Welche regionen profitieren vom klimawandel

Es gibt nicht nur Verlierer im Klimawandel. Für einige bisher eher benachteiligte Regionen könnte die globale Erwärmung sogar Vorteile bringen. So können sich beispielsweise Sibirien, aber auch Kanada, der Süden Argentiniens und andere Regionen freuen, in denen bisher wegen der Kälte und dem dauerhaft gefrorenen Boden nur wenig Landwirtschaft betrieben werden kann.

Welche regionen profitieren vom klimawandel

Tundrenlandschaft im hohen Norden - auftauender Boden erhöht hier die Fruchtbarkeit © gemeinfrei

Steigen die globalen Temperaturen und der Permafrost taut, dann werden die fruchtbaren Böden frei zur Bewirtschaftung. Zudem fördern steigende Kohlendioxidkonzentrationen das Pflanzenwachstum, sie könnten daher die Erträge steigern. Wärmeliebende Kulturen wie der Weinbau bringen zukünftig auch nördlich der etablierten Weinbauregionen lohnende Erträge – Wein aus Großbritannien oder Dänemark wäre dann möglicherweise eine begehrte Delikatesse.

Nordeuropa als Urlaubsziel

Auch dem Tourismus in den Ländern der nördlichen und gemäßigten Breiten könnte das mildere Klima zugute kommen, das belegte im Mai 2008 eine Studie von Wissenschaftlern des Yale Center for the Study of Globalization. Demnach profitieren in Europa bis 2030 vor allem die Benelux-Staaten, die skandiavischen Länder, Deutschland, Polen, aber auch Großbritannien und Irland. Mehr Sonnenschein und weniger Regen im Sommer sowie mildere Winter machen sie als Reiseziele zukünftig immer attraktiver. Auch Tourismusindustrie in Kanada, den USA und Neuseeland wird wahrscheinlich zu den Gewinnern gehören. Verlierer sind dagegen die Mittelmeerländer sowie Afrika, Südasien und Lateinamerika.

Doch bei aller Freude der „Gewinner“: Die Nachteile und Probleme, die die globale Erwärmung mit sich bringt übertreffen die Vorteile bei weitem. Zwar werden einige wenige Länder profitieren – in der Regel Industrieländer, die allermeisten Regionen jedoch müssen sich auf ernste und teilweise sogar dramatische Folgen einstellen. Für sie ist die dringendste Frage daher: Können wir diese Entwicklung noch aufhalten?


Stand: 24.10.2008

Die Vertreter der These, Sibirien werde in einer wärmeren Welt zur Kornkammer, berufen sich häufig auf die Studie eines -Forscherteams aus Russland und den USA (Tchebakova et al. 2011). Die Wissenschaftler untersuchten anhand mehrerer Modellrechnungen und Szenarien mögliche Klimaentwicklungen für die sibirische Region Krasnojarsk und die zwei südlich angrenzenden Republiken Chakassien und Tuwa bis etwa zum Jahr 2080. Der größte Teil des Gebietes ist heute zu kalt für den Anbau von Ackerpflanzen wie Weizen, Hafer, Mais, Reis oder Zuckerrüben. Bereits seit 1960 habe es, so die Studie, eine deutliche Erwärmung gegeben. Und diese Entwicklung werde weitergehen. Für die Landwirtschaft wäre das vorteilhaft, so die Schlussfolgerung:

„Bis Ende des Jahrhunderts werden voraussichtlich 50 bis 85 Prozent Zentralsibiriens landwirtschaftlich nutzbar geworden sein … Im Zuge der Klimaerwärmung könnte sich die Produktion von Kulturpflanzen im Laufe des Jahrhunderts verdoppeln. Traditionelle Feldfrüchte wie Getreide, Kartoffeln, Silagemais könnten nach und nach bis zu 500 Kilometer nordwärts wandern (etwa 50 bis 70 Kilometer pro Jahrzehnt), und im Süden des Gebiets könnten neue Kulturen (Getreidemais, Aprikosen, Weintrauben, Kürbisse) eingeführt werden, abhängig vom künftigen Winterwetter und den Möglichkeiten zu künstlicher Bewässerung im trockeneren Klima von 2080. Die Landwirtschaft in Zentralsibirien wird wahrscheinlich durch die Klimaerwärmung begünstigt.“

