Welche handynetze haben den besten empfang

Ende 2019 offenbarte der COMPUTER BILD-Mobilfunktest überlastete Handynetze. Haben die Betreiber aus der Blamage gelernt? Das zeigen die Ergebnisse unseres großen Netztests 2020/2021.

Die Netze werden langsamer! Mit diesem schockierenden Ergebnis in Ausgabe 25/2019 entzog COMPUTER BILD dem Gefühl der Selbstzufriedenheit mancher Mobilfunkanbieter die Grundlage – und mahnte: "Auf die Provider wartet noch viel Arbeit!" Jetzt, ein Jahr später, fragt COMPUTER BILD erneut: Wie gut sind Deutschlands Mobilfunknetze wirklich? Der neue Netztest liefert umfangreiche Antworten.

Die Ergebnisse des Netztest 2021/2022 lesen Sie in einem gesonderten Artikel.

» Telekom-Mobilfunknetz im Test

» Vodafone-Mobilfunknetz im Test

» O2-Mobilfunknetz im Test

Seit dem letzten Netztest Ende 2019 hat sich einiges getan: Auch unter dem Druck behördlicher Auflagen, die allen Providern Anfang 2019 das Nichterreichen der Versorgungsauflagen bescheinigte und mit Strafen drohte, hätten die Anbieter im Laufe des Jahres 2020 ihre LTE-Netze nicht ausgebaut. Die Ergebnisse machen Mut: Die Netze werden wieder schneller, vor allem in kleineren Städten. Hier steigerte Vodafone das Tempo um mehr als 50 Prozent – der mittlere Tempowert erreichte jetzt 28,1 statt wie zuvor 18,3 Megabit pro Sekunde (Mbps). O2 legte im Schnitt um gut ein Drittel von 18,1 auf 24,2 Mbps zu. Der Anbieter steigerte zudem vor allem in den Großstädten das sehr magere Tempo des Vorjahres von 23 Mbps auf immerhin 28,9 Mbps – eine gute Nachricht für O2-Kunden. Temposieger Telekom war in Großstädten aber mit durchschnittlich 56,3 Mbps fast doppelt so schnell. Auch in Kleinstädten schlug die Telekom mit 42,7 Mpbs die Konkurrenz klar.

2019 vs. 2020: Sowohl LTE-Tempo als auch LTE-Versorgung auf dem Land zeigen sich 2020 verbessert – nur O2 schwächelt etwas beim Tempovergleich.

Fest steht also: Die Trendwende ist geschafft, die deutschen Mobilfunknetze werden wieder besser. Dennoch gibt es weiter dramatische Tempo-Unterschiede zwischen den Netzen: Die Telekom eilt in kleinen wie großen Städten der Konkurrenz beim Tempo davon. Allerdings sind die Tempozuwächse ausgerechnet auf dem Land eher bescheiden, bei O2 ging die Geschwindigkeit sogar etwas zurück. Immerhin liegen drei Viertel der Nutzer auch auf dem Land oberhalb der kritischen Grenze von 10 Mbps, mit der sich etwa Videos bei YouTube mit guter Qualität übertragen lassen. Für die unteren 10 Prozent der Nutzer sieht es dagegen schlechter aus: Der Test zeigt, dass hier in allen Netzen jeder zehnte Nutzer nur wenige Megabit erreicht. Viele Smartphone-Apps funktionieren so nicht mehr oder nur mit viel Frust. Das eigentlich schon für Ende 2019 als bundesweites Minimalziel angepeilte Tempo von mindestens 50 Mbps erreichte unter den praxisgerechten Messbedingun­gen im Test nur eine Minderheit. Positive Ausnahme: Telekom-Kunden in Großstädten.

Spätestens bis Ende 2022 müs­sen die Anbieter also noch ordentlich nachlegen. Denn dann schreiben die Behörden vor, dass in den Netzen von Telekom, Vodafone und Telefónica (O2) 98 Prozent der Haushalte pro Bundesland sowie auf Autobahnen, wichtigen Bundesstraßen und Zugstrecken mindestens ein Tempo von 100 Mbps erreichen sollen.

