Planet Wissen 01.12.2017 58:07 Min. UT Verfügbar bis 01.12.2022 WDR Show
HIV-positiv – eine Diagnose, die auch heute noch die Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Genau das passierte Alexandra Frings vor 15 Jahren. Der Befund stellte ihr Leben völlig auf den Kopf. Doch das Virus in sich zu tragen, führt längst nicht mehr zwingend zum Ausbruch von Aids.
Die Ansteckung mit dem HI-Virus erfolgt am häufigsten beim Geschlechtsverkehr. Ein weiterer Übertragungsweg ist die Ansteckung durch HIV-infiziertes Blut. Dies gilt insbesondere für den gemeinsamen Gebrauch von Spritzen und Spritzenzubehör unter Drogengebrauchenden. Zur Vermeidung einer HIV-Übertragung bei der Anwendung von Blutprodukten werden in Deutschland die Spender sorgfältig ausgewählt und das gespendete Blut regelmäßig auf das HI-Virus getestet. Ebenso können Schwangerschaft, Geburt und Stillen bei Müttern mit HIV zu einer Ansteckung des Kindes führen. Durch verschiedene Maßnahmen, lässt sich dieses Risiko jedoch sehr stark senken, wenn die HIV-Infektion der Mutter bekannt ist. Bei erfolgreicher antiretroviraler Behandlung der Mutter kann eine natürliche Geburt erfolgen. Kondome, saubere Spritzen und Spritzutensilien schützen vor einer HIV-Infektion. Auch die medikamentöse Vorsorge „PrEP“ (Prä-Expositions-Prophylaxe) beugt eine HIV-Infektion vor. Seit 1. September 2019 werden Arzneimittel zur Vorbeugung einer Infektion mit dem HI-Virus für Menschen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Bei der Einnahme der PrEP ist es notwendig, sich vor Beginn und regelmäßig während der Einnahme der PrEP auf HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen (STI) testen zu lassen. Die regelmäßige Einnahme von antiretroviralen Medikamenten bei Menschen mit HIV führt dazu, dass die Virusmenge im Blut sehr gering ist, so dass HIV nicht nachweisbar ist und nicht übertragen werden kann (n = n: nicht nachweisbar = nicht übertragbar). Die meisten Menschen mit HIV, die unter Behandlung stehen, können lange Zeit mit dem Virus leben, ohne an AIDS zu erkranken Um die Übertragung von anderen sexuell übertragbaren Infektionen auszuschließen, ist die Kondomnutzung in vielen Situationen dennoch sinnvoll. Ein HIV-Test ist sinnvoll, wenn eine Risikosituation bestanden hat und eine HIV-Infektion nicht auszuschließen ist. Auch in der Schwangerschaftsvorsorge wird ein HIV-Test angeboten und empfohlen. Viele Gesundheitsämter bieten anonyme und kostenlose HIV-Tests in Deutschland an. Auch bei Ärzten und einigen AIDS-Hilfen kann man sich auf HIV testen lassen. Seit September 2018 können CE-gekennzeichnete HIV-Selbsttests zum Beispiel in Apotheken und im Internet gekauft werden. Diese Tests können erst 12 Wochen nach einem möglichen Infektionsrisiko durchgeführt werden. Bei einem reaktiven Ergebnis, ist ein Bestätigungstest bei einem Arzt durchzuführen. Erst dann liegt eine gesicherte HIV-Diagnose vor. Bis heute ist die Infektion mit HIV jedoch nicht heilbar und es gibt keine Impfung, die vor der Ansteckung mit HIV schützt.
Am 1. Dezember ist Welt-AIDS-Tag, damit die bisher nicht heilbare Erkrankung nicht in Vergessenheit gerät.
Zu Beginn einer AIDS-Erkrankung steht die Infektion mit dem HI-Virus. Das heißt in Langform "Menschliches Immundefekt-Virus" (Human Immunodeficiency Virus). Dieses Virus befällt und zerstört die körpereigenen Abwehrzellen.
Das Virus kann viele Jahre bis Jahrzehnte latent im Körper schlummern, ohne dauerhaft Krankheitssymptome hervorzurufen. In diesem Zustand bezeichnet man den Betroffenen als "HIV-positiv" - das HI-Virus ist im Körper vorhanden und auf andere übertragbar, aber die eigentliche Krankheit - AIDS - ist noch nicht ausgebrochen.