In diesen – positiv wirkenden – Ergebnissen klingen aber auch schon zwei grundsätzliche wichtige Aspekte an, die sich mit der gesamten Forschung zum Thema decken: Zwar werden sich erstens im Zuge des Klimawandels wohl die Anbauflächen traditioneller landwirtschaftlicher Produkte temperaturbedingt polwärts ausdehnen, auf der Nordhalbkugel also nach Norden. Im Gegenzug wird es aber Richtung Äquator meist heißer, Niederschläge werden weniger und unregelmäßiger – beides wird  der Landwirtschaft dort Probleme bereiten. Zweitens ist unklar, wie gut die Ernten in den neu gewonnenen Gebieten ausfallen werden. Die Temperatur ist nämlich nur einer von vielen Faktoren, die über die mögliche landwirtschaftliche Nutzung von Böden entscheiden.

Neben der Erwärmung müssen also unbedingt auch andere Faktoren betrachtet werden – ein ganz wesentlicher ist beispielsweise die Bodenqualität. Auch hierzu sagt die Sibirien-Studie von Tchebakowa et al. etwas Wichtiges. Doch dazu später.

Wie beeinflusst der Klimawandel die Landwirtschaft?

Der Fünfte Sachstandsbericht des IPCC, der 2013/14 den aktuellen Stand der weltweiten Klimaforschung zusammengetragen hat,  befasst sich ausführlich mit den Folgen der Erderwärmung für die Landwirtschaft. Ein ganzes Kapitel (Kapitel 7 von Band II) ist diesem Thema gewidmet, außerdem zahlreiche Passagen in anderen Kapiteln, etwa jenen zu Klimafolgen in Europa, Afrika, Asien, Australien, Nordamerika sowie zu Zentral- und Südamerika.

Detailliert beschreibt der Bericht die Vielzahl der Auswirkungen, die der Klimawandel für den Ackerbau haben kann – und die bei einer seriösen Abschätzung der Klimafolgen zu berücksichtigen sind. Beispielsweise geht mit der Erderwärmung vielerorts ein Wassermangel einher, was für die Landwirtschaft bekanntlich ein großes Problem sein kann. Daneben gibt es eine ganze Reihe von physiologischen Folgen für Pflanzen: So führt ein Anstieg der Temperaturen in der Regel dazu, dass sich Reifezeiten verkürzen. Hohe Temperaturen während der Blütezeit können zu verkleinerten Fruchtansätzen führen. Die Wissenslücken sind hier nach Einschätzung des IPCC teilweise noch groß. Beispielsweise wurde in der Vergangenheit viel darüber geforscht, wie sich Kulturpflanzen bei Temperaturen verhalten, die unterhalb ihrer optimalen Entwicklungstemperatur liegen, also wenn es zu kühl ist. Doch was genau auf Äckern passiert, wenn die Temperaturen oberhalb des Optimums der jeweiligen Pflanzen liegen, ist häufig noch unklar.

Damit nicht genug. Neben den direkten Auswirkungen einer Erwärmung auf Pflanzen sind viele weitere Aspekte zu beachten. So wird der Klimawandel in etlichen Regionen dazu führen, dass Wetterextreme häufiger auftreten – und es ist klar, dass Dürren und Hitzewellen, Starkregengüsse und Hagelschauer schwerwiegende Folgen für die Landwirtschaft haben. Auch werden sich die Verbreitungsgebiete von Pflanzenkrankheiten oder Schadinsekten verändern. Häufig übersehen wird ebenso die pflanzenschädliche Wirkung von bodennahem Ozon, das zeitgleich mit dem Klimawandel ebenfalls zugenommen hat.

Andererseits hat die Erderwärmung bzw. dessen Ursache, also der höhere Gehalt von Kohlendioxid in der Atmosphäre, auch eine positive Folge: Er regt die Photosynthese an, Forscher sprechen hier vom „CO2-Düngeeffekt“. Dieser ist bei manchen Pflanzen (sogenannten C3-Pflanzen wie Weizen, Reis, Soja) stärker als bei anderen (sogenannten C4-Pflanzen wie Mais, Hirse oder Zuckerrohr). In der Praxis wird dieser Düngeeffekt allerdings durch Wassermangel oder Hitzeextreme begrenzt – Erscheinungen, wie sie just infolge des Klimawandels vielerorts erwartet werden.

