Ich habe betrogen Wie gehe ich damit um

Was tun, wenn’s passiert ist?

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Eine laue Sommernacht, ein Glas Wein zu viel, ein Lächeln, das Sie innerlich dahinschmelzen lässt … – und zack, schon ist es passiert. Ihr Mund landet auf fremden Lippen, erforscht neues Terrain. Verstummt ist die Stimme der Vernunft. Stattdessen lodern Abenteuerlust und heiße, prickelnde Leidenschaft. Ihr Partner, der zu Hause nichtsahnend im gemeinsamen Bett schlummert: vergessen. Bis zum nächsten Morgen, wenn sich Ihre Augen zum ersten Mal öffnen: Ach du scheiße!

Der Spaß am Verbotenen

Fremdgehen gehört zu den Dingen im Leben, die verdammt viel Spaß machen können, aber leider ein absolutes NoGo sind – es sei denn, es ist mit dem Partner abgesprochen, wie z. B. in einer offenen Beziehung. In allen anderen Fällen ist es aber schlicht und einfach Betrug. Betrug an dem Menschen, den Sie am meisten lieben. Zeit, sich ein paar Fragen zu stellen!

1. Bereuen Sie?

Okay, was passiert ist, ist passiert. Aber bereuen Sie es? Haben Sie ein schlechtes Gewissen? Oder würden Sie sich am liebsten gleich wieder in die Laken stürzen und noch einmal von der köstlichen Frucht kosten? Diese Frage ist wichtig, damit Sie für sich selbst klären können, wie es weitergehen soll. Bereuen Sie den Fehltritt, spricht es für Ihre Beziehung. Lässt es Sie kalt, ist es vielleicht ein eindeutiges Zeichen, dass Sie mit Ihrer Partnerschaft nicht glücklich sind und Sie darüber nachdenken sollten, die Geschichte zu beenden. Darum: Lieben Sie Ihren Partner noch? Möchten Sie die Beziehung fortführen? Wenn ja, lesen Sie weiter. Wenn nein, seien Sie fair und lassen Sie Ihren Partner gehen, ohne ihm noch mehr weh zu tun.

2. Beichten Sie?

Ein Paar-Therapeut würde Ihnen ganz klar dazu raten, Ihrem Partner von Ihrem Seitensprung zu erzählen und gemeinsam zu ergründen, wieso es dazu gekommen ist, was Sie beide besser machen können, etc. Aber: Fakt ist, dass Sie Ihrem Gegenüber damit sehr, sehr weh tun werden. Ihre Beziehung wird auf eine harte Belastungsprobe gestellt und es steht in den Sternen, ob Sie sich jemals wieder so vertrauen und lieben können wie zuvor.

Wird man vom Partner betrogen, dreht sich nicht nur der Magen um. Solch ein Vertrauensbruch eines Menschen, der Familie für uns ist, kann für die Psyche eine Herausforderung sein, die nicht so einfach wegzustecken ist. Betrogen zu werden kann langfristige Folgen für uns haben, uns zu anderen Menschen machen, uns aber auch ganz klar zeigen, wo die eigenen Grenzen liegen, was wir möchten und wovor wir vielleicht unbewusst die Augen verschlossen haben.

Ein Betrug kann Augen öffnen und die Sicht klären. Er kann uns aber auch erstmal ganz schön umhauen und uns psychisch einmal durch den Fleischwolf drehen. Wer einen solchen Vertrauensbruch erlebt hat, der macht oft eine Veränderung durch. Und blickt irgendwann mit einem ganz anderen Blickwinkel zurück. Diese Erfahrung kann uns näher zu uns selbst führen, uns für die Zukunft klare Grenzen setzen lassen, und vielleicht sogar alte Muster in der Partnerwahl hinter uns lassen.

Wir haben euch gefragt: Was hat es mit euch gemacht, betrogen zu werden? 9 Frauen erzählen ihre Erfahrungen.

