Wo Es war, soll Ich werden Lacan

Wo Es war, soll Ich werden Lacan

Her­stel­lung einer Triodenröhre
Autor: „F2FO, Radio­a­ma­teur seit 1959“

Sche­ma L ist ein von Lacan häu­fig ver­wen­de­tes Dia­gramm der psy­cho­ana­ly­ti­schen Kom­mu­ni­ka­ti­on. Es wird ein­ge­führt in Semi­nar 2 von 1954/​55, Das Ich in der Theo­rie Freuds und in der Tech­nik der Psy­cho­ana­ly­se. Danach ent­wi­ckelt Lacan zahl­rei­che Vari­an­ten des Sche­mas, zuletzt im Auf­satz Kant mit Sade von 1963. In Semi­nar 17 von 1969/​70 mutiert es zu den soge­nann­ten Dis­kurs­ma­the­men, in den Semi­na­ren 18 bis 21 sowie in L’é­tour­dit ver­wan­deln die­se sich wie­der­um in die For­meln der Sexuierung.

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Sche­ma L, Ver­si­on Poe-Auf­satz (1957)

Im Fol­gen­den zitie­re und kom­men­tie­re ich Lacans Erläu­te­rung des Sche­mas in Semi­nar 2.

Hintergrund

Ein­ge­führt wird das Dia­gramm in der Sit­zung vom 25. Mai 1955. Wie es in Semi­nar 2 genau aus­sah, ist nicht bekannt, es hat dort auch kei­nen Titel. In Semi­nar 3 bezeich­net Lacan es als „Sche­ma der ana­ly­ti­schen Kom­mu­ni­ka­ti­on“.

Mil­ler druckt in sei­ner Ver­si­on von Semi­nar 2 eine spä­ter von Lacan ver­öf­fent­lich­te Vari­an­te des Sche­mas ab, das Dia­gramm aus dem Poe-Auf­satz von 1957. Im Poe-Auf­satz wird die Zeich­nung als „Sche­ma L“ bezeich­net, viel­leicht für die Anfangs­buch­sta­ben von „Lacan„, viel­leicht des­halb, weil man, wenn man das Sche­ma ver­ti­kal spie­gelt, den klein­ge­schrie­be­nen grie­chi­schen Buch­sta­ben Lamb­da, also λ, dar­in wie­der­ent­de­cken kann. Im Fran­zö­si­schen meint lamb­da das Typi­sche, das Gewöhn­li­che, le sché­ma lamb­da wäre also so etwas wie „das Normalschema“.

Die im Poe-Auf­satz ver­öf­fent­li­che Ver­si­on weicht von der Ver­si­on oder den Ver­sio­nen, die in Semi­nar 2 an der Tafel stan­den, leicht ab.

Wo Es war, soll Ich werden Lacan
In Semi­nar 2 bezeich­ne­te Lacan die bei­den End­punk­te der ima­gi­nä­ren Bezie­hung meist als m (für moi, Ich) und a (für aut­re, ande­rer), im Dia­gramm des Poe-Auf­sat­zes hei­ßen sie a (für Ich) und aꞌ (für ande­rer). In der neben­ste­hen­den Dar­stel­lung habe ich die Bezeich­nun­gen aꞌ und a gegen a und m aus­ge­tauscht. Der Buch­sta­be a bezieht sich also in der Ver­si­on des Poe-Auf­sat­zes auf das Ich, in Lacans Erläu­te­run­gen in Semi­nar 2 hin­ge­gen auf den anderen.

Außer­dem stand in Semi­nar 2 das S unten, wie der Ste­no­ty­pie zu ent­neh­men ist; im Poe-Auf­satz steht es oben links. Mög­li­cher­wei­se ist das Sche­ma in die­sem Auf­satz gegen­über der Ver­si­on, die in Semi­nar 2 an der Tafel stand, um 90 oder 180 Grad gedreht worden.

Pfeil­li­ni­en, wie sie das Sche­ma in der Ver­si­on des Poe-Auf­sat­zes zeigt, oder ein­sei­ti­ge Ori­en­tie­run­gen der Ver­bin­dungs­li­ni­en wer­den in Semi­nar 2 nicht erwähnt.

Im Fol­gen­den bezie­he ich mich, ent­spre­chend der Mil­ler-Ver­si­on des Semi­nars, auf das Sche­ma in der Ver­si­on des Poe-Auf­sat­zes, jedoch nicht auf die Erläu­te­run­gen in die­sem Auf­satz, son­dern auf die in Semi­nar 2.

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Lévi-Strauss 1949

Für Sche­ma L hat Lacan sich ver­mut­lich von Lévi-Strauss, Shannon/​Weaver und Guil­baud anre­gen las­sen.

Lévi-Strauss ver­wen­det in Die ele­men­ta­ren Struk­tu­ren der Ver­wandt­schaft (1949) das links abge­bil­de­te Dia­gramm. Es reprä­sen­tiert den ver­all­ge­mei­ner­ten Tausch. Wie Levi-Strauss bezieht auch Lacan das Sche­ma auf die Sym­bo­li­sie­rung des Rea­len durch ein von der sym­bo­li­schen Ord­nung aus­ge­hen­des Gebot.

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Shannon/​Weaver 1949

Shan­non und Wea­ver ver­wen­den in ihrer mathe­ma­ti­schen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­theo­rie (1949) das rechts abge­bil­de­te Sche­ma der Kom­mu­ni­ka­ti­on (zum Ver­grö­ßern ankli­cken); die Pfei­le haben hier eine ande­re Ori­en­tie­rung als spä­ter bei Lacan. Das Sche­ma von Shan­non und Wea­ver bezieht sich auf das Ver­hält­nis von Bot­schaft und Rau­schen: wie wird eine Bot­schaft durch die Über­mitt­lung ver­zerrt? Von Lacan wird dies ver­mut­lich umfor­mu­liert in die Fra­ge nach den Aus­wir­kun­gen des Ichs auf die unbe­wuss­te Bot­schaft.

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Guil­baud 1949

Geor­ges-Théo­du­le Guil­baud ver­öf­fent­licht in dem Auf­satz La théo­rie des jeux, eben­falls von 1949, das rechts repro­du­zier­te Sche­ma der unvoll­stän­di­gen Net­ze (zum Ver­grö­ßern ankli­cken). Guil­baud, ein Mathe­ma­ti­ker, war mit Lacan befreun­det, die Bezie­hung geht auf das Jahr 1950 zurück; ab 1951 tra­fen sich Lacan, Guil­baud, Lévi-Strauss und Ben­ve­nis­te, um über Struk­tu­ren zu arbei­ten und Brü­cken zwi­schen den Human­wis­sen­schaf­ten und der Mathe­ma­tik zu schla­gen.

Die dar­ge­stell­ten Sche­ma­ta sind „Gra­phen“ im Sin­ne der Mathe­ma­tik, d.h. sie bestehen nicht aus Flä­chen, also bei­spiels­wei­se nicht aus Drei­ecken, son­dern aus Kan­ten und Eck­punk­ten; die Eck­punk­te wer­den „Kno­ten“ genaannt.  Bei den Gra­phen von Lévi-Strauss und von Shannon/​Waever haben die Kan­ten Pfei­le, d.h. es han­delt sich um soge­nann­te „gerich­te­te Gra­phen“; die Sche­ma­ta von Guil­baud sind „unge­rich­te­te Gra­phen“. Auch Lacans Sche­ma L ist ein Graph, d.h. er besteht nur aus den Kan­ten und Kno­ten; die Kan­ten haben Pfei­le, also geht es hier um einen gerich­te­ten Graphen.

Zugleich mit dem Sche­ma führt Lacan die Unter­schei­dung zwi­schen den zwei „ande­ren“ ein: zwi­schen dem ande­ren mit klei­nem a und dem Ande­ren mit gro­ßem A. Der ande­re mit klei­nem a wird in Semi­nar 2 als der objek­ti­vier­te ande­re des ima­gi­nä­ren Ver­hält­nis­ses bezeich­net, der Ande­re mit gro­ßem A als der „rea­le Pol der sub­jek­ti­ven Bezie­hung“. Die Ter­mi­ni „ima­gi­nä­rer ande­rer“ und „sym­bo­li­scher Ande­rer“ wer­den in Semi­nar 2 nicht ver­wen­det, man fin­det sie erst­mals in Semi­nar 3.

In der Über­set­zung besagt ein Stern­chen nach einem Wort (etwa Über­le­gen­heit*), dass Lacan im Ori­gi­nal den deut­schen Aus­druck verwendet.

Zah­len in Klam­mern nach einem Zitat sind Sei­ten­an­ga­ben; sie bezie­hen sich auf Ver­si­on Miller/​Metzger von Semi­nar 2. Drei Punk­te vor einem Zitat wei­sen dar­auf hin, dass es an das vor­an­ge­hen­de Zitat lücken­los anschließt.

Kommentar

25. Mai 1955

„S, das ist der Buch­sta­be S, aber das ist auch das Sub­jekt [sujet], das ana­ly­ti­sche Sub­jekt, das heißt nicht das Sub­jekt in sei­ner Tota­li­tät. Man ver­bringt sei­ne Zeit damit, uns auf den Wecker zu fal­len, indem man uns erzählt, man müs­se es in sei­ner Tota­li­tät neh­men. Wes­halb soll­te es total sein? Davon wis­sen wir nichts. Haben Sie schon mal tota­le Wesen getrof­fen? Das ist viel­leicht ein Ide­al. Ich habe noch nie eins gese­hen. Ich bin nicht total. Sie auch nicht. Wenn man total wäre, dann wäre jeder sei­ner­seits total, dann wäre man nicht da, gemein­sam, um zu ver­su­chen, sich zu orga­ni­sie­ren, wie man sagt. Es ist das Sub­jekt, nicht in sei­ner Tota­li­tät, son­dern in sei­ner Offen­heit. Wie gewöhn­lich weiß es nicht, was es sagt. Wüß­te es, was es sagt, dann wäre es nicht da. Es ist da.“ (310, Über­set­zung geändert)

Lacan erläu­tert den Punkt, der im Sche­ma (in der Ver­si­on des Poe-Auf­sat­zes) oben links steht. An der Tafel ist er in die­ser Sit­zung offen­bar nur mit „S“ bezeich­net, nicht, wie im Poe-Auf­satz, mit „(Es) S“.

S steht für sujet, Sub­jekt, aber nicht für das Sub­jekt ganz all­ge­mein, son­dern für das Sub­jekt im Sin­ne der Psy­cho­ana­ly­se, für das „ana­ly­ti­sche Subjekt“.

Das Sub­jekt, mit dem die Ana­ly­se es zu tun hat, ist kei­ne Tota­li­tät, son­dern eine Offen­heit. Unter „Tota­li­tät“ ver­steht Lacan eine in sich geschlos­se­ne Ein­heit oder Ganz­heit. Das Sub­jekt ist nicht total, denn es ist offen, und zwar für die Dimen­si­on des Sym­bo­li­schen, für die Spra­che und das Spre­chen. Spra­che und Spre­chen kom­men nicht von innen, das Sub­jekt emp­fängt sie von außen; damit dies mög­lich ist, muss es für sie offen sein.

Die­ses Sub­jekt emp­fängt nicht nur das Spre­chen und die Spra­che, es spricht selbst. Es sagt etwas, aber es weiß nicht, was es sagt. Es spricht eine Art Sym­ptom­spra­che: es pro­du­ziert Sym­pto­me, Wie­der­ho­lun­gen, Ver­spre­cher. Für die­se Gebil­de ist cha­rak­te­ris­tisch, dass es nicht weiß, dass es, das Sub­jekt sie sagt, es erlebt sie als fremd­ar­tig, von außen kom­mend. Das Sub­jekt ist ein gespal­te­nes Sub­jekt, wie Lacan eini­ge Jah­re spä­ter sagen wird, es spricht auf zwei Ebe­nen, auf der Ebe­ne des gewöhn­li­chen Spre­chens und auf einer zwei­ten Ebe­ne, auf der es nicht weiß, was es sagt, auf der es nicht weiß, dass es, das Sub­jekt, es sagt.

Eine Schwie­rig­keit der wei­te­ren Lek­tü­re wird dar­in bestehen, dass Lacan den Aus­druck sujet in zwei ver­schie­de­nen Bedeu­tun­gen ver­wen­det, theo­rie­sprach­lich und umgangs­sprach­lich. Mit sujet ist einer­seits, wie hier, die Instanz gemeint, die für die von außen kom­men­de Spra­che offen ist und die selbst in Wie­der­ho­lungs­zwän­gen und ande­ren Sym­pto­men spricht; im Sche­ma ist das der Punkt oben links. Das ist ein spe­zi­el­ler Sub­jekt­be­griff, den man nur bei Lacan fin­det. Mit sujet bezeich­net Lacan aber häu­fig auch ein­fach den Pati­en­ten. In der fran­zö­si­schen Umgangs­spra­che oder im Jar­gon der fran­zö­si­schen Ärz­te ist das offen­bar so üblich, zumin­dest gewinnt man den Ein­druck, wenn man Lacan liest. Es wird nicht immer ein­fach sein, fest­zu­stel­len, ob sich sujet auf das Sub­jekt spe­zi­ell im Sin­ne von Lacan bezieht oder dif­fus der­je­ni­ge gemeint ist, der in Psy­cho­ana­ly­se ist.

Mil­ler fügt in sei­ner Aus­ga­be nach „Es ist da“ hin­zu: „unten rechts“. Das fin­det man nicht in der Ste­no­ty­pie des Semi­nars (Ver­si­on J.L.), Mil­ler über­nimmt es viel­leicht aus einer ande­ren Mit­schrift, die mir jedoch nicht bekannt ist. Lacan zeigt dabei sicher­lich auf den mit S bezeich­ne­ten Punkt des Sub­jekts. Also ist zu ver­mu­ten, dass das Dia­gramm des Poe-Auf­sat­zes gegen­über dem in Semi­nar 2 an der Tafel ste­hen­den um 90 oder 180 Grad gedreht wurde.

… „Selbst­ver­ständ­lich sieht es sich nicht da – das ist nie­mals der Fall, nicht ein­mal am Ende der Ana­ly­se. Es sieht sich in a, und des­halb hat es ein Ich (moi). Es kann glau­ben, daß es die­ses Ich ist, so weit ist alle Welt, und es ist unmög­lich, da her­aus­zu­kom­men.“ (310)

Das Sub­jekt (der Pati­ent) sieht sich nie­mals am Punkt des Sub­jekts, also in sei­nem Ver­hält­nis zur Spra­che und an dem Punkt, von dem aus es Sym­pto­me erzeugt. Der Punkt, an dem es steht, ist ver­drängt, ein­zel­ne Ver­drän­gun­gen kön­nen auf­ge­ho­ben wer­den, aber nicht die Ver­drän­gung ins­ge­samt. Damit wis­sen wir über das Sub­jekt im Sin­ne von Lacan: – es ist offen für die von außen kom­men­de Spra­che und für das von außen kom­men­de Sprechen, – es spricht selbst, aber es weiß nicht, was es sagt, es spricht in Symptomen,

– der Punkt, von dem aus für die Spra­che offen ist und Sym­pto­me erzeugt, ist unwi­der­ruf­lich verdrängt.

Das Sub­jekt (der Pati­ent) sieht sich nicht am Ort des Sub­jekts (am Punkt oben links), es sieht sich immer anders­wo, am Punkt a, am Punkt des Ichs (moi) (am Punkt unten links). In der Ste­no­ty­pie wird die­ser Punkt mit Sꞌ bezeich­net; im Dia­gramm des Poe-Semi­nars trägt er die Bezeich­nung a, und Mil­ler hat den Vor­le­sungs­text ent­spre­chend überarbeitet.

Das Sub­jekt (der Pati­ent) sieht sich in a und des­halb hat es ein Ich, moi. Das Ich, um das es geht, ist das von Freuds Leh­re über die drei Instan­zen Ich, Es und Über-Ich, im Lich­te von Lacans Theo­rie des Spie­gel­sta­di­ums auf­ge­fasst. Das Sub­jekt hält sich für ein Ich, so wie jeder­mann und jede­frau; der Ich­glau­be, die Vor­stel­lung, ein Ich zu sein, lässt sich nicht abschütteln.

… „Was uns ande­rer­seits die Ana­ly­se lehrt, ist, daß das Ich eine ganz und gar grund­le­gen­de Form für die Kon­sti­tu­ie­rung von Objek­ten ist. Vor allem sieht es in Form des spie­gel­haf­ten ande­ren den, den wir aus Grün­den, die struk­tu­ral sind, als sei­nen Sei­nes­glei­chen [sem­bla­ble] bezeich­nen. Die­se Form des ande­ren hat die größ­te Bezie­hung zu sei­nem Ich, sie läßt sich ihm über­la­gern, und wir schrei­ben sie a‘.“ (310, Über­set­zung geändert)

Lacan wech­selt zur Bezie­hung zwi­schen dem Ich und dem mit klei­nem a geschrie­be­nen ande­ren. Das Ich exis­tiert nicht iso­liert, es funk­tio­niert als Bestand­teil einer Bezie­hung, unvor­sich­tig gespro­chen: es ist Teil einer Sozi­al­be­zie­hung. Der am Punkt aꞌ (oben rechts) loka­li­sier­te ande­re ist der ande­re, in dem das Ich sich spie­gelt, le sem­bla­ble, der Nächs­te, der Mit­mensch, das Eben­bild, Sei­nes­glei­chen. In einer psy­cho­ana­ly­ti­schen Kur kann der Psy­cho­ana­ly­ti­ker als die­ser ande­re fun­gie­ren. Der ande­re dient als Pro­jek­ti­ons­flä­che und dies ist eine Grund­la­ge dafür, dass der ande­re zum Objekt wird. Da das Ich sich in sei­nen Objek­ten spie­gelt, wird es selbst wie­der­um zum Objekt und das heißt: zum Ich. Das Ver­hält­nis zwi­schen dem Ich und dem ande­ren ist, so könn­te man sagen, eine Bezie­hung der Interobjektivität.

Das Ich und das Eben­bild bil­den ein Paar. Der ande­re wird durch das Ich kon­sti­tu­iert und das Ich exis­tiert in der Bezie­hung zum ande­ren. Das Ich erschöpft sich zwar nicht dar­in, den ande­ren her­vor­zu­brin­gen, Lacan wird das in einer spä­te­ren Sit­zung aus­füh­ren, aber die Erzeu­gung des ande­ren als Objekt ist die nor­ma­le und wesent­li­che Leis­tung des Ichs.

… „Es gibt also die Ebe­ne des Spie­gels, die sym­me­tri­sche Welt der Egos und der homo­ge­nen ande­ren. Davon zu unter­schei­den ist eine ande­re Ebe­ne, die wir die Sprach­mau­er (mur du lan­ga­ge) nen­nen wollen.

Aus­ge­hend von der durch die Sprach­mau­er defi­nier­ten Ord­nung nimmt das Ima­gi­nä­re sei­ne fal­sche Rea­li­tät an, die trotz­dem eine veri­fi­zier­te Rea­li­tät ist. Das Ich, so wie wir’s ver­ste­hen, der ande­re, sei­nes­glei­chen, all die­se Ima­gi­nä­ren sind Objek­te. Gewiß, sie sind nicht Mon­den homo­gen – und wir lau­fen jeden Augen­blick Gefahr, das zu ver­ges­sen. Aber das sind eben Objek­te, weil sie als sol­che benannt sind in einem orga­ni­sier­ten Sys­tem, das das der Sprach­mau­er ist.

Wenn das Sub­jekt mit sei­nes­glei­chen [sem­bla­bles] spricht, dann spricht es in der Umgangs­spra­che [lan­gue com­mun], die die ima­gi­nä­ren Ich [moi] nicht bloß für ex-sis­ten­te, son­dern für rea­le Din­ge hält. Da es nicht wis­sen kann, was in dem Feld ist, wo der kon­kre­te Dia­log sich hält, hat es mit einer Rei­he von Per­so­nen, aꞌ, aꞌꞌ, zu tun. Sofern das Sub­jekt sie mit sei­nem eige­nen Bild in Bezie­hung setzt, sind die­je­ni­gen, zu denen es spricht, auch die­je­ni­gen, mit denen es sich iden­ti­fi­ziert.“ (311)

Die Bezie­hung zwi­schen a und aꞌ, zwi­schen dem Ich und den ande­ren, die ihm ähn­lich sind, ist eine sym­me­tri­sche Spie­gel­be­zie­hung. Statt des Aus­drucks moi ver­wen­det Lacan auch den Ter­mi­nus ego, womit Freuds Ich-Begriff übli­cher­wei­se ins Eng­li­sche über­setzt wird.

Die ande­ren sind „nicht Mon­den homo­gen“. Als Mon­de wer­den sie ange­se­hen, wenn man gewis­ser­ma­ßen ihre Mas­se berech­net, ihre Bezie­hun­gen, ihre Schwer­kraft – eine mecha­nis­ti­sche Illu­si­on, die unter Gelehr­ten und Poli­ti­kern ver­brei­tet ist.

Von der ima­gi­nä­ren Bezie­hung zum ande­ren unter­schei­det Lacan die „Sprach­mau­er“. Was ist damit gemeint und wie ist sie im Sche­ma zu verorten?

Die Sprach­mau­er ist das in der Umgangs­spra­che ent­hal­te­ne Sys­tem von Benen­nun­gen. Die­ses Sys­tem wird im Spre­chen ins Spiel gebracht, dann, wenn das Sub­jekt (der Pati­ent) mit ande­ren spricht, mit den­je­ni­gen, die für es die Posi­ti­on ein­neh­men, sei­nes­glei­chen zu sein. Die Sprach­mau­er gehört aber nicht zur Ord­nung des Spre­chens (paro­le), son­dern der Spra­che (mur du lan­ga­ge). Lacan hat­te das in Semi­nar 2 an frü­he­rer Stel­le erläu­tert und sich dabei auf den bibli­schen Mythos von der Benen­nung der Tie­re durch Adam bezo­gen. Die ima­gi­när kon­sti­tu­ier­ten Objek­te sind insta­bil, erst durch die Benen­nung erhal­ten sie eine sta­bi­le Iden­ti­tät. Die Benen­nung ver­wan­delt die noch unbe­stimm­te Welt in eine Welt von Objek­ten; vgl. die­sen Blog­bei­trag.

Die Sprach­mau­er ver­leiht dem ima­gi­nä­ren Ich und den ima­gi­nä­ren ande­ren den Cha­rak­ter einer veri­fi­zier­ten Rea­li­tät, so dass das Sub­jekt die ande­ren und das Ich für rea­le Din­ge hält. Die Bezie­hung zwi­schen a und aꞌ, die Bezie­hung zwi­schen Objek­ten, ist dem­nach nicht ein­fach ein ima­gi­nä­res Ver­hält­nis. Sie wird gestützt durch die Sprach­mau­er, durch das Sys­tem der Benen­nun­gen. Zwi­schen dem Ima­gi­nä­ren und der Spra­che gibt es nicht nur einen Gegen­satz, die Spra­che fun­giert auch als Stüt­ze des Imaginären.

Lacan unter­schei­det bereits in die­sem Semi­nar das Rea­le und die Rea­li­tät. Das Rea­le ist das, was nicht zu sym­bo­li­sie­ren und nicht zu ima­gi­nie­ren ist, so heißt es in den ers­ten bei­den Semi­na­ren (vgl. die­sen Blog­bei­trag). Die Rea­li­tät hin­ge­gen wird durch das Zusam­men­spiel der Spra­che und des Ima­gi­nä­ren konstruiert.

Im Rom-Vor­trag wird das Inein­an­der­grei­fen des Ima­gi­nä­ren und des Sym­bo­li­schen auf das Spre­chen bezo­gen; die Stüt­zung der ima­gi­nä­ren Bezie­hung durch das Spre­chen wird dort als „lee­res Spre­chen“ bezeich­net. Sein Bei­spiel für die „Sprach­mau­er“ ist dort die all­ge­mei­ne Ver­brei­tung der Freud’schen Grund­be­grif­fe in all­ge­mei­nen Bewusst­sein. An der hier behan­del­ten Stel­le von Semi­nar 2 wird die Stüt­zung des Ima­gi­nä­ren nicht dem Spre­chen, son­dern der Spra­che zuge­schrie­ben und als Effekt des geteil­ten Lexi­kons gedeu­tet, der Sprach­mau­er. Man könn­te eine trans­pa­ren­te Folie über das L-Sche­ma legen; dort, wo auf dem dar­un­ter­lie­gen­den Blatt die ima­gi­nä­re Bezie­hung aꞌ→a ein­ge­tra­gen ist, stün­de auf der Folie eine sym­bo­li­sche Grö­ße: die Sprachmauer.

Die Sprach­mau­er ent­spricht eini­ger­ma­ßen Freuds Begriff des Vor­be­wuss­ten. Das Sys­tem des Vor­be­wuss­ten ent­steht dadurch, dass die Sach­vor­stel­lun­gen durch Wort­vor­stel­lun­gen über­be­setzt wer­den; das Vor­be­wuss­te besteht also aus dem Lexi­kon, mit Lacan: es ist das Sys­tem der Benen­nun­gen, die Sprach­mau­er. Freud bin­det das Vor­be­wuss­te an das Ich; bei Lacan wird die ima­gi­nä­re Bezie­hung durch die Sprach­mau­er gestützt. Offen­kun­dig ver­sucht Lacan, die Grund­be­grif­fe von Freuds zwei­ter Topik in Sche­ma L zu über­tra­gen: das Es (oben links), das Ich (unten links) und das Vor­be­wuss­te (die Sprachmauer).

.. „Dies gesagt, darf man nicht die uns als Ana­ly­ti­ker eige­ne Basis­an­nah­me aus­las­sen – wir glau­ben, daß es ande­re Sub­jek­te als uns gibt, daß es authen­tisch inter­sub­jek­ti­ve Bezie­hun­gen gibt. Wir hät­ten kei­nen Grund, das zu den­ken, hät­ten wir nicht das Zeug­nis des­sen, was die Inter­sub­jek­ti­vi­tät cha­rak­te­ri­siert, näm­lich daß das Sub­jekt uns belü­gen kann. Das ist der ent­schei­den­de Beweis. Ich sage nicht, daß das das ein­zi­ge Fun­da­ment der Rea­li­tät des ande­ren Sub­jekts ist, es ist sein Beweis. Anders aus­ge­drückt, wir wen­den uns fak­tisch an die A1, A2, die das sind, was wir nicht ken­nen, veri­ta­ble Ande­re, wah­re Sub­jek­te.“ (311, Über­set­zung geändert)

Lacan wech­selt zur vier­ten Ecke des Sche­mas, zum Ande­ren; der Buch­sta­be A steht nicht für einen bestimm­ten Ande­ren, son­dern für eine Serie von Ande­ren mit gro­ßem A, A1, A2 usw.

Zu unter­schei­den sind zwei For­men der Bezie­hung zum ande­ren. In der ers­ten Bezie­hung ist der ande­re unser Eben­bild und damit der­je­ni­ge, in dem wir uns wie­der­erken­nen. Dies ist ein Ver­hält­nis zwi­schen Objek­ten. Es hat zwar ima­gi­nä­ren Cha­rak­ter, wird aber zugleich durch die Spra­che ver­mit­telt, durch das Sys­tem der Benen­nun­gen, durch die Sprachmauer.

In der zwei­ten Form der Bezie­hung ist der ande­re ein wah­res Sub­jekt. Als Sub­jekt ist er wahr­haft anders, also gera­de kein Eben­bild, nicht jemand, in dem wir uns wie­der­erken­nen. Die Bezie­hung zu ihm ist ein Ver­hält­nis zwi­schen Sub­jek­ten, eine Inter­sub­jek­ti­vi­tät. Lacan bezeich­net von nun an den ande­ren in die­ser zwei­ten Funk­ti­on als Ande­ren mit gro­ßem A.

