Show
Als Kleidung (auch Bekleidung, in Süddeutschland, Österreich und Südtirol Gewand, umgangssprachlich auch Klamotten) wird in einem umfassenden Sinn die Gesamtheit aller Materialien bezeichnet, die als künstliche Hülle den Körper des Menschen mehr oder weniger eng anliegend umgibt (Gegensatz: Nacktheit). Kleidung als „zweite Haut“ verhüllt, schützt und soll darüber hinaus Ausdruck der eigenen Individualität sein.
Kleidung dient zum einen dem Schutz vor belastenden Umwelteinflüssen und/oder Gefahren in der Arbeitsumgebung, zum anderen in ihrer jeweiligen Gestaltung der nonverbalen Kommunikation. Damit hat sie sich entsprechend den klimatischen, individuellen und modischen Bedürfnissen des Menschen kultur- und zeitabhängig sehr unterschiedlich entwickelt. Schuhe und Kopfbedeckungen (beispielsweise Helme) werden zur Kleidung gezählt, reine Schmuckgegenstände jedoch nicht, im engeren Sinne auch nicht das Accessoire (als „Beiwerk“ zur Kleidung). Nach Auffassung des Anthropologen Alexander Pashos lässt sich der geschichtliche Zeitpunkt, seit dem Menschen regelmäßig Kleidung trugen, aus dem Auftreten der Kleiderlaus schätzen. Daraus gefolgert deuten aktuelle Genanalysen auf einen Entstehungszeitraum vor etwa 75.000 Jahren hin.[1] Darüber hinaus existieren jedoch auch andere Auffassungen, nach denen bereits bis vor ca. 650.000 Jahren die Vorfahren des heutigen Menschen Kleidung trugen.[2] Aus dem Mittelpaläolithikum von Neumark-Nord, einer ca. 200.000 Jahre alten Fundstelle aus der Zeit des Neandertalers an einem ehemaligen Seeufer[3] bei Frankleben in Sachsen-Anhalt, stammt ein Steingerät mit anhaftenden Resten von Eichensäure in einer Konzentration, die nicht natürlich auftreten kann und deshalb als ein Hinweis auf das Gerben von Tierhäuten gedeutet wird.[4] Antike Belege für hosentragende Frauen finden sich in römischen Berichten (Tacitus 17) und auf Darstellungen von Kelten und Germanen. Eine Darstellung einer mitteleuropäischen Frau mit Hose findet man, neben Darstellungen von Frauen in Kleidern und Röcken, auf der Trajanssäule (113 n. Chr.) in Rom. Später war das Tragen von Hosen für europäische und amerikanische Frauen jahrhundertelang tabu. Mit Hilfe von Steinwerkzeugen zugeschnittene, an den Enden abgerundete Rippen mit geglätteten Flächen, die in der Contrebandiers-Höhle, unweit der Stadt Témara an der Atlantikküste von Marokko entdeckt wurden, sind rund 120.000 bis 90.000 Jahre alt und gelten als die frühsten gegenständlichen Belege für die Bearbeitung von Tierhäuten.[5] Einer der ältesten Umhänge fand sich in der italienischen Höhle von Arene Candide. Er bestand aus etwa 400 Feh und wird auf ein Alter von ca. 23.000 Jahren datiert.[6] Der Verlust von Fell in der menschlichen Evolution ermöglichte dem Menschen in seinen damaligen warmen Lebensräumen die Körpertemperatur besser zu regulieren (Schwitzen). Dies erhöhte seine Ausdauer zur Nahrungsbeschaffung bei der Hetzjagd. Mit der Erfindung der Kleidung wurde der damit auch verbundene Nachteil wieder kompensiert. Die Möglichkeit, unterschiedlich stark wärmedämmende Kleidung verwenden zu können, erhöht die menschliche Flexibilität, sich in sehr unterschiedlichen Klimazonen aufhalten zu können. Die Entwicklung von spezialisierterem Steinwerkzeug war Voraussetzung, um die Oberfläche der Felle so zu bearbeiten, dass sie als Kleidung (ggf. auch enthaart als Leder) genutzt werden konnten. Möglicherweise wurden Felle zunächst als erster primitiver Sonnenschutz verwendet und später zu Zelten weiterentwickelt, bevor sie als Kleidung verwendet wurden. Die Nutzung von Pelz-Kleidungsbestandteilen als Statussymbol des erfolgreichen Jägers, und damit häufig auch des Gruppenanführers, dürfte ebenfalls sehr früh eine Rolle gespielt haben; die bis in die Neuzeit noch übliche