Elena, 29

Die ersten Wochen, nachdem ich betrogen worden war, dachte ich, meine Welt geht unter. Mein Selbstwertgefühl war dahin, ich konnte mich nicht im Spiegel anschauen und habe mich gehasst. Ich habe nicht ihn gehasst, nur mich. Ich habe mich gefragt, was ich falsch gemacht habe, was ich ihm nicht geben konnte, was an ihr schöner, heißer, begehrenswerter ist. Ich habe mich komplett zurückgezogen, bis ich irgendwann morgens aufgewacht bin und eine Wahnsinnswut im Bauch hatte. Auf ihn, darauf, dass ich jetzt so leide, darauf, dass ich mich selbst nicht mehr mag, darauf, dass ich apathisch im Bett liege und draußen schönes Wetter ist. Und irgendwie hat mich diese Wut stark gemacht. Sie hat mich klarer sehen lassen. Meine FreundInnen und meine Familie haben mir auch geholfen. Sie waren rational aber immer da, sind ohne Schuldzuweisungen mit dem Thema umgegangen und haben nicht gewertet, das war hilfreich. Ich habe verstanden, dass es nichts mit mir zu tun gehabt hatte und auch nicht mit der anderen Frau.

Heute kann ich sagen, dass ich in der Zeit so viel über mich gelernt habe wie noch nie. Es hat mich stark gemacht.

Dieser Schicksalsschlag ließ mich alles überdenken. Nachdem mir die ganze Zeit im Kopf rumging, ob er diese Beziehung noch haben will, ob er mich noch haben will, habe ich mich irgendwann getraut, endlich einmal mich selbst zu fragen, ob ICH diese Beziehung überhaupt will. Ob ich glücklich bin. Wie ich mich vor dem Betrug in der Beziehung gefühlt habe. Was ich überhaupt im Leben will. Da ich durch ein vorausgehendes (Beziehungs-)Trauma unfassbare Verlustängste und ein Selbstwertproblem habe, war betrogen werden oder meinen Partner an eine andere Person zu verlieren meine allergrößte Angst. Was mich nach diesem Erlebnis so stark gemacht, hat was das Gefühl, meine Angst überlebt zu haben. Der worst case ist eingetroffen, und ich bin trotzdem noch da. Ich habe trotzdem oder vielmehr deswegen Hoffnung, ich habe mich. Ich habe meine Familie. Ich habe mein Leben, dass ich ganz gerne mag.

Zwischen all den unberechtigten Selbstvorwürfen habe ich auch berechtigte Fehler bei mir gefunden. Ich musste mir zum Beispiel eingestehen, dass ich selbst nicht so committed war wie ich dachte. Diese Fehler haben mich wiederum weitergebracht: Was will und erwarte ich zum Beispiel von einer Beziehung?

Ich schildere den Prozess hier knapp, allerdings dauerte es eine Zeit, bis ich so über alles denken konnte.

Und ich hatte psychologischen Support. Die Trauer- und Wut-Phase ist in eine hoffnungsvolle Selbstfindungsphase übergegangen, vor der ich ebenfalls Angst hatte. Angst davor, mich kennenzulernen. Irgendwie hat also dieser Betrug, das Wahrwerden meiner schlimmsten Angst und das Überleben, dazu geführt, dass ich mich endlich selbst besser kennenlerne. Mittlerweile ist mir Treue auch nicht das Wichtigste an einer Beziehung, sondern Ehrlichkeit.

Das Schlimmste war für mich im Nachhinein nicht das Betrügen an sich, sondern die Lügen, die Heimlichkeit, das Gefühl von Einsamkeit und die Scham.

Franziska, 32

Erst konnte ich es kaum fassen, dass er das wirklich getan hatte, und wollte alles darüber herausfinden. Je länger ich mich aber mit den Details auseinandersetzte, desto mehr merkte ich, dass das alles überhaupt nichts mit mir zu tun hatte – und ich schon gar nichts davon auf mich beziehen sollte und wollte. Was mir mit der Zeit immer klarer wurde, war, dass sein Verhalten nicht hieß, dass mit mir etwas falsch war, sondern mit ihm. Dass er noch nicht so weit gewesen war, wie er gedacht oder gehofft hatte. Dass sein unreflektiertes Verhalten dazu geführt hatte, dass er tatsächlich etwas mit einer anderen angefangen hatte, anstatt sich mit seinen eigentlichen Themen auseinanderzusetzen. Und dass das Ganze nur mit ihm und nicht mit mir zu tun hatte.

Tatsächlich hatte das Betrogenwerden auch nachhaltig keinen Einfluss auf mein Selbstbewusstsein – zumindest nicht im negativen Sinne.

Eher hat die Enttäuschung dazu geführt, dass ich seit dieser Erfahrung keine weiteren Enttäuschungen mehr erleben will, und viel klarer in meinen Grenzen und meiner Kommunikation geworden bin. Natürlich kann man nie wissen, wie eine neue Beziehung verlaufen wird. Auch gibt es zig verschiedene Gründe, warum jemand den Schritt geht, zu betrügen. Trotzdem sehe ich im Nachhinein, dass ich mir in der Beziehung, in der ich betrogen worden bin, gewissen Dinge schön geredet habe. Probleme eigentlich gesehen habe, aber sie nicht wahrhaben wollte.