Schon heute überwiegen die negativen Folgen

Erste Auswirkungen des Klimawandels für die Landwirtschaft sind schon heute spürbar (siehe Abbildung 1). In Schottland beispielsweise trug die Erderwärmung in den vergangenen Jahrzehnten zu höheren Erträgen beim Kartoffelanbau bei (Gregory/Marshall 2012). An vielen anderen Orten aber sind die Folgen negativ. Weltweit sind laut einer vielzitierten Untersuchung (Lobell et al. 2011) wegen des Klimawandels seit 1980 die Ernten bei Mais und Weizen um 3,8 bzw. 5,5 Prozent niedriger ausgefallen, als ohne Erwärmung zu erwarten gewesen wäre (bei Reis und Soja haben sich bisher Gewinne und Verluste global ungefähr ausgeglichen). Das Fazit dieser Studie lautete:

„Die Klimatrends [seit 1980] waren in einigen Ländern stark genug, um einen wesentlichen Teil der Erntezuwächse zunichte zu machen, die durch technologische Fortschritte, CO2-Düngeeffekten und andere Faktoren erreicht wurden.“

Im Klartext: Der Klimawandel hat in der Vergangenheit einen wesentlichen Teil jener Erntezuwächse aufgefressen, die durch technischen Fortschritt erreicht werden konnten, beispielsweise bessere Bewässerung. Daraus kann man schließen, dass künftig – also bei weiter fortschreitender Erderwärmung – selbst eine stabile Versorgung (geschweige denn Verbesserungen) permanente technische Weiterentwicklungen erfordern.

Welche regionen profitieren vom klimawandel

Abbildung 1: IPCC-Übersicht zu Studien, in denen die Folgen des Klimawandels auf die durchschnittlichen Ernten untersucht wurden, dargestellt sind prozentuale Veränderungen der Erträge pro Jahrzehnt (eine beispielsweise zehnprozentige Veränderung über fünfzig Jahre würde also als Veränderung von zwei Prozent gezeigt). Bereits für die Vergangenheit (Balken ganz links) wurden in der weltweiten Gesamtbilanz Einbußen errechnet, „n=56“ gibt die Zahl der erfassten Schätzungen für diesen Bereich an (wobei einzelne Studien mehrere Schätzungen enthalten können). Die vier rechten Balken zeigen Projektionen für die Zukunft. Egal ob Anpassungsmaßnahmen ergriffen werden („with adaptation“) oder nicht („no adaptation“), ist auch künftig meist mit Ernteverlusten zu rechnen, wobei es natürlich immer auch zu leichten Erntezuwächsen kommen kann (Abschnitte der Balken, die nach oben über die Null-Linie ragen). Doch selbst mit Anpassungsmaßnahmen werden künftig sowohl für tropische Regionen (vierter Balken von rechts) als auch für gemäßigte Breiten (zweiter Balken von rechts) insgesamt Ernteverluste erwartet. Der schwarze Strich im jeweiligen Balken markiert den Mittelwert aller ausgewerteten Studien. Die gestrichelte Linie am oberen Rand der Grafik zeigt an, um welchen Wert (14 Prozent) die weltweiten Ernten bis 2050 pro Dekade nach Berechnungen der Welternährungsorganisation FAO eigentlich zunehmen müssten, um die steigende Nachfrage zu decken; Quelle: IPCC 2014, AR5, WG2, Kap.7, Abb.7 (Ausschnitt)

Noch deutlicher sind bereits die Folgen erhöhter Ozon-Werte. Ohne diese menschengemachte Atmosphärenveränderung lägen die globalen Erträge für Weizen und Soja heute um rund zehn Prozent und für Mais und Reis um rund fünf Prozent höher (van Dingenen et al. 2009).

Besonders offensichtlich sind schon die Auswirkungen von Wetterextremen (Zwar lässt sich keines dieser Ereignisse ausschließlich auf den Klimawandel zurückführen. Doch insgesamt bringt der Klimawandel häufigere und stärkere Extremereignisse): So verursachte die Rekordhitze im Sommer 2003 in West- und Mitteleuropa einen Rückgang der Getreideproduktion um rund 20 Prozent (Ciais et al. 2005), und die Hitzewelle in Russland 2010 ließ die Getreideernten um ein Viertel einbrechen (Otto et al. 2012).

Welche Folgen sind für Landwirtschaft künftig zu erwarten?