LTE-Download-Tempo 2020: Während auf dem Land providerunabhängig im Mittel rund 20 Mbps ankommen, saust die Telekom in Großstädten mit hohem Tempo davon.

Geschwindigkeit ist ein unerreichbarer Luxus, wenn noch nicht mal ein passables LTE-Signal zu empfangen ist. Dieses Problem haben vor allem Nutzer auf dem Land und viele, die ihr Handy innerhalb von Gebäuden nutzen. Anfang des Jahres stellte die Bundesnetzagentur fest, dass keiner der drei großen Netzbetreiber die Vorgaben zum LTE-Ausbau einhielt, und verlängerte die Frist bis Ende 2020. Tatsächlich hat sich die LTE-Abdeckung vor allem für Kunden von O2 verbessert. So hatten die Tester im O2-Netz in ländlichen Regionen in diesem Jahr zu 81,6 Prozent LTE-Empfang – ein großer Sprung gegenüber miserablen 57,9 Pro­zent im Vorjahr. In Großstädten hatten O2-Nutzer im Test sogar häufiger LTE-Empfang als die Nutzer von Telekom und Vodafone – allerdings mit deutlich weniger Tempo.

LTE-Upload-Tempo 2020: Wer E-Mails mit Anhang oder Fotos in einem Chat verschickt, braucht hohes Upload-Tempo. Auf dem Land kommen alle Anbieter auf rund 10 Mbps, in der Stadt schafft die Telekom das Doppelte, und O2 steigert die Datenrate deutlich auf 14,6 Mbps.

Anders sehen die Werte jedoch aus, wenn man die Flächenabdeckung betrachtet und dabei anders als die Bundesnetzagentur den Empfang an allen Orten berücksichtigt, in denen sich Smartphone-Nutzer aufhalten – also auch im Büro, in Arbeitshallen oder Wohnungen. Um realistische Werte für die Orte zu erhalten, in denen sich die Netztest-Nutzer aufhalten, hat COMPUTER BILD Deutschland in kleine Quadrate von je einem Quadratkilometer unterteilt. Aus allen Messungen wurde danach der durchschnittlich gemessene LTE-Empfang je Quadrat ermittelt. Ergebnis: Bei Vodafone und Telekom ist der Grundempfang mit LTE für Bewohner ländlicher Regionen fast so gut wie in der Stadt, wenn auch langsamer. O2 hat dagegen in ländlichen Regionen weiterhin große Probleme mit der Flächenabdeckung, denn die erreicht hier nur 66 Prozent. Die interaktive LTE-Abdeckungskarte zeigt zumindest in einem groben Raster den entsprechenden Ausbau in Deutschland.

Erstmals seit 2014 wertet COMPUTER BILD UMTS- und LTE-Performance nicht separat aus. Der Grund: Die Telekom hatte das Ende von UTMS schon 2017 angekündigt, ernst wird es – wie bei der UMTS-Abschaltung bei Vodafone – am 30. Juni 2021, die UMTS-Abschaltung bei O2 wird Ende 2021 abgeschlossen. Reine UMTS-Handys können danach noch über 2G telefonieren oder über das schneckenlangsame Edge Daten übertragen. Die nach der Abschaltung freien UMTS-Frequenzen werden dem LTE- oder 5G-Netz zugeschlagen und verbessern dort das Netz. Apropos 5G: So viel Medien und Technikwelt auch über 5G reden – bei der Masse der Nutzer ist die neue Technik längst nicht angekommen. Die Zahl der bislang verfügbaren Messergebnisse erlaubt noch keine genauere Aussage über 5G-Tempo und -Abdeckung. Fest steht bislang nur, dass die Tempowerte bei 5G arg schwanken und je nach Ort und Netz sogar kaum schneller als LTE ausfallen. Hintergründe sind neben Tarifen und Geräten auch die unterschiedlichen Frequenzen und Frequenzbandbreiten, speziell beim 5G-Ausbau auf dem Land. Klar ist aber auch: Die Telekom gewinnt nicht nur den COMPUTER BILD-Netztest 2020/2021, sondern hat es als einziger Betreiber geschafft, noch 2020 ein nennenswert verfügbares 5G-Netz auszubauen. Bei den neuen Telekom MagentaMobil-Tarifen ist 5G bereits inklusive.

