Die UN-Behindertenkonvention fordert eine uneingeschränkte und gleichberechtigte Teilnahme aller Menschen am gesellschaftlichen Leben. Inklusion ist ein Menschenrecht. Eines der Ziele der Konvention ist es, Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Dazu gehört auch das Recht auf Kommunikation.
Inge Hauf ist Heilpädagogin und seit vielen Jahren Beauftragte für Unterstützte Kommunikation (UK) im Bereich Wohnen Neuendettelsau.
Inge Hauf: Zunächst einmal muss man wissen: Jeder Mensch hat das Bedürfnis zu kommunizieren. Kommunikation ist lebensnotwendig. Kommunizieren kann man mit den Augen, dem Gesicht, mit den Händen oder durch Körperbewegungen oder indem man Laute gibt. Menschen mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen bleiben oft nur Atmung und Muskelspannung um sich auszudrücken.
Inge Hauf (links) und ihre Kollegin kommunizieren mit Hilfe des Rehatalkpads mit einer Bewohnerin aus dem Bereich Wohnen Neuendettelsau. © Maria Mohr
Frage: Seit wann beschäftigen Sie sich mit Unterstützter Kommunikation? Inge Hauf: Ein Schlüsselerlebnis für mich selbst zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit in den 1970er Jahren war der Einzug einer jungen Frau mit einer Autismus-Spektrum-Störung, die nicht sprechen konnte. Dies machte es erforderlich, neue Wege zu gehen. Wie kann man sich also ausdrücken? Über die Körpersprache! Über die Körpersprache, die Mimik, die Atmung, über Gesten und Gebärden und natürlich auch die Laute der Stimme. Diese Verhaltensweisen mussten anfangs interpretiert und dann erkannt und verstanden werden. Zunächst war es für uns wie das Erlernen einer Fremdsprache. Wir beschäftigen uns in Neuendettelsau also schon sehr lange mit dem Thema. Früher gab es noch gar keine Computer und wir verstanden es schon immer als unsere Aufgabe zu überlegen, wie wir es Menschen, die nicht sprechen können, ermöglichen können, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu äußern. Dabei dürfen wir nicht vergessen, wir alle haben Kommunizieren gelernt. Dafür brauchte es Zeit und Gelegenheiten. Unterstütze Kommunikation wird gemeinsam gelernt und im Alltag genutzt. Wie können Menschen mit Behinderung diese Art der Kommunikation lernen? Inge Hauf: Damit Maßnahmen der Unterstützten Kommunikation gelingen, müssen der Einsatz der Kommunikationshilfe und das Vorgehen systematisch geplant und auf die Wirksamkeit hin überprüft werden. Zunächst nehmen wir uns die Zeit genau zu beobachten um zu erkennen, welche Fähigkeiten und Ausdrucksformen das Gegenüber verwendet. Auf welche Weise wird kommuniziert, wie wird Kontakt aufgenommen, was will die Person damit erreichen und in welcher Situation? Welches Kommunikationsbedürfnis besteht beim Nichtsprechenden sowie beim Gegenüber. Anhand der Reaktionen können wir feststellen, ob sich ein Dialog entwickeln kann.