In einigen Gegenden, das steht außer Frage, wird die Landwirtschaft vom Klimawandel profitieren – jedenfalls wenn er nicht allzu stark ausfällt. Neben Sibirien nennt der Fünfte IPCC-Sachstandsbericht auch andere hoch im Norden liegende Regionen, etwa Skandinavien oder Kanada sowie auf der Südhalbkugel beispielsweise Argentinien, Uruguay oder Süd-Brasilien.

Doch wie sieht das Gesamtbild der künftigen Entwicklung aus?

Das ist erstens von einer starken Zunahme des weltweiten Nahrungsmittelbedarfs geprägt, Gründe sind vor allem die weiter wachsende Weltbevölkerung und ein vermehrter Konsum von Fleisch (FAO 2012). Zweitens herrschen bereits heute in etlichen Weltgegenden, vor allem in den Entwicklungsländern, Hunger und Unterernährung – oder fachsprachlich formuliert „Ernährungsunsicherheit“ (engl.: „food insecurity“). Diese Länder liegen überwiegend in den Tropen. Und auch in diesen bereits heute heißen Gegenden wird der Klimawandel zu einer weiteren Erwärmung führen. Zugleich haben die Entwicklungsländer die geringsten Ressourcen, sich und ihre Landwirtschaft auf ein änderndes Klima einzustellen. Bereits heute ist die Ernährungsunsicherheit am größten im südlichen Afrika und in Südasien, vermerkt der Fünfte IPCC-Sachstandsbericht (Band II, Kapitel 7.1.2):

„Die Lebensmittelversorgung in Entwicklungsländern basiert stark auf klima-abhängiger Landwirtschaft [beispielsweise solcher ohne künstliche Bewässerung]. Insbesondere in Verbindung mit Armut und Bevölkerungswachstum sind diese Staaten verwundbar durch den Klimawandel.“

Man darf man also keinesfalls nur auf die Gewinnersregionen des Klimawandels blicken, sondern muss auch die Verlierergegenden betrachten. Studien zufolge werden dazu vor allem Afrika und (Süd-)Asien zählen (Lobell et al. 2008), die in den folgenden Absätzen genauer behandelt werden sollen. Weltweit müsse bis 2050, so eine Studie im Medizin-Journal The Lancet, durch die verschlechterte Nahrungsmittelversorgung infolge des Klimawandels mit rund 500.000 zusätzlichen Todesfällen gerechnet werden (Springmann et al. 2016).

Afrika

Zahlreiche Studien haben unabhängig voneinander ergeben, dass in Afrika infolge der Erderwärmung mit drastischen Ernteeinbußen zu rechnen ist. Schlenker/Lobell 2010 zum Beispiel bezifferten die Verluste in den Regionen südlich der Sahara bis Mitte des Jahrhunderts etwa für Mais auf 22 Prozent und für Hirse auf 17 Prozent. Thornton et al. 2011 erwarten beim Anstieg der Erdmitteltemperatur um rund 4 Grad Celsius (dieser Wert ist wahrscheinlich, wenn der Treibhausgasausstoß weiterhin wächst wie bisher) durchschnittliche Ernteeinbußen bei Bohnen von 47 Prozent und bei Mais von 19 Prozent. Zudem dürfte der Klimawandel die jährlichen Schwankungen zwischen den Ernten verstärken (selbst bei moderaten Durchschnittswerten für Ertragseinbußen ist daher mit miserablen Einzeljahren zu rechnen); hierdurch wird es für landwirtschaftliche Betriebe besonders schwierig, von einem Jahr ins nächste zu überleben. Für die Nahrungsmittelsicherheit kann das schwerwiegende Folgen haben.

Überblicksstudien, in denen die Resultate solcher Einzeluntersuchungen zusammengetragen wurden, zeigen eine große Übereinstimmung bei den Ergebnissen. Laut Roudier et al. 2011 lag der Mittelwert der Schätzungen für Westafrika bei Ernteverlusten von rund elf Prozent. Zinyengere et al. 2013 fanden bei der Auswertung von 19 Studien für das südliche Afrika einen Mittelwert beispielsweise beim Maisanbau von minus 18 Prozent bis Mitte des Jahrhunderts.

