Welche Medikamente helfen bei Darmentzündung?

Welche Medikamente helfen bei Darmentzündung?

Es besteht ein großer Bedarf an Therapien, die mittels neuer Wirkmechanismen Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) bekämpfen. So einen neuen Behandlungsansatz entwickelten nun Forschende aus Kiel.

DLR Projektträger/BMBF

Nicht alle Botschaften, die im komplexen System des menschlichen Körpers übermittelt werden, sind hilfreich und gesund. Doch komplett unterdrücken darf man diese Signale auch nicht – sonst drohen schwerwiegende Folgen. Forschende des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und den Ländern geförderten Exzellenzclusters „Präzisionsmedizin für Chronische Entzündungserkrankungen“ haben eine Art „biochemischen Filter“ konstruiert, der eine schädliche Signalkaskade ausbremst, seine für ein funktionierendes Immunsystem wichtige Variante jedoch weiter zulässt. Olamkicept – so der Name des Filter-Wirkstoffs – kann bei Patientinnen und Patienten mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, zwei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, entzündungshemmend wirken, wie das Team um Professor Dr. Stefan Schreiber von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in einer aktuellen Studie beschreibt.

Der Trans-Signalweg steht unter Verdacht, bei chronischen Entzündungen aktiv zu sein

Angriffspunkt für Olamkicept ist die Übermittlung eines wichtigen Botenstoffs des Immunsystems, des sogenannten Interleukin (IL)-6. Dieses Signalmolekül wird bei einer Entzündung vom Körper vermehrt ausgeschüttet und hilft bei der Regulation der ablaufenden Immunprozesse. Vorangegangene Forschungsarbeiten zeigten, dass IL-6 genaugenommen über zwei Wege wirkt: Beim „klassischen“ Signalweg bindet IL-6 spezifisch an einen Rezeptor, der auf der Oberfläche bestimmter Zellen vorkommt, wie beispielsweise Immun- oder Leberzellen. Gemeinsam binden sie dann an ein weiteres Oberflächenprotein auf derselben Zelle, das sogenannte gp130-Protein, und lösen so eine Reaktion in der Zelle aus.

Aber der IL-6-Rezeptor kommt auch in löslicher Form im Blut vor. Beim alternativen IL-6-Trans-Signalweg bindet IL-6 an diesen im Blut zirkulierenden Rezeptor und dann an gp130, das auf allen Zellen vorkommt. So kann IL-6 theoretisch auf jede Zelle im Körper wirken. Dieser Trans-Signalweg steht unter Verdacht, besonders bei chronischen Entzündungen aktiv zu sein. Hier setzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Kiel an, indem sie mit Olamkicept einen Wirkstoff konstruierten, der gezielt nur den Trans-Signalweg hemmt, ohne die positiven Wirkungen von IL-6 über den „klassischen“ Signalweg zu stören.

Eine Entzündung, die in Schüben immer wieder aufflammt

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) führen zu dauerhaft wiederkehrendem Durchfall, Fieber und Schmerzen sowie schwerwiegenden psychischen Belastungen. In Deutschland sind rund 320.000 Menschen von CED betroffen. Bei ihnen führt eine gestörte Immunantwort zu einer Entzündung im Magen-Darm-Trakt, die in Schüben immer wieder aufflammt. Es gibt nur wenige zugelassene Medikamente für diese Erkrankungen und diese wirken jeweils nur bei einigen Betroffenen. Daher besteht ein großer Bedarf an Therapien, die über neue Wirkmechanismen die chronischen Darmentzündungen bekämpfen. Olamkicept könnte eine dieser Lücken füllen, wenn es in weiteren klinischen Studien erfolgreich ist.

Etappe auf dem Weg vom Labor in die Klinik

Das Kieler Forschungsteam hat das Medikament zunächst im Tiermodell und dann an einer kleinen Gruppe von Patientinnen und Patienten mit Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn getestet und untersucht, was genau das Medikament im menschlichen Körper bewirkt. „Der Wirkstoff tut beim Menschen mechanistisch genau das, was er soll. Der IL-6-Trans-Signalweg wird blockiert, die Entzündung dadurch gedämpft. Dieser Nachweis ist ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung des Medikaments vom Labor bis in die Klinik“, so Professor Schreiber, Sprecher des Exzellenzclusters und Direktor der Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. „Bei wie vielen Patientinnen und Patienten das Medikament aber wie gut helfen wird und wie die Nebenwirkungen ausfallen, müssen umfassende klinische Studien an einer großen Anzahl von Patientinnen und Patienten zeigen“, sagt Schreiber.

So eine klinische Studie der Phase II zum Nachweis von Wirksamkeit und Verträglichkeit bei Patientinnen und Patienten mit Colitis ulcerosa wurde kürzlich durchgeführt. Ergebnisse dieser Studie werden voraussichtlich im Juli 2021 bei der Jahrestagung der „European Crohn‘s and Colitis Organisation“ (ECCO) vorgestellt.

Originalpublikation:

Schreiber S, Aden K, Bernardes J. P., et al. Therapeutic IL-6 trans-signalling inhibition by olamkicept (sgp130Fc) in patients with active inflammatory bowel disease. Gastroentereology. 2021: doi: https://doi.org/10.1053/j.gastro.2021.02.062

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, bei denen im schlimmsten Fall Komplikationen wie Darmverschluss oder Darmdurchbruch drohen. Neuere Medikamente versprechen höhere Erfolgschancen bei der Therapie.

