Lieferfenster am Folgetag von 10 bis 12 Uhr wird pünktlich eingehalten. Übrigens: Die Lieferkosten im Test liegen zwischen 0 (Picnic) und 28,75 Euro (Amazon Fresh). Bei Bringmeister sucht sich der Kunde Tag und Lieferfenster aus. Dafür fallen Versandkosten von 1,49 bis 3,39 Euro an. Die Routen für die Lieferung wählt der Fahrer nach dem geringsten Kraftstoffverbrauch aus, Eco-Routing genannt. Das gewählte Zeitfenster: 15 bis 19 Uhr. 14:45 Uhr steht die Ware vor der Tür. Die Ankündigung der Warenlieferung per SMS kommt um 15:05 für 15:25 bis 15:45 Uhr. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht, finden wir. Ein absolutes Ärgernis finden wir bei Mytime. 5,90 Euro Expresszuschlag für Frischeprodukte. Tatsächlich geht es bei dieser Bestellung nur um Möhren. Die kommen frisch per Express in einem gesonderten Paket in Luftkissenfolie verpackt. 5,90 Euro! My-time bietet dem Kunden an, die Kühl-Verpackung auf eigene Kosten zurückzuschicken. Wer macht denn so was? Unter Service verstehen wir Tester etwas anderes. Bei Bringmirbio wählt der Kunde zwischen normaler und „bis 12 Uhr“- Lieferung. Der Aufschlag beträgt 2 Euro.

Wer Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Müllvermeidung für wichtig hält, ist bei Online-Supermärkten fehl am Platz. Der Berg an Verpackung ist immens und meist auch zu viel. Tegut liefert in drei Papiertüten, die bestellte Ware hätte locker in eine gepasst.

Chancen werden auch vertan. Es gibt keine Aufforderung zur Bewertung des Einkaufs. Wissen die Anbieter, wie gut sie sind und was ihre Kunden denken? Oder ist es ihnen egal? In guter Erinnerung bleiben die Zugaben: ein Gutschein für den nächsten Einkauf, die Wocheninfo für die Folgewoche, Rezepte für die nächste Woche und Rezeptvorschläge der Woche, Zeitschriften (Schrot & Korn und Cosmia) und eine Bürste zum Putzen des Gemüses. Alles von Bringmirbio. Auch Picnic hofiert seine Kunden. Nach der ersten Bestellung bekommen Kunden vier Wochen lang ein Angebot per Mail. Aus zwei Produkten wählen sie ihren Favoriten, den es gratis zur Bestellung gibt.

Tester sind Kritiker, und deshalb nörgeln sie an der ein oder anderen Stelle, so bei der Bezahlung. Bei Picnic ist das nur per Bankeinzug und auch nur über die App möglich. Das mag nicht jeder Kunde und schließt auch Kundengruppen aus. Grundsätzlich müssen Bezahlmöglichkeiten, die angegeben werden, dem Kunden auch zur Verfügung stehen. Macht der Betreiber Einschränkungen, muss das kommuniziert werden. Ein Beispiel: Bringmirbio bietet Rechnungskauf an, aber erst ab Bestellung Nummer fünf. Bei Mytime wird ebenfalls der Kauf auf Rechnung angeboten, aber im Bezahlvorgang steht er dem Kunden nicht zur Verfügung. Suchen will das kein Kunde.

Zu guter Letzt
Es wäre so verlockend einfach: Produkte aussuchen, Lieferzeit auswählen und Bestellung annehmen. Kontakte vermeiden. Doch dieses Rund-um-sorglos-Paket erleben die Tester nur bei wenigen Anbietern, und die liefern nur in einem begrenzten Gebiet. Von den sieben getesteten Lieferdiensten bedienen zwei das ganze Land. Und das Schlimmste: Schneller ist ein Kauf im Netz bisher nicht. Vor allem die Lieferdauer lässt vielfach zu wünschen übrig. Bis zu sieben Tage dauert das. Doch welcher Kunde will so lange auf seine Äpfel, seine Milch oder seinen Schinken warten? Hinzu kommen Liefergebühren und Kühlzuschläge, Mindestbestellwerte, eine geringere Produktauswahl als im Supermarkt und der Verpackungsmüll. Leergut kann nur bei wenigen zurückgegeben werden.

Dennoch haben wir als Tester Favoriten. Zuerst die Mutter der Online-Supermärkte: Bringmeister. Den gibt es schon seit 1997, nur hieß er damals Kaisers Lieferdienst, und der Kunde bestellte nach Katalog am Telefon. Der zweite Test-Liebling ist Tegut, der Newcomer, der einen erfahrenen Logistiker, Amazon, zum Partner hat. Dieser regionale Lieferdienst (Darmstadt, Frankfurt-Süd) bietet die Produkte, die der Kunde aus dem Supermarkt kennt. Der regionale Anbieter liefert schnell, nimmt Leergut und Transportbehältnisse (Tüten) wieder mit. Es ist also kein Zufall und entspricht den Megatrends Regionalität und Nachhaltigkeit.

Aber alles in allem: Der Onlinekauf ersetzt keinen Marktbesuch. Der gegenwärtige Hype erscheint getrieben von der Pandemie. Was am meisten fehlt, ist die Ansprache der Kunden über alle Sinne: sehen – riechen – schmecken – tasten. Für Genussmenschen, die den Lebensmittelkauf zelebrieren und sich auch gerne inspirieren lassen, kann der Online-Kauf von Lebensmitteln keine Alternative zum gut sortierten Supermarkt, Fachgeschäft, Hofladen und/oder Wochenmarkt sein. Aber die sind wohl auch nicht Zielgruppe.
Wenn gewünscht, können die Anbieter – wie immer bei der LP – ihren Testbericht unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! anfordern.