Das Fazit des IPCC ist denn auch eindeutig (Band II, Kapitel 22.3.4.1):

„Der Klimawandel wird sehr wahrscheinlich [also mit mehr als 95prozentiger Sicherheit] einen insgesamt negativen Effekt auf die Ernten der Hauptnahrungspflanzen in ganz Afrika haben, wobei die Unterschiede im Ausmaß der Ertragseinbußen stark sind.“

Asien

Etwas weniger negativ fallen die Befunde für Asien aus. Auch dort erwartet die Forschung vielerorts deutliche Einbußen. Allerdings gibt es in Asien auch mehr Regionen als in Afrika, in denen die Landwirtschaft vom Klimawandel profitieren dürfte. In Pakistan beispielsweise wird in manchen Gegenden mit schlechteren, in anderen mit besseren Weizenernten gerechnet (Hussain/Mudasser 2007), dies hängt vor allem von der Verschiebung der Regenfälle ab und weniger von den Temperaturen. Auch in China ist das Bild gemischt, dort werden selbst für ein und dieselbe Regionen sowohl positive wie auch negative Wirkungen erwartet. Im Nordchinesischen Tiefland beispielsweise könnten die Maisernten um rund 25 Prozent bis 2080 sinken (Tao et al. 2009), die Erträge an Winterweizen jedoch gleichzeitig um mehr als 80 Prozent zunehmen (Tao/Zhang 2013). Nahe beieinander liegen Gewinner und Verlierer auch in Zentralasien, wie der Fünfte IPCC-Sachstandsbericht ausführt (Band II, Kapitel 24.4.4.3):

„Einige Teile der Region könnten gewinnen (die Getreideproduktion im nördlichen und östlichen Kasachstan könnte von längeren Wachstumsjahreszeiten, wärmeren Wintern und einem leichten Anstieg der Winterniederschläge profitieren), während andere Verlierer sein könnten (besonders West-Turkmenistan und Usbekistan, wo häufige Dürren den Baumwollanbau negativ beeinflussen, die ohnehin extrem hohe Nachfrage nach Wasser für die künstliche Bewässerung verstärken und die ohnehin bestehende Wasserkrise und menschengemachte Wüstenausbreitung verschärfen könnten).“

Doch ausgerechnet in Gegenden in Asien, die sehr wichtig sind für die Produktion von Grundnahrungsmitteln wie Reis, ist mit negativen Klimafolgen für die Landwirtschaft zu rechnen (Wassmann et al. 2009) – dies gilt beispielsweise für die Mega-Deltas in Vietnam, Bangladesh und Myanmar (die vom Meeresspiegelanstieg bedroht sind) oder die Gangesebene in Nordindien (die vom Abschmelzen der Himalaya-Gletscher betroffen sein wird). Diese Studie identifizierte auch etliche Reisanbaugebiete, in denen schon kleinere Temperaturanstiege schwerwiegende Folgen haben können, weil sie schon heute am Limit des verträglichen Hitzestresses sind – das heißt, dass dort bereits heute die Pflanzen insbesondere während empfindlicher Wachstumsphasen mit kritischen Temperaturen konfrontiert sind. Auch die Hälfte der Weizenanbaugebiete in der indischen Gangesebene, warnt der IPCC, könnte bis 2050 unter erheblichem Hitzestress leiden. Hitzewellen können gerade während der Blütezeit von Ackerpflanzen schwere Ernteeinbußen nach sich ziehen (Deryng et al. 2014, Teixeira et al. 2013).

Als einen künftigen Brennpunkt nennen Forscher Süd-Asien, weil die Region als ähnlich verwundbar für den Klimawandel gilt wie Afrika und dort ebenfalls viele Menschen leben, die bereits heute unter Ernährungsunsicherheit leiden (Schlenker et al. 2008). Eine Überblicksstudie für Süd-Asien, die 114 verschiedene Modellrechnungen unterschiedlicher Forscherteams auswertete, ergab für Mais einen Mittelwert an erwarteten Ernteeinbußen bis 2050 von 16 Prozent und für Sorghumhirsen von elf Prozent, bei Reis glichen sich Gewinne und Verluste etwa aus (Knox et al. 2012).

Warum passt sich die Landwirtschaft nicht dem veränderten Klima an?