Die Sub­jekt­haf­tig­keit des Ande­ren zeigt sich dar­in, dass wir ihn nicht ken­nen, sowie dar­in, dass er uns belügt. Man den­ke an eine Bezie­hungs­kri­se. Eine Frau sagt zu ihrer bes­ten Freun­din: „Ich dach­te, ich wür­de ihn ken­nen, aber ich fürch­te, er hat mich nach Strich und Faden betro­gen. Ich durch­schaue ihn nicht. Ich weiß nicht, ob ich ihm noch glau­ben kann.“ Die laca­nia­nisch gebil­de­te Freun­din denkt: „Er hat auf­ge­hört, für dich der ande­re zu sein, jetzt ist er für dich der Andere.“

Wenn der Ande­re uns belügt, wird damit sei­ne Sub­jekt­haf­tig­keit sogar bewie­sen. Wenn wir genau wis­sen, dass der Ande­re uns belügt, ist das Pro­blem harm­los, immer­hin sind wir dann im Besitz der Wahr­heit. Gra­vie­ren­der ist die Situa­ti­on, wenn wir nicht wis­sen, ob er lügt oder die Wahr­heit spricht. Ich neh­me an, dass das Zwei­te gemeint ist, da Lacan in spä­te­ren Semi­na­ren so argu­men­tiert: Unse­re ein­zi­ge Garan­tie für die Wahr­heit des­sen, was der Ande­re uns sagt, ist sei­ne Auf­rich­tig­keit, und auf die ist kein Ver­lass (vgl. die­sen und die­sen Blog­bei­trag). Ab Semi­nar 6 wird dies „Man­gel im Ande­ren“ oder „Man­gel des Ande­ren“ genannt.

Mit der Lüge ent­zieht sich der Ande­re, er ope­riert als Sub­jekt. Wenn er lügt, spricht er, und er behaup­tet in sei­nem Spre­chen, dass das, was er sagt, wahr ist. Mit der Lüge bringt er den Wahr­heits­be­zug ins Spiel, der unver­meid­lich mit dem Spre­chen ein­her­geht. Spä­ter, im Poe-Auf­satz von 1957, erläu­tert Lacan die­sen Gedan­ken so: Der Ein­tritt in die sym­bo­li­sche Ord­nung als Sub­jekt wie­der­holt sich voll­stän­dig jedes­mal, „wenn sich das Sub­jekt an den Ande­ren als abso­lu­ten wen­det, näm­lich als Ande­ren, der es annul­lie­ren kann, auf die­sel­be Wei­se, wie es mit ihm ver­fah­ren kann, näm­lich so, dass es sich zum Objekt macht, um ihn zu täu­schen.“

Der Aus­druck „Sub­jekt“ wird also noch in einer drit­ten Bedeu­tung ver­wen­det. Er meint ers­tens, ganz all­ge­mein, den Pati­en­ten. Er meint zwei­tens das Sub­jekt, das von der lin­ken obe­ren Ecke des Sche­mas reprä­sen­tiert wird. Und er meint drit­tens den Ande­ren in sei­nem Unter­schied zum ima­gi­nä­ren ande­ren, den Anderen-als-Subjekt.

Das Sche­ma bezieht sich pri­mär auf sol­che Ande­re, auf die sich das Sub­jekt im Spre­chen bezieht, und zwar in der Wei­se, dass das Sub­jekt oder der Ande­re durch das Spre­chen einen Wahr­heits­an­spruch erhe­ben, etwa durch eine Lüge.

…“Sie sind auf der ande­re Sei­te der Sprach­mau­er, da, wo ich sie im Prin­zip nie­mals errei­che. Im Grun­de sind sie’s, die ich anvi­sie­re, jedes­mal, wenn ich ein wah­res Spre­chen arti­ku­lie­re, aber ich errei­che immer aꞌ, aꞌꞌ, per Refle­xi­on. Ich visie­re immer die wah­ren Sub­jek­te, und ich muß mich beschei­den mit Schat­ten. Das Sub­jekt ist von den Ande­ren, den wah­ren, durch die Sprach­mau­er getrennt.“ (311, Über­set­zung geändert)

Das Sub­jekt ver­sucht, sich auf den Ande­ren zu bezie­hen, aber dies gelingt ihm nicht. Statt­des­sen bezieht es sich auf die ande­ren der ima­gi­nä­ren Bezie­hung. Der Grund hier­für ist die Sprach­mau­er – das Voka­bu­lar in sei­ner benen­nen­den, objek­ti­vie­ren­den Funk­ti­on, das Vor­be­wuss­te. Das Vor­be­wuss­te hat, in den Augen von Lacan, eine ver­drän­gen­de Funktion.

Das Spre­chen, mit dem ich den Ande­ren als Sub­jekt zu errei­chen ver­su­che, wird hier als „wah­res Spre­chen“ bezeich­net. Lacan spielt damit auf sei­nen Auf­satz Funk­ti­on und Feld des Spre­chens und der Spra­che in der Psy­cho­ana­ly­se an. Dar­in hat­te er zwei Arten des Spre­chens unter­schie­den, das vol­le und das lee­re Spre­chen; statt vom „vol­len Spre­chen“ spricht er dort auch vom „wah­ren Spre­chen“.

Wo Es war, soll Ich werden Lacan
In der neben­ste­hen­den Abbil­dung habe ich die Begrif­fe „Sprach­mau­er“ und „wah­res Spre­chen“ in das Dia­gramm eingetragen.

In der Sta­fer­la-Ver­si­on des Semi­nars wird die Sprach­mau­er nicht der Ach­se a-a‘, son­dern der Ach­se A-S zuge­ord­net. Mei­nes Erach­tens ist das falsch, eine aus­führ­li­che Begrün­dung fin­det man in die­sem Arti­kel wei­ter unten in der Kri­tik an Brousse.

… „Wäh­rend das Spre­chen [paro­le] sich grün­det in der Exis­tenz des Ande­ren, des wah­ren, ist die Spra­che [lan­ga­ge] dazu da, um uns auf den objek­ti­vier­ten ande­ren zu ver­wei­sen, den ande­ren, mit dem wir alles machen kön­nen, was wir wol­len, ein­schließ­lich des­sen, zu den­ken, daß er ein Objekt ist, das heißt, daß er nicht weiß, was er sagt. Wenn wir uns der Spra­che bedie­nen, spielt unse­re Bezie­hung zum ande­ren die gan­ze Zeit in die­ser Ambi­gui­tät. Anders gesagt, die Spra­che ist eben­so dazu da, um uns im Ande­ren zu grün­den, wie um uns radi­kal dar­an zu hin­dern, ihn zu ver­ste­hen. Und eben dar­um geht es in der ana­ly­ti­schen Erfah­rung.“ (311, Über­set­zung geändert)

Statt, wie in Funk­ti­on und Feld des Spre­chens und der Spra­che in der Psy­cho­ana­ly­se, zwei Arten des Spre­chens gegen­über­zu­stel­len, lee­res und vol­les (oder wah­res) Spre­chen, ope­riert Lacan hier mit dem Gegen­satz von Spre­chen und Sprache.

Das Spre­chen grün­det sich auf die Exis­tenz des Ande­ren in sei­ner Wahr­heit, es hat sei­ne Grund­la­ge dar­in, dass der Ande­re ein Sub­jekt ist, das mich zu über­lis­ten ver­sucht und das durch Lügen einen Wahr­heits­be­zug herstellt.

Die Spra­che hin­ge­gen, also die Sprach­mau­er, die Wort­vor­stel­lun­gen, kon­sti­tu­iert den ande­ren als objek­ti­vier­ten ande­ren, als den­je­ni­gen, in dem ich mich wie­der­erken­ne und der für mich ein mani­pu­lier­ba­res Objekt ist.

Der objek­ti­vie­ren­den Dimen­si­on der Spra­che kann man sich nicht ent­zie­hen. Unser Ver­hält­nis zur Spra­che ist also ambi­va­lent. In einer psy­cho­ana­ly­ti­schen Kur wird die­se Ambi­va­lenz aus­ge­tra­gen, sie spielt sich ab im Span­nungs­feld zwi­schen der objek­ti­vie­ren­den Funk­ti­on der Spra­che (z.B. „ich bin wie X“, „ich bin neu­ro­tisch“) und der sub­jek­ti­vie­ren­den Funk­ti­on des Spre­chens, in dem ein Wahr­heits­be­zug am Werk ist.

Ich über­sprin­ge zwei Seiten.

„Die Ana­ly­se muß abzie­len auf den Über­gang zu einem wah­ren Spre­chen, durch wel­ches das Sub­jekt mit einem ande­ren Sub­jekt ver­bun­den wird, auf der ande­ren Sei­te der Sprach­mau­er. Das ist die letz­te Bezie­hung des Sub­jekts zu einem veri­ta­blen Ande­ren, zu dem Ande­ren, der die Ant­wort gibt, die man nicht erwar­tet, die den Schluß­punkt der Ana­ly­se defi­niert.“ (314, Über­set­zung geändert)

Eine psy­cho­ana­ly­ti­sche Kur ist dann wirk­sam, wenn sich die Funk­ti­on des Spre­chens ver­än­dert. Der Ana­ly­ti­ker ist für den Pati­en­ten zunächst der ima­gi­nä­re ande­re, sein Ide­al und sein Riva­le; dies ist die Grund­la­ge des Wider­stands gegen die Sym­bo­li­sie­rung des Unbe­wuss­ten. In die­ser Bezie­hung macht der Pati­ent den Ana­ly­ti­ker und sich selbst durch die Sprach­mau­er – durch klas­si­fi­zie­ren­de Benen­nung – zum Objekt, etwa durch Sub­sum­ti­on unter die Kate­go­rien „guter Ana­ly­ti­ker“ ver­sus „schlech­ter Psychoanalytiker“.

Die Ana­ly­se zielt dar­auf ab, dass das Spre­chen des Pati­en­ten sich statt an an ihn als ima­gi­nä­ren ande­ren an den wah­ren Ande­ren wen­det. Unter die­ser Bedin­gung ist der Pati­ent in der Lage, von ihm eine Ant­wort zu erhal­ten, die er nicht erwar­tet hat. Der Weg hier­zu ist, wie Lacan in den nächs­ten Sät­zen erläu­tern wird, die Über­tra­gung, in ihr hat der Ana­ly­ti­ker für das Ich des Pati­en­ten die Funk­ti­on des Anderen.

… „Was unter der einen Bedin­gung, daß das Ich [moi] des Ana­ly­ti­kers bereit ist, nicht da zu sein, unter die­ser einen Bedin­gung, daß der Ana­ly­ti­ker kein leben­der Spie­gel ist, son­dern ein lee­rer Spie­gel, wäh­rend der gan­zen Zeit der Ana­ly­se vor sich geht, geht vor sich zwi­schen dem Ich [moi] des Sub­jekts – es ist immer das Ich des Sub­jekts, das spricht, schein­bar – und den Ande­ren. Der gan­ze Fort­schritt der Ana­ly­se ist die fort­lau­fen­de Ver­schie­bung die­ser Rela­ti­on, die das Sub­jekt in jedem Augen­blick erfas­sen kann jen­seits der Sprach­mau­er, als die Über­tra­gung, die von ihm aus­geht und wo es sich nicht wie­der­erkennt [recon­nait]. Es geht nicht dar­um, die­se Rela­ti­on zu redu­zie­ren, wie man schreibt, es geht dar­um, daß das Sub­jekt sie an sei­nem Platz auf­nimmt. Die Ana­ly­se besteht dar­in, es das Bewußt­sein sei­ner Bezie­hun­gen gewin­nen zu las­sen, nicht zum Ich des Ana­ly­ti­kers, son­dern zu all die­sen Ande­ren, die sei­ne wirk­li­chen Respondenten/​Bürgen/​répondants sind und die es nicht aner­kannt hat. Es geht dar­um, daß das Sub­jekt mehr und mehr ent­deckt, an wel­chen Ande­ren es sich wahr­haft wen­det, wenn auch ohne es zu wis­sen, und daß es mehr und mehr die Über­tra­gungs­be­zie­hun­gen auf­nimmt an dem Platz, wo es ist und wo es zunächst nicht wuß­te, daß es war.“ (314, Über­set­zung geändert)

Das Ich des Ana­ly­ti­kers muss bereit sein, nicht da zu sein, anders gesagt: der Ana­ly­ti­ker muss dar­auf abzie­len, für den Pati­en­ten nicht die Posi­ti­on des ande­ren ein­zu­neh­men, des Part­ners, des Riva­len, des Ide­als; der Spie­gel muss leer sein, der Platz des ande­ren muss frei blei­ben, das Ich soll nicht in Bezie­hung zum ande­ren tre­ten, die Bezie­hung von m zu a soll nicht her­ge­stellt wer­den (bzw. in der Ver­si­on des Poe-Auf­sat­zes: die Bezie­hung von a zu a‘). Umge­kehrt heißt das: Häu­fig kommt es vor, dass das Ich des Ana­ly­ti­kers da ist, was bedeu­tet, dass der Ana­ly­ti­ker den Wider­stand gegen die Sym­bo­li­sie­rung des Unbe­wuss­ten stützt.

Wenn es dem Ana­ly­ti­ker gelingt, nicht da zu sein, bezieht sich das Ich des Sub­jekts auf den Ana­ly­ti­ker nicht als ande­ren, son­dern als Ande­ren. Im Ori­gi­nal steht hier „aut­re“ mit klei­nem a, „ande­rer“, aber das ergibt kei­nen Sinn: der Platz des ande­ren soll ja gera­de nicht besetzt sein. Es ist klar, dass es an die­sem Punkt Tran­skrip­ti­ons­pro­ble­me gibt – wie soll die Ste­no­gra­phin erken­nen, ob Lacan, wenn er „ande­rer“ sagt, sich auf den ande­ren mit klei­nem a bezieht oder auf den mit gro­ßem A?

Lacan spricht hier vom „Ich des Sub­jekts“. Was ist hier mit „Sub­jekt“ gemeint, das Sub­jekt im Sin­ne des Punk­tes (Es) S im Sche­ma? Dann gäbe es zwi­schen S und a, zwi­schen dem Sub­jekt und dem Ich, eine Fun­die­rungs­be­zie­hung. Sie hät­te ver­mut­lich ihre Ent­spre­chung in der Bezie­hung zwi­schen dem Ande­ren und dem ande­ren: der ande­re wäre der ande­re des Ande­ren so wie das Ich das Ich des Sub­jekts wäre. In Semi­nar 2 habe ich nichts gefun­den, was die­se Deu­tung stüt­zen könn­te und die Pfeil­ver­bin­dun­gen des Sche­mas aus dem Poe-Auf­satz geben kei­ne Hin­weis auf ein Rela­ti­on die­ser Art. Eine Stüt­ze für die­se Auf­fas­sung fin­det man im Auf­satz Die Freud­sche Sache, wo es heißt: „Aus die­sem Grund besagt unse­re Leh­re, dass es in der ana­ly­ti­schen Situa­ti­on nicht nur zwei prä­sen­te Sub­jek­te gibt, son­dern zwei Sub­jek­te, von denen jedes mit zwei Objek­ten ver­se­hen ist, dem Ich/​moi und dem ande­ren, wobei die­ser ande­re ein klei­nes a als Anfangs­buch­sta­ben hat.“ Aber was meint Lacan hier mit „Sub­jekt“?

Die ande­re Mög­lich­keit besteht dar­in, dass mit sujet hier der Pati­ent gemeint ist; das „Ich des Sub­jekts“ wäre dann das „Ich des Pati­en­ten“. An der zitier­ten Stel­le ist die Rede vom „Ich des Sub­jekts“ das Gegen­stück zur Rede vom „Ich des Ana­ly­ti­kers“, die zwei­te Bedeu­tung ist des­halb plausibler.

Das Ich des Sub­jekts, das Ich des Pati­en­ten ist der schein­ba­re Agent des Spre­chens; wenn es im Ver­lauf einer Ana­ly­se gelingt, dass der Ana­ly­ti­ker nicht den Platz des ande­ren besetzt, kann das Ich des Pati­en­ten eine Bezie­hung zum Ande­ren her­stel­len, jen­seits der Sprach­mau­er. Eben dies ist die Über­tra­gung: der Ana­ly­ti­ker fun­giert für das Ich des Pati­en­ten als Ver­kör­pe­rung des Ande­ren oder der ver­schie­de­nen Ande­ren sei­ner Geschich­te. Es ent­deckt, an wel­che Ande­ren es sich wen­det, ohne es zu wissen.

Man­che for­dern, in der psy­cho­ana­ly­ti­schen Behand­lung die Über­tra­gungs­be­zie­hung zu redu­zie­ren; Lacan weist die­se Auf­fas­sung zurück. Viel­mehr soll das Ich des Pati­en­ten ein Bewusst­sein davon bekom­men, in wel­chen Bezie­hun­gen das Sub­jekt (am Platz oben links) zu die­sen Ande­ren steht, und das wird durch die Über­tra­gung ermög­licht. Eben des­halb, weil das Sub­jekt die Bezie­hun­gen zu die­sen Ande­ren nicht aner­kannt hat, kön­nen sie vom Ich des Pati­en­ten nicht erin­nert wer­den und genau des­halb wer­den sie in der Über­tra­gung wiederholt.

Auf die­se Wei­se ent­deckt das Sub­jekt (der Pati­ent), an wel­chen Ande­ren es sich wen­det und von wel­chem Platz aus es sich an die­se Ande­ren wen­det. Die­ser Platz ist der Platz des Sub­jekts im Sin­ne des Sche­mas, also der Platz (Es) S. Vor­her hat­te Lacan erklärt, dass sich der Pati­ent auch am Ende einer Ana­ly­se nicht am Platz des Sub­jekts sehen kann (310). Viel­leicht geht es dar­um, die­sen Platz, der nicht erreich­bar ist, einzukreisen.

…“Dem Satz Freuds – Wo Es war, soll Ich wer­den* – sind zwei Bedeu­tun­gen zu geben. Die­ses Es*, neh­men Sie das wie den Buch­sta­ben S. Es ist da, es ist immer da. Das ist das Sub­jekt. Es kennt sich oder es kennt sich nicht. Das ist nicht ein­mal das Wich­tigs­te – es kommt oder es kommt nicht zum Spre­chen. Am Ende der Ana­ly­se soll es das Wort ergrei­fen und mit dem wah­ren Ande­ren in Bezie­hung tre­ten. Da, wo das S war, da soll das Ich* sein.

Da reinte­griert das Sub­jekt authen­tisch sei­ne mem­bra dis­jec­ta und aner­kennt, reag­gre­giert sei­ne Erfah­rung.“ (314, Über­set­zung geändert)

Der Buch­sta­be S des Sche­mas steht nicht nur für „Sub­jekt“, son­dern auch für das Freud­sche Es. Die­se Zuord­nung wird im Poe-Auf­satz dadurch bekräf­tigt, dass die obe­re lin­ke Ecke des Sche­mas als „(Es) S“ bezeich­net wird; in einer zum Poe-Auf­satz hin­zu­ge­füg­ten Erläu­te­rung des Sche­mas aus dem Jah­re 1966 heißt es, das „S (Es)“ sym­bo­li­sie­re „das als ver­voll­stän­digt ange­nom­me­ne Sub­jekt des Freud­schen Es“.

Das Es ist bei Freud die Instanz, in der die Trie­be ver­or­tet sind, es besteht aus den psy­chi­schen Reprä­sen­tan­zen der Trie­be.; das an der lin­ken obe­ren Ecke des Sche­mas loka­li­sier­te Sub­jekt ist demach ein Trieb­sub­jekt. Wir haben jetzt fol­gen­de Infor­ma­tio­nen über die­ses Subjekt: – Sein Platz ist ver­drängt, die Ver­drän­gung ist nicht aufhebbar. – Das Sub­jekt ist für das von außen kom­men­de (vom Ande­ren kom­men­de) Spre­chen offen. – Das Sub­jekt spricht von die­sem Platz aus und wen­det sich damit an den Ande­ren, aller­dings weiß es nichts davon; es spricht in Symptomen. – In die­sem Spre­chen wird ein Wahr­heits­an­spruch erhoben.

– Das Sub­jekt ist ein Es-Sub­jekt, beim Ange­spro­chen wer­den durch den Ande­ren und bei der Sym­ptom­bil­dung kommt der Trieb ins Spiel.

Freuds Dik­tum „Wo Es war, soll Ich wer­den“ ist so zu deu­ten: „Es“ steht hier für den Buch­sta­ben S, also für „Sub­jekt“, aber wohl auch für den Trieb. Ob das Sub­jekt sich kennt oder nicht kennt, ist nicht ent­schei­dend; der Impe­ra­tiv „Erken­ne dich selbst“ ist für die Psy­cho­ana­ly­se sekun­där. Wor­auf es ankommt, ist das Spre­chen. Das Sub­jekt (das Es), das zur Psy­cho­ana­ly­se geht, ist zunächst das, was nicht spricht; in der Ana­ly­se spricht anfangs das Ich des Pati­en­ten zum Ana­ly­ti­ker in der Posi­ti­on des ande­ren. Der Impe­ra­tiv der Psy­cho­ana­ly­se lau­tet: Das Sub­jekt soll spre­chen, das Es soll zu Wort kom­men. Dazu ist es nötig, dass das Ich dort­hin kommt, wo das Es war, das Ich muss einen Zugang dazu gewin­nen, von wel­chem Platz aus das Sub­jekt sei­ne Sym­pto­me pro­du­ziert und wie der Trieb dar­in ver­wi­ckelt ist. Damit wird das Ich ins Spiel gebracht. Das Ich hat nicht nur die Funk­ti­on, ande­re als Objek­te zu kon­sti­tu­ie­ren. Es hat auch die Auf­ga­be, eine Bezie­hung zwi­schen dem Sub­jekt und dem Ande­ren zu ermöglichen.

Die her­zu­stel­len­de Bezie­hung zwi­schen dem Sub­jekt und dem Ande­ren besteht dar­in, dass eine Aner­ken­nung voll­zo­gen wird. Es gibt etwas, was nicht aner­kannt wird (das vom Ande­ren kom­men­de Man­dat), die­se Nicht-Aner­ken­nung führt zur Sym­ptom­bil­dung, dazu, dass das Sub­jekt in Sym­pto­men spricht. Am Ende der Ana­ly­se soll die aus­ste­hen­de Aner­ken­nung voll­zo­gen werden.

Im Ver­lauf der Ana­ly­se wer­den Erfah­run­gen, die nichts mit­ein­an­der zu tun zu haben schie­nen, in einen Zusam­men­hang gebracht.

… „Im Lau­fe einer Ana­ly­se kann es etwas geben, das wie ein Objekt geformt ist. Aber die­ses Objekt, weit davon ent­fernt, das zu sein, wor­um es geht, ist davon nur eine grund­le­gend ent­frem­de­te Form. Es ist das ima­gi­nä­re Ich, das ihm sein Zen­trum gibt und sei­nen Ver­bund, und es ist voll­kom­men mit einer mit der Para­noia ver­wand­ten Form von Ent­frem­dung /​ Geis­tes­krank­heit /​ alié­na­ti­on iden­ti­fi­zier­bar. Daß das Sub­jekt schließ­lich ans Ich glaubt, ist als sol­ches eine Ver­rückt­heit. Gott sei Dank reüs­siert hier die Ana­ly­se sel­ten genug, aber daß man sie in die Rich­tung da treibt, dafür haben wir tau­send Beweise.

Das wird unser Pro­gramm fürs nächs­te Jahr sein – was heißt Para­noia? Was heißt Schi­zo­phre­nie? Im Unter­schied zur Schi­zo­phre­nie steht die Para­noia immer in Rela­ti­on zur ima­gi­nä­ren Ent­frem­dung des Ich.“ (314 f., Über­set­zung geändert)

Im Ver­lauf einer Ana­ly­se kann ein Objekt gebil­det wer­den, vie­le Ana­ly­ti­ker for­dern das sogar. Ver­mut­lich denkt Lacan hier unter ande­rem an Mau­rice Bou­vet, den er wegen sei­ner Kon­zep­ti­on der Objekt­be­zie­hung beson­ders häu­fig und aus­führ­F­lich kri­ti­siert. Im Sche­ma wäre die­ses Objekt am Platz des ande­ren zu ver­or­ten. Das Zen­trum die­ses Objekts ist das Ich.

Das ist jedoch nicht das, wor­um es in einer Ana­ly­se geht, son­dern eine ent­frem­de­te Form davon.

Sche­ma L hat also eine pole­mi­sche Stoß­rich­tung. Man kann das Sche­ma unter ande­rem so lesen: Vie­le Ana­ly­ti­ker for­dern, die Ana­ly­se an der Bezie­hung zum Objekt aus­zu­rich­ten, also am ima­gi­nä­ren Ver­hält­nis zwi­schen dem ande­ren und dem Ich. Das ist falsch. Es kommt dar­auf an, die Ana­ly­se anders zu ori­en­tie­ren, an der Bezie­hung zwi­schen dem Ande­ren und dem Subjekt.

Die ima­gi­nä­re Objekt­be­zie­hung ist mit der Para­noia ver­wandt. Der Ver­fol­ger ist das ima­gi­nä­re Objekt, das Ide­al; Lacan hat­te die­se The­se bereits 1932 in Die para­noi­sche Psy­cho­se aus­ge­ar­bei­tet.

Die Para­noia kann also in Sche­ma L ein­ge­tra­gen wer­den, die Bezie­hung zum Ande­ren wird hier durch die Bezie­hung zum ande­ren ersetzt. Im Auf­satz Über eine Fra­ge, die jeder mög­li­chen Behand­lung der Psy­cho­se vor­aus­geht (1958) wird Lacan die­sen Gedan­ken aus­ar­bei­ten und Vari­an­ten von Sche­ma L ent­wi­ckeln, die sich spe­zi­ell auf die Psy­cho­se bezie­hen.

1. Juni 1955

„Das Sche­ma, das ich Ihnen das letz­te Mal gege­ben habe, setzt vor­aus, daß das Spre­chen sich aus­brei­tet wie das Licht, gerad­li­nig. Das soll Ihnen sagen, daß es nur meta­pho­risch, ana­lo­gisch ist.

Was mit der Sprach­mau­er inter­fe­riert, ist die Spie­gel­re­la­ti­on, durch die das, was zum Ich [moi] gehört, immer durch­drun­gen, ange­eig­net wird durch die Ver­mitt­lung eines ande­ren, der für das Sub­jekt immer die Eigen­schaf­ten des Urbil­des*, des fun­da­men­ta­len Bil­des des Ich behält. Von daher die Ver­ken­nun­gen, dank denen sich eben­so die Miß­ver­ständ­nis­se her­stel­len wie die gewöhn­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on, die auf besag­ten Miß­ver­ständ­nis­sen beruht.“ (316)

Im L-Sche­ma wird das wah­re Spre­chen durch eine gera­de Linie reprä­sen­tiert, durch die Bezie­hung zwi­schen S und A. Auf die­ser Meta­pher beruht das Sche­ma; Lacan betont, dass es sich dabei nur um eine Ana­lo­gie handelt.

Die Sprach­mau­er – der objek­ti­vie­ren­de Cha­rak­ter der Spra­che als Benen­nungs­sys­tem – inter­fe­riert mit der ima­gi­nä­ren Bezie­hung zum ande­ren. In die­ser Bezie­hung hat der ande­re die Eigen­schaf­ten des Urbil­des, des Spie­gel­bil­des. Das führt dazu, dass der ande­re in sei­ner Anders­heit ver­kannt wird. Dies zeigt sich in den Miss­ver­ständ­nis­sen, auf denen die Kom­mu­ni­ka­ti­on außer­halb der Psy­cho­ana­ly­se beruht; das Fun­da­ment die­ser Kom­mu­ni­ka­ti­on ist die Projektion.

… „Das Sche­ma hat mehr als eine Eigen­schaft, wie ich Ihnen gezeigt habe, indem ich Sie lehr­te, es zu trans­for­mie­ren. Ich habe Ihnen eben­falls ange­deu­tet, dass die Hal­tung des Ana­ly­ti­kers stark dif­fe­rie­ren und in der Ana­ly­se zu unter­schied­li­chen, ja sogar gegen­sätz­li­chen Kon­se­quen­zen füh­ren kann.

Wir sind am Fuß der Mau­er ange­langt oder an der Weg­kreu­zung – was geschieht in der Ana­ly­se, je nach­dem ob man die Bezie­hung des Spre­chens als matri­zi­ell setzt, als unent­behr­lich oder im Gegen­teil die ana­ly­ti­sche Situa­ti­on objek­ti­viert, ob man das ver­sucht, wor­auf ich Sie seit lan­gem hin­ge­wie­sen habe, näm­lich die Wider­stands­ana­ly­se in bestimm­ter Form durch­zu­füh­ren, was dazu führt, die Objek­ti­vie­rung wie­der­her­zu­stel­len, die­sen Objek­ti­vie­rungs­ver­such. Mit je nach Autor und Prak­ti­ker unter­schied­li­cher Inten­si­tät macht jede Objek­ti­vie­rung aus der Ana­ly­se einen Pro­zeß der Ummo­de­lung des Ich nach dem Modell des Ich des Ana­ly­ti­kers.“ (316, Über­set­zung geän­dert nach Ver­si­on Staferla)

Lacan spricht hier als Poli­ti­ker der Psy­cho­ana­ly­se. Die Psy­cho­ana­ly­se steht vor einer Gabe­lung ihres Weges. Sie muss sich ent­schei­den, wel­chen Weg sie ein­schla­gen will, wie sie die psy­cho­ana­ly­ti­sche Situa­ti­on theo­re­tisch und prak­tisch ange­hen will.