AIDS heißt "Erworbenes Immundefekt-Syndrom" (Acquired Immune Deficiency Syndrome). Von einer AIDS-Erkrankung spricht man, wenn das Immunsystem durch den Angriff der HI-Viren auf die Abwehrzellen so sehr geschwächt ist, dass der Körper für alle möglichen Infektionen anfällig wird. AIDS führt zu einem vielschichtigen Krankheitsbild mit unterschiedlichen Symptomen, daher spricht man von einem Syndrom. Wie die Krankheit verläuft, erfahren Sie hier.
AIDS ist noch nicht heilbar, weil sich das HI-Virus so schnell verändern kann, das bekannte Medikamente nicht mehr wirken. Man spricht von Resistenzen. Immerhin kann AIDS inzwischen soweit eingedämmt werden, dass die Krankheit chronisch, aber häufig nicht mehr tödlich verläuft. So wird AIDS behandelt.
Je nachdem, welche Zahlen man in Beziehung setzt, ändert sich die Aussage: Vergleicht man die Zahl der HIV-Neuinfektionen von Deutschland mit den internationalen Zahlen, stagniert die Rate der Infektion in Deutschland auf niedrigem Niveau. Vergleicht man die Zahlen von Deutschland mit den Zahlen Ende der 1990er-Jahre in Deutschland, hat sich die Rate der HIV-Neuinfektionen hierzulande auf hohem Niveau eingependelt, denn Ende der 1990er-Jahre war die Zahl der Infektionen in Deutschland auf den Tiefpunkt gesunken. Es macht auch einen Unterschied, ob man die Zahlen der EU mit Zahlen aus Deutschland vergleicht oder Zahlen der Europäischen Region der WHO, denn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezieht mehr Länder ein als die EU.
Zwei Begriffe, die nicht verwechselt werden sollten. Die Rate der HIV-Neuinfektionen zeigt, wie sich die Epidemie verbreitet. Steigt die Rate an, ist das besorgniserregend. Mit der Rate der HIV-Erstdiagnosen erkennen Experten die Infektion in einer Region und beraten, was medizinisch getan werden muss. Höhere Zahlen sind nicht so alarmierend wie bei den HIV-Neuinfektionen, denn es geht nicht um neue Infektionsfälle, sondern alte Fälle, die entdeckt wurden. Teilweise liegt der Zeitpunkt der Infektion Jahre zurück. Für viele beginnt die Geschichte von AIDS Anfang der 1980er-Jahre. Tatsächlich ist das HI-Virus wahrscheinlich schon 100 Jahre alt. Und seine Geschichte ist noch nicht zu Ende erzählt.
Audio herunterladen (26,3 MB | MP3) Der erste Mensch mit HIV könnte vor über 100 Jahren ein Jäger gewesen sein. Seine Beute trug ein Immundefizienz-Virus in sich und der Jäger infizierte sich, so die Annahme, über eine Schnittwunde. Das vom Tier stammende Virus entwickelte sich dann zum humanen Immundefizienz-Virus HIV. Der verletzte Jäger als erster menschlicher Wirt – diese sogenannte Cut-Hunter-Hypothese halten Forscher für sehr wahrscheinlich. Wenn Krankheiten von Tieren auf Menschen übertragen werden, sprechen Wissenschaftler von einem Spillover. Ein Spillover ist nicht selten. Robert Jütte, ehemaliger Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert-Bosch-Stiftung in Stuttgart, erinnert an die Vogelgrippe. Daran könne man sehen: Die Übertragung gehe "ratzfatz". Ein Vorgänger-Virus bei Schimpansen gefundenDer Spillover von HIV auf den Menschen erfolgte nach heutigen Annahmen mindestens zwölf Mal. Jede der heute bekannten Gruppen des HI-Virus geht auf eine solche Tier-zu-Mensch-Übertragung zurück. Für 90 Prozent aller Infektionen ist der Erreger HIV-1, Gruppe M, verantwortlich. Beatrice Hahn von der Perelman School of Medicine in Pennsylvania und ihr Team haben ihn zurückverfolgt – und fanden den wahrscheinlichen Vorgänger bei einer Schimpansenpopulation in Kamerun. picture-alliance / Reportdienste Porträt Beatrice Hahn. Die Virologin und ihr Team konnten den Vorgänger des HI-Virus zu einer Schimpansenpopulatoin im westafrikanischen Kamerun zurückverfolgen (Foto 1999) Die Forschergruppe bestimmte außerdem den Zeitpunkt des Spillovers. Dafür analysierte sie die genetischen Unterschiede in heutigen Viren, sagt Beatrice Hahn. "Wir