Welche religion isst kein schweinefleisch

Archiv

Dass Muslime kein Schweinefleisch essen dürfen, ist ein prominentes Beispiel für Speisevorschriften; wobei die Gründe dafür umstritten sind. Speisevorschriften gibt es in vielen Religionen - auch im Christentum. Aber wie Nicolai Sinai von der Oxford University zeigt, geht es dabei nicht zwangsläufig um den Genuss eines Produkts, wie man meinen könnte.

Von Dr. Nicolai Sinai, Oxford Universität, England | 16.11.2018

"Sprich: Ich finde in dem, was mir eingegeben worden ist,nichts, das jemandem zu essen verboten wäre,außer Verendetem und ausgegossenem Blut und Schweinefleisch –denn es ist unrein –oder Gräuel, über den anderes als Gott angerufen wurde.Doch wenn jemand sich in einer Zwangslage befindet,ohne Begehrlichkeit zu hegen und eine Übertretung zu begehen –nun, dein Herr ist vergebungsbereit und barmherzig."

Der gerade vorgetragene Vers ist eine von vier Koranstellen, die mit fast identischen Worten eine Reihe grundsätzlicher Speiseverbote aufstellen: Untersagt sind der Genuss von verendeten Tieren, von Blut, von Schweinefleisch sowie von Nahrungsmitteln, die anderen Wesen als Gott geweiht wurden.

Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation

Daran schließt sich jeweils eine Härteklausel an, die in Notlagen eine Übertretung der aufgestellten Verbote gutheißt. Dies unterstreicht den Anspruch des Korans, Verhaltensregeln aufzustellen, deren Einhaltung den Menschen nicht überfordert: "Gott will es euch leichtmachen, nicht schwer", heißt es in Sure 2 Vers 185 im Zusammenhang mit einer ähnlichen Härteklausel, die Kranken und Reisenden ein Verschieben des Fastenmonats erlaubt.

Dass der Koran immer wieder die Leistbarkeit der von ihm aufgestellten Verhaltensregeln unterstreicht, hat durchaus auch eine polemische Dimension. Das lässt sich gut am eingangs zitierten Vers zeigen, dem eine Stellungnahme zu den sehr viel komplizierteren jüdischen Speisevorschriften folgt. Der Koran erkennt diesen zwar einen göttlichen Ursprung zu, stellt sie jedoch nicht als göttlichen Gnadenerweis sondern als göttliche Strafe dar. Im Hintergrund dürfte ein auch aus christlichen Texten vertrauter Gedanke stehen: Die beschwerlichen Vorschriften des mosaischen Gesetzes sind als Vergeltung für die Anbetung des Goldenen Kalbes zu verstehen.

Welche religion isst kein schweinefleisch

Nicolai Sinai lehrt Islamwissenschaft an der renommierten Oxford-University in England. (Foto: N.Sinai)

Einen mit der Bibel vertrauten Leser wird die Viererliste koranischer Speiseverbote unweigerlich an eine Stelle aus der neutestamentlichen Apostelgeschichte erinnern. Die Jünger beraten dort, ob zum Christentum bekehrte Heiden sich dem mosaischen Gesetz zu unterwerfen hätten. Am Ende wird beschlossen, dass Heidenchristen sich lediglich "enthalten sollen vom Götzenopfer und vom Blut und vom Erstickten und von Unzucht".

Sowohl die Apostelgeschichte als auch der Koran untersagen also – im Einklang mit dem Alten Testament – den Genuss von Blut und weisen darüber hinaus noch weitere Parallelen auf.

In einem Punkt jedoch geht der Koran in auffälliger Weise über die apostolischen Speisevorschriften hinaus, indem er nämlich den Verzehr von Schweinefleisch verbietet.

Der Enthaltung von Schweinefleisch kam in der spätantiken Welt ein beträchtlicher Symbolwert zu: Sie signalisierte das Halten mosaischer Speisevorschriften und damit eine jüdische Identität. Eine vorkoranische christliche Gemeindeordnung verurteilt die Lehre, Christen hätten Schweinefleisch zu meiden, deshalb geradezu als ketzerisch.

Der zitierte Koranvers wählt insofern einen gezielten Mittelweg zwischen den viel umfassenderen Vorschriften des jüdischen Gesetzes und dem weitgehenden Verzicht des Mehrheitschristentums auf jegliche Regulierung von Speisegewohnheiten. Der Koran etabliert so eine neue, von Juden und Christen gleichermaßen abgegrenzte Gemeindeidentität: Wer kein Schweinefleisch verzehrt, sich ansonsten jedoch nicht an das jüdische Speisegesetz hält, ist bereits an seinem alltäglichen Lebenswandel als Mitglied einer von Judentum und Christentum unterschiedenen Religionsgemeinschaft zu erkennen.

Beitrag - 11:20 min
(Sendung speichern - 20,7 MB)

Muslime und Juden haben von ihrer Religion her ein Schweinefleischverbot. Sie dürfen kein Schweinefleisch essen. Das sei im Koran so festgehalten, heisst es von Seiten der Muslime. Das stehe in der Thora, ist bei den Juden zu erfahren. Die Zeiten und Umstände sind je unterschiedlich festgelegt. Ein Beitrag zur Sommerserie «tierisch heilig».