Heute bin ich wahrscheinlich klarer in der Wahrnehmung von möglichen Problemen und auch in der Kommunikation.

Schon beim Kennenlernen haben mir meine Erfahrung und meine Klarheit geholfen, einen Partner zu finden, der mir in vielen Dingen sehr ähnlich ist, was schon von vornherein zu weniger Konflikten führt. Und ich denke, dass ich heute auch früher bestimmte Anzeichen von Unzufriedenheit wahrnehmen würde, von meinem Partner, aber auch von mir. Betrügen kann vermieden werden – wenn beide gewillt sind, sich zu reflektieren und zu kommunizieren. Und wer genau das nicht tut und betrügt, vor dem verliere ich Respekt. Nicht aber vor mir selbst, und ich bin deshalb wirklich froh, dass mein Selbstbewusstsein unter dieser Erfahrung nicht gelitten hat!

Jasmin, 34

Er war jünger als ich, und ich wusste, anfangs war da eine Freundin. Als wir dennoch nicht voneinander loslassen konnten, sagte ich, er solle sich trennen, das sei nicht fair, oder wir beide lassen es. Ich wollte natürlich nicht die Affäre sein.

Er zog es vor, uns beide zu haben. Log mir vor, sie sei labil, er könne nicht gehen. Sagte ihr, die neue Arbeit verlange von ihm, er müsse immer lange bleiben. Er setzte bei uns beiden Wut und verbale Gewalt ein, damit wir wenig fragten. Bei ihr funktionierte das gut. Ich bin, dank cholerischem Vater, gegen sowas abgehärtet. Mir gegenüber wurde er, wenn ich ihm beim Lügen ertappte, dann eher beleidigend, warf Dinge umher.

Und immer wieder war an den Geschichten ein bisschen Wahrheit dran. Nie klang es komplett nach Lüge.

Ich bezog irgendwann Stellung vor ihrer Wohnung, um zu sehen, ob er auftaucht. Und pünktlich wie ein Uhrwerk tat er das auch. Ich klingelte sogar. Er hatte jedoch schon Wochen zuvor eingeführt, abends die Klingel abzustellen. Ihr sagte er, er mache das, damit sie abends niemand nerve.

Gehen konnte ich erst nach mehreren Anläufen, weil diese ständige Lügerei mich komplett mürbe gemacht hatte.

Seine Freundin wollte, nachdem alles raus gekommen war, mit mir Kontakt halten, weil sie wissen wollte, ob er mich nochmals kontaktiere. Diese Konstellation ist auch alles andere als gesund. Ich war trotzdem froh, dass ich den Mut hatte, ihr ins Gesicht zu schauen und die Wahrheit zu sagen. Ich bin nicht stolz darauf, wie alles ablief. Ich wusste am Anfang, dass er eine Freundin hatte und habe eine Weile gedacht, das wäre okay für mich, und seine Beziehung sei in der Trennungsphase.

Der Rest war vielleicht Karma. Lügen ist ein bisschen wie mit Dreck zu werfen. Etwas davon bleibt auch an dem kleben, der es tut.
Meine kleinen Lügen habe ich teuer bezahlt und lege heutzutage bei mir selbst und allen anderen in meinem Umfeld extrem viel Wert auf Ehrlichkeit.

Ihm wünsche ich nur, dass er unsere Geschichte so sehr bedauert wie ich, und keine andere, die er in Zukunft kennenlernt, mehr durch so etwas durch muss. Hoffentlich auch nicht seine immernoch-Freundin.

Ich war in der Geschichte quasi beide Seiten: Betrogene und Affäre. In einem sehr seltsamen Strudel aus Aufregung und Drama, aus dem ich vor allem eines mitnehme: Belogen werden ist schlimm. Es zerstört nachhaltig und desillusioniert hart. Ich glaube seither nicht mehr an lebenslange Partnerschaft, worunter meine jetzige Beziehung auch oft leidet. Ich hab heute noch Panikattacken, wenn ich denke, mein Partner erzählt mir nicht die Wahrheit oder verheimlicht etwas. Ich kann nur wenige Nachlässigkeiten tolerieren, denn sie schüren die alten Zweifel.