Sie hat die Mög­lich­keit, in der Bezie­hung zwi­schen dem Ana­ly­ti­ker und dem Pati­en­ten das Spre­chen für die Matrix zu hal­ten, für die Gebär­mut­ter, in der etwas Neu­es geschaf­fen wird. Für die­sen Weg optiert Lacan.

Sie kann den Pati­en­ten aber auch zum Objekt machen. Das geschieht etwa bei bestimm­ten For­men der Wider­stands­ana­ly­se – nicht bei der Wider­stands­ana­ly­se schlech­tin, son­dern bei bestimm­te For­men, die von Lacan an die­ser Stel­le lei­der nicht näher bestimmt wer­den. Hier bil­det die ima­gi­nä­re Bezie­hung zwi­schen dem Ich und dem ande­ren das Zen­trum der Ana­ly­se. Das heißt aber: der Ana­ly­ti­ker ver­sucht, den Pati­en­ten nach einem Vor­bild umzu­mo­deln, das Modell ist hier das Ich des Analytikers.

29. Juni 1955

„Ehe ich Sie ver­las­se und weil inter­punk­tiert wer­den muss, weil ein Schluß­punkt gesetzt wer­den muß, der Ihnen als Ori­en­tie­rungs­ta­fel dient, möch­te ich die vier Pole wie­der­auf­neh­men, die ich mehr als ein­mal an die Tafel geschrie­ben habe. Ich begin­ne mit A, das der radi­kal Ande­re ist, der der ach­ten oder neun­ten Hypo­the­se des Par­men­i­des, der eben­so­wohl der rea­le Pol der sub­jek­ti­ven Bezie­hung ist und das, wor­an Freud die Bezie­hung zum Todes­trieb fest­macht.“ (407, Über­set­zung geändert)

Lacan bezieht sich auf die vier Eck­punk­te von Sche­ma L. Das gro­ße A steht für den­je­ni­gen, der gera­de nicht mein Eben­bild ist, der radi­kal anders ist.

Vom radi­kal Ande­ren spricht Pla­ton in sei­nem Dia­log Par­men­i­des. Wenn Eins nicht ist (so heißt es in der 8. Deduk­ti­on), dann sind die Ande­ren weder Eins noch Vie­les, dann gibt es vom Ande­ren auch kei­ne Vor­stel­lung und kei­nen Schein (165e–166c). Der Ande­re ist inso­fern der radi­kal Ande­re, als es dem Sub­jekt nicht gelingt, ihn zu sym­bo­li­sie­ren und auch nicht, ihn zu ima­gi­nie­ren, mit Pla­ton: inso­fern es von ihm kei­ne Vor­stel­lung gibt (kei­ne Signi­fi­kan­ten) und kei­nen Schein (kei­ne Bilder).

Der Ande­re ist der rea­le Pol der sub­jek­ti­ven Bezie­hung. In der Bezie­hung zwi­schen dem Ande­ren und dem Sub­jekt hat der Ande­re dem­nach die Funk­ti­on des Rea­len. In Semi­nar 1 hat­te Lacan das Rea­le so defi­niert: Das Rea­le ist das, was der Sym­bo­li­sie­rung abso­lut wider­steht; vgl. die­sen Blog­bei­trag. Der Ande­re ist inso­fern der rea­le Pol der sub­jek­ti­ven Bezie­hung, als es in der Bezie­hung zu ihm etwas gibt, was nicht sym­bo­li­siert wer­den kann. Ich ver­mu­te, dass Lacan sich damit wie­der auf das Pro­blem der Lüge bezieht: dafür, dass der Ande­re auf­rich­tig ist, gibt es im Spre­chen kei­ne Garan­tie; die Wahr­heit wider­setzt sich der Sym­bo­li­sie­rung und ist in die­sem Sin­ne real.

Der Ande­re steht in Bezie­hung zum Todes­trieb. Der Todes­trieb ist, Freud zufol­ge, stumm. Freuds Begriff des Todes­triebs gibt einen Hin­weis dar­auf, in wel­chem Sin­ne der Ande­re real ist: inso­fern als in der Bezie­hung zu ihm etwas nicht gesagt wer­den kann.

In der Ach­se A-S, in der Bezie­hung zwi­schen dem Sub­jekt (bzw. dem Es) und dem Ande­ren geht es nicht nur um das Sym­bo­li­sche, son­dern auch um das Rea­le (am Ende die­ser Sit­zung wird Lacan dar­auf zurückkommen).

… „Dann haben Sie hier m, das moi /​ das Ich, und a, der ande­re, der gar kein ande­rer ist, weil er wesent­lich mit dem Ich gekop­pelt ist, in einer immer refle­xi­ven, aus­tausch­ba­ren Bezie­hung – das Ego ist immer ein Alter Ego.“ (407, Über­set­zung geändert)

Lacan wech­selt im Sche­ma L zu den Punk­ten unten links und oben rechts. Der Punkt unten links ist hier mit m beschrif­tet, für moi, Ich (nicht, wie in der Ver­si­on des Poe-Auf­sat­zes, mit a). Der ima­gi­nä­re ande­re wird mit dem Sym­bol a bezeich­net (im Poe-Auf­satz mit dem Sym­bol aꞌ). Der mit klei­nem a geschrie­be­ne ande­re ist kein wahr­haft ande­rer, kein radi­kal ande­rer, er ist, unvor­sich­tig gespro­chen, eine Pro­jek­ti­on des Ichs.

Das Ich und der ande­re sind aus­tausch­bar; dem liegt der soge­nann­te Tran­si­ti­vis­mus zugrun­de, den Char­lot­te Büh­ler bei Kin­dern eines bestimm­ten Alters ent­deck­te hat­te. Paul schlägt Anna und beschwert sich dar­über, dass er von Anna geschla­gen wur­de – nicht etwa um zu täu­schen, son­dern weil er Anna mit sich iden­ti­fi­ziert: wenn er schlug, war es Anna, die ihn schlug. In einem Auf­satz über die Fami­lie von 1938 hat­te Lacan die­ses Phä­no­men mit sei­ner Kon­zep­ti­on des Spie­gel­sta­di­ums in Ver­bin­dung gebracht. Spä­ter beruht die Aus­tausch­bar­keit auf Pro­jek­ti­on und Identifizierung.

… „Hier haben Sie S, das zugleich das Sub­jekt ist, das Sym­bol und auch das Es*. Die sym­bo­li­sche Rea­li­sie­rung des Sub­jekts, die immer sym­bo­li­sche Schöp­fung ist, ist die Bezie­hung, die von A zu S geht. Sie ist zugrun­de­lie­gend, unbe­wußt, wesent­lich für jede sub­jek­ti­ve Situa­ti­on.“ (407 f., Über­set­zung geändert)

Lacan wech­selt zum Punkt oben links. Das S hat drei Bedeu­tun­gen, es steht für das Sub­jekt, für das Sym­bol und für das deut­sche Wort „Es“. Wenn man wis­sen will, was mit dem Sub­jekt gemeint ist, muss man den Zusam­men­hang zwi­schen dem Sub­jekt, dem Sym­bol und dem Es rekon­stru­ie­ren, d.h. das Ver­hält­nis zwi­schen dem Sub­jekt und dem sym­bo­li­schen Aspekt des Triebs, in Freuds Ter­mi­no­lo­gie: den psy­chi­schen Triebrepräsentanzen.

Unter dem Sym­bol ver­steht Lacan im Rom-Vor­trag das Sym­ptom: Signi­fi­kant eines ver­dräng­ten Signi­fi­kats. Das Sub­jekt ist dem­nach der Symptomproduzent.

Im sel­ben Auf­satz cha­rak­te­ri­siert er die „Sub­jek­ti­vi­tät des Kin­des“ dadurch, dass es „aus sei­nen exkre­men­tel­len Aus­schei­dun­gen Aggres­si­on, aus sei­ner Ver­hal­tung Ver­füh­rung und aus sei­ner Ent­lee­rung Sym­bo­le macht“. Damit ist der Zusam­men­hang zwi­schen dem Sub­jekt, dem Sym­bol und dem Es klar: Die Sub­jek­ti­vi­tät des Kin­des besteht dar­in, dass es aus sei­nen ana­len Trieb­re­gun­gen Sym­bo­le macht (zu ergän­zen ist: mit denen es sich auf den Ande­ren bezieht). Das Sub­jekt betä­tigt sich unter ande­rem dar­in, dass es sei­ne Aus­schei­dun­gen in Sym­bo­le ver­wan­delt (mit denen es sich an den Ande­ren wendet).

Wo Es war, soll Ich werden Lacan
Wo Es war, soll Ich werden Lacan
Sche­ma L ant­wor­tet damit auf die von Freud in Das Ich und das Es vor­ge­stell­te Leh­re von den drei Instan­zen Ich, Es und Über-Ich. Der Eck­punkt oben links, S, ent­spricht dem Freud­schen Es, die bei­den Punk­te unten links und oben rechts stel­len das Ich dar; aus dem Vor­be­wuss­ten wird die Sprach­mau­er. Man kann also ver­mu­ten, dass der Punkt unten rechts, A, in Bezie­hung zum Über-Ich steht, aller­dings so, dass die­ser Ter­mi­nus gera­de nicht ver­wen­det wird; das Ver­hält­nis zwi­schen dem Ande­ren und dem Über-Ich ist für Lacan offen­bar pro­ble­ma­tisch. Damit ist klar: Sche­ma L ist Lacans Alter­na­ti­ve zu Freuds zeich­ne­ri­scher Dar­stel­lun­gen der zwei­ten Topik in Das Ich und das Es von 1923 (links) und in der Neu­en Fol­ge der Vor­le­sun­gen zur Ein­füh­rung in die Psy­cho­ana­ly­se von 1933 (rechts) (zum Ver­grö­ßern anklicken).

Die sym­bo­li­sche Rea­li­sie­rung des Sub­jekts ver­läuft von A zu S, sie geht vom Ande­ren aus und zielt auf das Sub­jekt. Im Sche­ma kann man den von A zu S füh­ren­den Pfeil als den der sym­bo­li­schen Rea­li­sie­rung des Sub­jekts bezeich­nen. A ist nicht nur der rea­le Pol der Bezie­hung zwi­schen A und S, son­dern zugleich der Aus­gangs­punkt der sym­bo­li­schen Rea­li­sie­rung des Sub­jekts. Die Ach­se A – S ist zugleich sym­bo­lisch und real.

Die vom Ande­ren aus­ge­hen­de sym­bo­li­sche Rea­li­sie­rung des Sub­jekts ist immer eine sym­bo­li­sche Schöp­fung, sie führt etwas radi­kal Neu­es in die Welt ein. In Semi­nar 1 hat­te Lacan das anhand eines Autoren­ver­tra­ges erläu­tert, den ein gewis­ser Herr Kel­ler mit einem New Yor­ker Ver­lag abschließt. „Von dem Moment an, wo Herr Kel­ler die Bestel­lung emp­fan­gen, mit ja geant­wor­tet, einen Ver­trag signiert hat, ist Herr Kel­ler in der Tat nicht mehr der­sel­be Herr Kel­ler. Es ist ein ande­rer Kel­ler, ein enga­gier­ter Kel­ler, und es ist auch ein ande­res Ver­lags­haus, ein Ver­lags­haus, das einen Ver­trag mehr hat, ein Sym­bol mehr.“ Im Ethik-Semi­nar wird Lacan die­sen Gedan­ken mit der theo­lo­gi­schen Figur der crea­tio ex nihi­lo erläu­tern.

Das Sche­ma bezieht sich jedoch nicht auf bewuss­te Bezie­hun­gen die­ser Art, son­dern auf unbe­wuss­te, auf den vom Ande­ren aus­ge­hen­den unbe­wuss­ten Dis­kurs. Im Sche­ma wird dies dadurch ange­zeigt, dass der von A aus­ge­hen­de Pfeil mit „unbe­wusst“ beschrif­tet ist. Im Rom-Vor­trag hat­te Lacan geschrie­ben, das Unbe­wuss­te sei der Dis­kurs des Ande­ren (der dort noch mit klei­nem a geschrie­ben wird); vgl. hier­zu in die­sem Blog den Arti­kel „Das Unbe­wuss­te ist der Dis­kurs des Ande­ren“.

Lacan unter­schei­det in Sche­ma L also das Unbe­wuss­te und das Es: Das Unbe­wuss­te ist der Dis­kurs des Ande­ren; das Es wird auf der Sei­te des Sub­jekts verortet.

Wie kann der Ande­re zugleich der rea­le und der sym­bo­li­sche Pol der sym­bo­li­schen Rea­li­sie­rung des Sub­jekts sein? Ich neh­me an, dass sich das auf­lö­sen lässt, wenn man Beob­ach­ter­per­spek­ti­ve und Teil­neh­mer­per­spek­ti­ve unter­schei­det. Von außen gese­hen, aus der Beob­ach­ter­per­spek­ti­ve des Ana­ly­ti­kers, ist der Ande­re der­je­ni­ge, der an das Sub­jekt den uni­ver­sa­len Dis­kurs wei­ter­gibt; von ihm aus gese­hen gehört der Ande­re zur Ord­nung des Sym­bo­li­schen. Vom Sub­jekt aus betrach­tet, aus der Teil­neh­mer­per­spek­ti­ve, sind die vom Ande­ren kom­men­den Dis­kur­se und Man­da­te rät­sel­haft, unsin­nig. Es kann sie nicht aner­ken­nen. Mit dem „rea­len Pol der sub­jek­ti­ven Bezie­hung“ ist also ver­mut­lich gemeint: „der Pol der Bezie­hung, der sich vom Stand­punkt des Sub­jekts aus als real darstellt“.

Für das Sub­jekt ist der Ande­re ein rea­ler Ande­rer. Eben des­halb kann es sich zu des­sen Appel­len nur durch Über­tra­gung in Bezie­hung set­zen, also durch Wie­der­ho­lung, nicht durch Erin­nern. Das vom Ande­ren kom­men­de wah­re Spre­chen kann vom Sub­jekt hart­nä­ckig nicht sym­bo­li­siert wer­den, des­halb insis­tiert es in der Wie­der­ho­lung und in die­sem Sin­ne ist der Ande­re für das Sub­jekt real.

… „Die­se Sche­ma­ti­sie­rung geht nicht von einem iso­lier­ten und abs­trak­ten Sub­jekt aus. Alles ist gebun­den an die sym­bo­li­sche Ord­nung, seit Men­schen auf der Erde sind und seit sie spre­chen. Und was sich über­mit­telt und sich zu kon­sti­tu­ie­ren trach­tet, ist eine immense Bot­schaft [mes­sa­ge], in der das gesam­te Rea­le nach und nach umge­setzt, neu erschaf­fen, umge­ar­bei­tet wird. Die Sym­bo­li­sie­rung des Rea­len strebt danach, dem Uni­ver­sum äqui­va­lent zu sein, und die Sub­jek­te sind dabei nur Schalt­stel­len, Trä­ger. Was wir dar­in vor­neh­men, ist ein Schnitt auf dem Niveau einer die­ser Kopp­lun­gen.“ (408, Über­set­zung geändert)

Das Sche­ma L geht nicht von einem iso­lier­ten Sub­jekt aus, dar­in unter­schei­det es sich von Freuds Dia­gramm. Im Sche­ma L ist das Sub­jekt nicht vor dem Ande­ren da, es bezieht sich nicht sekun­där auf den Ande­ren. Viel­mehr wird es durch die vom Ande­ren aus­ge­hen­de Bot­schaft über­haupt erst kon­sti­tu­iert; der Pfeil geht vom Ande­ren zum Subjekt.

Aus­gangs­punkt ist die sym­bo­li­sche Ord­nung; es gibt sie, seit Men­schen spre­chen. Die sym­bo­li­sche Ord­nung arbei­tet das Rea­le in das Sym­bo­li­sche um und erschafft es damit neu; dies ist Schöp­fung aus dem Nichts. Lacan stellt sich die Sym­bo­li­sie­rung des Rea­len als einen auto­no­men und expan­si­ven Pro­zess vor, in dem die Men­schen die Funk­ti­on haben, Schalt­stel­len zu sein, Über­mitt­ler. Die Men­schen wer­den dadurch zu Trä­gern die­ses Pro­zes­ses, dass das Sym­bo­li­sche sich in Form von Bot­schaf­ten an sie wendet.

Die Psy­cho­ana­ly­se bezieht sich auf einen Aus­schnitt aus der Ver­kop­pe­lung des Sym­bo­li­schen und des Realen.

Im Dia­gramm ist also nicht nur das Sym­bo­li­sche und das Ima­gi­nä­re zu ver­or­ten, son­dern auch das Rea­le. Es wird hier auf dop­pel­te Wei­se reprä­sen­tiert. Ers­tens auf der Sei­te des Ande­ren; er hat nicht nur eine sym­bo­li­sche Funk­ti­on, für das Sub­jekt ist er auch der rea­le, der nicht sym­bo­li­sier­ba­re Andere.

Die vom Ande­ren aus­ge­hen­de Bezie­hung zum Sub­jekt steht aber zugleich für die Sym­bo­li­sie­rung des Rea­len. Hier ist das Sub­jekt am Platz des Rea­len, als das, was sym­bo­li­siert wer­den soll, sich aber der Sym­bo­li­sie­rung dadurch wider­setzt, dass es die vom Ande­ren kom­men­den Bot­schaf­ten nicht aner­kennt. Das könn­te eine Neben­be­deu­tung des Begriffs des „Es“ sein. Das Es im Sin­ne des Triebs ist für Lacan nicht das Rea­le. Die Trie­be haben aber eine Grund­la­ge, die sich der theo­re­ti­schen Erfas­sung ent­zieht, Freud stellt das immer wie­der her­aus; er unter­schei­det die Trie­be nach ihrer orga­ni­schen Sei­te und ihre psy­chi­schen Reprä­sen­tan­zen und er betont, dass sich der Zusam­men­hang die­ser bei­den Sei­ten der Erkennt­nis entzieht.

Ich über­sprin­ge etwa eine Seite.

Auch Tie­re, heißt es dann, neh­men bereits Gene­ra­li­sie­run­gen vor.

„Was jedoch neu ist beim Men­schen, das ist, daß etwas bereits offen genug ist, unmerk­lich ver­rückt in der ima­gi­nä­ren Koap­t­ati­on, so daß sich der sym­bo­li­sche Gebrauch des Bil­des ein­schal­ten kann.

Es ist bei ihm eine bestimm­te bio­lo­gi­sche Kluft zu sup­po­nie­ren, jene, die ich Ihnen zu defi­nie­ren ver­such­te, wenn ich Ihnen vom Spie­gel­sta­di­um spre­che. Die tota­le Bestri­ckung des Begeh­rens, der Auf­merk­sam­keit, setzt bereits den Man­gel vor­aus. Der Man­gel ist schon da, wenn ich vom Begeh­ren des mensch­li­chen Sub­jekts in bezug auf sein Bild spre­che, von jener äußerst all­ge­mei­nen ima­gi­nä­ren Bezie­hung, die man Nar­ziß­mus nennt.

Die tie­ri­schen leben­di­gen Sub­jek­te sind sen­si­bel für das Bild ihres Typs. Ein abso­lut wesent­li­cher Punkt, dank dem die gan­ze leben­di­ge Schöp­fung nicht eine unge­heu­re Orgie ist. Das mensch­li­che Wesen aber hat eine spe­zi­el­le Bezie­hung zu dem Bild, wel­ches das sei­ni­ge ist – eine Bezie­hung der Kluft, der ent­frem­den­den Span­nung. Da schal­tet sich die Mög­lich­keit der Ord­nung der Prä­senz und der Absenz ein, das heißt der sym­bo­li­schen Ord­nung. Die Span­nung zwi­schen dem Sym­bo­li­schen und dem Rea­len liegt da zugrun­de. Sie ist sub­stan­ti­ell, wenn Sie schon dem Ter­mi­nus Sub­stanz sei­nen rei­nen ety­mo­lo­gi­schen Sinn geben wol­len. Das ist ein hypo­kei­me­non.“ (409)

Die Art und Wei­se, wie Men­schen sich auf Bil­der bezie­hen, unter­schei­det sich von der Bild­be­zie­hung der ande­ren Tie­re. Die nicht-mensch­li­chen Tie­re sind für das Bild ihres Typs sen­si­bel, was zur Fol­ge hat, dass sie spe­zi­ell mit Tie­ren ihrer Gat­tung kopu­lie­ren und nicht etwa mit der gesam­ten Schöpfung.

Die Bezie­hung des Men­schen zu Bil­dern ist anders: sie ist offen, sie ent­hält eine Span­nung. Das ermög­licht es, dass sich das Sym­bo­li­sche hier ein­schrei­ben kann, die Ord­nung von Anwe­sen­heit und Abwe­sen­heit. Die Offen­heit zeigt sich gera­de dar­in, dass der Mensch vom Bild völ­lig gefes­selt ist, was von Freud als Nar­ziss­mus beschrie­ben wur­de. Die­se Fas­zi­na­ti­on setzt einen Man­gel vor­aus, eben die Öff­nung, in die sich das Sym­bo­li­sche ein­schrei­ben kann.

In Sche­ma L hat die Bezie­hung zwi­schen a und aꞌ also nicht nur die Funk­ti­on, die von A nach S gehen­de sym­bo­li­sche Bezie­hung zu blo­ckie­ren, sie ist zugleich dafür offen.

In die Kluft des Ima­gi­nä­ren schreibt sich das Sym­bo­li­sche ein. Dem liegt die Span­nung zwi­schen dem Sym­bo­li­schen und des Rea­len zugrun­de. Die Span­nung des Sym­bo­li­schen und des Rea­len ist die Sub­stanz, das hypo­kei­me­non, das Zugrun­de­lie­gen­de. Lacan spielt hier ver­mut­lich auf ein Dik­tum von Hegel an, „Die Sub­stanz ist Sub­jekt“. Das grie­chi­sche Wort hypo­kei­me­non, Zugrun­de­lie­gen­des, wur­de mit sub­iec­tum ins Latei­ni­sche über­setzt. Das könn­te hei­ßen: das Sub­jekt ist die Span­nung zwi­schen dem Sym­bo­li­schen und dem Rea­len. „S“ meint das Sub­jekt, das Sym­bol und das Es. Das heißt wohl: Das Sub­jekt ist der Ort, an dem die Span­nung zwi­schen dem Sym­bo­li­schen und dem Rea­len aus­ge­tra­gen wird.

Klar ist auf jeden Fall, dass Lacan hier ver­sucht, den Zusam­men­hang aller drei Regis­ter zu bestim­men: des Ima­gi­nä­ren, des Sym­bo­li­schen und des Rea­len. Beim Sche­ma L geht es kei­nes­wegs nur um das Ver­hält­nis zwi­schen dem Ima­gi­nä­ren und dem Symbolischen.

… „Für alle mensch­li­chen Sub­jek­te, die exis­tie­ren, wird die Bezie­hung zwi­schen dem A und dem S immer über die Ver­mitt­lung die­ser ima­gi­nä­ren Sub­stra­te lau­fen, die das Ich und der ande­re sind und die die ima­gi­nä­ren Fun­da­men­te des Objekts kon­sti­tu­ie­ren – A, m, a, S.“ (409)

Lacan beschreibt die Gesamt­kon­struk­ti­on von Sche­ma L. Grund­le­gend ist die sym­bo­li­sche Bezie­hung zwi­schen dem Ande­ren und dem Sub­jekt, zwi­schen A und S. Die­se Bezie­hung wird ver­mit­telt durch die ima­gi­nä­ren Sub­stra­te, näm­lich durch das Ver­hält­nis zwi­schen dem Ich (m) und dem ande­ren (a). Zwi­schen A und S schal­ten sich m und a ein, was sich durch die Sym­bol­fol­ge AmaS dar­stel­len lässt.

Im Latei­ni­schen heißt amas „du liebst“. Das wird von Lacan nicht kom­men­tiert, und viel­leicht ist der Lie­bes­ef­fekt hier zufäl­lig. Wenn man mag, kann man „AmaS“ so deu­ten: Das Sche­ma zeigt, dass sich bei der Lie­be zwei gegen­sätz­li­che Bezie­hun­gen in die Que­re kom­men: die nar­ziss­ti­sche Ver­liebt­heit und die sym­bo­li­sche Bezie­hung zum Ande­ren, der mir sei­nen Sub­jekt­cha­rak­ter dadurch beweist, dass er mich belügt. Man könn­te aber auch behaup­ten, dass „amas“ dar­auf ver­weist, dass das Begeh­ren das Begeh­ren des Ande­ren ist: du liebst.

… „Ver­su­chen wir ein biß­chen Later­na magi­ca zu spie­len. Wir wer­den in die mecha­ni­sche Untie­fe gera­ten, die der Feind des Men­schen ist, indem wir uns vor­stel­len, daß sich am Schnitt­punkt zwi­schen der sym­bo­li­schen Rich­tung und dem Durch­gang durchs Ima­gi­nä­re eine Tri­oden­röh­re befin­det. Neh­men wir an, daß ein Strom durch den Strom­kreis fließt. Besteht ein Vaku­um, dann kommt es von der Katho­de zur Anode zu einem elek­tro­ni­schen Bom­bar­de­ment, dank dem der Strom fließt. Außer der Anode und der Katho­de gibt es eine drit­te Ode, die quer steht. Sie kön­nen hier den Strom durch­flie­ßen las­sen, indem Sie posi­tiv laden, so daß die Elek­tro­nen zur Anode glei­ten wer­den, oder indem Sie nega­tiv laden und dadurch den Pro­zeß glatt unter­bre­chen – was aus dem Nega­ti­ven ema­niert, wird von dem Nega­ti­ven, das Sie dazwi­schen­schie­ben, abgestoßen.

Das ist ein­fach eine neue Illus­tra­ti­on der Geschich­te von der Tür, von der ich Ihnen neu­lich wegen der unglei­chen Zusam­men­set­zung des Audi­to­ri­ums gespro­chen habe. Sagen wir, es ist eine Tür der Tür, eine Tür in zwei­ter Potenz, eine Tür in der Tür, das Ima­gi­nä­re ist auf die­se Wei­se in der Posi­ti­on, zu unter­bre­chen, zu zer­ha­cken zu skan­die­ren, was auf dem Niveau des Strom­krei­ses geschieht.“ (409 f.)

Die Later­na magi­ca ist ein Gerät zur Bild­pro­jek­ti­on, das frü­her im popu­lär­wis­sen­schaft­li­chen Anschau­ungs­un­ter­richt ein­ge­setzt wur­de. Lacan spielt Later­na magi­ca: er wird jetzt sehr anschaulich.

Wo Es war, soll Ich werden Lacan

Eine Tri­oden­röh­re ist eine Glas­röh­re mit drei Elek­tro­den, die sich in einem Vaku­um befin­den. Neben der Katho­de und der Anode gibt es das Steu­er­git­ter; es hat die Funk­ti­on, in den Fluss der Elek­tro­nen von der Katho­de zur Anode ein­zu­grei­fen. Wie eine Tür geöff­net und geschlos­sen wer­den kann, lässt sich das Steu­er­git­ter ein und aus­schal­ten. Wenn es ein­ge­schal­tet ist, ist es nega­tiv gela­den, hier­durch stößt es die von der Katho­de kom­men­den, eben­falls nega­tiv gela­de­nen Elek­tro­nen ab; der Elek­tro­nen­fluss von der Katho­de zur Anode wird blockiert.