derartige Verwendung in heißen Gegenden lässt darauf schließen. Die Effektivität als Kleidung wurde durch die Erfindung des Nähens erheblich gesteigert, da Kleidung nun geschlossen und dem menschlichen Körperbau angepasst werden konnte. Mit genähter Kleidung war es dem Menschen möglich, auch sehr kalte Regionen wie Nordkanada, Grönland und Nordsibirien ständig zu besiedeln (z. B. Eskimos). Mit der Domestizierung des Schafs im frühen Neolithikum und der Erfindung des Webens konnte nun auch Wolle als Rohstoff für Textilien genutzt werden. Das Schließen von Überwurfkleidung konnte neben dem Vernähen als ständigem Verschluss nun auch bei Gebrauch durch Gewand-Nadeln, später Fibeln und Schnallen, noch später durch Knöpfe erfolgen. Der älteste Nachweis pflanzlicher Rohstoffe als Materialien für die Textilherstellung (z. B. Leinen und Hanf) ist z. B. bei Leinen auf einen Zeitraum von 36.000 bis 31.000 Jahre datiert. Archäologische Funde von chemischen Relikten des Seidenproteins Fibroin in zwei 8500 Jahre alten Gräbern lassen vermuten, dass jungsteinzeitliche Bewohner von Jianhu die Seidenfasern bereits zu Stoffen gewebt haben.[7][8] Bereits in den frühen Hochkulturen und der Antike unterlag der Kleidungsstil der Mode. Mesopotamische Terrakotten, insbesondere die mit bekleideten Frauen, sind als in Massenproduktion gefertigte Produkte in großer Zahl erhalten geblieben und zeigen die aktuelle Mode. Sie werden deshalb auch als eine Art „Modelexikon der Zeit“ angesehen.[9] Siehe auch: Kleidung im Alten Ägypten MittelalterEine Contouche (Robe um 1750) Die Kleidung im Mittelalter spiegelte den Platz innerhalb der mittelalterlichen Ständeordnung wider. Unterschiede zwischen den Ständen bestanden meist nur im verwendeten Material und dem dazugehörigen Zierrat. Verfügbare Materialien zur Textilherstellung für die niederen Stände waren Leinen, Hanf, Nessel (diese drei insbesondere zur Verwendung für die Unterkleidung) und Schafwolle (diese insbesondere für Oberbekleidung). Der höhere Stand konnte auch teure Importstoffe (zum Beispiel aus Seide, besonders wertvoll mit Purpur gefärbt), bessere Textilqualitäten und veredelte Tuche kaufen. Industrielle Revolution, 19. JahrhundertFrau in Radfahrerhose anno 1897 (Werbeanzeige) Frauenkleidung aus einem Katalog von 1890 Männerkleidung aus einem Katalog von 1890 Baumwolle und neue Maschinen für seine Aufbereitung und Verarbeitung (Spinnen, Weben) waren die wichtigsten Impulse für den Beginn der Industriellen Revolution. Baumwollverarbeitung machte im Jahr 1830 etwa 8 Prozent des Bruttoinlandprodukts in Großbritannien aus und führte zu explosivem Wachstum von Städten, in denen sich die Baumwollindustrie entwickelte (z. B. Manchester).[10] Kleidungsreform, 2. Hälfte des 19. JahrhundertsIm Umfeld der Lebensreform-Bewegungen gab es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland mehrere Ansätze zu einer Reform der Kleidung, wobei sich die ersten Überlegungen auf die Männerkleidung bezogen (Reformkleidung Bauhaus). Seit dem Ersten Weltkrieg, als viele Frauen zur Erwerbsarbeit gezwungen waren, trugen sie Hosen. Fabrikarbeiterinnen trugen Overalls, Frauen im öffentlichen Dienst eine Uniform mit langer Hose (im Winter). 1917 stattete man die Frauen, die als „männlicher Ersatz“ im Eisenbahndienst arbeiteten, mit langen Beinkleidern aus. Die „Hilfsbeamtinnen“ erhielten Joppe (Jacke), Hose, Gamaschen und Mütze, die Arbeiterinnen eine blusenartige Jacke und eine Hose. Es war dieselbe Kleidung, die die Männer in diesen Bereichen zuvor getragen hatten, sie wurde also nicht eigens hergestellt. Im Krieg wurde diese Ausstattung ohne weiteres als notwendig akzeptiert, jedoch hielt man die Frauenhosen für eine vorübergehende Erscheinung. Die Damenhose war noch in den 70er Jahren in London unter weiblichen