Szenarien, die jede andere für absurd halten würde, haben sich für mich als wahr herausgestellt, und nun traue ich sie auch anderen zu.

Denn man kann nicht in Menschen hineinschauen. Und wenn dich jemand belügen will, dann kannst du nichts dagegen tun.
Was ich aber auch gelernt habe: Lügen gehen mit dem nach Hause, der sie erzählt. Nur weil man sie glaubt, ist man nicht naiv oder dumm. Ich sage mir das immer wieder, und hoffentlich glaube ich es auch eines Tages!

Stephi, 35

Ich war 18 und M. war mein erster Freund. Der erste richtige zumindest. Die erste Liebe unter Erwachsenen. Der, mit dem man zusammenzieht, das erste Mal. Der, mit dem man gemeinsam händchenhaltend bei Massenbesichtigungsterminen um diese eine erste, perfekte gemeinsame Wohnung buhlt. Daumendrückend, laute Herzen, Freudenschreie. Diese eine erste ganz besondere Beziehung zu diesem ganz besonderen Menschen, die den Grundstein für die Liebe legt und alles, was wir uns darunter vorstellen. Dieser Mensch, der dich glauben lässt, dass die Liebe unantastbar ist und es keine Schattenseiten gibt.

Liebe hat so viel Macht. Und dieser eine Samstagabend im Sommer hat mich für immer verändert.

Jemandem sein Herz zu schenken ist wahrscheinlich das Größte, was man geben kann. Sein Herz zu verschenken hat für mich von klein auf bedeutet, den Anderen als seinen Partner anzusehen und diesem vollends zu vertrauen. Die Basis. Und darauf bauen wir dann all das, was wir wollen. Ich dachte, dass M. und ich diesen Punkt erreicht hatten. An einem Wochenende im Sommer, wenige Jahre nach der Jahrtausendwende, hatte ich ein seltsames Gefühl. Meine Intuition lässt mich selten im Stich. Leider. M. hatte mich bestohlen und betrogen und die Frau, mit der er mich betrogen hatte auch noch mit meinem Geld bezahlt. Er sah mir ins Gesicht und erzählte von seinen Taten, als sei ich guter Freund und als wäre er ein Opfer, weil da draußen ja so viele Versuchungen lungern. Als habe er nicht anders gekonnt. Wie es sich anfühlt, wenn dir deine erste Liebe offenbart, dass sie dich betrogen hat? Ich glaube, du stirbst dann das erste Mal. Es ist, als würde dich jemand lebendig begraben. Und da ist dann so viel Wut und Enttäuschung und so eine Blase, die sich anfühlt, als sei das alles ein Film und du hast 7 Leben, die du gar nicht willst, denn gerade willst du einfach nur sterben.

Es ist, als ob dir jemand den Teppich unter den Füßen wegreißen würde. Und das ist auch wirklich Fall.

Seitdem? Bin ich ständig ängstlich. Manchmal weiß ich nicht, ob es für den, der „danach“ kam noch schlimmer ist als für mich. Das Misstrauen ist immer da. Die Intuition ist wie ein Schleier, der über allem liegt. Hat überhaupt jemand eine Chance? Können wir nach solch einem Erlebnis in einer Beziehung überhaupt bei Null anfangen, oder stehen wir von Anfang an auf Minus? Ich habe oft versucht, neutral an Beziehungen ranzugehen. Nicht zu vergleichen. Die Vergangenheit ruhen zu lassen. Aber zu wissen, dass man betrogen wurde, hat so viel Gewicht. Ich vermute zu viel, interpretiere zu viel in Dinge hinein, die unter anderen Gegebenheiten sicherlich nichtig wären. Ich habe Angst. Permanent. Angst vor der Wiederholung. Angst davor, zu vertrauen. Angst davor, mich einzulassen und fallen zu lassen. Seitdem bin ich nie ganz dabei. Mit Dem Herzen und überhaupt. Ich bin ständig auf der Suche nach Bestätigung. Oft wohl nur nach einem Grund, der mir einen Grund gibt. Ich hasse das. Und es tut mir leid.