Wo Es war, soll Ich werden Lacan
In der neben­ste­hen­den Abbil­dung habe ich in Sche­ma L das Dia­gramm einer Tri­ode ein­ge­fügt. Der Elek­tro­nen­fluss von der Katho­de zur Anode ent­spricht der Bezie­hung des Ande­ren zum Sub­jekt; das Steu­er­git­ter liegt auf der Ebe­ne der ima­gi­nä­ren Bezie­hung zwi­schen dem Ich und dem ande­ren. Die ima­gi­nä­re Bezie­hung kann die Bezie­hung des Ande­ren zum Sub­jekt unter­bre­chen. Wenn die sym­bo­li­sche Rea­li­sie­rung des Sub­jekts ermög­licht wer­den soll, muss die blo­ckie­ren­de ima­gi­nä­re Bezie­hung aus­ge­schal­tet werden.

Mit die­sem Bild scheint Lacan sich weit von Freud ent­fernt zu haben, aber nur auf den ers­ten Blick. In Jen­seits des Lust­prin­zips erklärt Freud den Unter­schied zwi­schen dem Unbe­wuss­ten und dem Bewusst­sein durch zwei Arten von Erre­gungs­ab­läu­fen. Es gibt Erre­gun­gen, die Dau­er­spu­ren erzeu­gen (Unbe­wuss­tes) und sol­che, die ver­puf­fen, ohne Spu­ren zu hin­ter­las­sen (Bewusst­sein). Die Dau­er­spu­ren ent­ste­hen mög­li­cher­wei­se dadurch, sagt Freud, dass im Unbe­wuss­ten beim Über­gang von einem Ele­ment zum ande­ren ein Wider­stand über­wun­den wer­den muss; im Bewusst­sein hin­ge­gen scheint ein sol­cher Wider­stand nicht zu bestehen. Dies wie­der­um kann mög­li­cher­wei­se, so spe­ku­liert Freud wei­ter (er stützt sich dabei auf Breu­er), auf den Unter­schied zwi­schen zwei Ener­gie­ar­ten zurück­ge­führt wer­den: zwi­schen gebun­de­ner und frei­er Ener­gie. Im Unbe­wuss­ten ist die Ener­gie viel­leicht gebun­den oder ruhend, im Bewusst­sein frei oder abfuhr­fä­hig. Von die­sen ener­gie­theo­re­ti­schen Erwä­gun­gen ist Lacans Tri­oden­röh­re mit dem Gegen­satz von unge­hemm­ten und gehemm­ten Elek­tro­nen­flüs­sen nicht so weit entfernt.

Auch für die Drei­glied­rig­keit des Modells Katho­de – Steue­rungs­git­ter – Anode fin­det man in Jen­seits des Lust­prin­zips eine Ent­spre­chung. Die leben­de Sub­stanz, heißt es hier, wird von Rei­zein­wir­kun­gen getrof­fen; um von ihnen nicht erschla­gen zu wer­den, benö­tigt sie einen Reiz­schutz. Mög­li­cher­wei­se hat Lacan sich davon anre­gen las­sen. Das Ver­hält­nis von Reiz und leben­der Sub­stanz ist von ihm viel­leicht durch die Bezie­hung von Katho­de und Anode ersetzt wor­den, von Ande­rem und Sub­jekt. Die Ent­spre­chung zum Reiz­schutz wäre dann das Steue­rungs­git­ter, also das ima­gi­nä­re Ver­hält­nis zwi­schen dem Ich und dem ande­ren. Bei von innen kom­men­den Rei­zen besteht der Reiz­schutz, Freud zufol­ge, in der Pro­jek­ti­on. In Lacans Tri­oden­röh­re wird das Steue­rungs­git­ter durch die Bezie­hung zwi­schen dem Ich und dem ande­ren erzeugt, es besteht aus einer Art Projektion.

Ähn­lich wie der Reiz­schutz, Freud zufol­ge, mit einem eige­nen Ener­gie­vor­rat aus­ge­stat­tet ist, ver­fügt das Steue­rungs­git­ter der Tri­ode über eine eige­ne Stromquelle.

… „Beach­ten Sie, daß das, was zwi­schen A und S geschieht, einen für sich selbst kon­flikt­haf­ten Cha­rak­ter hat. Im bes­ten Fall durch­kreuzt, stoppt, schnei­det, zer­hackt der Strom­kreis sich selbst. Ich sage im bes­ten Fall, denn der uni­ver­sa­le Dis­kurs ist sym­bo­lisch, er kommt von weit her, wir haben ihn nicht erfun­den. Nicht wir haben das Nicht-Sein erfun­den, wir sind in ein Eck­chen des Nicht-Seins gefal­len. Und was die Über­mitt­lung des Ima­gi­nä­ren betrifft, so haben wir davon auch unser Fett weg mit all der Unzucht unse­rer Eltern, Groß­el­tern und ande­ren Skan­dal­ge­schich­ten, die das Salz der Psy­cho­ana­ly­se aus­ma­chen.“ (410)

Ange­nom­men, die ima­gi­nä­re Bezie­hung zwi­schen dem Ich und dem ande­ren ist unwirk­sam (das Steu­er­git­ter ist aus­ge­schal­tet), dann heißt das nicht, dass sich zwi­schen dem Ande­ren und dem Sub­jekt eine kon­flikt­freie Bezie­hung her­stel­len wür­de. Die Bezie­hung des Ande­ren zum Sub­jekt ist in sich selbst kon­flikt­haft, der von A nach S flie­ßen­de Strom unter­bricht gewis­ser­ma­ßen sich selbst.

Und das ist noch die ein­fachs­te Kon­flikt­form in der sym­bo­li­schen Bezie­hung zwi­schen dem Sub­jekt und sei­nen Ande­ren. Der sym­bo­li­sche Kon­flikt wird dadurch kom­pli­ziert, dass die Bezie­hung zwi­schen dem Sub­jekt und dem Ande­ren ein­ge­bet­tet ist in den „uni­ver­sa­len Dis­kurs“, der seit Urzei­ten sei­nen Fort­gang nimmt und zu dem bei­spiels­wei­se die Wün­sche der Eltern noch vor der Geburt des Kin­des gehö­ren.

Das Sub­jekt ist der Ort, an dem die Span­nung zwi­schen dem Sym­bo­li­schen (dem uni­ver­sa­len Dis­kurs) und dem Rea­len aus­ge­tra­gen wird. Das wird jetzt so for­mu­liert: Das Sym­bo­li­sche erzeugt das Nicht-Sein, den Seins­man­gel; das Sub­jekt ist etwas, was in ein Eck­chen die­ses Nicht-Seins gefal­len ist, Seins­man­gel. Das Sub­jekt ist der Ort, an dem die Span­nung zwi­schen dem Rea­len und dem Sym­bo­li­schen aus­ge­tra­gen wird: in der Form des Seins­man­gels, des Begehrens.

Nicht nur die sym­bo­li­sche, auch die ima­gi­nä­re Bezie­hung wird durch die Genera­tio­nen über­lie­fert, das zei­gen die Geschich­ten über der Unzucht unse­rer Eltern und Groß­el­tern, die sich auf das ima­gi­nä­re Ver­hält­nis stützt.

… „Von da aus sind die Not­wen­dig­kei­ten der Spra­che und die der zwi­schen­mensch­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on leicht zu ver­ste­hen. Sie ken­nen die­se Bot­schaf­ten, die das Sub­jekt in einer Form aus­sen­det, die sie struk­tu­riert, sie gram­ma­ti­ka­li­siert, als vom ande­ren her­kom­mend, in einer umge­kehr­ten Form. Wenn ein Sub­jekt zu einem ande­ren sagt, Du bist mein Leh­rer oder Du bist mei­ne Frau, so heißt das genau das Gegen­teil. Das läuft über A und über m, und das kommt dann zum Sub­jekt, das davon auf ein­mal in der gefahr­vol­len und pro­ble­ma­ti­schen Posi­ti­on des Gat­ten oder des Schü­lers inthro­ni­siert wird. Auf die­se Wei­se drückt sich das grund­le­gen­de Spre­chen aus.“ (410)

Der Sen­der erhält sei­ne eige­ne Bot­schaft vom Emp­fän­ger in umge­kehr­ter Form, so hat­te Lacan im Rom-Vor­trag geschrie­ben (vgl. die­sen Blog­ar­ti­kel). Wenn das Sub­jekt zu jeman­dem sagt „Du bist mein Leh­rer“, erhält es die Bot­schaft „Du bist mein Schü­ler“ oder auch „Du bist sein Schü­ler“; wenn es zu jeman­dem sagt „Du bist mei­ne Frau“, emp­fängt es die Bot­schaft „Du bist mein Mann“ bzw. „Du bist ihr Mann“. Das Sub­jekt erhält sei­ne eige­ne Bot­schaft – die Bot­schaft über das, was es ist – auf­grund der Regeln der Gram­ma­tik, durch die „Not­wen­dig­kei­ten der Spra­che“. Wenn es sagt: „Du bist mein Leh­rer“ impli­ziert dies, dass der Adres­sat zu ihm sagt: „Du bist mein Schü­ler“ bzw. dass der Ande­re zu ihm sagt „Du bist sein Schü­ler“. Das Sub­jekt erhält sei­ne eige­ne Bot­schaft – dass es der Schü­ler eines ande­ren ist – in umge­kehr­ter Form.

Wo Es war, soll Ich werden Lacan
Das kann in Sche­ma L ein­ge­tra­gen wer­den. Das Ich sen­det dem ande­ren die Bot­schaft „Du bist mei­ne Frau“. Dies hat zur Fol­ge, dass es vom Ande­ren die Bot­schaft erhält „Du bist ihr Mann“.

Die Bot­schaf­ten, die das Sub­jekt vom Ande­ren erhält, sind kei­nes­wegs beru­hi­gend. Sie stel­len das Sub­jekt vor Fra­gen, die es umtrei­ben: „Was heißt es, ein Schü­ler zu sein?“, „Was heißt es, der Mann einer Frau zu sein?“ Das Sub­jekt ist der Ort, an dem die Span­nung zwi­schen dem Sym­bo­li­schen und dem Rea­len aus­ge­tra­gen wird, das heißt: der Ort, an dem das vom Ande­ren kom­men­de Man­dat eine Kri­se erzeugt. Die Kri­se kann etwa dar­in bestehen, auf die Fra­ge „Was heißt es, die Frau eines Man­nes zu sein?“ eine Ant­wort zu suchen und nicht fin­den zu können.

… „Nun, wor­um geht’s beim Sym­ptom, anders gesagt bei einer Neu­ro­se? Sie haben fest­stel­len kön­nen, daß im Strom­kreis das Ich [moi] wirk­lich vom Sub­jekt getrennt ist durch das klei­ne a, das heißt durch den ande­ren. Und doch besteht eine Ver­bin­dung. Ich, ich bin Ich, und Sie, sie sind’s eben­falls. Zwi­schen den bei­den gibt es jene struk­tu­rie­ren­de Gege­ben­heit, daß die Sub­jek­te ein­ge­fleischt sind, ver­kör­pert. In der Tat, was auf dem Niveau des Sym­bols geschieht, geschieht bei Lebe­we­sen. Was in S ist, läuft, um sich durch den kör­per­li­chen Trä­ger des Sub­jekts zu ent­hül­len, durch­läuft eine bio­lo­gi­sche Rea­li­tät, die eine Tei­lung her­stellt zwi­schen der ima­gi­nä­ren Funk­ti­on des Lebe­we­sens, von der das Ich eine der struk­tu­rier­ten For­men ist – wir brau­chen uns dar­über nicht so zu bekla­gen , und der sym­bo­li­schen Funk­ti­on, die es zu erfül­len imstan­de ist und die ihm eine her­aus­ra­gen­de Posi­ti­on gegen­über dem Rea­len gibt.“ (410 f., Über­set­zung geändert)

Wo ist im Dia­gramm das Sym­ptom bzw. die Neu­ro­se zu verorten?

Lacan deu­tet das Sche­ma an die­ser Stel­le so: Vom Ich wird gewis­ser­ma­ßen eine Direkt­ver­bin­dung zum Sub­jekt ange­strebt (a-S bzw. m-S); anders gesagt: das Ich des Pati­en­ten will wis­sen, was mit ihm los ist. Die­ser Zugang kann jedoch nicht her­ge­stellt wer­den, und zwar des­halb nicht, weil sich ihm der Nar­ziss­mus in den Weg stellt, weil also das Ich sich, statt auf das Sub­jekt, auf den ande­ren bezieht; der Bezie­hung a-S stellt sich dem Ver­hält­nis a-aꞌ in die Quere.

Der Zugang des Ichs zum Sub­jekt wird durch die ima­gi­nä­re Bezie­hung zwi­schen dem Ich und dem ande­ren jedoch nicht ganz und gar blo­ckiert. Dem Ich ist der Zugang zum Sub­jekt dadurch mög­lich, dass das Sub­jekt Sym­pto­me produziert.

Die ima­gi­nä­re Bezie­hung zwi­schen dem Ich und den ande­ren beruht auf der bio­lo­gi­schen Rea­li­tät, dar­auf, dass Men­schen Kör­per haben, dass sie „ein­ge­fleischt“ sind.

Die bio­lo­gi­sche Rea­li­tät bezieht sich nicht nur auf die ima­gi­nä­re Rela­ti­on, son­dern auch auf das Sym­bol. Man muss sich hier dar­an erin­nern, dass der Punkt S im Dia­gramm nicht nur für „Sub­jekt“ steht, son­dern auch für „Sym­bol“. Das, was auf der Ebe­ne des Sym­bols geschieht, ereig­net sich bei Lebe­we­sen. Der Punkt S reprä­sen­tiert nicht das iso­lier­te Sym­bol, son­dern die Bezie­hung zwi­schen dem Sym­bol und der bio­lo­gi­schen Rea­li­tät des Lebe­we­sens. Ich neh­me an, dass hier mit der bio­lo­gi­schen Rea­li­tät bestimm­te Stre­bun­gen gemeint sind, die von ande­ren (nicht von Lacan) als „Trie­be“ bezeich­net wer­den; zumin­dest wird der Aus­druck „Rea­li­tät“ ein paar Sei­ten spä­ter so ver­wen­det (vgl. 412 f.). Damit zeich­net sich andeu­tungs­wei­se Lacans Trieb­be­griff ab: der Trieb ensteht durch die Ein­wir­kung des Signi­fi­kan­ten in die bio­lo­gi­sche Rea­li­tät, in bestimm­te Stre­bun­gen, die dadurch Bedeu­tun­gen erhalten.

Was in S ist, durch­läuft eine bio­lo­gi­sche Rea­li­tät, und ent­hüllt sich im Regis­ter des Ima­gi­nä­ren durch den kör­per­li­chen Trä­ger des Sub­jekts, ich neh­me an: als Symptom.

Die bio­lo­gi­sche Rea­li­tät des Kör­pers ist jedoch nicht nur eine ver­mit­teln­de Grö­ße zwi­schen S und a, sie stellt zugleich eine Tei­lung her zwi­schen zwei Grö­ßen: zwi­schen der ima­gi­nä­ren Funk­ti­on des Lebe­we­sens, wovon das Ich eine struk­tu­rier­te Form ist, und der sym­bo­li­schen Funk­ti­on, die das Lebe­we­sen zu erfül­len imstan­de ist, und die ihm eine her­aus­ra­gen­de Posi­ti­on gegen­über dem Rea­len gibt, also gegen­über dem, was nicht sym­bo­li­siert ist und was zu sym­bo­li­sie­ren er sich bemüht.

… „Was geschieht, wenn es eine Neu­ro­se gibt, ist dies. Sagen, dass es ein Ver­dräng­tes gibt, ein Ver­dräng­tes, das nie­mals ohne Wie­der­kehr abgeht, heißt genau dar­auf anzu­spie­len, dass etwas vom Dis­kurs, der von A nach S geht, durch­kommt und zugleich nicht durch­kommt. (411, über­setzt nach Ver­si­on Staferla)

Wenn man sagt, dass es eine Neu­ro­se gibt, behaup­tet man damit, dass es etwas Ver­dräng­tes gibt und dass das Ver­dräng­te wie­der­kehrt: als Symptom.

Bezo­gen auf Sche­ma L heißt das, dass in dem Dis­kurs, der von A nach S ver­läuft, etwas zugleich durch­kommt und nicht durch­kommt. Im Dia­gramm (Ver­si­on aus dem Poe-Auf­satz) wird der pro­ble­ma­ti­sche Cha­rak­ter der Bezie­hung A-S dadurch reprä­sen­tiert, dass die Linie zwei­ge­teilt ist. Bis zur Begeg­nung mit dem ima­gi­nä­ren Ver­hält­nis a-aꞌ ist sie durch­ge­hend gezeich­net, danach gestri­chelt. Die Neu­ro­se beruht dar­auf, dass es mit dem Man­dat, das der Ande­re an das Sub­jekt adres­siert, Schwie­rig­kei­ten gibt, dass es vom Sub­jekt nicht aner­kannt wird.

Ein Bei­spiel wäre der Fall des Pati­en­ten mit Schreib­krampf, von dem Lacan in Semi­nar 2 zuvor berich­tet hat­te (168 f.). Der Vater des Pati­en­ten war beschul­digt wor­den, ein Dieb zu sein. Der vom Ande­ren (A) über­mit­tel­te fun­da­men­ta­le Dis­kurs lau­te­te „Dem Dieb muss die Hand abge­hau­en wer­den“ – der Pati­ent war unter dem isla­mi­schen Gesetz erzo­gen wor­den. Die­ses Gesetz kam nicht durch: Die Bezie­hung des Pati­en­ten zur Ord­nung, zu den grund­le­gen­den Koor­di­na­ten der sozia­len Welt war ver­sperrt, „weil es etwas gab, das er sich wei­ger­te zu ver­ste­hen – war­um jeman­dem, der ein Dieb ist, die Hand abge­schla­gen wer­den muß­te“ (168). Der Pati­ent wei­ger­te sich, etwas zu ver­ste­hen: die­se Wei­ge­rung kann auf der Ebe­ne der ima­gi­nä­ren Bezie­hung loka­li­siert wer­den, sie blo­ckiert den Durch­gang des Geset­zes zum Sub­jekt. Das Gesetz kam durch: Weil er das Gesetz nicht ver­stand, war ihm selbst gewis­ser­ma­ßen die Hand abge­schla­gen wor­den (168). Zwi­schen dem Sub­jekt und dem Ich gibt es eine Ver­bin­dung, die kör­per­li­che Rea­li­tät: was im Sub­jekt ist, am Punkt S, ent­hüllt sich im kör­per­li­chen Trä­ger des Sub­jekts, als Schreib­krampf. Über die­sen kör­per­li­chen Trä­ger steht das Sub­jekt (Punkt S) in Ver­bin­dung mit dem Ich (Punkt a): ein Schreib­krampf ist eine Hem­mung, und eine Hem­mung ist, wie Freud sagt, die Ein­schrän­kung einer Ich-Funk­ti­on.

Die fol­gen­de Pas­sa­ge ist in der Mil­ler-Ver­si­on gestri­chen. Sie ist schwer ver­ständ­lich, gibt aber doch eini­ge Hinweise:

„Anders gesagt, inso­fern etwas von dem, was in S ist – d.h. von dem, was es im Spre­chen gibt, um sich zu ent­hül­len –, anders­wo durch­ge­hen wird, durch die kör­per­li­che Stüt­ze des Sub­jekts hin­durch­ge­hen wird, wird die­ses Etwas da sein und auch auf eine ande­re Wei­se intervenieren.

Sie ist zu dosie­ren im Ver­hält­nis zum gege­be­nen Wort /​ zum gege­be­nen Spre­chen, inso­fern es durch­geht, inso­fern ich Ihnen eben dafür ein Bei­spiel gege­ben habe, inso­fern es einen Teil der mensch­li­chen Bezie­hun­gen struk­tu­riert, und bewirkt, dass alle mög­li­chen Arten von Enga­ge­ments exis­tie­ren. Denn schließ­lich ist das ein Akt an der Basis jeder Struk­tur­bil­dung, sei sie sozi­al oder von ande­rer Art.

Das, was wir haben, wenn es um die Neu­ro­se geht, ist dies, ist etwas wie dies jedoch in der­je­ni­gen Bezie­hung betrach­tet, die dem Sub­jekt eigen ist, die ihm inne­wohnt, zwi­schen die­sem m und dem S. Das heißt, dass etwas da durch­kommt und auf eine Wei­se inter­fe­riert hat, die im Ver­hält­nis zum grund­le­gen­den Spre­chen noch viel stö­ren­der zu sein scheint als das, was in die­sem gewis­ser­ma­ßen sekun­dä­ren und abge­lei­te­ten Spre­chen geschieht, das die­sen Bruch dar­stellt, die­se Skan­die­rung des Diskurses.

Die­ser Dis­kurs ist zugleich Loch der Zeit und Dis­kurs in sei­ner Bedeu­tung: etwas sagen; und das macht aus dem Sym­ptom die­se umge­kehr­te, ver­sie­gel­te Wahr­heit, deren Auf­lö­sung die Auf­ga­be der ana­ly­ti­schen Behand­lung ist.

Die Bedeu­tung der Ana­ly­se besteht wor­in? (Mei­ne Über­set­zung nach Ver­si­on Staferla)

Ich ver­ste­he die Pas­sa­ge so (die Wahr­schein­lich­keit, dass ich mich irre, ist ziem­lich hoch):

In S, im Sub­jekt, gibt es etwas, was im Spre­chen ent­hüllt wird. S im Sin­ne von „Sym­bol“ meint also: hier gibt es etwas, das sich im Spre­chen ent­hüllt. Vor­her hieß es: das, was in S ist, ent­hüllt sich durch die kör­per­li­che Stüt­ze des Sub­jekts, durch die bio­lo­gi­sche Rea­li­tät. Ich neh­me an, dass gemeint ist: es zeigt sich als Sym­ptom, in der Wie­der­ho­lung, in der Übertragung.

Dies ist auf das gege­be­ne Wort zu bezie­hen, inso­fern es durch­kommt. Das könn­te hei­ßen: das Sym­ptom ist eine Ant­wort des Sub­jekts auf das vom Ande­ren kom­men­de grund­le­gen­de Spre­chen, auf das vom Ande­ren kom­men­de Man­dat, etwa „Du bist sei­ne Frau“. Appel­le die­ser Art struk­tu­rie­ren einen Teil der mensch­li­chen Bezie­hun­gen und erzeu­gen Enga­ge­ments der ver­schie­dens­ten Art. Sie sind die Akte, die jeder Struk­tur­bil­dung zugrun­de­lie­gen, und das nicht nur im sozia­len Bereich, son­dern auch in Bezug auf das Psychische.

Bei der Neu­ro­se, also beim Sym­ptom, geht es eben dar­um: um das vom Ande­ren kom­men­de wah­re Spre­chen. Die Psy­cho­ana­ly­se bezieht die­sen vom Ande­ren kom­men­den Dis­kurs auf das Ver­hält­nis zwi­schen dem Sub­jekt und dem Ich, zwi­schen S und m. Etwas, was sich auf den Kör­per stützt, kommt durch und inter­fe­riert mit dem grund­le­gen­den Spre­chen, mit dem vom Ande­ren kom­men­den Diskurs.

Im Ver­hält­nis zum grund­le­gen­den, vom Ande­ren kom­men­den Dis­kurs ist die­ses inter­fe­rie­ren­de Etwas noch weit­aus stö­ren­der als das vom Ich aus­ge­hen­de sekun­dä­re Spre­chen, das bedeu­tungs­ori­en­tier­te Spre­chen, das „lee­re Spre­chen“ des Rom­vor­trags, das mit dem grund­le­gen­den Dis­kurs interferiert.

Der vom Ande­ren kom­men­de Dis­kurs ist ein Loch in der Zeit (das Unbe­wuss­te ist zeit­los, sagt Freud) und ein Dis­kurs mit einer bestimm­ten Bedeu­tung, das Unbe­wuss­te spricht.

Auf­grund der Wirk­sam­keit des vom Ande­ren kom­men­den Dis­kur­ses wird das Sym­ptom zu einer Wahr­heit, die ver­sie­gelt. Die Auf­ga­be der Ana­ly­se besteht dar­in, das Sie­gel aufzubrechen.

… „Was Wider­stand genannt zu wer­den ver­dient, hängt dar­an, daß das Ich nicht mit dem Sub­jekt iden­tisch ist und daß es zur Natur des Ich gehört, sich in den ima­gi­nä­ren Strom­kreis zu inte­grie­ren, der die Unter­bre­chun­gen des grund­le­gen­den Dis­kur­ses bedingt. Es ist die­ser Wider­stand, auf den Freud den Akzent setzt, wenn er sagt, daß jeder Wider­stand von der Orga­ni­sa­ti­on des Ich her­rührt. Denn sofern es ima­gi­när ist, und nicht ein­fach sofern es fleisch­li­che Exis­tenz ist, ist das Ich in der Ana­ly­se an der Quel­le der Unter­bre­chun­gen die­ses Dis­kur­ses, der nur bean­sprucht, in Taten über­zu­ge­hen, ins Spre­chen, oder ins Wie­der­ho­len* – das ist dasselbe.“(411, Über­set­zung geändert)

Das, was die Psy­cho­ana­ly­se „Wider­stand“ nennt – alles, was sich dem Zugang zum Unbe­wuss­ten ent­ge­gen­stellt –, beruht auf der ima­gi­nä­ren Bezie­hung, die das Ich zum ande­ren her­stellt (a-aꞌ) und die den vom Ande­ren kom­men­den grund­le­gen­den Dis­kurs unter­bricht. Im Dia­gramm wird das dadurch dar­ge­stellt, dass die von A aus­ge­hen­de Linie zunächst durch­ge­zo­gen ist und nach der Que­rung des ima­gi­nä­ren Ver­hält­nis­ses gestri­chelt gezeich­net wird.

Mit Freud: Jeder Wider­stand rührt von der Orga­ni­sa­ti­on des Ichs her.

Im Tri­oden­mo­dell wird der Wider­stand dadurch reprä­sen­tiert, dass die nega­ti­ve Ladung des Streu­git­ters (die Her­stel­lung der ima­gi­nä­ren Bezie­hung zum ande­ren) den Elek­tro­nen­fluss von der Katho­de zur Anode (den vom Ande­ren kom­men­den Dis­kurs, der sich an das Sub­jekt wen­det) unterbricht.

Das Ich hat, Lacan zufol­ge, eine Dop­pel­funk­ti­on, es ist ima­gi­när, und es ist fleisch­li­che Exis­tenz. Sofern es ima­gi­när ist, bil­det es die Quel­le der Unter­bre­chun­gen des vom Ande­ren kom­men­den grund­le­gen­den Diskurses.

Vom Ande­ren geht der grund­le­gen­de Dis­kurs aus (etwa „Du bist mei­ne Frau“). Die­ser Dis­kurs bean­sprucht, in Taten über­zu­ge­hen, ins Spre­chen, in die Wie­der­ho­lung. Das ist das­sel­be, und zwar inso­fern, als der Wie­der­ho­lungs­zwang auf dem sym­bo­li­schen Regis­ter beruht. Die Wie­der­ho­lung ist eine Art Spre­chen, ein Spre­chen, bei dem es dem Sub­jekt nicht mög­lich ist, sich als Sub­jekt die­ses Spre­chens zu erken­nen oder zu benennen. 

Wo Es war, soll Ich werden Lacan

In der neben­ste­hen­den Abbil­dung habe ich den Wider­stand der ima­gi­nä­ren Bezie­hung aꞌ-a zuge­ord­net und den grund­le­gen­den Dis­kurs der Linie A-S.

…“Wenn ich Ihnen sagen, daß der ein­zi­ge wirk­li­che Wider­stand in der Ana­ly­se der Wider­stand des Ana­ly­ti­kers ist, dann heißt das, daß eine Ana­ly­se begreif­bar ist nur in dem Maße, in dem das a aus­ge­löscht ist. In der Ana­ly­se muss eine gewis­se sub­jek­ti­ve Läu­te­rung erreicht wer­den – wenn nicht, wozu dann all die­se Zere­mo­nien, denen wir uns hin­ge­ben? –, der­art, daß man wäh­rend der gan­zen Dau­er der ana­ly­ti­schen Erfah­rung den Pol a mit dem Pol A kon­fun­die­ren kann.“ (411, Über­set­zung geändert)

In der Ana­ly­se geht der Wider­stand vom Ana­ly­ti­ker aus, und zwar dann, wenn er für den Pati­en­ten die Posi­ti­on des ima­gi­nä­ren ande­ren ein­nimmt, des Part­ners, des Ide­als, des Riva­len. Bezo­gen auf Sche­ma L heißt das, dass er den Platz aꞌ (rechts oben) besetzt. Im Ver­lauf einer Ana­ly­se muss der Ana­ly­ti­ker auf­hö­ren, für den Pati­en­ten die­se Funk­ti­on zu erfül­len; a soll aus­ge­löscht sein, a als Gegen­stück zu m. Bezieht man sich auf die Nomen­kla­tur im Dia­gramm des Poe-Auf­sat­zes, muss man sagen: aꞌ soll aus­ge­löscht sein.