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa gehen mit jahrelangen Bauchschmerzen, Durchfällen und Abgeschlagenheit einher. Die Ursachen sind nicht geklärt. Die Erkrankungen lassen sich deswegen noch nicht ursächlich behandeln. In beiden Fällen ist das Ziel einer medikamentösen Therapie, die Entzündungen zu mildern und die Abstände zwischen den einzelnen Schüben zu verlängern. „Durch die Entwicklung neuer Arzneistoffe lassen sich chronische Darmentzündungen heute deutlich besser behandeln als noch vor einigen Jahren“, erklärt Professor Dr. Gerd Bendas von der Universität Bonn. „Heute haben wir die Möglichkeit, die Entzündungen dauerhaft zu hemmen, statt nur akute Symptome zu behandeln.“

Biologicals gegen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Einen dauerhaften entzündungshemmenden Effekt weisen sogenannte Biologicals auf, biotechnologisch hergestellte Arzneien. Beim überwiegenden Teil der Biologicals handelt es sich um Antikörpersubstanzen, die sich gegen spezifische biologische Moleküle richten. Sie werden in der Therapie von Patienten mit CED eingesetzt, wenn medikamentöse Versuche, akute Schübe zu mildern und die Entzündungen dauerhaft zu unterdrücken, erfolglos bleiben. Biologicals werden entweder vom Arzt gespritzt oder über eine Infusion verabreicht. Die Selbstmedikation erfolgt ebenfalls über die Spritze.

Tipps bei der Einnahme von Biologicals

Bei der Anwendung von Biologicals gibt die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) Betroffenen folgende Tipps an die Hand:

  • Kühlen Sie stets die Medikamente, aber achten Sie darauf, dass sie nicht einfrieren. Bei höheren Temperaturen oder beim Einfrieren verlieren die Eiweiße ihre Aktivität.
  • Achten Sie darauf, dass Sie die Präparate nicht schütteln. Andernfalls bildet sich ein stabiler Schaum, der verhindert, dass die richtige Dosis gespritzt wird.
  • Benötigen Betroffene Schmerzmittel, sind rezeptfreie Präparate mit den Wirkstoffen Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure zu vermeiden, da sie zu Entzündungsschüben führen können. Rezeptfreie Schmerzmittel mit Paracetamol sind verträglicher.
  • Befinden sich Betroffene in einer akuten Phase, bietet sich zur Ernährung eine hochkalorische (Trink-)Nahrung an.
  • Achten Sie darauf, dass Sie ausreichend Trinken und genügend Vitamine und Mineralstoffe zu sich nehmen. Bei Eisenmangel ist Eisen am besten über eine Spritze aufzunehmen, da der Darm diesen in Tablettenform nicht genügend resorbiert.
  • Verzichten Sie auf ballaststoffreiche Lebensmittel, saures Obst wie Zitrusfrüchte oder blähendes Gemüse. Darüber hinaus ist auf Alkohol zu meiden.

Bei der Einnahme von Biologicals berät Sie Ihr Apotheker. Zögern Sie nicht, ihn auch generell zu Biologicals zu befragen oder bei der Wahl nach Medikamenten um Rat zu bitten.

Netdoktor.at am 22.1.2016 und aerztezeitung.de am 25.1.2016

Autor*innen

29.01.2016 | Julia Schmidt/ABDA

Quellen

Die Inhalte des Medikamenten-Ratgebers wurden von der Redaktion u.a. auf der Grundlage nachfolgender Quellen erstellt:

Onmeda: Medizin und Gesundheit (www.onmeda.de). FUNKE DIGITAL GmbH

ROTE LISTE® Online: Arzneimittelverzeichnis für Deutschland (www.rote-liste.de). Rote Liste® Service GmbH, Frankfurt am Main

FachInfo-Service: Fachinformationsverzeichnis Deutschland (www.fachinfo.de). Rote Liste® Service GmbH, Frankfurt am Main

Online-Informationen des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) (www.dimdi.de), Köln

Deutsche Apothekerzeitung, Deutscher Apotheker Verlag, Dr. Roland Schmiedel GmbH & Co., Stuttgart

Rote-Hand-Briefe, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (www.akdae.de), Berlin

Mutschler, E., Geisslinger, G., Kroemer, H.K., Ruth, P., Schäfer-Korting, M.: Arzneimittelwirkungen. Wissenschaftliche Verlagsges., aktuelle Auflage

Wirkstoffdossiers der Hersteller

www.pharmazie.com – Internationale Arzneimittelinformationen für Fachkreise, DACON GmbH

Aktories, K., Förstermann, U., Hofmann, F., Forth, W.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. Urban & Fischer, aktuelle Auflage

Dietel, M, Suttorp, N., Zeitz, M., Harrison, T.R.: Harrisons Innere Medizin. ABW Wissenschaftsverlag, aktuelle Auflage

Siegenthaler, W.: Siegenthalers Differentialdiagnose Innerer Krankheiten. Thieme, aktuelle Auflage