Anna, 33

Beim ersten Mal stellte ich ihn vor die Wahl: Entweder gehst du oder wir arbeiten daran. Er entschied sich für Zweiteres, und mir fiel ein Stein vom Herzen. War ja nichts passiert, nur ein Fremddate, das aufgeflogen war. Der Vertrauensmissbrauch reichte aber, dass die kommenden Monate schwierig waren. Er bemühte sich, ich war trotzdem eifersüchtig. Und das Schlimmste: Ich hasste es. Ich war nie ein eifersüchtiger Mensch gewesen, liebte selbst den Freiraum und gab ihn auch meinen Partnern. Doch nachdem der erste Fremdgeh-Versuch aufgeflogen war, blieben Zweifel. Ist er wirklich nur mit Freunden unterwegs? Ist er auf der Geschäftsreise allein? Trifft er wirklich nur eine gute Freundin? Die Zweifel nagten an mir. Bis ich mir eine Frage stellte: Vertraust du ihm oder willst du gehen? Ich entschied mich fürs Vertrauen, weil ich liebte. Ihn. Unsere Beziehung. Unser Leben nach all den Jahren. Es wurde wieder ruhiger, wir wieder mehr ein Team. Bis es wieder passierte. Eine Affäre, die ich aufdeckte. Die so klar vor meinen Augen lag, in die er eiskalt log. Ich hätte die Beweise wahrscheinlich extra drapiert, um ihn zu testen. Ich wäre übereifersüchtig. Ich blickte mit Entsetzen in das Gesicht des Mannes, den ich zu lieben glaubte und fragte mich: Wer war er? Wer war diese Person wirklich? Nach und nach kamen immer mehr Fremdgeh-Eskapaden heraus. Er hatte nichts ausgelassen. Während ich die loyale, entspannte Freundin war, hatte er seine Freiheit schamlos ausgenutzt. Wir trennten uns.

Als er aus meiner Wohnung verschwunden war, schwor ich mir, dass mich sein schreckliches Verhalten in Zukunft nicht belasten sollte.

Jeder Mensch ist anders, und nicht jeder Mann wie er. Trotzdem würde ich lügen, wenn ich sagen würde, dass mein unbedarftes Vertrauen heute so noch existiert. Ehrlichkeit, Loyalität und Treue sind mir wichtig. Betrug kann passieren, aber ich möchte es wissen. Ich möchte, dass die Dinge geklärt werden, bevor man sich dem hingibt. Denn das hat man als Partner*in verdient.

Heute weiß ich: Ich habe nichts falsch gemacht. Sicherlich, Fremdgehen hat seine Ursachen in der Beziehung und wahrscheinlich lief nicht alles rund bei uns. Aber: Er hatte die Wahl. Er hätte mit mir reden, Schluss machen oder andere Konsequenzen ziehen können. Doch er entschied sich für das Doppelleben. Und lieferte mich der Situation aus.

Die Lügen, das Abstreiten, das Verneinen des Tatsächlichen: All das war schlimmer gewesen, als der Betrug meines Ex-Freundes an sich. Den hätte ich nach als Jahren irgendwie verstanden, nachvollziehen können. Aber der Umgang damit, mich als verrückte Person hinzustellen, das habe ich ihm nie verziehen. Und das weiß er. Treffe ich ihn heute auf der Straße, schaut er beschämt weg. Und ich habe nur eines: Mitleid.

Franzi, 30

Es begann mit einem Anruf. Nach seiner Abreise zurück in die Berge, wo er einige Monate im Winter arbeitete, hatte ich zwei Tage nichts von ihm gehört. Das passte überhaupt nicht zu ihm und ich begann mir Sorgen zu machen, suchte die Nummer der Hütte heraus, von der er mir einige Wochen zuvor Fotos geschickt hatte und rief dort an. Als die hilfsbereite Frau am anderen Ende der Leitung mir auch nach mehreren Nachfragen und Beschreibungsversuchen versicherte, er würde hier nicht arbeiten, sie würde ihn nicht kennen, bedankte ich mich und legte benommen auf. Mein Magen drehte sich um, mein Herz pochte laut und meine Knie wurden weich. Ein Schleier der Ungläubigkeit und Fassungslosigkeit legte sich auf meine Gedanken und Gefühle.

Eine Welt bracht zusammen, als die Lügen, der Betrug und die Diebstähle – er hat mich und meine Familie beklaut und nicht nur uns, wie ich später herausfnden sollte – zutage kamen. Ich wollte alles wissen, und mit jeder Nachforschung, jedem Gespräch und jeder Kontaktaufnahme mit Personen aus seinem Umfeld, bröckelte mein Bild, dass ich von ihm hatte auseinander. Ich brauchte das Wissen um alle Details, um wirklich begreifen zu können, dass er nicht der Mensch ist, von dem ich 2 1/2 Jahre dachte, das er es sei. Denn es ist unbegreiflich.

