Wie lange ich lebe liegt nicht in meiner Macht Daß ich aber solange ich lebe wirklich lebe das hängt von mir ab?

Vor acht Jahren erkrankte Manfred Stölting an Nierenkrebs. Bei der Krankheitsbewältigung hat ihm das Lebenshaus e.V. – Nierenkrebs sehr geholfen. Dort ist er nun selbst tätig, gibt sein Wissen weiter, beantwortet Fragen und versucht Ängste zu nehmen.

Wie lange ich lebe liegt nicht in meiner Macht Daß ich aber solange ich lebe wirklich lebe das hängt von mir ab?
Manfred Stölting ist Nierenkrebspatient. Seit mehreren Jahren lebt er gut mit der Krankheit. Seine Erfahrungen und Wissen gibt er im Rahmen von den Gesprächsrunden des Lebenshaus e.V. - Nierenkrebs an andere Betroffenen weiter.

Herr Stölting, wie hat Sie die Diagnose erreicht? Welche Gefühle hat das in Ihnen ausgelöst? Und was hat Ihnen ganz persönlich geholfen, einen Umgang damit zu finden?

Die Diagnose wurde mir nach dem ersten CT im Klinikum mitgeteilt. Die Mitteilung „Krebs“ war natürlich ein Schock. Persönlich hat mir die Unterstützung durch meine Frau und ein sehr sachliches und beruhigendes Gespräch mit meinem behandelnden Arzt geholfen. Vermutlich hat mir auch geholfen, dass ich vom Typ her ein eher ruhiger Mensch bin, den so leicht nichts aus der Bahn werfen kann.

Wie hat Ihr privates, aber auch berufliches Umfeld reagiert? Haben Sie den Eindruck, dass offen über die Krankheit gesprochen werden kann?

Mein privates Umfeld hat mich dabei sehr unterstützt, diese Diagnose zu verarbeiten. Vor allem durch Gespräche und Besuche vor und nach der Operation. Auch in meinem beruflichen Umfeld wurde mir Hilfe durch Gespräche und Besuche zuteil. Wichtig war für mich von Anfang an, offen über meine Erkrankung zu sprechen, vonseiten der behandelnden Ärzte ebenso wie im privaten und beruflichen Umfeld. Schon vor meiner Erkrankung habe ich mich für eine Vorruhestandsregelung nach einer über 40-jährigen Berufstätigkeit entschlossen. Bis zu meiner Erkrankung bin ich einer Teilzeitbeschäftigung nachgegangen und habe diese auch mit Unterstützung meiner Kollegen kurz nach der ersten Reha-Maßnahme wieder aufgenommen bis zum Erreichen des Rentenalters. Die schnelle Rückkehr in das Berufsleben, wenn auch „nur“ in Teilzeit, hat mir ebenfalls sehr bei der Bewältigung meiner Erkrankung geholfen.

Können Sie kurz beschreiben, wie Sie in die Behandlungsentscheidung einbezogen worden sind? Welche Beratungs- oder Informationsangebote haben Sie in Anspruch genommen? Was hätten Sie sich damals oder auch aus heutiger Sicht gewünscht?

Nach der ersten Diagnose im Klinikum musste natürlich eine Entscheidung der nächsten Behandlungsschritte erfolgen. Hierzu gab es ein ausführliches Gespräch mit den behandelnden Ärzten im Klinikum, z.B. dazu, ob eine Teilresektion möglich ist oder meine Niere komplett entfernt werden muss. Nach der erfolgten OP gab es seitens des Sozialdienstes der Klinik das Angebot einer Anschlussheilbehandlung, das ich sofort angenommen habe. Die weiteren Behandlungsschritte übernahmen dann mein Hausarzt und federführend meine Onkologin. Hierbei möchte ich betonen, dass insbesondere Entscheidungen, die meine weiteren medikamentösen Therapien betrafen bzw. heute auch noch betreffen, immer im sehr engen Austausch zwischen meiner Onkologin und mir getroffen wurden.
Im Rahmen des Aufenthaltes in der Reha-Klinik wurden vielfältige Informations- und Beratungsangebote gemacht, beispielsweise durch Vorträge und den Hinweisen auf verschiedene Organisationen, die die Patienten bei der Bewältigung ihrer Erkrankung unterstützen.
Anfangs lag mein Augenmerk zunächst einmal auf den dringend erforderlichen Schritten zur Bekämpfung der Krankheit. Über Beratungs- und Informationsangebote habe ich mir zu dem Zeitpunkt ehrlich gesagt noch nicht allzu viele Gedanken gemacht. Das würde ich heute wahrscheinlich anders machen, aber zunächst war ich viel mit der Diagnose selbst beschäftigt.