COMPUTER BILD hat LTE-Tempo und -Abdeckung in deutschen Großstädten verglichen. Je nach Ort gibt es Unterschiede: Die Telekom ist fast überall die beste Wahl. In Düsseldorf, Münster, Frankfurt und Bremen aber ist Vodafone schneller. Und in Stuttgart und Nürnberg surft man mit O2 am schnellsten.

Vor einem Jahr gab es noch massenhaft Prügel für die deutschen Provider: COMPUTER BILD konstatierte Tempo-Einbrüche, die Bundesnetzagentur drohte mit Strafen. Doch zum Jahreswechsel 2020/2021 scheint es, als hätten die Provider die Kurve gekriegt: Neun Jahre nach Einführung zeigen die LTE-Netze auch abseits der Metropolen passable Leistungen. Die Telekom ist der Konkurrenz vor allem beim LTE-Tempo in Städten weit voraus, bei der LTE-Versorgung auf dem Land hat Vodafone aufgeholt. Gerade hier offenbart der Test Lücken: Auf dem Land etwa versorgt O2 wenig bewohnte Gebiete nur mangelhaft, auch entlang der Bahnstrecken herrscht noch an vielen Stellen Funkstille. Und: Der Boom von Videodiensten sowie der Stotterstart von 5G stellen Smartphone-Nutzer und Netzbetreiber 2021 vor neue Herausforderungen.

COMPUTER BILD misst die Mobilfunkleistung dort, wo sie jeder Kunde wirklich erlebt: auf seinem Smartphone und mit echten Mobilfunktarifen – auch abseits der Autobahnen oder großer Städte. Im Testzeitraum von Januar bis Ende Oktober 2020 haben 48.524 Leser und Nutzer mit der kosten­losen COMPUTER BILD-Netztest-App ihr Netz gemessen. Insgesamt kam so ein Testzeitraum von 2.820 Jahren mit 162.817 aktiv durchgeführten Speedtests zusammen. Die Netzverfügbarkeit je Zeit und Ort wurde unabhängig davon anonymisiert im Hintergrund ermittelt. Gemessen wird die Mobilfunk-Leistung dort, wo sie jeder Kunde wirklich erlebt: auf seinem Smartphone und mit echten Mobilfunktarifen. Die Ergebnisse unterscheiden sich so teils deutlich von anderen Untersuchungen, für die ein paar Ingenieure mit Spezial-Elektronik über ausgewählte Straßen fahren. COMPUTER BILD dagegen testet überall dort, wo sich Nutzer aufhalten – auch abseits der Autobahnen oder großer Städte. Erst mit ihrer Hilfe kann COMPUTER BILD die Schwächen der Handynetze aufdecken. Hinzu kommt: Bei normalen arithmetischen Durchschnittsberechnungen für Messungen mit moderner LTE-Technik ergeben sich oft wenig praxisgerechte Mittelwerte. Denn hier kann ein einziger Rekord-Messwert die Durchschnittszahl extrem nach oben katapultieren, obwohl die Masse der Nutzer weitaus schlechtere Tempo-Werte erlebt. Hier hilft der statistische Durchschnitt des Median, auch Zentralwert genannt: Er berücksichtigt die Verteilung der Tempowerte über die Masse stärker, beschreibt den Tempowert, den die Hälfte der Tests erreicht.

Hinweis: Die Vorjahres-Ergebnisse lesen Sie hier: Netztest 2019/2020

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