Mindestens genauso schmerzhaft, wie die Entdeckung dieser Unehrlichkeiten, war und ist der Weg hinaus aus dem Kokon, in den ich mich, ohne es zu merken, zurückgezogen hatte. Aus Angst, wieder verletzt zu werden, aus Angst, wieder so falsch zu liegen, aus Zweifeln an meinem Menschengespür.

Es war die zweite Beziehung hintereinander, in der ich getäuscht worden war. Erstere zwar ohne Diebstahl und sexuellen Betrug, aber zumindest mit Lügen über die eigene Biographie gespickt. Nach dieser Beziehung wollte ich das Kapitel möglichst rasch beenden, und schob die Auseinandersetzung damit von mir. Dieses Mal wollte ich das nicht. Ich sprach mit seinen ehemaligen und aktuellen Freunden, Mitarbeitern, seinem Chef, seiner Mutter, zwei seiner Exfreundinnen. Und ich nahm Kontakt zu der Frau auf, mit der mich betrogen hatte. Mit der ich ihn in flagranti erwischt hatte und vor der er in diesem Moment noch versucht hatte, mich als die irre Exfreundin darzustellen, die nicht akzeptieren wolle, dass Schluss sei. Sie alle hatten kleine Puzzleteile, die mir halfen, ein neues, echteres Bild von ihm zusammenzusetzen, wie es vielleicht keiner vor mir je getan hatte.

Besonders heilsam für mich war der Kontakt zu den anderen Frauen, die Verbundenheit, unser Austausch, am Telefon, in unserer gemeinsamen WhatsApp Gruppe und unser Treffen. So konnten wir das unbegreifliche etwas greifbarer machen, Lügen enttarnen und auch die falschen Bilder, die er über die jeweils anderen Frauen in uns hatte entstehen lassen, revidieren.

Mein Tipp für die Zukunft: Hör(t) genau hin, wie jemand über seine Expartner*innen spricht.

Schmerzhaft war die Erkenntnis, dass ich meine Augen vielleicht unbewusst verschlossen gehalten hatten, vielleicht auch, weil es leichter war, an einer Illusion festzuhalten, als mich schmerzhaften Fragen der Realität zu stellen, die ich vielleicht nicht wahrhaben wollte. Ich musste mir eingestehen, dass ich zu keinem Zeitpunkt den geringsten Zweifel hatte, an dem was er tat, sagte oder wie er sich gab. Für mich war es immer etwas natürliches und selbstverständliches, das Gute in den Menschen zu sehen.

Mindestens genauso schmerzhaft war die spätere Erkenntnis, nicht in meiner Kraft gewesen zu sein, und die Frage, wie mir das passieren konnte – wie ich es nicht hatte sehen, erkennen oder spüren können.

Wie hatte ich mich so täuschen lassen können? Von einem anderen Menschen – aber auch von mir selbst? Der Betrug und die Täuschungen haben an meinem Vertrauen in meine Gefühle anderen Menschen gegenüber gerüttelt. Manchmal ist da Wut auf ihn, auf das was er tat und noch immer tut und damit durchkommt, oft auch Fassungslosigkeit. Manchmal ist da Scham und Ekel vor mir selbst.

Ein Teil von mir hat sich nach diesen Erfahrungen zurückgezogen, um sich selbst zu schützen. Auf den letzten Mann konnte ich mich nie ganz einlassen. Ließ es lieber offen, um lieber nicht noch einmal einen Fehler zu machen. Das hat mir die Möglichkeit genommen, mich ganz auf ihn einzulassen. Langsam arbeite ich mich aus diesem Kokon hinaus, ich versuche geduldig und liebevoll mit mir selbst zu sein. Das heißt auch, die Verletzungen, die Enttäuschung und die Scham anzunehmen, wie ich mehr und mehr begreife. Das klappt nicht immer, aber immer öfter.

Langsam lerne ich, wieder ein Stück weit mehr auf mein Bauchgefühl zu hören, meinen Gefühlen anderen Menschen gegenüber zu vertrauen, sowohl wenn ich mich gut oder nicht so gut in der Gegenwart bestimmter Menschen fühle und wieder deutlicher zu spüren, was oder wer sich gut und richtig für mich anfühlt. Aber ich weiß auch, dass ich noch in diesem Prozess bin, mich selbst besser kennenzulernen, zu verstehen und zu fühlen. Dabei helfen mir persönlich Achtsamkeitspraktiken und die Ausbildung zur Tanztherapeutin, die ich seit 1 1/2 Jahren mache. Körperbewusstsein und in engen Kontakt mit dem Inneren zu kommen spielen für mich in diesem Prozess eine wichtige Rolle. Ich weiß aber auch, dass da noch Wunden sind, die ich selbst jetzt noch nicht sehen kann, die geheilt werden wollen und noch mehr Arbeit bedürfen. So schmerzhaft diese Erfahrung auch war und ist, wird sie mich letztendlich zu einem stärkeren Menschen machen, davon bin ich überzeugt.