Bankangestellten undenkbar. In internationalen Luxushotels galt das Hosenverbot für Frauen ebenso noch in den 70ern. Auch im Londoner Nobelkaufhaus Harrods waren behoste Kundinnen noch bis 1970 unerwünscht. Der Sängerin Esther Ofarim wurde 1966 der Zutritt im Hosenanzug zur Bar des Hamburger Atlantic-Hotels verwehrt. Auf den Theaterbühnen waren Hosenrollen eine erotische Sensation: Männerrollen, die von Hosen tragenden Darstellerinnen ausgeführt wurden. Chemikalienschutzanzug → Hauptartikel: Bekleidungsphysiologie Kleidung soll den Menschen vor Unterkühlung und Erfrierung (durch Kälte, Nässe, Wind) und vor einem Hitzeschaden oder Sonnenbrand (durch Wärmestrahlung und UV-Licht) schützen und gleichzeitig die Verdunstung des Schweißes beim Schwitzen nicht behindern. Weitergehenden Schutz vor besonderen Risiken bietet spezielle, heute meist normierte Schutzkleidung wie die „kugelsichere Weste“, die Schnittschutzhose für Arbeiten mit der Motorsäge, die Hitzeschutzkleidung oder der Chemieschutzanzug. GefahrenUnzweckmäßige Kleidung kann gesundheitsgefährdend sein:
Psychologische FunktionBolero mit Hose, Haute Couture Fashion show Janis Joplin (1943–1970) Kleidung kann auch eine Anpassung an gesellschaftliche Zwänge, zu nennen ist hier die Notwendigkeit der Krawatte, oder das Gegenteil aufzeigen. Sie kann Aussagen übermitteln, wie das Festhalten an antiquierten Rollenklischees oder das Eintreten für eine heute überkommene Aufgabenverteilung unter den Geschlechtern. Die Hippie-Bewegung war ein Ausdruck der gesellschaftlichen Veränderungen. Noch 1969 wurde der Schauspielerin Senta Berger der Zugang zu einem Dinner in einem Londoner Hotel verwehrt, weil sie einen edlen Designer-Anzug trug. Sie musste sich umziehen. Anfang 1970 drohte der damalige Bundestagsvizepräsident Richard Jaeger (CSU), er werde jede Abgeordnete, die es wagen sollte, in Hosen zur Plenarsitzung zu erscheinen, aus dem Saal weisen. Am 15. April 1970 erschien Lenelotte von Bothmer (SPD) in einem Hosenanzug im Bundestag und am 14. Oktober 1970 hielt sie als erste Frau in Hosen eine Rede im Bundestag.[12] Noch 1970 war Unisex-Mode undenkbar. Kleidung kann je nach Schnittführung und Material, bspw. Samt, Seide, Leder, Latexkleidung, auch spezielle haptische oder sinnliche Erfahrungen bieten. Kleidung kann zum Genussmittel werden. Darunter fällt der sinnliche Genuss einer anmutigen Erscheinung, sowie an bestimmten Materialien, Formen und Farben insbesondere bei sexuellem Fetischismus, einer Abart der Sexualität, bei der der Fetisch, bspw. Reizwäsche,[13] ein Schuh oder getragene Wäsche als Stimulus der sexuellen Erregung und Befriedigung dient, und nicht der Sexualpartner. Die Hintergründe sind in der Kindheit begründet.[14][15] Siehe auch: Psychologie und Sozialpsychologie der Mode Wirtschaftliche Bedeutung→ Hauptartikel: Textil- und Bekleidungsindustrie Die Länder mit der größten Kleidungsproduktion sind China und Bangladesch.[16] Soziale Bedeutung – KommunikationsmittelBasil Soda (1967–2015), Haute Couture Spring/Summer 2011 Darüber hinaus dient Kleidung als Zeichen und Kommunikationsmittel, das ein breites Spektrum an Aussagen/Signalen zur Verfügung stellt. Eine sehr einfache Form ist die schlichte Markierung oder Kennzeichnung als beachtenswertes Objekt; so sollen neonfarbene Warnwesten von Straßenarbeitern verhindern, dass ein Arbeiter übersehen wird. Die Bedeutung, die Kleidung im Leben eines einzelnen Menschen hat, ist individuell sehr unterschiedlich, auch abhängig vom gesellschaftlichen Umfeld (und dessen Rollenerwartungen an den einzelnen). Für die einen ist sie unwichtige Äußerlichkeit bzw. pragmatischer Gebrauchsgegenstand, für die anderen wesentlicher Bestandteil ihres Lebens. Häufig kennzeichnet Kleidung die Mitglieder einer Gruppe als Angehörige