Was hat der Alltag mit der Krankheit in Ihrem Leben verändert?

Durch meine Erkrankung haben meine Frau und ich unser Leben entscheidend verändert. Wir haben unser Haus verkauft und sind in eine barrierefreie Wohnung in die Stadt gezogen. In meinem bisherigen Wohnort war ich über 30 Jahre in verschiedenen Vereinen ehrenamtlich tätig. Diese Tätigkeiten habe ich reduziert auf das, was von mir noch geleistet werden kann. Für mich war es nötig, den einen oder anderen Kontakt abzubrechen, wenn da ein „dummer“ Spruch kam oder jemand mit meiner Erkrankung nicht umgehen konnte. Aus unserem Freundes- und Bekanntenkreis sind noch die Personen geblieben, die meine Erkrankung respektieren und die immer ein offenes Ohr für mich haben.
Durch die Krankheit habe ich aber auch viele neue Menschen kenngelernt und auch neue Freunde gefunden. Meine Frau und ich haben inzwischen das Rentenalter erreicht und wir versuchen, das so weit wie möglich auch zu genießen. Dazu gehören regelmäßige Urlaube an der See, regelmäßige sportliche Betätigung und Treffen mit Freunden und in der Familie. Aber auch das Gesellige sollte nicht außer Acht gelassen werden, wie ein Treffen mit Freunden im Biergarten.

Natürlich hat auch die Verlaufskontrolle der Erkrankung Einfluss auf mein Leben. Es sind regelmäßige CT-Kontrollen (vierteljährlich) und ebenso regelmäßige Blutuntersuchungen (14-tägig) erforderlich. Eine gewisse Anspannung ist insbesondere bei den CT-Kontrollen schon da, aber das ist in den Jahren schon fast zur Routine geworden.

Was sind die am häufigsten an Sie gestellten Fragen und welche Ihrer Erfahrungen geben Sie anderen Betroffenen im Rahmen Ihres Engagements im Lebenshaus weiter?

Ehrlich gesagt ist die am häufigsten gestellte Frage: “Wie geht’s es Dir“? Danach folgen Fragen zur Therapie, zum Krankheitsverlauf und wie die Erkrankung festgestellt wurde.

Zum „Lebenshaus“ bin ich 2016 im Rahmen einer Reha-Maßnahme gekommen. Ich habe mich bei einem ersten Gruppentreffen im Kreise der Patienten von Anfang an sehr wohl gefühlt und mich am gleichen Abend entschlossen, dem „Lebenshaus“ beizutreten. Mit der Leiterin der „Lebenshaus-Gruppe Ostwestfalen“ fahre ich alle drei Wochen in eine Reha-Klinik zu einer Gesprächsrunde mit Nierenkrebspatienten. Ich versuche darzustellen, dass die Diagnose Nierenkrebs nicht das Ende des Lebens bedeuten muss und dass es inzwischen viele Möglichkeiten der Behandlung gibt. Manchmal sieht man in den Augen der Patienten am Anfang der Gespräche schon eine gewisse Skepsis, aber die meisten werden im Laufe der Gespräche lockerer und offener. Ich finde es wichtig, offen über die eigene Erkrankung zu sprechen und sich nicht in eine Ecke zurückzuziehen. Das versuche ich auch anderen Patienten weiterzugeben.
Thema sind natürlich auch die Erfahrungen, die ich während meiner nun schon acht Jahre dauernden Therapie gemacht habe, bezüglich Nebenwirkungen, Medikamenten usw.

Mein Motto: Wie lange ich lebe, liegt nicht in meiner Macht; dass ich aber, solange ich lebe, wirklich lebe, das hängt von mir ab. Dieses Motto versuche ich in Gesprächen mit Betroffenen zu vermitteln.

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Das Lebenshaus e. V. – Nierenkrebs ist eine bundesweit agierende gemeinnützige Organisation von Betroffenen für Betroffene. Die persönliche Betreuung von Nierenkrebs-Erkrankten und ihren Angehörigen ist die Hauptaufgabe des Vereins.

Im Lebenshaus e. V. Nierenkrebs finden Krebserkrankte bei Problemen stets ein offenes Ohr – sei es in persönlichen Gesprächen, den regionalen Selbsthilfegruppen, per Telefon oder im Online-Forum. Jede Person, die sich engagieren und Betroffenen helfen möchte, die Krankheit gut zu überstehen, ist herzlich dazu eingeladen, sich als Mitglied zu bewerben.