Dazu die­nen bestimm­te Zere­mo­nien; gemeint sind viel­leicht die Zere­mo­nien im Aus­bil­dungs­gang eines Ana­ly­ti­kers: Lehr­ana­ly­se und Super­vi­si­on, oder auch das psy­cho­ana­ly­ti­sche Set­ting: der Platz hin­ter der Couch usw.

Im Ver­lauf einer Ana­ly­se kann es dazu kom­men, dass zwei ganz unter­schied­li­che Posi­tio­nen des Ana­ly­ti­kers ver­mengt wer­den: die des ima­gi­nä­ren ande­ren und die des sym­bo­li­schen Anderen.

… „Der Ana­ly­ti­ker hat teil an der radi­ka­len Natur des Ande­ren, inso­fern er das am schwers­ten Zugäng­li­che ist. Folg­lich und von dem Moment an rich­tet sich das, was vom Ima­gi­nä­ren des Ichs (moi) des Sub­jekts aus­geht, nicht nach die­sem ande­ren, an den es gewöhnt ist und der nur sein Part­ner ist, der­je­ni­ge, der dazu da ist, um in sein Spiel ein­zu­ge­hen, son­dern gera­de nach dem radi­kal Ande­ren, der für es ver­hüllt ist. Was Über­tra­gung genannt wird, geschieht sehr genau zwi­schen A und m, inso­fern das durch den Ana­ly­ti­ker reprä­sen­tier­te a fehlt.“ (411, Über­set­zung geändert)

Der Ana­ly­ti­ker macht sich für den Pati­en­ten unzu­gäng­lich. Damit hat er teil an der radi­ka­len Natur des Ande­ren (mit gro­ßem A), an des­sen Undurch­schau­bar­keit, an des­sen Sub­jekt­haf­tig­keit. Dies hat zur Fol­ge, dass sich das Ich des Pati­en­ten nicht mehr an den Ana­ly­ti­ker als ima­gi­nä­ren ande­ren wen­det, als Part­ner und Riva­le, son­dern als radi­kal Ande­ren, in dem es sich nicht wiedererkennt.

Auf der Bezie­hung zwi­schen dem Ich und dem Ana­ly­ti­ker in der Posi­ti­on des Ande­ren beruht die Über­tra­gung. In dem Maße, in dem der Wider­stand zurück­tritt (die Bezie­hung zum Ana­ly­ti­ker als ande­rem mit klei­nem a) kann sich die Über­tra­gung her­stel­len (die Bezie­hung zum Ana­ly­ti­ker als Ande­rem mit gro­ßem A).

Im Dia­gramm wird die Über­tra­gung durch die Ver­bin­dung zwi­schen dem Ande­ren (unten rechts) und dem Ich (unten links) reprä­sen­tiert; in der neben­ste­hen­den Abbil­dung habe ich Wider­stand und Über­tra­gung eingetragen.

Wo Es war, soll Ich werden Lacan
Das Dia­gramm ist dem­nach so zu lesen: Das Ich ist der Ziel­punkt zwei­er Pfeil­li­ni­en. In ihm endet die vom ande­ren kom­men­de Linie der ima­gi­nä­ren Bezie­hung (aꞌ→a) und die vom Ande­ren kom­men­den Linie der Über­tra­gung (A→a). Die bei­den Lini­en sind exklu­siv, die Über­tra­gungs­be­zie­hung kann sich nur in dem Maße her­stel­len, wie die ima­gi­nä­re Bezie­hung zum Ana­ly­ti­ker zurücktritt.

… “Wor­um es sich han­delt, wie Freud in bewun­derns­wer­ter Wei­se in die­sem Text sagt, ist eine Über­le­gen­heit* – was man bei die­ser Gele­gen­heit durch supe­rio­ri­té über­setzt, doch ich ver­mu­te, daß es sich da um ein Wort­spiel han­delt, wie die Fol­ge andeu­tet –, dank der die Rea­li­tät, die in der ana­ly­ti­schen Situa­ti­on erscheint, immer* erkannt wird als Spie­ge­lung* – ein erstaun­li­cher Ter­mi­nus –, als Spie­ge­lung einer bestimm­ten ver­ges­se­nen Ver­gan­gen­heit. Dar­in steckt der Ter­mi­nus Spie­gel*. Von dem Moment an, wo nicht mehr der Wider­stand der ima­gi­nä­ren Funk­ti­on des Ich exis­tiert, kön­nen sich das A und das m gewis­ser­ma­ßen ein­stim­men, hin­rei­chend kom­mu­ni­zie­ren, so daß sich zwi­schen ihnen eine gewis­se Iso­chro­nie her­stellt, eine bestimm­te gleich­zei­ti­ge Posi­ti­vie­rung mit Bezug auf unse­re Tri­oden­röh­re. Das fun­da­men­ta­le Spre­chen, das von A nach S geht, trifft hier auf eine har­mo­ni­sche Schwin­gung, etwas, das, statt zu inter­fe­rie­ren, sei­nen Durch­gang ermög­licht. Man kann die­se Tri­oden­röh­re sogar ihre rea­le Rol­le spie­len las­sen, die oft die eines Ver­stär­kers ist, und sagen, daß der fun­da­men­ta­le Dis­kurs, der bis dahin zen­siert ist – um den Ter­mi­nus zu ver­wen­den, der der bes­te ist –, sich lich­tet.“ (412, Über­set­zung geändert)

Freud sagt, durch eine „Über­le­gen­heit“ kann der Pati­ent die Rea­li­tät, die in der ana­ly­ti­schen Situa­ti­on erscheint, als Spie­ge­lung einer bestimm­ten ver­ges­se­nen Ver­gan­gen­heit erken­nen. Lacan ver­mu­tet, dass es sich bei „Über­le­gen­heit“ um ein Wort­spiel han­delt, viel­leicht mit „über­le­gen sein“ und „über­le­gen“ im Sin­ne von „nach­den­ken“; mir ist nicht klar, was damit gemeint sien könnte.

Dass das a in der psy­cho­ana­ly­ti­schen Behand­lung aus­ge­löscht wird, meint, dass der Wider­stand nicht mehr existiert.

Von dem Moment an, wo der Wider­stand nicht mehr exis­tiert, der durch die Bezie­hung des Ichs zum ande­ren her­vor­ge­ru­fen wird, kön­nen der Ande­re und das Ich, A und m, gewis­ser­ma­ßen in Über­ein­stim­mung gera­ten, mit­ein­an­der kom­mu­ni­zie­ren, so dass sich zwi­schen ihnen eine Gleich­zei­tig­keit her­stellt. In die­sem Fall trifft das grund­le­gen­de Spre­chen, das von A nach S geht, dort, wo im Sche­ma die ima­gi­nä­re Bezie­hung ein­ge­zeich­net ist, auf eine Schwin­gung, die so beschaf­fen ist, dass sie einen Durch­gang ermöglicht.

Das Ich redu­ziert sich nicht auf sei­ne ima­gi­nä­re Funk­ti­on. Ana­log zum Streu­git­ter, dass nicht nur, durch nega­ti­ve Ladung, dazu die­nen kann, den Elek­tro­nen­fluss zu blo­ckie­ren, son­dern auch dazu, durch posi­ti­ve Ladung, ihn zu ver­stär­ken, kann das Ich dafür sor­gen, dass der fun­da­men­ta­le Dis­kurs sich lich­tet, sich ent­wirrt; dies hat zur Vor­aus­set­zung, dass die ima­gi­nä­re Funk­ti­on des Ichs – die Bezie­hung zum objek­ti­vier­ten ande­ren – still­ge­legt ist.

Wo Es war, soll Ich werden Lacan
Bis dahin hat die ima­gi­nä­re Bezie­hung zum ande­ren jedoch den Effekt, dass der vom Ande­ren kom­men­de Dis­kurs zen­siert wird; Lacan betont die­sen Ter­mi­nus. Für ihn ist die Zen­sur, zumin­dest an die­ser Stel­le, eine Funk­ti­on des Ichs, eine Funk­ti­on der Bezie­hung des Ichs zum andern.

…“Die­ser Fort­schritt voll­zieht sich durch die Wir­kung der Über­tra­gung, die anders­wo geschieht als da, wo die Wie­der­ho­lungs­ten­denz vor sich geht. Was insis­tiert, was nur über­zu­ge­hen bean­sprucht, geht über zwi­schen A und S. Die Über­tra­gung hin­ge­gen geschieht zwi­schen m und A. Und in dem Maße, in dem das m, wenn man das so sagen kann, nach und nach lernt, sich in Über­ein­stim­mung zu brin­gen mit dem fun­da­men­ta­len Dis­kurs, kann es in der glei­chen Wei­se behan­delt wer­den, wie das A behan­delt wird, das heißt, es kann nach und nach an S gebun­den wer­den.“ (412, Tran­skrip­ti­on geän­dert, im Ori­gi­nal: „zwi­schen m und a“)

Wenn es im Ver­lauf einer psy­cho­ana­ly­ti­schen Kur einen Fort­schritt gibt, so besteht er dar­in, dass der vom Ande­ren aus­ge­hen­de fun­da­men­ta­le Dis­kurs sich auf­klärt. Ermög­licht wird die­ser Fort­schritt durch die Übertragung.

Die Über­tra­gung ereig­net sich anders­wo als dort, wo die Wie­der­ho­lungs­ten­denz vor sich geht. Die Wie­der­ho­lung voll­zieht sich zwi­schen A und S, sie besteht dar­in, dass etwas von A nach S über­zu­ge­hen bean­sprucht. Die Über­tra­gung hin­ge­gen ereig­net sich zwi­schen m und A, zwi­schen dem Ich und dem Anderen.

In den Semi­nar-Ver­sio­nen von Mil­ler und von Sta­fer­la heißt es, dass die Über­tra­gung sich zwi­schen m und a ereig­net. Ich hal­te das für einen Tran­skrip­ti­ons­feh­ler und habe es des­halb geän­dert. Denn eini­ge Sät­ze zuvor hat­te Lacan erklärt, dass die Über­tra­gung sich zwi­schen m und A voll­zieht und dass sie zur Vor­aus­set­zung hat, dass a aus­ge­schal­tet wird, das ima­gi­nä­re Ver­hält­nis zum ande­ren (vgl. 411).

Durch die Über­tra­gung lernt das Ich (m), sich all­mäh­lich in Über­ein­stim­mung mit dem von A aus­ge­hen­den Dis­kurs zu brin­gen. Im Dia­gramm steht der von A aus­ge­hen­de und zu m füh­ren­de Pfeil dem­nach dafür, dass sich das Ich an den grund­le­gen­den Dis­kurs anpasst.

Dies führt dazu, dass das Ich nach und nach mit S ver­bun­den wird, mit dem Sub­jekt, mit dem Adres­sa­ten des vom Ande­ren aus­ge­hen­den Man­dats. Es rea­li­siert nicht nur, an wel­chen Ande­ren es sich, ohne es zu wis­sen, wen­det, son­dern auch, von wel­chem Platz aus es das gut (vgl. 314).

…“Das heißt nicht, daß ein als auto­nom unter­stell­tes Ich sich auf das Ich des Ana­ly­ti­kers stützt, wie Loe­wen­stein in einem Text schreibt, den ich Ihnen heu­te nicht vor­le­sen möch­te, den ich jedoch sorg­fäl­tig aus­ge­wählt hat­te, und ein immer stär­ke­res, inte­grie­ren­des und wis­sen­des Ich wird. Es heißt im Gegen­teil, daß das Ich wird, was es nicht war, daß es an den Punkt gelangt, wo das Sub­jekt ist.“ (412)

Rudolph Loe­wen­stein zufol­ge voll­zieht sich der Fort­schritt der Ana­ly­se so, dass sich ein als auto­nom unter­stell­tes Ich auf das Ich des Ana­ly­ti­kers stützt, wodurch ein immer stär­ke­res, inte­grie­ren­de­res und wis­sen­de­res Ich ent­steht. Lacan ver­weist hier­für auf einen Auf­satz von Loe­wen­stein, des­sen Titel er nicht angibt.

Lacan lehnt die­se Kon­zep­ti­on ab.

Der Fort­schritt der Ana­ly­se voll­zieht sich, Lacan zufol­ge, viel­mehr so, dass das Ich an den Punkt gelangt, an dem das Sub­jekt ist und dass es auf die­se Wei­se etwas wird, was es nicht war. Wie für Loe­wen­stein besteht auch für Lacan das Ziel der Ana­ly­se in einer Ver­än­de­rung des Ichs. Das Ich soll sich jedoch nicht dadurch ver­än­dern, dass es sich auf das Ich des Ana­ly­ti­kers stützt und stär­ker und wis­sen­der wird. Das Ich soll an den Punkt kom­men, wo das Sub­jekt ist, es soll die Äuße­run­gen des Unbe­wuss­ten sub­jek­ti­vie­ren, sich als deren Sub­jekt annehmen.

Freuds Dik­tum „Wo Es war, soll Ich wer­den“, heißt in die­ser Les­art: das Ich soll dort hin­kom­men, wo das Sub­jekt war.

In der Ver­si­on von Sche­ma L, die im Poe-Auf­satz ver­öf­fent­licht wur­de, wird die­ser Zusam­men­hang dadurch her­ge­stellt, dass der Punkt oben links nicht nur mit S bezeich­net ist (für „Sub­jekt“ und „Sym­bol“), son­dern auch mit „Es“.

Was meint kon­kret, dass das Ich an den Punkt kommt, wo das Sub­jekt ist? Das wird in den nächs­ten Sät­zen erläutert.

…“Alle ana­ly­ti­sche Erfah­rung ist eine Erfah­rung der Bedeu­tung (signi­fi­ca­ti­on). Einer der gro­ßen Ein­wän­de, die uns ent­ge­gen­ge­bracht wer­den, ist der fol­gen­de – was für eine Kata­stro­phe wird es geben, wenn man dem Sub­jekt sei­ne Rea­li­tät ent­hüllt, sei­nen Was-weiß-ich-für-einen Trieb, sein homo­se­xu­el­les Leben? Gott weiß, ob bei die­ser Gele­gen­heit die Mora­lis­ten uns etwas dar­über zu sagen haben. Das ist jedoch ein schwa­cher und wert­lo­ser Ein­wand. Selbst wenn man zuge­steht, daß man dem Sub­jekt irgend­ei­ne Stre­bung ent­hüllt, die von ihm durch ich weiß nicht was für eine Anstren­gung auf immer hät­te fern­ge­hal­ten wer­den kön­nen, so ist doch das, was in der Ana­ly­se in Fra­ge gestellt wird, nicht die durch uns dem Sub­jekt gegen­über erfol­gen­de Ent­hül­lung sei­ner Rea­li­tät. Eine bestimm­te Kon­zep­ti­on von Wider­stands­ana­ly­se schreibt sich in der Tat ziem­lich in die­ses Regis­ter ein. Doch die authen­ti­sche Erfah­rung der Ana­ly­se steht dem abso­lut ent­ge­gen – das Sub­jekt ent­deckt durch die Ver­mitt­lung der Ana­ly­se sei­ne Wahr­heit, das heißt die Bedeu­tung, die in sei­nem beson­de­ren Geschick (desti­née) die­se Gege­ben­hei­ten gewin­nen, die ihm eigen sind und die man sein Los (lot) nen­nen kann.“ (412 f., Über­set­zung geändert)

Das wesent­li­che Gesche­hen einer Ana­ly­se besteht nicht dar­in, wie vie­le Leu­te befürch­ten, dass dem Pati­en­ten ent­hüllt wird, wel­cher ver­bor­ge­ne Trieb ihn umtreibt, etwa eine homo­se­xu­el­le Stre­bung oder ande­re Gege­ben­hei­ten. Unter den „Gege­ben­hei­ten“ ver­steht Lacan hier bio­lo­gi­sche Dis­po­si­tio­nen, wie eini­ge Sät­ze spä­ter klar wird.

Eine sol­che Ent­hül­lung mag vor­kom­men, aber das ist nicht die authen­ti­sche Erfah­rung, die in einer Ana­ly­se gemacht wird. Aller­dings gehen bestimm­te For­men der Wider­stands­ana­ly­se in die­se Richtung.

In einer Ana­ly­se macht ein Pati­ent viel­mehr die Erfah­rung sei­ner Wahr­heit. Die Wahr­heit besteht dar­in, dass bestimm­te Gege­ben­hei­ten – bestimm­te bio­lo­gi­sche Stre­bun­gen – eine bestimm­te Bedeu­tung gewon­nen haben. Statt von „Gege­ben­hei­ten“ spricht Lacan hier auch vom „Los“. Durch die­se Bedeu­tung wird die Gege­ben­heit – das Los, die bio­lo­gisch ver­an­ker­te Stre­bung – in ein indi­vi­du­el­les Geschick inte­griert. Die Bedeu­tung ist unbe­wusst und wird duch die Ana­ly­se ent­hüllt; in der Ent­hül­lung der ver­bor­ge­nen Bedeu­tung besteht die Erfah­rung der Wahrheit.

…“Die mensch­li­chen Wesen wer­den mit allen mög­li­chen äußerst hete­ro­ge­nen Dis­po­si­tio­nen gebo­ren. Doch was auch immer das grund­le­gen­de Los sein mag, das bio­lo­gi­sche Los – das, was die Ana­ly­se dem Sub­jekt offen­bart, ist sei­ne Bedeu­tung. Die­se Bedeu­tung ist Funk­ti­on eines bestimm­ten Spre­chens (paro­le), das Spre­chen des Sub­jekts ist und es nicht ist – die­ses Spre­chen nimmt es bereits fer­tig in Emp­fang, es ist sein Durch­gangs­punkt. Ich weiß nicht, ob dies das ursprüng­li­che Haupt-Wort des in die rab­bi­ni­sche Tra­di­ti­on ein­ge­schrie­be­nen Buches des Jüngs­ten Gerichts ist. Wir bli­cken nicht so weit, wir haben begrenz­te­re Pro­ble­me, wo jedoch die Ter­mi­ni der Beru­fung (voca­ti­on) und der Anru­fung (appell) all ihren Wert haben.“ (413, Über­set­zung geändert)

Die Bedeu­tung, die in einer Ana­ly­se offen­bart wird, ist abhän­gig von einem bestimm­ten Sprechen.

Die­ses Spre­chen ist das Spre­chen des Sub­jekts und ist es auch wie­der nicht. Es ist ein Spre­chen, das das Sub­jekt vom Ande­ren emp­fängt und das es wei­ter­gibt, es gehört zum uni­ver­sa­len Dis­kurs, der von Genera­ti­on zu Genera­ti­on über­lie­fert wird.

Zur Ver­deut­li­chung bezieht Lacan sich auf ein Haupt­werk der rab­bi­ni­schen Lite­ra­tur, auf die Misch­na. Das Neu­jahrs­fest, Rosch ha-Scha­na, wird hier als Tag des himm­li­schen Gerichts dar­ge­stellt, an dem die Bücher geöff­net wer­den, in denen Sün­den und Ver­diens­te eines jeden ver­zeich­net sind. Lacan fragt sich, ob damit nicht letzt­lich auf das durch die Genera­tio­nen hin­durch über­lie­fer­te Spre­chen ver­wie­sen wird.

Wie auch immer, gute Bezeich­nun­gen für die Bezie­hung des uni­ver­sa­len Dis­kur­ses zum Sub­jekt sind auf jeden Fall die Begrif­fe „Beru­fung“ und „Anru­fung“. Bei­spie­le dafür sind Man­da­te wie „Du bist mein Leh­rer“ und „Du bist mein Mann“; im Rom-Vor­trag hat­te er dies als „vol­les“ oder „wah­res Spre­chen“ bezeich­net. In Sche­ma L wird die Beru­fung, die Anru­fung durch die von A nach S füh­ren­de Linie dargestellt.

…“Gäbe es nicht die­ses vom Sub­jekt emp­fan­ge­ne Spre­chen, das auf die sym­bo­li­sche Ebe­ne trägt, dann gäbe es kei­nen Kon­flikt mit dem Ima­gi­nä­ren und jeder wür­de ein­zig und allein sei­ner Nei­gung fol­gen. Die Erfah­rung lehrt uns, daß es damit nichts ist. Freud hat nie­mals einem das Sub­jekt kon­sti­tu­ie­ren­den wesent­li­chen Dua­lis­mus auf­ge­ge­ben. Das bedeu­tet nichts ande­res als die­se Rück­kreu­zun­gen. Ihnen möch­te ich nach­ge­hen.“ (413, Über­set­zung geändert)

Sche­ma L zeigt nicht nur, dass die vom Ande­ren kom­men­den Appel­le (A→S) von der ima­gi­nä­ren Bezie­hung (aꞌ→a bzw. a→m) blo­ckiert wer­den, son­dern auch, dass die sym­bo­li­sche Bezie­hung in das ima­gi­nä­re Ver­hält­nis eingreift.

Gäbe es nicht die Inter­ven­ti­on der sym­bo­li­schen Bezie­hung in das ima­gi­nä­re Ver­hält­nis, wür­de jeder unge­stört sei­nen Nei­gun­gen nach­ge­hen; wobei an die­ser Stel­le vor­aus­ge­setzt wird, dass die Befrie­di­gung der Nei­gun­gen auf der Bezie­hung des Ichs zum ande­ren beruht.

Freuds Theo­rie war immer dua­lis­tisch: Bewusst­sein ver­sus Unbe­wuss­tes, Ich­trie­be ver­sus Sexu­al­trie­be, Ich ver­sus Es, Lebens­trie­be ver­sus Todes­trie­be. An die­se dua­lis­ti­sche Sicht­wei­se knüpft das Sche­ma an, das Ver­hält­nis zwi­schen der ima­gi­nä­ren Bezie­hung (ande­rer-Ich) und der sym­bo­li­schen Bezie­hung (Ande­rer-Sub­jekt) soll als Dua­lis­mus auf­ge­fasst wer­den. Die­ser Dua­lis­mus ver­weist auf einen Trieb­dua­lis­mus, wie Lacan in den anschlie­ßen­den Bemer­kun­gen andeutet.

…“Das Ich schreibt sich ein ins Ima­gi­nä­re. Alles, was zum Ich gehört, schreibt sich ein in die ima­gi­nä­ren Span­nun­gen, wie die übri­gen libi­di­nö­sen Span­nun­gen. Libi­do und Ich ste­hen auf der glei­chen Sei­te. Der Nar­ziß­mus ist libi­di­nös. Das Ich ist kei­ne höhe­re Macht, noch rei­ner Geist, noch eine auto­no­me Instanz, noch – wie man zu schrei­ben sich erdreis­tet – eine kon­flikt­freie Sphä­re, auf die wir uns zu stüt­zen hät­ten. Was ist denn das für eine Geschich­te? Haben wir von den Sub­jek­ten zu ver­lan­gen, daß sie höhe­re Stre­bun­gen nach der Wahr­heit haben? Was ist denn das für eine zur Sub­li­mie­rung tran­szen­die­ren­de Stre­bung? Freud lehnt sie in Jen­seits des Lust­prin­zips aufs nach­drück­lichs­te ab. In kei­ner der kon­kre­ten und his­to­ri­schen Äuße­run­gen mensch­li­cher Funk­tio­nen sieht er die gerings­te Ten­denz zum Fort­schritt, und das hat schon sei­nen Wert bei dem­je­ni­gen, der unse­re Metho­de erfun­den hat. Alle Lebens­for­men sind so erstaun­lich, so wun­der­bar, es gibt kein Stre­ben zu höhe­ren For­men.“ (413 f., Über­set­zung geändert)

Das Ich gehört zum Regis­ter des Ima­gi­nä­ren. Das Ima­gi­nä­re ist jedoch nicht nur die auf dem Kör­per­bild beru­hen­de Ord­nung der Bil­der. Es ist von Anfang an ein Feld von Span­nun­gen, von Stre­bun­gen, näm­lich der Bereich der Libi­do. Der Nar­ziss­mus besteht in der libi­di­nö­sen Beset­zung des Ichs.

Das Ich ist kei­ne kon­flikt­freie Sphä­re und kei­ne auto­no­me Instanz, wie Heinz Hart­mann erklärt hat­te.

Das Ich ist nicht durch ein Stre­ben nach Sub­li­mie­rung bestimmt – von Freud wird die Vor­stel­lung, es gebe ein Stre­ben nach Sub­li­mie­rung, abge­lehnt.

In den his­to­ri­schen Äuße­run­gen mensch­li­cher Funk­tio­nen gibt es, Freud zufol­ge, auch kei­ne Ten­denz zum Fort­schritt – die Trie­be sind kon­ser­va­tiv. Weder bei Tie­ren noch bei Pflan­zen gibt es, Freud zufol­ge, ein Stre­ben zu höhe­ren For­men.

Der Psy­cho­ana­ly­ti­ker kann sich des­halb nicht, wie eini­ge mei­nen, auf ein Stre­ben nach Wahr­heit stüt­zen, das im Ich des Pati­en­ten ange­sie­delt wäre.

… “Hier mün­den wir ein in die sym­bo­li­sche Ord­nung, die nicht die libi­di­nö­se Ord­nung ist, in die sich eben­so­wohl das Ich wie alle Trie­be ein­schrei­ben. Sie strebt, jen­seits des Lust­prin­zips, aus den Gren­zen des Lebens hin­aus, und des­halb iden­ti­fi­ziert Freud sie mit dem Todes­trieb. Lesen Sie den Text noch ein­mal, und Sie wer­den sehen, ob er Ihnen wür­dig scheint, gut­ge­hei­ßen zu wer­den. Die sym­bo­li­sche Ord­nung wird ver­wor­fen von der libi­di­nö­sen Ord­nung, die den gesam­ten Bereich des Ima­gi­nä­ren umfaßt, ein­schließ­lich der Struk­tur des Ich. Und der Todes­trieb ist nur die Mas­ke der sym­bo­li­schen Ord­nung, inso­fern – Freud schreibt es – sie stumm ist, das heißt, inso­fern sie sich nicht rea­li­siert hat. Solan­ge die sym­bo­li­sche Aner­ken­nung nicht her­ge­stellt wur­de, ist die sym­bo­li­sche Ord­nung per defi­ni­tio­nem stumm.“ (414, Über­set­zung geändert)

Lacan unter­schei­det zwei Trie­bar­ten; er stützt sich hier­für auf Freuds Unter­schei­dung zwi­schen den Lebens­trie­ben und den Todes­trie­ben (in Jen­seits des Lust­prin­zips, in Das Ich und das Es und in Das Unbe­ha­gen in der Kul­tur). Das Ima­gi­nä­re ist nicht nur der Bereich des Ichs, son­dern auch der der Libi­do und des Lust­prin­zips; hier schreibt sich die Gesamt­heit der Trie­be ein – bis auf eine Ausnahme.

Das Sym­bo­li­sche ist der Bereich des Todes­triebs, jen­seits des Lust­prin­zips. Das Sym­bo­li­sche strebt aus den Gren­zen des Lebens hin­aus, eben des­halb spricht Freud vom Todes­trieb. Der Todes­trieb ist eine mas­kier­te Gestalt der sym­bo­li­schen Ordnung.

Die libi­di­nö­se Ord­nung ver­wirft die sym­bo­li­sche Ordnung.

Der Todes­trieb ist stumm, sagt Freud. Lacan deu­tet das so: Die sym­bo­li­sche Ord­nung bzw. die vom Ande­ren kom­men­de Anru­fung kann aner­kannt oder nicht aner­kannt wer­den. Die libi­di­nö­se Ord­nung drängt zur Nicht-Aner­ken­nung des vom Ande­ren kom­men­den Man­dats. Wenn die Aner­ken­nung des Appells nicht voll­zo­gen wird, zeigt die sym­bo­li­sche Ord­nung sich als Todes­trieb, im Wie­der­ho­lungs­zwang. Freuds Rede von der Stumm­heit des Todes­triebs meint die Nicht-Aner­ken­nung der sym­bo­li­schen Ord­nung, die zur Fol­ge hat, dass an die Stel­le der Erin­ne­rung die Wie­der­ho­lung tritt.