Durch Anpassungsmaßnahmen können in allen Wirtschafts- und Lebensbereichen die Folgen des Klimawandels gemildert werden, so auch in der Landwirtschaft. Beispielsweise lassen sich Anbaumethoden und Aussaatzeiten verändern. Eine der wichtigsten Maßnahmen ist der Wechsel zu oder die Entwicklung von Pflanzensorten, die besser auf veränderte Klimabedingungen eingestellt sind. Doch gibt es beim Temperaturanstieg Grenzen, bis zu denen eine Anpassung von Pflanzen überhaupt möglich ist. Und gegen das häufigere Auftreten von Extremwetterereignissen wie Stürme, Dürren oder Fluten sind Anpassungsmaßnahmen von Landwirten sowieso nur begrenzt hilfreich.

Der IPCC schreibt in seinem Fünften Sachstandsbericht zu diesem Thema (Band II, Kapitel 7, Executive Summary):

„Im Durchschnitt verbessert ein angepasster Ackerbau die Ernsten um einen Betrag, der etwa 15 bis 18 Prozent der heutigen Ernten entspricht. Allerdings ist der Effekt hochvariabel - die Spanne reicht von möglicherweise negativ über vernachlässigbar bis hin zu sehr substanziell positiv. Der erwartete Nutzen von Anpassungsmaßnahmen ist in gemäßigten Breiten größer als in den Tropen.“

Bis zu einem Anstieg von rund zwei Grad Celsius (Dabei ist nicht die Erdmitteltemperatur gemeint, sondern die jeweils lokale Temperatur!) sieht der IPCC gute Möglichkeiten, dass sich die Landwirtschaft anpassen könnte. Gerade in den ärmsten Regionen der Welt jedoch, wo Anpassungsmaßnahmen am nötigsten sein werden, fehlt es sowohl den Regierungen als auch den einzelne Bauern an Ressourcen dafür (Hertel/Lobell 2008).

Bei örtlichen Temperaturanstiegen von vier Grad Celsius hingegen könnten Anpassungsmaßnahmen die Ernteeinbußen vielerorts kaum noch ausgleichen. Solche Erwärmungsraten nennt der IPCC deshalb „sehr signifikante Risiken und Herausforderungen für die Ernährungssicherheit“. Doch werden derartige Temperaturanstiege in den kommenden Jahrzehnten zunehmend sicher eintreten – denn vier Grad Celsius lokale Erwärmung können bereits erreicht werden, wenn der weltweite Erwärmungsdurchschnitt noch weit darunter liegt.

Je weiter das Jahrhundert fortschreitet, desto negativer fallen folglich die Aussichten des IPCC aus (Band II, Kapitel 7.4.1):

„Ab den 2030er Jahren ist es wahrscheinlich [d.h. in der Terminologie des IPCC: 66- bis 100-prozentig sicher], dass es [in der weltweiten Gesamtbetrachtung] Ernteverluste gibt. Ab den 2050er Jahren wird es ebenso wahrscheinlich wie nicht [d.h. 33- bis 66-prozentig sicher], dass die Einbußen mehr als fünf Prozent betragen. Ab den 2080er Jahren ist es sehr wahrscheinlich [d.h. 90- bis 100-prozentig sicher], dass in den Tropen Ernteverluste zu verzeichnen sind – und zwar unabhängig von Anpassungsmaßnahmen.“

Welche regionen profitieren vom klimawandel

Abbildung 2: IPCC-Übersicht zu Studien, in denen die Folgen des Klimawandels auf die Ernten in zahlreichen Regionen (tropisch und gemäßigt), für verschiedene Emissionsszenarien sowie für den Fall erfolgter wie auch nicht erfolgter Anpassungsmaßnahmen untersucht wurden. Dargestellt sind die erwarteten Veränderungen der Erträge für kommende Zwanzigjahresperioden. Für den Zeitraum 2010 bis 2029 (Balken ganz links) halten sich projizierte Erntezuwächse (blaue Farbtöne) und Ernteverluste (Orangetöne) noch fast die Waage. Zum Ende des Jahrhunderts (Balken ganz rechts) polarisiert sich mit fortschreitendem Klimawandel das Bild. Leichte Veränderungen (helle Farbtöne) sind nun verschwunden, einige Studien für bestimmte Gegenden ergeben weiterhin Erntezuwächse (blaue Töne), aber die weit überwiegende Zahl der Einzelstudien rechnet mit – teils dramatischen – Ertragseinbußen (Orangetöne). Für Erwärmungsszenarien von vier Grad Celsius oder mehr lagen relativ wenige Schätzungen vor; Quelle: IPCC 2014, AR5, WG2, Kap.7, Abb.5

Und wie sehr profitieren die Gewinner des Klimawandels wirklich?