Ich wurde in meiner letzten Beziehung dreimal betrogen. Das letzte Mal war das Schlimmste, da ich dachte, wir haben es gepackt. Ich war zu dem Zeitpunkt sehr glücklich, wir bastelten sogar an einem Baby. Es hat mich komplett aus der Bahn geworfen und ich habe ein Jahr gebraucht um darüber hinweg zu kommen. Der Verrat, der damit einherging belastet mich bis heute, da er mich danach zurück wollte und ich erst vor Kurzem erfahren habe, dass die andere Frau zu diesem Zeitpunkt schon regelmäßig bei uns zu Hause war. Wo nach meinem überstürzten Auszug mit nur dem Nötigsten noch alle meine Sachen waren. Mein ganzes Leben brach gefühlt zusammen, und ich erkrankte kurz darauf an einer Angststörung. Ich ging ein Jahr durch die Hölle. Aber all das zwang mich dazu, mich mit mir selbst zu beschäftigen. Seit Oktober arbeite ich mit einem Coaching an mir, dringe immer tiefer vor und weiß langsam wieder wer ich bin, was ich will – und was nicht.

Frieda, 30

Als ich 20 war, hatte ich einen Freund in London, mein erster „richtiger“ Freund, mit dem ich mir eine Zukunft ausgemalt habe. Ich besuchte ihn oft und verbrachte auch zwei Semesterferien komplett in London, arbeitete dort ein bisschen und investierte insgesamt viel in die Beziehung – nahm aber auch sehr viel daraus mit durch die Möglichkeit, dort monatelang kostenlos zu wohnen, Arbeitserfahrung zu sammeln und mein Englisch zu verbessern. Nach einem guten halben Jahr distanzierte er sich zunehmend von mir, ich spürte, irgendwas war anders. Ich weiß noch genau, wie sich dieser schwarze Angst-Kloß in meinem Magen angefühlt hat, der nur durchs Schlafen wegging. Im Februar begann mein zweiter Semesterferien-Aufenthalt in London, gleich zu Beginn sagte er mir, dass er sich am Ende meines Aufenthalts trennen wolle, er könnte das mit der Fernbeziehung nicht mehr.

Daraufhin: blieb ich. Verrückt, aber ich war 20 und dachte, er ändert seine Meinung. Und um ehrlich zu sein wollte ich auch nochmal zwei Monate in London verbringen. Im April flog ich zurück, wir trennten uns, aber wenige Wochen später kam er reumütig nach Berlin und bat um eine zweite Chance. Danach häuften sich komische Ereignisse: Er war 24 Stunden lang nicht erreichbar (für mich eine durchwachte Angstnacht), eine Kollegin hatte bei ihm übernachtet. Im Juni flog ich als Geburtstagsüberraschung hin, in seinem Zimmer lagen Kondome verstreut auf dem Boden. An dem besagten Wochenende schaute ich etwas auf seinem Handy nach, als die SMS der besagten Kollegin ankam, ihr Freund hätte rausgefunden, dass sie sich geküsst hätten. Da er mich überzeugte ,dass es nur ein Kuss gewesen war, blieben wir zusammen. Eine Woche später kontaktierte mich der Exfreund der Kollegin. Er hatte alles rausgefunden, die beiden hatten sechs Monate eine Affäre gehabt. Ich rief ihn an, machte Schluss und ging ab diesem Zeitpunkt zwei Monate lang nicht ans Telefon, obwohl er täglich mehrmals anrief. Das war so wichtig für mich, um meine „Macht“ für mich wiederzugewinnen.

Kurze Zeit nach der Trennung begann ich, Panikattacken zu bekommen. Das war schrecklich und die Angst davor nahm mich völlig ein, eine sogenannte beginnende Angststörung. Ich begann dann ein halbes Jahr später eine Therapie, was extrem gut für mich war. Rückblickend war ich zu Beginn der Beziehung absolut gutgläubig und habe ernsthaft gedacht, mir würde es nie passieren, betrogen zu werden. In der Realität habe ich dann jede einzelne Red Flag ausgeblendet und ganz schön viel mitgemacht, aus Angst, ihn zu verlieren. Dieser für mich davor unvorstellbare Vertrauensmissbrauch, das Gefühl, in so vielen Situationen, in denen man völlig vertraut hat, angelogen geworden zu sein, hat mir damals wirklich den Boden unter den Füßen weggerissen.