Bezieht sich der Begriff „Es“ in der lin­ken obe­ren Ecke von Sche­ma L auf den Todes­trieb? Steht der Buch­sta­be S inso­fern für „Sym­bol“, als etwas nicht sym­bo­li­siert wor­den ist, aber zur Sym­bo­li­sie­rung drängt?

Wie auch immer, die Ach­se A-S steht nicht für das Sym­bo­li­sche, son­dern für das Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen dem Sym­bo­li­schen und dem Rea­len, dafür, dass etwas zur Sym­bo­li­sie­rung drängt, aber nicht sym­bo­li­siert wird. Her­vor­ge­ru­fen wird die Span­nung dadurch, dass die vom Ande­ren kom­men­de Anru­fung vom Sub­jekt nicht aner­kannt wird.

Wo Es war, soll Ich werden Lacan
Im Sche­ma kann man also die Libi­do, die nicht zum Todes­trieb gehö­ren­den Trie­be (Freuds Lebens­trie­be) sowie das Lust­prin­zip der ima­gi­nä­ren Bezie­hung zuord­nen. Der Todes­trieb jen­seits des Lust­prin­zips hin­ge­gen gehört zur Bezie­hung zwi­schen dem Ande­ren und dem Subjekt.

…“Die sym­bo­li­sche Ord­nung, nicht-sei­end zugleich und insis­tie­rend, um zu sein, das ist es, wor­auf Freud abzielt, wenn er uns vom Todes­trieb als vom Grund­le­gends­ten spricht – eine sym­bo­li­sche Ord­nung, die dabei ist, gebo­ren zu wer­den, im Kom­men, insis­tie­rend, um rea­li­siert zu wer­den.“ (414, Über­set­zung geändert)

Die sym­bo­li­sche Ord­nung ist nicht ein­fach da. Die sym­bo­li­sche Ord­nung ist auch nicht-sei­end, aber so, dass sie dar­auf drängt, zu sein.

Das meint Freud, wenn er vom Todes­trieb als dem Grund­le­gends­ten spricht. Der Todes­trieb, der Wie­der­ho­lungs­zwang ist die sym­bo­li­sche Ord­nung, inso­fern sie dabei ist, gebo­ren zu wer­den, ohne jedoch bereits vom Sub­jekt aner­kannt zu sein.

Systematisierende Zusammenstellung

Sche­ma L wird von Lacan in Semi­nar 2 ein­ge­führt, in der Sit­zung vom 25. Mai 1955. Das Sche­ma bezieht sich auf die psy­cho­ana­ly­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on, also auf das Gesche­hen zwi­schen dem Ana­ly­ti­ker und dem Pati­en­ten wäh­rend der psy­cho­ana­ly­ti­schen Behand­lung (ja, mit dem „Pati­en­ten“, in Lacan 2 spricht Lacan bestän­dig vom „Pati­en­ten“, den Ter­mi­nus ana­ly­sant ver­wen­det er erst ab 1967). Dies ent­spricht dem Titel des Semi­nars, Das Ich in der Theo­rie Freuds und in der Tech­nik der Psy­cho­ana­ly­se.

Zugleich mit der Ein­füh­rung des Sche­mas unter­schei­det Lacan erst­mals zwi­schen dem ande­ren mit klei­nem a und dem Ande­ren mit gro­ßem A. Der ande­re mit klei­nem a ist ein Objekt in einer ima­gi­nä­ren Bezie­hung, der Ande­re mit gro­ßem A ist ein Sub­jekt, der Über­mitt­ler des uni­ver­sa­len Dis­kur­ses, er ist aber zugleich der rea­le Ande­re. Der ande­re mit klei­nem a wird in Semi­nar 2 noch nicht als „ima­gi­nä­rer ande­rer“ bezeich­net, der Ande­re mit gro­ßem A noch nicht als „sym­bo­li­scher Anderer“.

Wel­che Gestalt Sche­ma L in Semi­nar 2 genau hat­te, ist unbe­kannt. Mil­ler fügt in sei­ner Ver­si­on des Semi­nars an der ent­spre­chen­den Stel­le eine spä­te­re Ver­si­on ein, sie stammt aus dem Poe-Auf­satz von 1957. Auf die­se Ver­si­on bezie­he ich mich im Fol­gen­den. Zu beach­ten ist, dass die bei­den End­punk­te der ima­gi­nä­ren Bezie­hung im Poe-Auf­satz mit a (Ich) und aꞌ (ande­rer) bezeich­net wer­den, in Semi­nar 2 jedoch meist mit m (moi, Ich) und a (aut­re); a meint im Poe-Auf­satz das Ich, im Semi­nar den anderen.

Wo Es war, soll Ich werden Lacan

Sche­ma L – Poe-Auf­satz (1957)

Komponenten

a: Ich

Der Buch­sta­be a (bzw. m), unten links, steht für das Ich im Sin­ne von Freuds Drei-Instan­zen-Leh­re (Ich, Es, Über-Ich).

Das Ich stellt die ima­gi­nä­re Bezie­hung zum ande­ren als Objekt her.

Es ist immer das Ich, das schein­bar spricht (314).

Das Ich ist außer­dem eine fleisch­li­che Exis­tenz (411).

Die ima­gi­nä­re Funk­ti­on des Ichs kann aus­ge­schal­tet wer­den. Unter die­ser Bedin­gung kann das Ich ler­nen, zu dem vom Ande­ren kom­men­den Dis­kurs in Bezie­hung zu tre­ten und so mit dem S ver­bun­den zu wer­den, d.h. an den Punkt zu kom­men, wo das Sub­jekt ist (412).

aꞌ: ande­rer

Der Buch­sta­be aꞌ steht für den ande­ren mit klei­nem a: für die Objek­te des Ichs, in denen das Ich sich spie­gelt und mit denen es sich iden­ti­fi­ziert (311).

Die­sen Objek­ten liegt das Urbild zugrun­de, das Spie­gel­bild, durch das, Lacans Theo­rie des Spie­gel­sta­di­ums zufol­ge, das Ich ent­steht (316).

Lacan bezeich­net die­sen ande­ren auch als objek­ti­vier­ten ande­ren (311), als spie­gel­haf­ten ande­ren (310), als Sei­nes­glei­chen (sem­bla­ble) (310), als Alter Ego (407).

Im Fal­le der Para­noia steht aꞌ für das Objekt der Para­noia (314), also für den Verfolger.

Die Her­stel­lung einer Über­tra­gung in der psy­cho­ana­ly­ti­schen Behand­lung beruht dar­auf, dass das a aus­ge­löscht ist (411), dass der Ana­ly­ti­ker nicht die Funk­ti­on des Part­ners und Riva­len erfüllt.

Ver­hält­nis aꞌ-a: ima­gi­nä­res Verhältnis

Von einer Pfeil­li­nie, die vom ande­ren zum Ich führt oder von einer ein­sei­ti­gen Ori­en­tie­rung vom ande­ren zum Ich, wie sie das Sche­ma zeigt, ist in Semi­nar 2 nicht die Rede.

Das Ver­hält­nis aꞌ→a (bzw. a-m) steht für das ima­gi­nä­re Ver­hält­nis, für die pro­jek­ti­ve nar­ziss­ti­sche Bezie­hung zum ande­ren (409) und damit für die Bezie­hung zum ande­ren als Objekt, in der das Ich zum Objekt wird (310). Das Ich und der ande­re sind wesent­lich mit­ein­an­der ver­kop­pelt: eine ent­schei­den­de Funk­ti­on des Ichs ist die Kon­sti­tu­ie­rung des ande­ren, in dem es sich spie­gelt; der ande­re ist ein Alter Ego (407).

Die Bezie­hung aꞌ-a ist die der ima­gi­nä­ren Ent­frem­dung (314 f.)

Dadurch, dass das Ich die ande­ren zu sei­nem eige­nen Bild in Bezie­hung setzt, sind die­je­ni­gen, mit denen es spricht, auch die­je­ni­gen, mit denen es sich iden­ti­fi­ziert (311).

Das ima­gi­nä­re Ver­hält­nis aꞌ-a gibt es nicht nur beim Men­schen, son­dern auch bei ande­ren Tie­ren, es ist die Grund­la­ge dafür, dass Tie­re nur mit Art­ge­nos­sen kopu­lie­ren (409).

Die human­spe­zi­fi­sche Vari­an­te des Ima­gi­nä­ren zeich­net sich dadurch aus, dass beim Men­schen das Ima­gi­nä­re eine Span­nung ent­hält, durch die es für die Inter­ven­ti­on der sym­bo­li­schen Ord­nung offen ist (409).

Die Bezie­hung zwi­schen dem Ich und dem ande­ren wird beim Men­schen durch die „Sprach­mau­er“ (311) gestützt, durch das Sys­tem der Benen­nun­gen, in Freuds Ter­mi­no­lo­gie: durch die Wort­vor­stel­lun­gen des Vor­be­wuss­ten. Die Inter­fe­renz zwi­schen der ima­gi­nä­ren Bezie­hung und der Sprach­mau­er erzeugt eine fal­sche, aber veri­fi­zier­te Rea­li­tät von Objek­ten (311, 316).

Das ima­gi­nä­re Ver­hält­nis aꞌ-a erzeugt die Miss­ver­ständ­nis­se, auf denen die gewöhn­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on beruht (316), Kom­mu­ni­ka­ti­on beruht also meist auf einer Art Projektion.

Das Ver­hält­nis aꞌ-a steht nicht nur für eine Bezie­hung zum ande­ren als Pro­jek­ti­ons­flä­che, son­dern auch für die Libi­do, für das Lust­prin­zip, für die Trie­be mit Aus­nah­me des Todes­triebs (413 f.).

Man­che Psy­cho­ana­ly­ti­ker for­dern, dass sich das als auto­nom unter­stell­te Ich des Pati­en­ten auf das Ich des Psy­cho­ana­ly­ti­kers zu stüt­zen hat; das Sche­ma dient nicht zuletzt dazu, die­se Auf­fas­sung zu bekämp­fen (412).

Das Ver­hält­nis des Ichs zum ande­ren ist der Ort des Wider­stands im Sin­ne der Psy­cho­ana­ly­se (411), also all des­sen, was sich dem Zuta­ge­tre­ten des Unbe­wuss­ten entgegenstellt.

Im Ver­lauf einer Ana­ly­se kann es dazu kom­men, dass eine Objekt­be­zie­hung ent­steht, also ein Ver­hält­nis zum ande­ren. Vie­le Ana­ly­ti­ker gehen in die­se Rich­tung, aber das ist eine grund­le­gend ent­frem­de­te Form des­sen, wor­um es in einer Ana­ly­se geht (414).

Im Ver­lauf einer psy­cho­ana­ly­ti­schen Behand­lung sol­le es dazu kom­men, dass der ande­re aus­ge­löscht wird (314), dass der Wider­stand nicht mehr exis­tiert (412).

Die Bezeich­nung „ima­gi­nä­re Ach­se“, mit der die Bezie­hung aꞌ-a in der Sekun­där­li­te­ra­tur häu­fig beschrie­ben wird, fin­det sich nicht in Semi­nar 2.

A: Ande­rer

Der Buch­sta­be A, unten rechts, steht für den Ande­ren mit gro­ßem A.

Die­ser Ande­re wird von Lacan auch genannt: ande­res Sub­jekt (314), der Ande­re als wah­res Sub­jekt (311), veri­ta­bler Ande­rer (311, 314), wah­rer Ande­rer (311), radi­kal Ande­rer (407, 411), die wirk­li­chen Respondenten/​Bürgen des Sub­jekts (311).

Die­ser Ande­re ist nicht mein Eben­bild, son­dern ein Sub­jekt: ein Ande­rer, in dem ich mich nicht wie­der­erken­nen kann (311).

Dass der Ande­re ein Sub­jekt ist, wird dadurch bewie­sen, dass er mich belü­gen kann (311). Er ist der­je­ni­ge, der die Ant­wort gibt, die man nicht erwar­tet (314).

Der Ande­re hat eine Dop­pel­funk­ti­on: Er ist einer­seits der Über­mitt­ler des uni­ver­sa­len Dis­kur­ses (410). Er ist zugleich der rea­le Pol der sub­jek­ti­ven Bezie­hung (407), d.h. etwas, was vom Sub­jekt nicht sym­bo­li­siert und nicht ima­gi­niert wer­den kann.

Bezo­gen auf die psy­cho­ana­ly­ti­sche Behand­lung steht A für die Ande­ren, an die sich der Pati­ent wen­det, ohne es zu wis­sen, also für den Ande­ren in der Über­tra­gung (314). Der Ana­ly­ti­ker hat an der radi­ka­len Anders­heit des Ande­ren dadurch teil, dass er schwer zugäng­lich ist (411).

(Es) S:

„S“ steht für „Sub­jekt“.

Lacan ver­wen­det im kom­men­tier­ten Text den Begriff „Sub­jekt“ in drei ver­schie­de­nen Bedeu­tun­gen, für den Platz oben links im Sche­ma, für den Ande­ren und für den Pati­en­ten ganz allgemein.

Mit dem Sub­jekt am Platz oben links ist nicht das Sub­jekt all­ge­mein gemeint, son­dern das Sub­jekt, um das es in der Psy­cho­ana­ly­se geht (310).

Die­ses Sub­jekt ist kei­ne geschlos­se­ne Tota­li­tät, son­dern offen für die Ein­wir­kung des Spre­chens und der Spra­che (310). Es steht in einem pro­ble­ma­ti­schen Ver­hält­nis zu dem vom Ande­ren kom­men­den Dis­kurs, die­se Bezie­hung ist auch unab­hän­gig von der Inter­ven­ti­on des ima­gi­nä­ren Regis­ters kon­flikt­haft (410).

Der Buch­sta­be „S“ steht nicht nur für „Sub­jekt“, son­dern auch für „Sym­bol“ und für das deut­sche Wort „Es“, also für das Freud­sche Es (310, 407 f.). Auf die Gleich­set­zung von S und Es ver­weist in der Ver­si­on des Poe-Auf­sat­zes außer­dem das in Klam­mern vor­an­ge­stell­te Wort „Es“, das im Ori­gi­nal deutsch ist.

Sub­jekt

Das Sub­jekt spricht, aber es weiß nicht, was es sagt (310).

Sym­bol

Unter dem Sym­bol ver­steht Lacan im Rom-Vor­trag das Sym­ptom als Signi­fi­kant eines ver­dräng­ten Signi­fi­kats.. Das Spre­chen des Sub­jekts besteht dar­in, dass es Sym­pto­me produziert.

Es

Die Sub­jek­ti­vi­tät des Kin­des betä­tigt sich bei­spiels­wei­se dar­in, dass es ana­le Trieb­re­gun­gen in Sym­bo­le eines Sym­ptoms ver­wan­delt. Der Zusam­men­hang von Sub­jekt, Sym­bol und Es ist viel­leicht so zu ver­ste­hen: Die Sub­jek­ti­vi­tät des Sub­jekts besteht dar­in, dass es Trieb­re­gun­gen (Es) in Sym­pto­me (Sym­bo­le) verwandelt.

Das „Es“ wird in Semi­nar 2 durch Freuds Satz „Wo Es war, soll Ich wer­den“ erläu­tert (314). Das Sub­jekt nimmt einen Platz ein („Es“), von dem es zu Beginn der Ana­ly­se nicht wuß­te, dass es dort war.

Anders als bei Freud wird von Lacan die Libi­do und das „Gesamt der Trie­be“ vom Es aus­ge­schlos­sen. Ist mit dem Es der Todes­trieb gemeint oder eine Bezie­hung zum Todes­trieb? (407, 414)

Das Sub­jekt ist das Es, aber nicht der Agent des unbe­wuss­ten Dis­kur­ses; der unbe­wuss­te Dis­kurs geht, wie das Sche­ma zeigt, vom Ande­ren aus. Das Sub­jekt nimmt im Ver­hält­nis zum Dis­kurs des Ande­ren, zum Unbe­wuss­ten, einen Platz ein, von dem es nichts weiß (314).

Durch den vom Ande­ren kom­men­den uni­ver­sa­len Dis­kurs ist das Sub­jekt in ein Eck­chen des Nicht-Seins gewor­fen (410), das Sub­jekt ist Seins­man­gel, wie es in  Semi­nar 2 an frü­he­rer Stel­le gehei­ßen hat­te (283 f.).

Was am Punkt S ist, ent­hüllt sich durch den kör­per­li­chen Trä­ger des Sub­jekts, durch die bio­lo­gi­sche Rea­li­tät (410 f.). Offen­bar bezieht sich Lacan hier auf Kon­ver­si­ons­sym­pto­me und auf Fehlhandlungen.

Das Sub­jekt ist das, was am Ende der Ana­ly­se zum Spre­chen kom­men soll (314). Der Pati­ent sieht sich nicht am Platz des Sub­jekts, auch nicht am Ende der Ana­ly­se (310).

Im Psy­cho­se-Auf­satz wird der Punkt S des Sche­mas als die „unaus­sprech­li­che und stu­pi­de Exis­tenz“ des Sub­jekts cha­rak­te­ri­siert; das erin­nert dar­an, dass der Todes­trieb stumm ist.

In der Per­spek­ti­ve des Ana­ly­ti­kers ist das Sub­jekt der Ande­re (311). So wie der Ande­re ein Sub­jekt ist, ist das Sub­jekt ein Anderer.

A-S

Im Dia­gramm sieht man eine Pfeil­li­nie, die von A zu S führt. Von einer sol­chen Pfeil­li­nie oder von einer ein­sei­ti­gen Ori­en­tie­rung von A nach S ist in Semi­nar 2 nicht die Rede.

In der Ver­si­on des Poe-Auf­sat­zes geht ein Pfeil von A nach S, er gibt die domi­nan­te Rich­tung an: das Sub­jekt wird vom Ande­ren deter­mi­niert, der Ande­re über­mit­telt den grund­le­gen­den Dis­kurs an das Sub­jekt. Es gibt jedoch auch die umge­kehr­te Rich­tung, das Sub­jekt wen­det sich an den Anderen.

Der Ande­re ist ein Sub­jekt (311, 314), also ist die Bezie­hung zwi­schen dem Ande­ren und dem Sub­jekt eine Bezie­hung zwi­schen Sub­jek­ten, eine Inter­sub­jek­ti­vi­tät (311).

(a) A→S: die sym­bo­li­sche Erschaf­fung des Sub­jekts durch das wah­re Spre­chen, die Berufung

Die Bezie­hung, die von A zu S geht, ist die der sym­bo­li­schen Rea­li­sie­rung des Sub­jekts, der sym­bo­li­schen Schöp­fung (407 f.).

Sche­ma L geht nicht von einem iso­lier­ten und abs­trak­ten Sub­jekt aus, son­dern von der sym­bo­li­schen Ord­nung, die, seit Men­schen spre­chen, eine immense Bot­schaft über­mit­telt, den uni­ver­sa­len Dis­kurs; in ihm wird das Rea­le durch Sym­bo­li­sie­rung umge­schaf­fen; die Psy­cho­ana­ly­se bezieht sich auf einen Aus­schnitt aus einer die­ser Kopp­lun­gen zwi­schen der sym­bo­li­schen Ord­nung und dem Rea­len (408). Das, was vom Ande­ren kommt, ist eine Schalt­stel­le im uni­ver­sa­len Dis­kurs, der durch die Genera­tio­nen hin­durch über­mit­telt wird (410).

Brauch­ba­re Begrif­fe für den Dis­kurs, der vom Ande­ren aus­geht und sich an das Sub­jekt rich­tet, sind „Beru­fung“ und „Anru­fung“ (413). Bei­spie­le für die vom Ande­ren aus­ge­hen­den Beru­fun­gen sind Appel­le wie „Du bist mei­ne Frau“ oder „Du bist mein Schü­ler“ (410) (bzw. „Du bist sei­ne Frau“ und „Du bist sein Schüler“).

Das Sche­ma setzt vor­aus, das sich das Spre­chen gerad­li­nig aus­brei­tet, wie das Licht, was jedoch nur eine Meta­pher ist (316).

Ver­mut­lich kann die Bezie­hung A → S auch so gele­sen wer­den, dass die Spra­che auf das mythi­sche vor­sym­bo­li­sche Sub­jekt ein­wirkt und hier­durch das von der Spra­che geprägt Sub­jekt erzeugt.

(b) Die Sym­bo­li­sie­rung des Rea­len und das Nicht-Sein

Die Bezie­hung zwi­schen A und S ist in sich selbst kon­flikt­haft, unab­hän­gig vom ima­gi­nä­ren Ver­hält­nis (410).

Der vom Ande­ren über­mit­tel­te uni­ver­sa­le Dis­kurs dient der Sym­bo­li­sie­rung des Rea­len (408).

Durch den vom Ande­ren kom­men­den uni­ver­sa­len Dis­kurs wird das Sub­jekt in ein Eck­chen des Nicht-Seins gewor­fen (410).

(c) Die Spal­tung der Linie zwi­schen A und S durch das ima­gi­nä­re Verhältnis

Die Bezie­hung zwi­schen A und S wird durch das ima­gi­nä­re Ver­hält­nis unter­bro­chen, sie ist aber in sich selbst kon­flikt­haft, unab­hän­gig vom ima­gi­nä­ren Ver­hält­nis (410).

Im Fal­le der Neu­ro­se, d.h. des Sym­ptoms, gibt es etwas Ver­dräng­tes; bezo­gen auf das Sche­ma heißt das: etwas, was von A nach S ver­läuft, kommt durch und kommt zugleich nicht durch (411).

Die Bezie­hung A-S ist unbe­wusst, sie ist wesent­lich für jede sub­jek­ti­ve Situa­ti­on. (407 f.)

(d) Die Wiederholung

Die Bezie­hung zwi­schen A und S ist der Bereich des Wie­der­ho­lungs­zwangs; die Wie­der­ho­lung besteht dar­in, dass etwas insis­tiert, dass etwas dar­auf drängt, von A nach S über­zu­ge­hen, aber durch die ima­gi­nä­re Bezie­hung dar­an gehin­dert wird (412).

Das Ver­hält­nis A→S steht für den Todes­trieb, d.h. für die sym­bo­li­sche Ord­nung, inso­fern sie sich nicht rea­li­siert hat, des­halb nicht, weil die sym­bo­li­sche Aner­ken­nung nicht voll­zo­gen wur­de und die sym­bo­li­sche Ord­nung des­halb im Wie­der­ho­lungs­zwang insis­tiert, um rea­li­siert zu wer­den (407, 414).

(e) SA

Das Sub­jekt wen­det sich an den Ande­ren bzw. an die Ande­ren, die­se Bezie­hung gehört zur Ord­nung des Spre­chens, nicht der Spra­che; hier­bei geht es um ein wah­res Spre­chen (311).

Das Sub­jekt weiß nicht, an wel­che Ande­ren es sich wendet, – weil es die­se Ande­ren nicht anerkennt, – auf­grund der Wir­kung der Spra­che (im Gegen­satz zum Spre­chen), näm­lich der Sprachmauer.

(311).

Durch eine Ana­ly­se soll das Sub­jekt ent­de­cken, an wel­che Ande­ren es sich wen­det, ohne es zu wis­sen; es soll durch ein wah­res Spre­chen mit dem Ande­ren ver­bun­den wer­den (311, 314).

Am Ende der Ana­ly­se aner­kennt das Sub­jekt sei­ne Erfah­rung (410), es stellt die sym­bo­li­sche Aner­ken­nung her (414).

Die Bezeich­nung „sym­bo­li­sche Ach­se“, mit der die Bezie­hung A-S in der Sekun­där­li­te­ra­tur häu­fig beschrie­ben wird, fin­det sich nicht in Semi­nar 2.

Ver­hält­nis zwi­schen a und A: Über­tra­gung

Die Bezie­hung zwi­schen dem Ich und dem Ande­ren, a-A (bzw. m-A), steht für die Über­tra­gung im Sin­ne der Psy­cho­ana­ly­se (411). Die Über­tra­gung kann sich nur dann her­stel­len, wenn die Bezie­hung des Ichs des Pati­en­ten zum Ana­ly­ti­ker als ima­gi­nä­rem ande­ren aus­ge­schal­tet ist, wenn aꞌ in der Bezie­hung von a zu aꞌ, der Wider­stand, aus­ge­löscht ist (314). Wenn der Wider­stand ver­schwin­det, stellt sich die Über­tra­gung ein und das Sub­jekt rea­li­siert, an wel­che Ande­ren es sich, ohne es zu wis­sen, wendet.

Indem sich das Ich in der Über­tra­gung auf den Ande­ren bezieht und sich in Über­ein­stim­mung mit dem vom Ande­ren kom­men­den Dis­kurs bringt, wird es nach und nach mit dem Sub­jekt ver­bun­den, es rea­li­siert, von wel­chem Platz aus das Sub­jekt sich an den Ande­ren wen­det (314). Die Bezie­hung hat dann die Struk­tur a-A-S (in Semi­nar 2: m-A-S).

Ver­hält­nis zwi­schen S, a und A

Freuds For­mel „Wo Es war, soll Ich wer­den“ wird von Lacan so gedeu­tet: Da, wo das Sub­jekt war, ohne es sagen zu kön­nen (in der Wie­der­ho­lung), (Es) S , soll das Ich (a) das Wort ergrei­fen und auf die­se Wei­se, in der Über­tra­gung, eine Bezie­hung zum wah­ren Ande­ren (A) her­stel­len, hier­durch kann sich das Ich all­mäh­lich auf den Platz des Sub­jekts bezie­hen. (314)

Ver­hält­nis zwi­schen S und a

Das Ich ist vom Sub­jekt nor­ma­ler­wei­se durch das ima­gi­nä­re Ver­hält­nis getrennt, d.h. durch die Bezie­hung zum ande­ren als Objekt. Gleich­wohl gibt es eine Ver­bin­dung zwi­schen dem Ich und dem Sub­jekt. Sie wird dadurch ermög­licht, dass die Sub­jek­te „ein­ge­fleischt“ sind, dass sie einen bio­lo­gi­schen Kör­per haben; das, was auf dem Niveau des Sym­bols geschieht, ereig­net sich bei Lebe­we­sen. (410 f.)

Unbe­wuss­tes

Im Sche­ma des Poe-Auf­sat­zes wird das Unbe­wuss­te vom Es unter­schie­den. Der vom Ande­ren aus­ge­hen­de Pfeil, der sich auf das Sub­jekt rich­tet, trägt hier in der ers­ten Hälf­te die Bezeich­nung „unbe­wusst“; der Punkt des Sub­jekts hin­ge­gen heißt „(Es) S“. In Lacans Erläu­te­run­gen des Sche­mas in Semi­nar 2 wird, bezo­gen auf das Sche­ma, die Bezeich­nung „unbe­wusst“ nicht erwähnt und nicht kommentiert.

Mit dem vom Ande­ren kom­men­den Pfeil „unbe­wusst“ ist gemeint, dass das Unbe­wuss­te des Sub­jekts der Dis­kurs des Ande­ren ist, wie Lacan im Rom-Auf­satz geschrie­ben hat­te und wie er zur Erläu­te­rung einer etwas ande­ren Vari­an­te des Sche­mas im Psy­cho­se-Auf­satz wie­der­holt. Das Unbe­wuss­te spricht, es stellt die Fra­ge „Was bin ich?“, etwa in der Form „Was heißt es, eine Frau zu sein?“ oder „War­um lebe ich statt dass ich tot bin?“ Das Unbe­wuss­te spricht.

Etwas ver­ein­facht kann man sagen, der Ande­re ist das Unbe­wuss­te. Lacans spä­te­re For­mel wird sein, das Unbe­wuss­te ist am Ort des Ande­ren. Das Unbe­wuss­te ist also kei­nes­wegs das Sub­jekt. Das Sub­jekt ist Adres­sat des unbe­wuss­ten Dis­kur­ses des Anderen.

Das Es schweigt, heißt es zur Erläu­te­rung des Sche­mas im Poe-Auf­satz.

Gesamtschema

Sub­jekt – Objekt

Die Bezie­hung zwi­schen dem Sub­jekt und dem Ande­ren ist eine Bezie­hung der Inter­sub­jek­ti­vi­tät (311). Die­se Bezie­hung wird durch die ima­gi­nä­re Bezie­hung zugleich durch­kreuzt und ver­mit­telt. In der ima­gi­nä­ren Bezie­hung sind die Pole für­ein­an­der Objek­te (310 f.). A-S ist die Ach­se der Inter­sub­jek­ti­vi­tät; aꞌ-a, so könn­te man sagen, ist die Ach­se der Interobjektivität.