Zum Schluss noch ein genauerer Blick auf jene Regionen, in denen die Erderwärmung in absehbarer Zeit zu besseren Ernten führen wird. Solche Gegenden gibt es auch in Europa, wobei die Gesamtbilanz des Kontinents gemischt ist. Während für Südeuropa infolge zunehmender Trockenheit Ernteeinbußen von bis zu 25 Prozent bis 2080 erwartet werden, dürften die Verluste in West- und Mitteleuropa geringer ausfallen (Ciscar et al. 2011) und in Skandinavien sogar positive Auswirkungen zu spüren sein (Bindi/Olesen 2010). Beispielsweise spekulieren Forscher, dass bis Ende des Jahrhunderts in Finnland der heute dort undenkbare Anbau von Silagemais möglich werden könnte (Peltonen-Sainio et al. 2009).

Doch was eine Erwärmung im hohen Norden und eine Ausweitung der Ackerflächen wirklich für die Ernteerträge bedeutet, ist schwer zu kalkulieren. Denn die Temperatur ist – wie oben bereits geschildert – nur ein Faktor für das Pflanzenwachstum. Studien in Finnland etwa haben gezeigt, dass die bereits aufgetretene Erwärmung nicht zu einer Verbesserung, sondern im Gegenteil sogar zu einer Verschlechterung der Ernten führte – weil es zugleich auch trockener wurde (Peltonen-Sainio et al. 2010). Außerdem dürften steigende Temperaturen dazu führen, dass sich zuvor nicht gekannte Pflanzenkrankheiten und Schadinsekten ausbreiten (Hakala et al. 2011).    

Der IPCC warnt deshalb vor übereilten und überzogenen Erwartungen in den klimatisch begünstigten Gegenden. In der Praxis würden sich höhere Ernten nur einstellen, wenn „passende Pflanzensorten verfügbar sowie die Bodenqualität und andere Bedingungen tauglich sind“ (Band II, Kapitel 7.5.1.1.1):

"Dies mag vor allem in Russland, Kanada und den skandinavischen Ländern eintreten, wobei das Potenzial geringer sein könnte als frühere Analysen ergaben – der Grund sind zunehmende Wetterextreme, Wasserknappheit und verschiedene institutionelle Hindernisse. In vielen dieser Fälle dürften Erweiterungen der Anbauflächen nach Norden lediglich ausgleichen, was durch die Verkleinerung der Anbauflächen im Süden, knappere Regenfälle und höhere Temperaturen verloren geht."

Aus exakt diesen Gründen wird auch die Ausweitung des Ackerbaus auf Sibirien unterm Strich wohl nicht einmal in Russland Nutzen bringen, geschweige denn im Weltmaßstab. Bei genauer Betrachtung zeigt sich nämlich, dass die infolge der Erderwärmung neu erschließbaren Flächen im hohen Norden eine eher geringe Bodenqualität aufweisen (Kiselev et al. 2013). Auch die eingangs zitierte Studie von Tchebakova et al. verweist ausdrücklich darauf, dass die Bodenqualität der „limitierende Faktor“ beim Zuwachs an Ackerflächen in Sibirien sein werde. Im Gegenzug aber wird als Folge des Klimawandels just für Regionen zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer, die bisherige „Kornkammer“ Russlands, zunehmende Trockenheit erwartet (Dronin/Kirilenko 2008).

"Für das 21. Jahrhundert zeigt unsere eigene Studie genauso wie andere, dass das Risiko schwerer Dürren in der Zone mit den fruchtbarsten Böden zunimmt. Im Klima von heute, treten sie nur in einem relativ kleinen Gebiet im Unteren Wolgabecken häufig auf. In Zukunft wird sich das Gebiet häufiger, schwerer Dürren wahrscheinlich auf einen beträchtlichen Teil im Süden des europäischen Teils Russlands ausdehnen",

warnen Dronin/Kirilenko 2011). In der Zusammenfassung ihrer Studie konstatieren sie, dass es ja die Ansicht geben mag, die Erderwärmung sei vorteilhaft für die russische Landwirtschaft. Ihr kühles Fazit jedoch lautet: Es sei „unwahrscheinlich, dass diese Ansicht Bestand hat“.

klimafakten.de/Stand: Juli 2014;zuletzt aktualisiert: März 2016