können aufgrund der genetischen Diversität der heutigen HIV-1-Stränge zurückrechnen, wann der letzte gemeinsame Vorgänger existierte. Und das war 1910 plus/minus 20 Jahre." Das Schimpansen-Virus wiederum ist eine Mischung aus Viren, die bei Rotkopfmangaben und Meerkatzen auftreten. Schimpansen jagen diese Affen. Erste nachgewiesene HIV-Infektionen in der Demokratischen Republik KongoVom Südosten Kameruns aus machte sich HIV auf den Weg. Zunächst langsam, nicht explosionsartig, sondern von einer Person zur nächsten. Richtung Süden, erst den Sangha-Fluss, dann den Kongo entlang, bis es schließlich nach Léopoldville kam, das heutige Kinshasa, Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo. Robert Jütte schildert, wie Forscher den Ausbreitungsweg rekonstruierten. Im Mittelpunkt stehen zwei in Paraffin konservierte Gewebeproben: ZR59 und DRC60. Beide Proben stammen aus der Region Kinshasa aus den Jahren 1959 und 1960, und beide Proben sind HIV-positiv. Sie stellen damit die ältesten nachgewiesenen HIV-Infektionen dar. Eine genetische Analyse der Proben im Jahr 2008 ergab, dass das Virus schon 40 Jahre oder länger in Léopoldville kursierte, also mindestens seit den 1920er-Jahren. Von Zentralafrika aus in die WeltZwischen 1920 und 1960 explodierte die Bevölkerung von Léopoldville geradezu, von ungefähr 20.000 auf mehr als 400.000 Menschen. Das Virus setzte sich hier fest. Zu den Hauptübertragungswegen gehörten damals wie heute ungeschützte intime Kontakte und das Wiederverwenden von Spritzen und Nadeln, ohne sie zu sterilisieren. Außerhalb Afrikas setzte sich das Virus, laut Robert Jütte, erst in den 1960er-Jahren fest. Es gelangte zunächst nach Haiti. Und weil viele Einwohner Haitis im Ausland arbeiteten, von dort aus in die westliche Welt. Drei frühe dokumentierte AIDS-Fälle mit Todesfolge sind die eines Teenagers aus Missouri, eines Norwegers, der in jungen Jahren zur See fuhr, und einer in Zaire arbeitenden Ärztin. Da die behandelnden Ärzte damals so perplex von diesen Fällen waren, hoben sie Proben der Obduktionen auf. So konnte später nachgewiesen werden, dass alle drei mit HIV infiziert waren. AIDS wurde als homosexualitäts-bedingt wahrgenommenEin weiterer bekannter Fall aus den 1970er-Jahren ist der kanadische Flugbegleiter Gaëtan Dugas, der irrtümlicherweise manchmal als Patient Zero bezeichnet wird. In dieser Zeit schloss sich an die Bürgerrechtsbewegung in den USA die „Gay Migration“ an – die Migration der Schwulen. Dugas war homosexuell und soll nach eigener Aussage mehr als 2.500 Sexualpartner gehabt haben. Die schnelle Ausbreitung des Virus in der Schwulen-Szene führte letzten Endes zur Entdeckung der Krankheit. Deshalb wird sie zunächst als gay-related immune deficiency, also homosexualitäts-bedingte Immunschwäche, oder kurz GRID bezeichnet. Die heutige Bezeichnung AIDS dagegen steht für Aquired Immune Deficiency Syndrome: Das erworbene Immunschwäche-Syndrom. Seit den 1980er-Jahren wird an einem Impfstoff geforscht – bisher ohne Erfolg. Denn es mutiert sehr schnell. So entstehen im Körper eines HIV-positiven Menschen jeden Tag mehr unterschiedliche Virus-Varianten als Grippe-Varianten weltweit pro Jahr. Fortlaufende Suche nach TherapieImmerhin konnten wirksame medikamentöse Therapien entwickelt werden – HIV bedeutet heute kein Todesurteil mehr. Es gilt zwar immer noch als unheilbar, aber mit der richtigen Therapie kann die Viruslast im Körper von Infizierten unter der Nachweisgrenze gehalten werden. Impfstoff, Knochenmarktransplantation oder ein ethisch umstrittener Einsatz der Genschere für eine HIV-Immunität – es wird weitergeforscht auf der Suche nach einem Heilmittel. Das ist auch ein Wettlauf gegen die Zeit, denn je länger der Kampf gegen HIV dauert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus Resistenzen gegen die bereits vorhandenen Therapien entwickelt. Manuskript zur Sendung |