Spre­chen und Sprache

Die Bezie­hung zwi­schen dem Sub­jekt und dem Ande­ren ist eine Bezie­hung des Spre­chens, des wah­ren Spre­chens. Die Bezie­hung zwi­schen dem Ich und dem ande­ren ist eine ima­gi­nä­re Bezie­hung, die durch die Spra­che sta­bi­li­siert wird, durch die Sprach­mau­er, das Sys­tem der Benen­nun­gen. Das Spre­chen stellt eine Bezie­hung zwi­schen Sub­jek­ten her, die Spra­che eine Bezie­hung zwi­schen Objek­ten. (311)

Psy­cho­ana­ly­ti­sche Kommunikation

Die Psy­cho­ana­ly­se steht an einer Gabe­lung ihres Weges, die Psy­cho­ana­ly­ti­ker haben eine Ent­schei­dung zu tref­fen (316).

Vie­le Psy­cho­ana­ly­ti­ker trei­ben die Psy­cho­ana­ly­se in die Rich­tung, dass das Ich des Pati­en­ten sich auf den ande­ren (mit klei­nem a) bezieht, d.h. auf das Ich des Psy­cho­ana­ly­ti­kers (314 f.). Der Pati­ent wird hier­bei zum Objekt, und die Ana­ly­se besteht in der Ummo­de­lung des Ichs des Pati­en­ten nach dem Modell des Ichs des Ana­ly­ti­kers, wodurch das Ich des Pati­en­ten zu einem immer stär­ke­ren Ich wer­den soll; die­se Auf­fas­sung fin­det man etwa bei Rudolph Loe­wen­stein, sie ist mit bestimm­ten For­men der Wider­stands­ana­ly­se ver­bun­den (316, 412).

Die­se Ori­en­tie­rung ist falsch.

Statt­des­sen kommt es dar­auf an, dass der Pati­ent ein Bewusst­sein davon bekommt, an wel­che Ande­ren (mit gro­ßem A) er sich wen­det, ohne es zu wis­sen (316) und von wel­chem Platz aus das Sub­jekt sich an den Ande­ren wen­det (412). Die Psy­cho­ana­ly­se muss abzie­len auf den Über­gang zu einem wah­ren Spre­chen, durch wel­ches das Sub­jekt mit dem Ande­ren ver­bun­den wird (314).

Die Ana­ly­se offen­bart dem Sub­jekt sei­ne Bedeu­tung; die­se Bedeu­tung ent­steht durch ein Spre­chen des Sub­jekts, das es vom Ande­ren über­nimmt, durch eine Beru­fung, eine Anru­fung (413).

Das Spre­chen des Ande­ren kommt zum Sub­jekt durch und kommt nicht zu ihm durch (411); die Aner­ken­nung ist nicht voll­zo­gen wor­den (314), die sym­bo­li­sche Ord­nung hat sich nicht ver­wirk­licht, sie insis­tiert im Wie­der­ho­lungs­zwang, um rea­li­siert zu wer­den (414).

Die Bezie­hung zwi­schen dem Sub­jekt und dem Ande­ren wird durch die Bezie­hung zwi­schen dem Ich und dem ande­ren blo­ckiert; das ima­gi­nä­re Ver­hält­nis hat die Funk­ti­on des Wider­stands (411). Damit sich der Bezug zum Ande­ren her­stel­len kann, darf der Ana­ly­ti­ker nicht als ande­rer fun­gie­ren, der Spie­gel muss leer blei­ben (316), das Ich des Ana­ly­ti­kers muss aus­ge­löscht sein (411).

Unter die­ser Vor­aus­set­zung ent­steht die Bezie­hung zum Ande­ren in Form der Über­tra­gung (314, 316). Durch sei­ne Unzu­gäng­lich­keit hat der Ana­ly­ti­ker teil an der radi­ka­len Anders­ar­tig­keit des Ande­ren (411).

Die Über­tra­gung ist eine Bezie­hung zwi­schen dem Ich des Pati­en­ten (Punkt unten links) und dem Ande­ren (mit gro­ßem A) (411 f.). In der Über­tra­gung lernt das Ich, sich in Über­ein­stim­mung zu brin­gen mit dem vom Ande­ren kom­men­den grund­le­gen­den Dis­kurs (412). Es bezieht sich auf den Ande­ren, der ein Sub­jekt ist (314), der es belü­gen kann (311), der die Ant­wort gibt, die es nicht erwar­tet; die­se uner­war­te­te Ant­wort setzt den Schluss­punkt der Ana­ly­se (314).

Am Ende der Ana­ly­se aner­kennt das Sub­jekt sei­ne Erfah­rung (314), hier­durch stellt sich die sym­bo­li­sche Aner­ken­nung her (414).

Durch den Bezug zum Ande­ren in der Über­tra­gung kann das Ich nach und nach an das Sub­jekt (Punkt oben links) gebun­den wer­den und ein Bewusst­sein davon gewin­nen, von wel­chem Platz aus sich das Sub­jekt an den Ande­ren wen­det, „wo Es war“ (314, 412). Aller­dings kann sich der Pati­ent auch am Ende der Ana­ly­se nicht am Platz des Sub­jekts sehen (310).

A, m, a, S

Die Bezie­hung von A zu S ver­läuft immer über das ima­gi­nä­re Ver­hält­nis, also über die objek­ti­vie­ren­de Bezie­hung des Ichs zum ande­ren, was sich ins­ge­samt so schrei­ben lässt: A, m, a, S (409).

Wenn ich ein wah­res Spre­chen arti­ku­lie­re, zie­le ich immer auf den Ande­ren als Sub­jekt; ich errei­che jedoch immer nur den ande­ren, aꞌ; vom Ande­ren als Sub­jekt bin ich durch das Zusam­men­wir­ken des Ima­gi­nä­ren und der Sprach­mau­er getrennt (311).

Tri­oden­röh­re

Wo Es war, soll Ich werden Lacan
Der Gesamt­zu­sam­men­hang wird von Lacan durch eine Tri­oden­röh­re ver­an­schau­licht. In die Bezie­hung des Ande­ren zum Sub­jekt (in den Elek­tro­nen­fluss von der Katho­de zur Anode) ist das ima­gi­nä­re Ver­hält­nis als Wider­stand ein­ge­schal­tet (ein Steu­er­git­ter, wenn es nega­tiv gela­den ist). Das ima­gi­nä­re Ver­hält­nis blo­ckiert die Bezie­hung des Ande­ren zum Sub­jekt. Im Ver­lauf einer Ana­ly­se wird die­se Blo­ckie­rung auf­ge­ho­ben, und zwar dadurch, dass der Ana­ly­ti­ker nicht den Platz des ande­ren ein­nimmt, das Ich hat dann die Funk­ti­on, die Bezie­hung zum Dis­kurs des Ande­ren auf­zu­klä­ren (das Steu­er­git­ter wird posi­tiv gela­den und fun­giert dann als Ver­stär­ker). (409 f., 412)

Kom­mu­ni­ka­ti­on

Der Sen­der emp­fängt sei­ne eige­ne Bot­schaft vom Emp­fän­ger in umge­kehr­ter Form, sagt Lacan bereits im Rom-Vor­trag. Der Sen­der sagt „Du bist mei­ne Frau“ und emp­fängt damit vom Ande­ren die Bot­schaft „Du bist mein Mann“ (oder auch „Du bist ihr Mann“). „Du bist mei­ne Frau“ rich­tet sich an die ande­re als Part­ne­rin, die Äuße­rung kann dem ima­gi­nä­ren Ver­hält­nis aꞌ-a zuge­ord­net wer­den. Die Bot­schaft „Du bist mein Mann“ ist ein Effekt der sym­bo­li­schen Ord­nung und der Gram­ma­tik, sie ent­spricht der vom Ande­ren zum Sub­jekt füh­ren­den Bezie­hung. (410)

Verhältnis zu Freud

Mit Sche­ma L bezieht Lacan sich auf Freuds Schrif­ten Jen­seits des Lust­prin­zips und Das Ich und das Es.

Zwei Ter­mi­ni des Sche­mas, „Ich“ und „Es“, ver­wei­sen direkt auf den Titel von Das Ich und das Es. Die gra­phi­sche Dar­stel­lung der Bezie­hun­gen zwi­schen den Instan­zen ist Lacans Ant­wort auf Freuds zeich­ne­ri­sche Dar­stel­lun­gen der zwei­ten Topik in Das Ich und das Es sowie in der Neu­en Fol­ge der Vor­le­sun­gen zur Ein­füh­rung in die Psy­cho­ana­ly­se. Unter aus­drück­li­chem Bezug auf Freud begreift Lacan das Ich als Sitz des Wider­stands (411).

Lacan über­nimmt zwar die Begrif­fe „Ich“ und „Es“, nicht aber die Begrif­fe „Vor­be­wuss­tes“ und „Über-Ich“, die man eben­falls in Freuds Sche­ma­ta fin­det. Aus Freuds Vor­be­wuss­tem, das mit dem Ich ver­bun­den ist, den Wort­vor­stel­lun­gen, wird bei Lacan die Sprach­mau­er, die sich der ima­gi­nä­ren Bezie­hung über­la­gert und sie sta­bi­li­siert (311, 314, 316).

Das Sche­ma ist bewusst dua­lis­tisch und knüpft damit aus­drück­lich an Freuds dua­lis­ti­sche Form der Theo­rie­bil­dung an (413). Die Libi­do wird der Ach­se aꞌ-a zuge­ord­net, der Todes­trieb der Ach­se A-S (407, 414).

Auch der Wie­der­ho­lungs­zwang und die Über­tra­gung, Haupt­the­men von Jen­seits des Lust­prin­zips, wer­den im Sche­ma ver­or­tet. Die Wie­der­ho­lung wird der von A aus­ge­hen­den, auf S gerich­te­ten Bezie­hung zuge­ord­net (411 f.). Die Über­tra­gung wird als Bezie­hung zwi­schen dem Ich und dem Ande­ren (a-A) begrif­fen, durch die sich eine Ver­bin­dung zwi­schen dem Ich und dem Sub­jekt her­stellt (314, 411 f.).

Freuds Dik­tum „Wo Es war, soll Ich wer­den“ wird eben­falls Sche­ma L zuge­ord­net (314, 414).

– „Wo Es war …“: Das Sub­jekt ist an einem Platz, von dem aus es sich auf den Ande­ren bezieht, ohne dies zu wis­sen; es befin­det sich am Platz (Es) S im Sche­ma oben links.

– “ … soll Ich wer­den“: In einer psy­cho­ana­ly­ti­schen Kur wird die ima­gi­nä­re Bezie­hung des Ichs (a) zum objek­ti­vier­ten ande­ren (aꞌ) aus­ge­schal­tet. Dies ermög­licht es dem Ich, sich zum wah­ren Ande­ren (A) in Bezie­hung zu set­zen, zum Dis­kurs des Ande­ren (von A aus­ge­hen­de Pfeil­li­nie). Auf die­sem Wege gelangt es an den Punkt, wo das Sub­jekt ist (Es) S) (412).

Über-Ich

Lacan bringt in Sche­ma L das Ich und das Es unter, nicht aber das Über-Ich. Dies ent­spricht Freuds ers­ter zeich­ne­ri­scher Dar­stel­lung der zwei­ten Topik im Jahr 1923; die zwei­te Zeich­nung, von 1933, ent­hält auch das Über-Ich.

Wo wäre in Sche­ma L das Über-Ich zu ver­or­ten? In Semi­nar 1 wird das Über-Ich von Lacan so beschrieben:

  • Das Über-Ich ist auf der sym­bo­li­schen Ebe­ne des Spre­chens ver­or­tet. Es ist ein Impe­ra­tiv, es steht in Bezie­hung zum Gesetz.

Das Über-Ich ist aber nicht ein­fach mit dem Gesetz iden­tisch. Das Über-Ich ist das Gesetz, soweit es vom Sub­jekt nicht inte­griert wer­den kann, nicht ver­stan­den wer­den kann. Das hat zur Fol­ge, dass es vom Sub­jekt ver­kannt wird; das Gesetz redu­ziert sich für es auf ein rei­nes „Du sollst“. Dies führt zu einer Spal­tung des Sub­jekts im Hin­blick auf das Gesetz, die sym­bo­li­sche Welt des Sub­jekts wird in zwei Tei­le zer­schnit­ten.

Das Über-Ich gehört zu den ver­hee­rends­ten und fas­zi­nie­rends­ten frü­hen Erfah­run­gen, es erscheint in den „rei­ßen­den Gestal­ten“, die mit den ursprüng­li­chen Trau­ma­ta ver­bun­den sind.

Die For­de­rung, dass der Ana­ly­ti­ker die Posi­ti­on des Über-Ichs ein­neh­men soll­te, ist nicht halt­bar, denn das Über-Ich ist eine Haupt­quel­le der Neu­ro­se.

Viel­leicht kann man das Über-Ich dem zwei­ten Abschnitt des von A aus­ge­hen­den Pfeils zuord­nen, also dem gestri­chelt gezeich­ne­ten Seg­ment die­ser Linie. Das von A aus­ge­hen­de Gesetz (z.B. „Du bist mei­ne Frau“) wird von der ima­gi­nä­ren Bezie­hung der Zen­sur unter­wor­fen; es erreicht das Sub­jekt des­halb in einer Gestalt, die für es kei­nen Sinn hat und die es des­halb nicht aner­ken­nen kann.

Zur Sekundärliteratur

Bice Benvenuto und Roger Kennedy

Der Pfeil zwi­schen A und S

Ben­ven­uto und Ken­ne­dy erläu­tern Sche­ma L so:

„Die sym­bo­li­sche Ver­wirk­li­chung des Sub­jekts fin­det zwi­schen S und A statt und ist unbe­wusst. Die ima­gi­nä­re Bezie­hung bil­det ein Hin­der­nis für die sym­bo­li­sche Ver­wirk­li­chung des Sub­jekts. Was zwi­schen S und A durch­kommt, bei­spiels­wei­se im Insis­tie­ren einer Signi­fi­kan­ten­ket­te, geht immer durch die Ver­mitt­lung der ima­gi­nä­ren Bezie­hung a – aꞌ hin­durch. Wenn das Sub­jekt in der Ana­ly­se spricht, wobei es auf die Ver­wirk­li­chung des wah­ren Sub­jekts zielt (wenn es von S nach A geht), wird es durch a -aꞌ abge­lenkt.“

Das bezieht sich auf Lacans Erläu­te­rung des Sche­mas im Auf­satz Das Semi­nar über E. A. Poes „Der ent­wen­de­te Brief“. Zu Lacans Dar­stel­lung in Semi­nar 2 passt die Beschrei­bung nur halb. Ben­ven­uto und Ken­ne­dy stel­len die Bezie­hung zwi­schen S und A aus­schließ­lich als ein Ver­hält­nis dar, das vom Sub­jekt aus­geht und sich an den Ande­ren wen­det. In Semi­nar 2 beschreibt Lacan die­se Ver­bin­dung anders, als Bezie­hung, die in bei­de Rich­tun­gen geht. Hier zunächst zwei For­mu­lie­run­gen, mit denen die Dar­stel­lung von Ben­ven­uto und Ken­ne­dy bestä­tigt wird:

„Anders aus­ge­drückt, wir wen­den uns fak­tisch an die A1, A2, die das sind, was wir nicht ken­nen, veri­ta­ble Ande­re, wah­re Sub­jek­te.“ (311, Über­set­zung geändert)

„Es geht dar­um, daß das Sub­jekt mehr und mehr ent­deckt, an wel­chen Ande­ren es sich wahr­haft wen­det, wenn auch ohne es zu wis­sen, und daß es mehr und mehr die Über­tra­gungs­be­zie­hun­gen auf­nimmt an dem Platz, wo es ist und wo es zunächst nicht wuß­te, daß es war.“ (314, Über­set­zung geändert)

Die Bezie­hung geht aber auch vom Ande­ren zum Sub­jekt, und die­se Rich­tung dominiert:

„Die sym­bo­li­sche Rea­li­sie­rung des Sub­jekts, die immer sym­bo­li­sche Schöp­fung ist, ist die Bezie­hung, die von A zu S geht.“ (407 f., Über­set­zung geändert)

„Sagen, dass es ein Ver­dräng­tes gibt, ein Ver­dräng­tes, das nie­mals ohne Wie­der­kehr abgeht, heißt genau dar­auf anzu­spie­len, das etwas vom Dis­kurs, der von A nach S geht, durch­kommt und zugleich nicht durch­kommt.“ (411, über­setzt nach Ver­si­on Staferla)

„Das fun­da­men­ta­le Spre­chen, das von A nach S geht, trifft hier auf eine har­mo­ni­sche Schwin­gung, etwas, das, statt zu inter­fe­rie­ren, sei­nen Durch­gang ermög­licht.“ (412)

Im Modell der Tri­oden­röh­re geht der Strom von der Katho­de zur Anode, d.h. vom Ande­ren zum Sub­jekt (409 f., 412).

Wo Es war, soll Ich werden Lacan

Sche­ma L – Poe-Auf­satz (1957)

Wo Es war, soll Ich werden Lacan

Benvenuto/​Kennedy

Das im Poe-Auf­satz abge­bil­de­te Sche­ma (links) stellt die von A nach S zei­gen­de Rich­tung in den Vor­der­grund, sie wird hier durch zwei Pfei­le ange­zeigt. Für die ent­ge­gen­ge­setz­te Ori­en­tie­rung gibt es kei­nen Pfeil. Die Rich­tung von A nach S füh­ren­de Rich­tung ist domi­nant. Es ist also wohl kein Zufall, dass Ben­ven­uto und Ken­ne­dy in ihrer Abbil­dung des Sche­mas aus dem Poe-Auf­satz (rechts) die bei­den von A nach S zei­gen­den Pfeil­spit­zen weg­ge­las­sen haben.

Marie-Hélène Brousse

Sprach­mau­er

Marie-Hélè­ne Brous­se ord­net den Begriff der Sprach­mau­er anders zu, als ich es hier getan habe:

„Die Bezie­hung hier zwi­schen S und A – wobei S auf das Freud­sche Es bezo­gen wird – ist das, was die Sprach­mau­er genannt wird: das Sym­bo­li­sche.“

Die Sprach­mau­er ist, Brous­se zufol­ge, die Bezie­hung zwi­schen dem Sub­jekt und dem Ande­ren, und sie ist iden­tisch mit dem Sym­bo­li­schen. Die­se Ein­ord­nung fin­det man auch in Ver­si­on Sta­fer­la von Semi­nar 2. In mei­nem Kom­men­tar habe ich die Sprach­mau­er hin­ge­gen der ima­gi­nä­ren Bezie­hung zwi­schen dem Ich und dem ande­ren zuge­ord­net. Die­se alter­na­ti­ve Zuord­nung wird auch von Mikkel Borch-Jacob­sen und von Dari­an Lea­der vor­ge­nom­men.

Gegen die Lösung von Brous­se und Sta­fer­la habe ich vier Einwände.

(1) Sche­ma L beruht in Semi­nar 2 auf dem Gegen­satz zwi­schen der Bezie­hung zwi­schen Objek­ten und der Bezie­hung zwi­schen Sub­jek­ten; die Sprach­mau­er stellt, Lacan zufol­ge, die Bezie­hung zwi­schen Objek­ten her.

Das Ich und der ande­re sind Objekte:

„Das Ich, so wie wir’s ver­ste­hen, der ande­re, sei­nes­glei­chen, all die­se Ima­gi­nä­ren sind Objek­te.“ (Semi­nar 2, 311)

Das Sub­jekt und der Ande­re sind Sub­jek­te. In Semi­nar 2 heißt es:

„Dies gesagt, darf man nicht die uns als Ana­ly­ti­ker eige­ne Basis­an­nah­me aus­las­sen – wir glau­ben, daß es ande­re Sub­jek­te als uns gibt, daß es authen­tisch inter­sub­jek­ti­ve Bezie­hun­gen gibt. Wir hät­ten kei­nen Grund, das zu den­ken, hät­ten wir nicht das Zeug­nis des­sen, was die Inter­sub­jek­ti­vi­tät cha­rak­te­ri­siert, näm­lich daß das Sub­jekt uns belü­gen kann. Das ist der ent­schei­den­de Beweis. Ich sage nicht, daß das das ein­zi­ge Fun­da­ment der Rea­li­tät des ande­ren Sub­jekts ist, es ist sein Beweis. Anders aus­ge­drückt, wir wen­den uns fak­tisch an die A1, A2, die das sind, was wir nicht ken­nen, veri­ta­ble Ande­re, wah­re Sub­jek­te.“ (311, Über­set­zung geändert)

Sche­ma L beruht auf dem Dua­lis­mus von Inter­ob­jek­ti­vi­tät, wie man sagen könn­te, und Intersubjektivität.

Kon­stan­te Objek­te ent­ste­hen erst durch Benennung:

„Die Macht, die Objek­te zu benen­nen, struk­tu­riert die Wahr­neh­mung selbst. Das per­ci­pi des Men­schen ver­mag sich nur inner­halb einer Zone der Benen­nung zu hal­ten. Durch die Benen­nung läßt der Mensch die Objek­te in einer gewis­sen Kon­sis­tenz bestehen. Stün­den sie nur in einer nar­ziß­ti­schen Bezie­hung zum Sub­jekt, dann wür­den die Objek­te immer nur in instanta­ner Wei­se wahr­ge­nom­men. Das Wort, das Wort, wel­ches benennt, ist das Iden­ti­sche.“ (217)

Die Sprach­mau­er ist das Sys­tem der Benen­nun­gen, durch wel­ches das Ich und der ande­re zu Objek­ten werden:

„Aus­ge­hend von der durch die Sprach­mau­er defi­nier­ten Ord­nung nimmt das Ima­gi­nä­re sei­ne fal­sche Rea­li­tät an, die trotz­dem eine veri­fi­zier­te Rea­li­tät ist. Das Ich, so wie wir’s ver­ste­hen, der ande­re, sei­nes­glei­chen, all die­se Ima­gi­nä­ren sind Objek­te. Gewiß, sie sind nicht Mon­den homo­gen – und wir lau­fen jeden Augen­blick Gefahr, das zu ver­ges­sen. Aber das sind eben Objek­te, weil sie als sol­che benannt sind in einem orga­ni­sier­ten Sys­tem, das das der Sprach­mau­er ist.“ (311)

Die Sprach­mau­er steht nicht quer zur ima­gi­nä­ren Bezie­hung, son­dern stützt sie:

„Wenn das Sub­jekt mit sei­nes­glei­chen [sem­bla­bles] spricht, dann spricht es in der Umgangs­spra­che [lan­gue com­mun], die die ima­gi­nä­ren Ich [moi] nicht bloß für ex-sis­ten­te, son­dern für rea­le Din­ge hält. Da es nicht wis­sen kann, was in dem Feld ist, wo der kon­kre­te Dia­log sich hält, hat es mit einer Rei­he von Per­so­nen, aꞌ, aꞌꞌ, zu tun. Sofern das Sub­jekt sie mit sei­nem eige­nen Bild in Bezie­hung setzt, sind die­je­ni­gen, zu denen es spricht, auch die­je­ni­gen, mit denen es sich iden­ti­fi­ziert.“ (311)

Die Sprach­mau­er wird hier auf die Umgangs­spra­che bezo­gen und auf das Spre­chen mit sei­nes­glei­chen – auf das Spre­chen mit den ande­ren, inso­fern es die­se für rea­le Din­ge hält, für Objek­te, nicht auf das Spre­chen mit dem Anderen.

(2) Das Sub­jekt und der Ande­re befin­den sich, Lacan zufol­ge, auf den bei­den Sei­ten der Sprach­mau­er – nicht an ihren Enden.

Über die Ande­ren heißt es:

“Sie sind auf der ande­ren Sei­te der Sprach­mau­er, da, wo ich sie im Prin­zip nie­mals errei­che. Im Grun­de sind sie’s, die ich anvi­sie­re, jedes­mal, wenn ich ein wah­res Spre­chen arti­ku­lie­re, aber ich errei­che immer aꞌ, aꞌꞌ, per Refle­xi­on. Ich visie­re immer die wah­ren Sub­jek­te, und ich muß mich beschei­den mit Schat­ten. Das Sub­jekt ist von den Ande­ren, den wah­ren, durch die Sprach­mau­er getrennt.“ (311, Über­set­zung geändert)

Und etwas später:

„Die Ana­ly­se muß abzie­len auf den Über­gang zu einem wah­ren Spre­chen, durch wel­ches das Sub­jekt mit einem ande­ren Sub­jekt ver­bun­den wird, auf der ande­ren Sei­te der Sprach­mau­er. Das ist die letz­te Bezie­hung des Sub­jekts zu einem veri­ta­blen Ande­ren, zu dem Ande­ren, der die Ant­wort gibt, die man nicht erwar­tet, die den Schluß­punkt der Ana­ly­se defi­niert.“ (314, Über­set­zung geändert)

Die Ande­ren sind, vom Sub­jekt aus gese­hen, auf der ande­ren Sei­te der Sprach­mau­er. Es gibt ein Dies­seits und ein Jen­seits die­ser Mau­er, dies­seits ist das Sub­jekt, jen­seits sind die Ande­ren, die Mau­er ver­läuft zwi­schen bei­den. Das Sub­jekt und der Ande­re befin­den sich auf den bei­den Sei­ten der Mau­er, nicht an ihren bei­den Enden, sie wer­den durch die Sprach­mau­er nicht etwa ver­bun­den, son­dern getrennt. Bezieht man das auf die Topik von Sche­ma L, heißt das: Die Sprach­mau­er liegt dort, wo auch die ima­gi­nä­re Bezie­hung zwi­schen dem Ich und dem ande­ren verläuft.

„Was mit der Sprach­mau­er inter­fe­riert, ist die Spie­gel­re­la­ti­on, durch die das, was zum Ich [moi] gehört, immer durch­drun­gen, ange­eig­net wird durch die Ver­mitt­lung eines ande­ren, der für das Sub­jekt immer die Eigen­schaf­ten des Urbil­des*, des fun­da­men­ta­len Bil­des des Ich behält.“(316)

Die­ser Satz ermög­licht kei­ne Ent­schei­dung. Die Spie­gel­be­zie­hung „inter­fe­riert“ mit der Sprach­mau­er. Das könn­te hei­ßen: sie inter­ve­niert in die Spie­gel­be­zie­hung und unter­bricht sie. Es könn­te aber auch gemeint sein: sie über­la­gert sich mit der Spiegelbeziehung.

(3) Sche­ma L beruht nicht nur auf dem Gegen­satz von Inter­ob­jek­ti­vi­tät und Inter­sub­jek­ti­vi­tät, son­dern auch auf dem von Spra­che und Spre­chen; die Ach­se A-S wird von Lacan dem wah­ren Spre­chen zuge­ord­net, die Sprach­mau­er gehört zur Sprache.

„Wäh­rend das Spre­chen [paro­le] sich grün­det in der Exis­tenz des Ande­ren, des wah­ren, ist die Spra­che [lan­ga­ge] dazu da, um uns auf den objek­ti­vier­ten ande­ren zu ver­wei­sen“ (311).

Die Ach­se A-S ist die Ach­se des „wah­ren Spre­chens“ (311). Die Sprach­mau­er hin­ge­gen gehört zur Sei­te der Spra­che, das zeigt der Name an: mur du lan­ga­ge.

Das Sym­bo­li­sche wird von Lacan also nicht für die Bezie­hung zwi­schen dem Sub­jekt und dem Ande­ren reser­viert; das Sym­bo­li­sche inter­fe­riert, in der Form der Sprach­mau­er, des Benen­nungs­sys­tems, in das Ver­hält­nis zwi­schen dem Ich und dem anderen.

(4) Die Sprach­mau­er ist Lacans Umar­bei­tung von Freuds Kon­zept der Wort­vor­stel­lun­gen. Die Wort­vor­stel­lun­gen bil­den das Vor­be­wuss­te, das Vor­be­wuss­te gehört zum Ich. Also ist zu ver­mu­ten, dass Lacan die Sprach­mau­er der ima­gi­nä­ren Ach­se zuordnet.