Regula Pfeifer

«Muslime essen kein Schweinefleisch, weil dies an fünf Stellen im Koran so festgehalten wird», sagt Önder Günes, Mediensprecher der Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz (Fids) auf Anfrage. Das Schweinefleischverbot sei zur Zeit des Propheten Mohammed erlassen worden und im Koran von 610 bis 624 nach Christus niedergeschrieben worden.

«Verwehrt hat Er euch … Blut und Schweinefleisch»

Konkret steht laut Günes in Sure 2 (»Bakara») im Vers 173: «Verboten hat Er euch nur den Genuss von natürlich Verendetem, Blut, Schweinefleisch und dem, worüber etwas anderes als Allah angerufen worden ist.»

Laut Günes ist das Verbot aber auch ohne religiöse Gründe sinnvoll. «Wir wissen heute, dass Schweinefleisch ein höheres Gesundheitsrisiko darstellt als andere Fleischarten», sagt er. Das sei den Menschen früher zwar unbekannt gewesen, dennoch hätten sie sich an die Vorgaben des Koran gehalten.

Die «allermeisten Muslime» halten sich an die Vorschrift.

Nach Einschätzung des Fids-Mediensprechers halten sich die «allermeisten Muslime» an diese Vorschrift. Das prüfe aber niemand, und jeder halte es so, wie es für ihn stimme, fügt er hinzu. Das Verbot ist nach Günes’ Ansicht relativ einfach einzuhalten, weil es beim Fleisch Alternativen gebe. Erlaubte Speisen im Islam werden als «halal» bezeichnet.

Kontrollblick auf die Verpackung

Da es aber auch Lebensmittelzusätze aus Schweinefleisch gibt, prüfen Muslime die Inhaltsstoffe auf den Verpackungen. Zudem dürfe man sich in Restaurants nicht genieren, nachzufragen, ob das bestellte Essen tatsächlich ohne Schweinefleisch sei. In der Schweizer Küche werden teilweise Speck- und Schinken hinzugefügt ohne entsprechenden Hinweis auf der Menükarte.

Die Tatsache, dass die Mehrheitsgesellschaft in der Schweiz Schweinefleisch isst, störe die Muslime nicht, sagt Günes. «Wir können uns gut damit arrangieren und werfen niemandem etwas vor.»

Teil jüdischer Essensgesetze

«Bei uns geht es nicht nur ums Verbot von Schweinefleisch», sagt Ruth Gellis, Projektverantwortliche für Interreligiösen Dialog bei der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ). Das Judentum kenne Essensgesetze, die vorschrieben, was wie gegessen werden müsse.

Der Fleischverzehr wurde gemäss Gellis von Gott nach der grossen Flut und der Rettung in der Arche Noah geregelt. Denn die Menschen wollten nun Fleisch verzehren – im Gegensatz zu früher, als alle Vegetarier gewesen seien.

Das Schwein ist ein Paarhufer, aber kein Wiederkäuer.

Gott habe also den Menschen die Auflage gemacht, sie dürften alle Tiere essen, die gespaltene Hufen hätten und Wiederkäuer seien, so Gellis. Die anderen hingegen nicht. Das Schwein ist zwar ein Paarhufer, aber kein Wiederkäuer, darf also von Juden nicht gegessen werden. Die entsprechende Vorschrift steht in der Thora, im dritten Buch Mose, Kapitel 11.

Orthodoxe Juden halten sich daran

Wie viele Juden sich an das Gebot halten, kann Gellis nicht schätzen. «Die ultraorthodoxen und die moderat orthodoxen Juden halten sich daran», sagt sie. Wer sich genau an die Essensvorschriften halte, könne nur in koscheren Restaurants essen.

Die säkular eingestellten Juden kümmern sich laut Gellis nicht um diese Vorgaben. Es gebe aber viele Varianten im Umgang mit den Essensvorschriften. Da gebe es Juden, die zwar nicht koscher essen, weiss Gellis. «Doch Schweinefleisch verzehren sie nicht, weil das Schwein sich im Dreck suhlt.» Andere Juden essen laut Gellis zuhause koscher, auswärts aber nicht.

Schächtverbot ist für Juden grösseres Problem

Nicht mit dem Schweinefleischverbot haben die Juden Probleme, sondern mit dem Schächtverbot, erklärt die ICZ-Mitarbeiterin. «Weil das Schächten in der Schweiz seit Ende 19. Jahrhundert verboten ist, müssen wir unser Fleisch importieren», sagt Gellis. Das sei mit Aufwand verbunden, weil man nicht nur sichergehen müsse, dass das Schlachten richtig erfolgt, sondern auch die Tiere zuvor gut gehalten worden seien.

Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG )habe immer wieder Vorstösse gemacht, damit das Schächtverbot aufgehoben werde, bisher erfolglos, bedauert Gellis. Doch einen Vorteil sieht sie an der Situation: «Wegen dieser schwierigen Umstände essen wir weniger Fleisch.»

© Katholisches Medienzentrum, 25.07.2017

Die Rechte sämtlicher Texte sind beim Katholischen Medienzentrum. Jede Weiterverbreitung ist honorarpflichtig. Die Speicherung in elektronischen Datenbanken ist nicht erlaubt.