Das hat sich bei mir dann in der Angststörung widergespiegelt, bei der es vor allem um Angst vor jeder Form des Kontrollverlusts ging. Zum Beispiel konnte ich ein Jahr lang nicht einen Tropfen Alkohol trinken. Nach zwei Monaten nahm ich einmal das Telefon überraschend ab und bat ihn, mich erstmal vier Monate in Ruhe zu lassen um das alles sacken zu lassen. Er schrieb mir auf den Tag genau vier Monate später, diese Sachen haben mich ein wenig versöhnt und mir ein bisschen Stolz wiedergegeben – irgendwie doof, aber ist so. Danach konnten wir auch nochmal mit Abstand ein bisschen darüber reden. Er hatte aber einen ganz anderen Blick auf die Sache als ich und fand meine Reaktion  der Trennung übertrieben, weil die beiden sich angeblich nur selten privat gesehen haben und dementsprechend garnicht so viel gelaufen war. Dass es mir darum nicht ging, sondern um den grundsätzlichen Vertrauensmissbrauch, hat er nie verstanden. Heute, zehn Jahre später kratzt mich das alles nicht mehr besonders und ich bin froh, damals diese Therapie gemacht zu haben und darin so viel über mich gelernt zu haben.

Maylin, 30

Ein Punkt, den ich immer noch sehr schwierig finde und für den ich häufig schräg angeschaut wurde, ist die Art und Weise wie ich es herausgefunden habe. Ich musste leider ins Handy des Partners schauen, um von der aktuellen Affäre zu erfahren. Ich sage bewusst „musste“, da auch auf mehrere Nachfragen, ob alles in Ordnung sei, nie etwas kam. Aber irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten, wie Luft behandelt zu werden und offen ins Gesicht belogen zu werden. Als sei man total blind oder dumm.

Ich kam mir unheimlich schäbig vor: Nachts, als er schlief, stand ich ewig vor seinem Handy und überlegte, ob ich den Schritt gehen soll. Natürlich auch aus Angst, etwas zu finden. Doch lange suchen musste ich leider nicht. Die Verzweiflung in diesem Moment konnten viele nicht nachvollziehen. Im Anschluss daran bin ich nachts ad hoc abgehauen. In einem Gespräch einige Tage später musste ich mir Dinge anhören wie „du bist selbst schuld“ oder „sei froh, dass ich es jetzt und nicht nach der Hochzeit und mit Kindern gemacht habe“.

Keine Reue, keine Entschuldigung. Das schmerzte und beschäftigte mich am meisten.

So respektlos nach über zehn Jahren mit mir umzugehen. Eine Woche später folgte das zweite Gespräch und ich täuschte vor, ich wisse mehr als er denkt. Nur so konnte ich die ganze Wahrheit herausfinden: Ein Jahr Betrug mit mehreren sehr jungen Damen. Das erste Mal an unserem 10. Jahrestag, drei Wochen nach der Verlobung. Danach konnte ich endgültig die Entscheidung treffen, auszuziehen und mich zu trennen.

Mittlerweile geht es mir wieder ganz gut. Aber obwohl ich einen neuen Partner habe, holen mich die Dinge ab und zu noch ein. Insbesondere der Umgang mit anderen, mit meinem neuen Partner und auch mit mir selbst hat sich sehr stark verändert. Manches ist für mich klarer geworden, besonders mein Vorhaben, immer darauf zu achten, was ich möchte und zu fühlen, ob es mir dabei auch gut geht. Aber einiges hat sich leider auch erheblich verkompliziert. Vertrauen, Andere an sich herankommen lassen, der Umgang mit der Vergangenheit, auch die des Partner. Es hat mein Leben sowohl „leider“ als auch „zum Glück“ gänzlich umgekrempelt.

Vor der Trennung und dem Betrug habe ich es immer nicht ganz verstanden – oder besser – nachvollziehen können, wieso andere Personen teilweise jahrelang darunter leiden können. Nun verstehe ich es. Es reißt einem den Boden unter den Füßen weg.

Bild im Titel: sosheslays

Ich habe betrogen Wie gehe ich damit um