Wo Es war, soll Ich werden Lacan
Sche­ma L ist Lacans Alter­na­ti­ve zu Freuds gra­phi­schen Dar­stel­lun­gen der zwei­ten Topik. Wie Freud ver­or­tet auch Lacan in sei­nem Sche­ma das Ich und das Es. In Freuds Dia­gramm fin­det man außer­dem das Vor­be­wuss­te („Vbw“). Also kann man sich fra­gen, ob Lacan auch das Vor­be­wuss­te in Sche­ma L unterbringt.

Das Vor­be­wuss­te ent­steht Freud zufol­ge dadurch, dass die Sach­vor­stel­lun­gen des Unbe­wuss­ten durch Wort­vor­stel­lun­gen über­be­setzt wer­den. Das Vor­be­wuss­te gehört zum Ich.

Die Sprach­mau­er besteht aus dem Sys­tem der Benen­nun­gen. Ich neh­me an, dass Lacan damit Freuds Begriff der Wort­vor­stel­lun­gen über­setzt. Nun gehö­ren die Wort­vor­stel­lun­gen zum Ich. Also ist anzu­neh­men, dass Lacan das Sys­tem der Benen­nun­gen eben­falls dem Ich zuord­net, genau­er: der ima­gi­nä­ren Bezie­hung zwi­schen dem Ich und dem anderen.

Natalie Delafond

Sub­jekt (S) und Ich (Je)

Nata­lie Dela­fond erläu­tert das Sche­ma so:

„Ich kann mich als Ich nur ima­gi­nie­ren, in a, aus­ge­hend vom Bild des ande­ren, von mei­nes­glei­chen (mon sem­bla­ble), aꞌ, in einer Spie­gel­be­zie­hung. Aber für die Psy­cho­ana­ly­se ist Ich (Je), als Sub­jekt des Spre­chens, S, durch das Sym­bo­li­sche deter­mi­niert, das ihm vor­aus­geht und einen Ort vor­aus­setzt, A, als Ort der Signi­fi­kan­ten.“

Das S wird hier mit dem Je gleich­ge­setzt, mit dem Sub­jekt des Spre­chens. In Semi­nar 2 wird ein sol­cher Zusam­men­hang nicht hergestellt.

Sub­jekt und Anderer

„Wer spricht und zu wem?“ heißt es etwas später.

„Das ist für den Psy­cho­ana­ly­ti­ker die Fra­ge, weil es kein Spre­chen gibt, das sich nicht an jeman­den wen­det. Die­se Adres­sie­rung ermög­licht es, aus­zu­ma­chen, von wo das Sub­jekt spricht. Es wen­det sich an den ande­ren, an sei­nes­glei­chen (son sem­bla­ble), in aꞌ, aber sein Spre­chen zielt zugleich auf einen Ande­ren, den es anruft als Garan­ten für die Wahr­heit des­sen, was es in sei­nem Spre­chen ein­bringt.“

Das bezieht sich auf eine spä­te­re Pha­se der Theo­rie­ent­wick­lung und kann des­halb hier außer Acht blei­ben. Auf wel­che Wei­se wird in Semi­nar 2 die Bezie­hung zwi­schen dem Sub­jekt und dem Ande­ren her­ge­stellt? Auf dem Weg über das Ich, d.h. auf dem Wege der Über­tra­gung, die von Lacan hier als Bezie­hung zwi­schen dem Ich und dem Ande­ren begrif­fen wird. Auf der Grund­la­ge der Über­tra­gung bringt sich das Ich all­mäh­lich in Über­ein­stim­mung mit dem Ande­ren. Dies macht es mög­lich, dass das Ich nach und nach an das Sub­jekt gebun­den wird. (412)

Maire Jaanus

Ich und Subjekt

Mai­re Jaa­nus schreibt:

„In Sche­ma L spricht das Ich (a) mit einem ande­ren (aꞌ), der sein Gegen­bild ist, über sich selbst (S), wobei es sich nicht des­sen bewusst ist, dass die radi­ka­le Anders­heit der Spra­che es in etwas gespal­ten hat, was sowohl vom Unbe­wuss­ten (Es) her spricht als auch vom Bewusst­sein (S) her (oder von $ her, wie Lacan spä­ter schrei­ben wird).“

Dem­nach ist das Sub­jekt das The­ma, über das das Ich mit dem ande­ren spricht.

Sche­ma L beruht auf dem Gegen­satz von zwei Bezie­hungs­ar­ten: der zwi­schen Objek­ten und der zwi­schen Sub­jek­ten. Wenn das Sub­jekt in der psy­cho­ana­ly­ti­schen Kom­mu­ni­ka­ti­on zum The­ma wird, hört es auf, ein Sub­jekt zu sein und wird zum Objekt. Wenn der Pati­ent sagt: „Ich bin ein X“ oder „Ich habe X getan“, spricht er über das Ich.

Unbe­wuss­tes und Es

Jaa­nus iden­ti­fi­ziert das Unbe­wuss­te mit dem Es. Das Sche­ma stellt jedoch bei­de ein­an­der gegen­über: das Es wird dem Sub­jekt zuge­ord­net, das Unbe­wuss­te ist der Dis­kurs des Ande­ren. Für Lacan ist das Es nicht das Unbe­wuss­te. Die Ach­se A-S ist eine Inter­sub­jek­ti­vi­tät, die in sich selbst kon­flikt­haft ist, wie er sagt, auch ohne Ein­grei­fen der ima­gi­nä­ren Bezie­hung (Semi­nar 2, S. 410). Der Kon­flikt, um den es auf der Ach­se A-S geht, ist der zwi­schen dem Dis­kurs des Ande­ren und dem Es. Der Ande­re wen­det sich mit dem uni­ver­sa­len oder fun­die­ren­den Dis­kurs an das Sub­jekt; das Sub­jekt ant­wor­tet hier­auf dem Ande­ren, indem es Sym­pto­me produziert.

Das Sym­bol S (oben links) ord­net Jaa­nus dem Bewusst­sein zu. Dafür gibt es in Semi­nar 2 kei­ne Anhalts­punk­te, das S wird hier über­setzt mit „Es“, „Sym­bol“ und „Sub­jekt“ (vgl. 407 f.).

Über­tra­gung

Jaa­nus fährt fort:

„Das Ich ver­gisst die Tat­sa­che, dass es selbst (S) sym­bo­lisch ist, und auch die Tat­sa­che, dass das Spre­chen sich ganz und gar dem Sym­bol (A) ver­dankt, durch das es mensch­lich wird. Die Ana­ly­se ist des­halb die Eröff­nung des Sub­jekts für die­ses Bewusst­sein, indem es ver­scho­ben wird von der Dia­lek­tik von S, a und aꞌ zur Dia­lek­tik von S, Es und A.“

In der Ana­ly­se kommt es dem­nach zu einer Ver­schie­bung. Die Aus­gangs­kon­stel­la­ti­on ist S, a und aꞌ, die End­kon­fi­gu­ra­ti­on ist S, Es, A.

In Semi­nar 2 stellt Lacan es anders dar. Aus­gangs­punkt ist die Wider­stands­be­zie­hung a-aꞌ, nicht etwa S, a, a‘. Die­se ver­wan­delt sich durch die Aus­schal­tung von aꞌ in die Über­tra­gungs­be­zie­hung a-A; von hier aus hat das Ich einen Zugang zum Platz des Sub­jekts. Die Bezie­hung, die schließ­lich her­ge­stellt wird, ist also a-A-S (vgl. Semi­nar 2, S. 314, 411). In der Aus­ein­an­der­set­zung mit Mil­ler habe ich das aus­führ­li­cher dar­ge­stellt. Jaa­nus über­sieht die Rol­le des Ichs in der Übertragung.

Darian Leader

Spre­chen und Anerkennung

Dari­an Lea­der (der den instruk­tivs­ten Auf­satz zum Sche­ma geschrie­ben hat) schreibt zu Sche­ma L:

„In gewis­sem Sin­ne kann man sagen, dass die Ach­se A-S die Per­spek­ti­ve des Struk­tu­ra­lis­mus der spä­ten 40er und frü­hen 50er Jah­re ver­dich­tet, mit der Auf­fas­sung, dass das Sub­jekt bloß ein Effekt, ein Pro­dukt der Dyna­mik der sozia­len Kräf­te ist. Das Sub­jekt S wird durch die sozia­le Struk­tur und Orga­ni­sa­ti­on streng deter­mi­niert wer­den, bei­spiels­wei­se durch sei­ne Kul­tur.“

Er über­sieht die Rol­le des Spre­chens und der Aner­ken­nung. Lacan erläu­tert Sche­ma L unter ande­rem so:

“Dem Satz Freuds Wo Es war, soll Ich wer­den* sind zwei Bedeu­tun­gen zu geben. Die­ses Es*, neh­men Sie das wie den Buch­sta­ben S. Es ist da, es ist immer da. Das ist das Sub­jekt. Es kennt sich oder es kennt sich nicht. Das ist nicht ein­mal das Wich­tigs­te – es kommt oder es kommt nicht zum Spre­chen. Am Ende der Ana­ly­se soll es das Wort ergrei­fen und mit dem wah­ren Ande­ren in Bezie­hung tre­ten. Da, wo das S war, da soll das Ich* sein.

Da reinte­griert das Sub­jekt authen­tisch sei­ne mem­bra dis­jec­ta und aner­kennt, reag­gre­giert sei­ne Erfah­rung.“ (314, Über­set­zung geändert)

Die Ver­drän­gung des Begeh­rens beruht auf Nicht-Aner­ken­nung. Das Sub­jekt (S) kommt zum Spre­chen oder nicht zum Spre­chen; wenn es zum Spre­chen kommt, tritt es zum wah­ren Ande­ren (A) in Bezie­hung und voll­zieht einen Akt der Aner­ken­nung. Ob es spricht und so die Aner­ken­nung voll­zieht – ob die Ver­drän­gung auf­ge­ho­ben wird –, ist, in Lacans Per­spek­ti­ve, nicht durch die Sozi­al­struk­tur determiniert.

Der rea­le Pol der sub­jek­ti­ven Beziehung

Lea­der fährt fort:

„Aber der Ande­re bezieht sich hier nicht nur auf die Men­ge der Ele­men­te, die die sym­bo­li­sche Welt aus­ma­chen, in die das Sub­jekt gebo­ren wird, son­dern auch auf den sym­bo­li­schen Platz, der jedes­mal gegen­wär­tig ist, wenn jemand spricht.“

Ande­res als Lea­der es dar­stellt, ist der Ande­re der Ach­se A-S für Lacan in Semi­nar 2 kei­ne rein sym­bo­li­sche Instanz. Lacan bezeich­net den Ande­ren als „rea­len Pol der sub­jek­ti­ven Bezie­hung“ (407) , und er erklärt, der Sub­jekt­cha­rak­ter des Ande­ren wer­de dadurch bewie­sen, dass er lügt (311). Der Ande­re ist der Pol, an dem das Sub­jekt auf das Rea­le stößt: dar­auf, dass etwas sich der Sym­bo­li­sie­rung wider­setzt. Spä­ter wird Lacan die­sen Gedan­ken so prä­zi­sie­ren: Es gibt kei­nen Signi­fi­kan­ten, der die Wahr­heit des­sen garan­tie­ren könn­te, was der Ande­re sagt; die Wahr­heit hängt von sei­ner Auf­rich­tig­keit ab, und auf die ist kein Ver­lass (vgl. die­sen und die­sen Blog­bei­trag). In Semi­nar 6 wird das zum Sym­bol S(Ⱥ) ver­dich­tet, „Signi­fi­kant des aus­ge­stri­che­nen Ande­ren“. An genau die­sem Punkt wird Lacan sich von Lévi-Strauss abgren­zen: S(Ⱥ) ist nicht ein Null­sym­bol im Sin­ne von Lévi-Strauss (eine Art Joker, der dem Spiel der Signi­fi­kan­ten sei­ne Voll­stän­dig­keit sichert), son­dern der Signi­fi­kant eines Man­gels eines sol­chen Null­sym­bols.

Jacques-Alain Miller

Rea­les

Mil­ler bezeich­net die Linie a-aꞌ von Sche­ma L als „ima­gi­nä­re Ach­se“ und die Linie S-A als „sym­bo­li­sche Ach­se“. Das ist problematisch.

Sicher­lich ist die Linie mit den End­punk­ten a und aꞌ die ima­gi­nä­re Ach­se. Die Bezie­hung zwi­schen A und S ist jedoch kom­ple­xer, A-S ist eine zugleich sym­bo­li­sche und rea­le Achse.

Um die sym­bo­li­sche Ach­se han­delt es sich inso­fern, als die Bezie­hung von A zu S die der sym­bo­li­schen Rea­li­sie­rung des Sub­jekts ist (vgl. Semi­nar 2, 407 f.), die Linie auf, der der uni­ver­sa­le Dis­kurs sich in Form eines Appells, einer Beru­fung an das Sub­jekt rich­tet (410, 413). Aller­dings han­delt es sich um einen Appell, der nicht aner­kannt wird, um eine Beru­fung, die ver­kannt wird – und damit kommt das Rea­le ins Spiel.

Die Ach­se A-S ist ein Aus­schnitt aus der „Sym­bo­li­sie­rung des Rea­len“ (vgl. Semi­nar 2, 408). Die sym­bo­li­sche Ord­nung schal­tet sich in das ima­gi­nä­re Ver­hält­nis ein, ihr liegt, wie Lacan sagt, die „Span­nung zwi­schen dem Sym­bo­li­schen und dem Rea­len“ zugrun­de (409). Auf der Ach­se A-S geht es nicht um das Sym­bo­li­sche, son­dern um die Sym­bo­li­sie­rung des Rea­len und um die damit ver­bun­de­ne Span­nung zwi­schen dem Sym­bo­li­schen und dem Rea­len; S-A ist die Ach­se der Sym­bo­li­sie­rung des Realen.

Der Ande­re (A), erläu­tert Lacan, ist der „rea­le Pol der sub­jek­ti­ven Bezie­hung und das, wor­an Freud die Bezie­hung zum Todes­trieb fest­macht“ (407). Um es fest­zu­hal­ten: der Ande­re wird hier nicht als der sym­bo­li­sche Pol der sub­jek­ti­ven Bezie­hung bezeich­net, son­dern als ihr rea­ler Pol.

Der Ande­re steht im Ver­hält­nis zum Todes­trieb. Der „Todes­trieb ist nur die Mas­ke der sym­bo­li­schen Ord­nung, inso­fern – Freud schreibt es – sie stumm ist, inso­fern sie sich nicht rea­li­siert hat. Solan­ge die sym­bo­li­sche Aner­ken­nung nicht her­ge­stellt wur­de, ist die sym­bo­li­sche Ord­nung per defi­ni­tio­nem stumm.“ (414) Beim Todes­trieb geht es „um eine sym­bo­li­sche Ord­nung, die dabei ist, gebo­ren zu wer­den, im Kom­men, insis­tie­rend, um rea­li­siert zu wer­den“ (414).

Dass der Ande­re im Ver­hält­nis zum Todes­trieb steht, meint also: der Ande­re steht in Bezie­hung zum Sym­bo­li­schen, aber nur inso­fern, als die sym­bo­li­sche Ord­nung stumm ist, als sie sich nicht rea­li­siert hat, und zwar des­halb nicht, weil die sym­bo­li­sche Aner­ken­nung nicht voll­zo­gen wor­den ist.

Der Ande­re bezieht sich inso­fern auf die sym­bo­li­sche Ord­nung, als sie dabei ist, gebo­ren zu wer­den, als sie insis­tiert. Der Begriff des Insis­tie­rens ver­weist auf den Wie­der­ho­lungs­zwang. Die Wie­der­ho­lung ist das, was insis­tiert, was zwi­schen A und S über­zu­ge­hen bean­sprucht (vgl. 412) – wobei die­ser Über­gang gera­de nicht gelingt.

Die Wie­der­ho­lung besteht also in einem hart­nä­cki­gen Miss­lin­gen der Sym­bo­li­sie­rung, wobei das Miss­lin­gen dar­in besteht, dass der vom Ande­ren kom­men­de Dis­kurs, die vom Ande­ren kom­men­de Beru­fung vom Sub­jekt nicht aner­kannt wird. Genau so hat­te Lacan in Semi­nar 1 das Rea­le defi­niert: als Schei­tern einer Symbolisierung.

Mil­ler schreibt:

„Zu die­sem Zeit­punkt [von Semi­nar 1 und 2] ope­rier­te Lacan nur mit dem Sym­bo­li­schen und dem Ima­gi­nä­ren; das Rea­le war etwas, was in die ima­gi­nä­re Bezie­hung nicht ein­trat. Man weiß nicht, was das Rea­le ist, es ist weder sym­bo­lisch noch ima­gi­när.“

In Semi­nar 1 hat­te Lacan das Rea­le fol­gen­der­ma­ßen definiert:

„das Rea­le oder das, was als sol­ches wahr­ge­nom­men wird, ist das, was der Sym­bo­li­sie­rung abso­lut wider­steht.“

In Semi­nar 2 hat­te er die Defi­ni­ti­on erwei­tert: das Rea­le ist das, was weder sym­bo­li­siert noch ima­gi­niert wer­den kann. Das Rea­le ist in den frü­hen Semi­na­ren kei­ne Rest­grö­ße (das, was weder sym­bo­lisch noch ima­gi­när ist), es wird viel­mehr dyna­misch bestimmt: das Rea­le ist eben das, was der Sym­bo­li­sie­rung und der Ima­gi­nie­rung wider­steht. An die­ser Defi­ni­ti­on wird Lacan bis zum Schluss fest­hal­ten. In Semi­nar 23 wird es so for­mu­liert: das Rea­le ist dem Sinn ex-sis­tent, anders gesagt: das Rea­le ist das, was dem Zusam­men­wir­ken des Ima­gi­nä­ren und des Sym­bo­li­schen (der Erzeu­gung des Sinns) äußer­lich ist, also das, was sich der Sym­bo­li­sie­rung und der Ima­gi­nie­rung wider­setzt; vgl. die­sen Blog­ar­ti­kel.

Sche­ma L bezieht sich auf eine Sym­bo­li­sie­rung, die stumm ist, weil die sym­bo­li­sche Aner­ken­nung nicht voll­zo­gen wird. Die Ach­se A-S steht für die Wie­der­ho­lung, anders gesagt, dafür, dass etwas der Sym­bo­li­sie­rung hart­nä­ckig wider­steht: das Reale.

Ande­rer

Mil­ler zufol­ge hat der Ande­re in Sche­ma L eine Dop­pel­funk­ti­on. Er wird einer­seits durch den Platz unten rechts dar­ge­stellt, ande­rer­seits reprä­sen­tiert das gesam­te Sche­ma den Ort des Ande­ren. Mil­ler bezieht das zunächst auf die Ver­si­on des Dia­gramms in Kant mit Sade, dann auf Sche­ma L allgemein.

„Der Ande­re ist am Eck­punkt unten rechts loka­li­siert, aber zugleich ereig­net sich der gesam­te Pro­zess am Ort des Ande­ren. Das heißt, der Ande­re ist in einer Ecke loka­li­siert, neben ande­ren Ter­mi­ni, aber all dies ist zugleich inner­halb des Ande­ren.“

Für die The­se von der Dop­pel­funk­ti­on des Ande­ren in Sche­ma L gibt es in Semi­nar 2 kei­ne Bele­ge. Sie wider­spricht der Tat­sa­che, dass Lacan den dua­lis­ti­schen Cha­rak­ter des Sche­mas betont, wobei er aus­drück­lich an den Freud­schen Trieb­dua­lis­mus anknüpft (Semi­nar 2, 413). Wenn Mil­ler recht hät­te, wäre der Dua­lis­mus des Sche­mas nur die Ober­flä­che eines umfas­sen­den Monis­mus des Sym­bo­li­schen, ana­log zur monis­ti­schen Kon­zep­ti­on der Libi­do bei C. G. Jung.

Über­tra­gung

Mil­ler zufol­ge hat Lacan in die­ser Pha­se – wäh­rend Semi­nar 1 und 2 – die Über­tra­gung wesent­lich als ima­gi­när begrif­fen, sein Ver­ständ­nis von Über­tra­gung sei rein nega­tiv.

Dafür spricht, dass Lacan die Über­tra­gung offen­bar als Bezie­hung zwi­schen m und a bezeich­net. So fin­det man es in der von Lacan in Auf­trag gege­be­nen Ste­no­ty­pie und Mil­ler hat das in sei­ne Ver­si­on des Semi­nars übernommen.

„Die Über­tra­gung hin­ge­gen geschieht zwi­schen m und a.“ (412)

Dage­gen spricht, dass die Über­tra­gung kurz zuvor von Lacan anders beschrie­ben wurde:

„Was Über­tra­gung genannt wird, geschieht sehr genau zwi­schen A und m, inso­fern das durch den Ana­ly­ti­ker reprä­sen­tier­te a fehlt.“ (411, Über­set­zung geändert)

Hier­nach geschieht die Über­tra­gung nicht zwi­schen m und a, son­dern zwi­schen m und A. Bei­des zugleich kann nicht gemeint sein. Klar ist, dass es hier ein tech­ni­sches Pro­blem gibt, eine Tran­skrip­ti­ons­schwie­rig­keit: Lacan sagt „a“ und meint damit bis­wei­len klein a, manch­mal aber auch groß A. Man muss sich also ent­schei­den, wel­che Tran­skrip­ti­on rich­tig ist.

An der zuletzt zitier­ten Stel­le erklärt Lacan, wie die Über­tra­gung funk­tio­niert: die Über­tra­gung setzt vor­aus, dass die Bezie­hung zum Ana­ly­ti­ker als a fehlt. Der Buch­sta­be a ist hier Gegen­term zu m, meint also „ande­rer“. Die­se Erklä­rung wird von Lacan an der Stel­le vor­aus­ge­setzt, die man als Beleg dafür anfüh­ren könn­te, dass die Über­tra­gung zwi­schen zwi­schen m und a ereig­net. Die Tran­skrip­ti­on ist an die­ser Stel­le falsch, das klei­ne a muss durch ein gro­ßes A ersetzt wer­den. Die The­se, für Lacan sei die Über­tra­gung wesent­lich ima­gi­när, beruht auf einem Transkriptionsfehler.

Lacans Ver­ständ­nis von Über­tra­gung ist in Semi­nar 2 kei­nes­wegs nega­tiv, son­dern positiv.

… „Der gan­ze Fort­schritt der Ana­ly­se ist die fort­lau­fen­de Ver­schie­bung die­ser Rela­ti­on, die das Sub­jekt in jedem Augen­blick erfas­sen kann jen­seits der Sprach­mau­er, als die Über­tra­gung, die von ihm aus­geht und wo es sich nicht wie­der­erkennt [recon­nait]. Es geht nicht dar­um, die­se Rela­ti­on zu redu­zie­ren, wie man schreibt, es geht dar­um, daß das Sub­jekt sie an sei­nem Platz auf­nimmt. Die Ana­ly­se besteht dar­in, es das Bewußt­sein sei­ner Bezie­hun­gen gewin­nen zu las­sen, nicht zum Ich des Ana­ly­ti­kers, son­dern zu all die­sen Ande­ren, die sei­ne wirk­li­chen Respondenten/​Bürgen/​répondants sind und die es nicht aner­kannt hat. Es geht dar­um, daß das Sub­jekt mehr und mehr ent­deckt, an wel­chen Ande­ren es sich wahr­haft wen­det, wenn auch ohne es zu wis­sen, und daß es mehr und mehr die Über­tra­gungs­be­zie­hun­gen auf­nimmt an dem Platz, wo es ist und wo es zunächst nicht wuß­te, daß es war.“ (314, Über­set­zung geändert)

Lacan argu­men­tiert so: Dadurch, dass der Ana­ly­ti­ker nicht die Posi­ti­on des Objekt-ande­ren in der ima­gi­nä­ren Bezie­hung ein­nimmt, kann sich die Über­tra­gung her­stel­len, näm­lich die Bezie­hung des Ichs zum Ande­ren. Dies macht es mög­lich, dass sich das Ich all­mäh­lich in Über­ein­stimmng mit dem vom Ande­ren kom­men­den Dis­kurs bringt. Und dadurch wird das Ich nach und nach mit dem Sub­jekt ver­bun­den (vgl. 314).

Gerda Pagel

Sub­jekt und Ich

Pagel erläu­tert das Sche­ma so: „Das Sub­jekt (S) iden­ti­fi­ziert sich in der dua­len Spie­gel­be­zie­hung mit dem ande­ren (aꞌ) und kon­sti­tu­iert auf der ima­gi­nä­ren Basis (aꞌ-a) sein Ich als ‚moi‘.“ Sie begreift das Sub­jekt als die­je­ni­ge Instanz, von der die ima­gi­nä­re Bezie­hung letzt­lich her­vor­ge­bracht wird. Das ist nicht Lacans Auf­fas­sung. Der Punkt S des Sche­mas steht nicht für die letz­te Instanz, die der ima­gi­nä­ren Bezie­hung zugrun­de liegt.

Im Psy­cho­se-Auf­satz schreibt Lacan, das Sub­jekt habe an allen vier Ecken des Sche­mas teil. Das Sub­jekt, von dem er in die­ser Bemer­kung spricht, ist jedoch nicht der Punkt (S) des Sche­mas. „Das Sub­jekt hat an allen vier Ecken des Sche­mas teil“ meint: „Der Pati­ent hat an allen vier Ecken des Sche­mas teil“.

Das Unbe­wuss­te

Wei­ter heißt es bei Pagel: „Es gibt kei­nen Ort unmit­tel­ba­rer Kom­mu­ni­ka­ti­on von Unbe­wuß­tem zu Unbe­wuß­tem (A-S).“ Die bei­den End­punk­te A und S ste­hen dem­nach für das Unbe­wuss­te. Von Lacan wird das Unbe­wuss­te im Sche­ma an ande­rer Stel­le loka­li­siert, er ord­net es dem ers­ten Seg­ment der von A aus­ge­hen­den und zu (Es) S füh­ren­den Pfeil­li­nie zu. Im Poe-Auf­satz unter­streicht er, dass er das Es, also den Punkt (Es) S, vom Unbe­wuss­ten unter­schei­det. Im Sche­ma steht der Punkt S für das Es im Unter­schied zum Unbe­wuss­ten, das auf den Ande­ren bezo­gen wird.

Peter Widmer

Spra­che und Sprechen

Wid­mer ord­net die ima­gi­nä­re Ach­se dem Spre­chen zu, die Bezie­hung A-S der Spra­che. In Semi­nar 2 stellt Lacan es umge­kehrt dar:

„Wäh­rend das Spre­chen [paro­le] sich grün­det in der Exis­tenz des Ande­ren, des wah­ren, ist die Spra­che [lan­ga­ge] dazu da, um uns auf den objek­ti­vier­ten ande­ren zu ver­wei­sen“ (311).

Die ima­gi­nä­re Ach­se wird dadurch gestützt, dass sich das Spre­chen auf die Spra­che in Gestalt der Sprach­mau­er stützt, auf das orga­ni­sier­te Sys­tem der Benen­nun­gen; die Sprach­mau­er (mur du lan­ga­ge) gehört, wie der Name anzeigt, zur Ord­nung der Spra­che, der lan­ga­ge.

Es und Anderer

Zum Ver­hält­nis zwi­schen dem Es und dem Ande­ren sagt Wid­mer, mit dem Sche­ma las­se sich ver­an­schau­li­chen, dass Lacan den Term „Ande­rer“ dem Term „Es“ vor­zie­he, und zwar des­halb, um nicht dem Miss­ver­ständ­nis Vor­schub zu leis­ten, das Es sei eine kon­kre­te Rea­li­tät, Sitz der Trie­be und Lei­den­schaf­ten. Wid­mer zufol­ge ersetzt Lacan den Ter­mi­nus „Es“ durch den Ter­mi­nus „Ande­rer“, und eben dies soll sich am Sche­ma zei­gen las­sen. Mit den Erläu­te­run­gen von Sche­ma L in Semi­nar 2 und mit der gra­phi­schen Dar­stel­lung im Poe-Auf­satz lässt sich das nicht ver­ein­ba­ren. Hier gibt es zwi­schen den Ter­mi­ni „Es“ und „Ande­rer“ kei­ne Erset­zung, viel­mehr wer­den die bei­den Begrif­fe auf­ein­an­der bezo­gen. Das Es wird am Punkt oben links ver­or­tet, der Ande­re am Punkt unten rechts. Die Ach­se A-S ist die Bezie­hung zwi­schen dem Ande­ren und dem Es.

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Anmerkungen