dieser Gruppe. Im Sport markiert das Trikot den Träger als Angehörigen einer Mannschaft, so wie einst die Uniform half, Freund und Feind zu unterscheiden. Im Normalfall dient sie nur der Unterscheidung von anderen Gruppen und sagt wenig über die Eigenschaften der Gruppe aus. Das ist bei anderer gruppenspezifischer Kleidung deutlich anders. Beispiele dafür sind neben Sportkleidung in etablierten Vereinsfarben auch die Präsentation von Berufsrollen, Rang- (etwa Uniform des Militärs) und Standesunterschiede (die Abgrenzung bzw. Zugehörigkeit von anderen gesellschaftlichen Gruppen bzw. Individuen). Auch in der Art der Bedeutung, die der einzelne der Kleidung beimisst, bestehen erhebliche Unterschiede. Sie zeigen sich an den sehr unterschiedlichen Aspekten, auf die der einzelne bei der Wahl seiner Kleidung vorrangig achtet: Mode- Marken-, Stil-, Schönheitsbewusstsein; Gebrauchsfunktionalität; Wohlfühlkomponenten. Dahinter können ganz unterschiedliche Motive stecken (je und/oder): Pragmatismus, Genussstreben, Wunsch nach Integration durch Assimilation, Ausdruck von Gefühlen und Stimmungen, Wunsch nach Wohlbefinden, Imponierverhalten, Ausdruck des eigenen Lebensstils, sozialer Status, Nonkonformismus, Rebellion uvam. Weitere Markierungsfunktionen der Kleidung sind ästhetischer Art (teils unbewusst): das Sich-Ausdrücken-Wollen oder das Schmücken des Trägers, aber auch das ästhetisch-ironische Spielen und Experimentieren mit etablierten Formen der Kennzeichnung. Darunter fällt die identifikationsstiftende Komponente der Kleidung einer bestimmten Szene, die je nach Standpunkt als Subkultur bzw. Gegenkultur zum herrschenden Mainstream wahrgenommen werden möchte. So kann auch ersichtlich defekte Kleidung, wie z. B. zerrissene Lederjacken innerhalb der Punkszene oder Flickenjeans der Blueserszene für die Träger ästhetisch und erfüllend sein, während die allgemeine Meinung den Kleidungsstil eher als unangemessen und abgerissen bezeichnet. Zeichen der ZugehörigkeitLiturgische Kleidung: eine Kasel Die Gründe der Abgrenzung durch Bekleidung können gruppenspezifisch sein. So kann man anhand der Kleidung unterscheiden:
Kleidung kann geschlechtsspezifisch, altersspezifisch und/oder standes-/klassen-/kastenspezifisch sein. In den westlichen Industriestaaten begründen die verschiedenen Lebensstile die unterschiedlichen Ausprägungen von und Abgrenzungen durch Kleidung. Die wissenschaftliche Befassung mit Kleidung erfolgt durch die Volkskundliche Kleidungsforschung. Kleidung wird nach verschiedenen Kriterien zusammengefasst, neben anderen: Nach Anlass
Nach gesellschaftlicher Positionsiehe dazu auch oben unter dem Abschnitt „Bedeutung von Kleidung“, Unterabschnitt „Soziale Bedeutung – Kommunikationsmittel“
Nach MaterialHeftige Kontroversen gab es zur Frage, welches Material der Gesundheit besonders zuträglich sei. Gustav Jäger hielt ausschließlich Wolle für geeignet, während Heinrich Lahmann Baumwolle befürwortete und Sebastian Kneipp vor allem Leinen. Jäger gründete ein eigenes Bekleidungsunternehmen für die von ihm entworfene sogenannte Normalkleidung für Männer, die einige Jahrzehnte lang recht erfolgreich auf dem Markt war, im deutschen Sprachraum und auch in England.
Nach spezieller Funktion
Nach Position am Körper
Nach historischem Kontext, nach historisch vorherrschenden Moden und historischen VorschriftenIn Tracht gekleidete Kinder (Griechenland) → Hauptartikel: Liste von Modestilen und Kleidermode
Nach JahreszeitenWinterkleidung, Sommerkleidung, Übergangskleidung (Jahreszeitenwechsel), Faschingskostüm Sonstigen Unterscheidungen
Um Auswahl und Pflege der Kleidung zu erleichtern, werden im oder auf dem konfektionsmäßig hergestellten Kleidungsstück meist einige Angaben gemacht:
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