Leckeres Popcorn selbst gemacht: Mit Hilfe der Taste kann die Bewohnerin die Popcornmaschine in Gang setzen. © Mohr
Was bedeutet es für Menschen mit Behinderung wenn sie sich ausdrücken können? Auf diese Weise können es Menschen mit Behinderung lernen, ihre Befindlichkeiten und Gefühle auszudrücken. Sie bekommen Zugang zu ihrer Innenwelt, fühlen sich von der Umwelt besser verstanden und werden letztlich ruhiger und ausgeglichener. So erfahren sie eine Aufwertung ihres Selbst. Sie werden gefragt, gehört, verstanden. Es wird nicht über ihren Kopf hinweg entschieden und muss nicht das tun was die Tagesplanung und Organisation vorgibt. Sie können selbst entscheiden, was sie tun wollen. Diese Möglichkeiten zur Äußerung der eigenen Wünsche und die damit verbundene Selbstbestimmung tragen enorm zur Zufriedenheit bei. Fremde Erwartungen werden mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen in Einklang gebracht und abgestimmt. Über die Mitwirkung wird eine aktive Teilhabe ermöglicht und ausgehandelt, nach dem Motto:
Der GoTalk ist ein Kommunikationshilfsmittel mit natürlicher Sprachausgabe, auf dem bis zu 36 Sprachmitteilungen gespeichert werden können. Auf die sprechende Taste kann eine Serie von Botschaften aufgenommen werden. Mit welchen Mitteln der Unterstützten Kommunikation arbeiten Sie? Inge Hauf: Wir verwenden eine ganze Reihe von Methoden und Hilfsmitteln aus dem umfangreichen Angebot der Unterstützten Kommunikation. Wir orientieren uns dabei am Menschen mit seinen individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten. Wir schauen und fragen, was braucht diese Person? Welche Kompetenzen bringt sie mit? Wie kann Unterstützte Kommunikation eingesetzt und weiterentwickelt werden, um das Mitwirken im Alltag zu verbessern. Für manche Personen sind die Anforderungen eines tabletbasierten Sprachcomputers viel zu hoch. Dafür kann er mit Kommunikationstafeln, Gebärden, Fotos oder Symbolen aktiv kommunizieren. Also werden wir eher diesen Weg einschlagen. Die Erfahrung zeigt, dass für sehr viele Personen ohne eigene Lautsprache, die Stimme und das selbständige Betätigen des akustischen Reizes eine hohe Motivation darstellt. Die Sprachausgabe wird am Anfang oft sehr lustvoll spielerisch erkundet. Wir verwenden häufig einfache Geräte mit natürlicher Sprachausgabe, die auf Betätigung eine vorher aufgenommene Aussage wiedergeben, beispielsweise den Little Step-by-Step. Das ist ein kleines Gerät mit einer großen farbigen Taste. Per Tastendruck wird die Aussage wiedergegebene. Floskeln, wie "Hallo wie geht’s" signalisieren dem Gegenüber Interesse zum Kontakt. Mit der sprechenden Taste können UK-Nutzer Aufträge, Fragen, Antworten und soziale Situationen eigenständig bewältigen
Der Anybook-Reader ist ein batteriebetriebener Vorlesestift. © Mohr
Eine sehr interessante Kommunikationshilfe ist der Anybook-Reader. Es ist ein batteriebetriebener Vorlesestift. Texte und Bücher werden mit Aufklebern versehen. Die Aufkleber werden aktiviert. Die Texte werden auf den Stift gesprochen und gespeichert. Der Nutzer berührt den Aufkleber und hört die aufgenommen Texte. Kinder können selbständig ihre Lieblingsbilderbücher anschauen und die Geschichte hören, wann sie möchten. In Lern- und Ausbildungssituationen werden Aufgaben eigenständig abgerufen. Erklärungen am Piktogramm oder Foto werden gehört und fordern zum Handeln auf. Wir bieten auch sogenannte Reha-Talk-Pads an. Das sind tabletbasierte Sprachcomputer in einer sehr stabilen Hülle. Sie werden durch Berühren über den Touchscreen angesteuert. Besteht eine eingeschränkte Motorik werden andere Ansteuerungslösungen probiert, beispielsweise über die Augen. Die Geräte verfügen über eine Sprachausgabe, die individuell angepasst wird. Verschiedene Kommunikationsprogramme und Apps mit speziellen Inhalten werden dem Nutzer zur Verfügung gestellt. Sie wird individuell ausgewählt und auf die jeweiligen Bedürfnisse angepasst. Die Anpassung erstreckt sich in der Regel über einen längeren Zeitraum. Es geht um gemeinsames Entdecken und Lernen, damit Kommunikation möglich wird. Die Benutzeroberfläche wird übersichtlich gestaltet, damit der Nutzer die Symbole ansteuern und auslösen kann. Er muss wissen, wie und wozu er Kommunikationsmittel und Zeichen verwenden kann. Beispielsweise erkennt er: "Ich kann sagen, dass ich durstig bin!"
Kommunikation ist in jedem Alter wichtig. © Marien
Richtet sich die Unterstützte Kommunikation an eine bestimmte Altersgruppe? Inge Hauf: Nein, kommunizieren ist in jedem Alter möglich. Die Angebote müssen das Lebensalter und die Bedürfnisse berücksichtigen. Kleinkinder sind anders als und Jugendliche oder Erwachsene. Welche Vorteile bietet die Unterstützte Kommunikation?
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