Welche Haie gibt es in Venedig?

Die Ausreise aus Kroatien verlief problemlos. Zum letzten Mal in kroatischen Gewässern lösen wir die Leinen. Wir fahren aus der Bucht von Novigrad, der Wind kommt von Steuerbord, Nordwind. Wir setzen erst das Großsegel, danach die Genua. Am frühen Morgen des 4. Oktobers scheint auch der Wind noch nicht ganz wach zu sein, und so fahren wir mit gemütlichen 4,5 Knoten Richtung Westen. Unser Ziel ist Venedig. Seit einigen Wochen ist klar, dass wir das Boot für den Winter in der Nähe von Lignano an Land stellen werden. Wir entscheiden uns jedoch dazu, einen Umweg in Kauf zu nehmen, um einmal mit dem eigenen Boot nach Venedig zu fahren. Wie die meisten Touristen kennen auch wir den Zugang zur Stadt nur über die lange Brücke vom Festland. Wir haben uns also entschieden, einige Tage in Venedig zu bleiben, bevor wir unser Winterlager erreichen und unsere Reise damit beenden.

Im Rücken den Sonnenaufgang hinter Novigrad - Servus Kroatien

Es ist früher Mittag und wir kommen gut voran. Der Wind hat weiter auf Nord-Ost gedreht und bald bläst uns der raume Wind nach Italien. Unter Vollzeug erreichen wir bei 20 Knoten Wind 7 Knoten Geschwindigkeit und so ist bald klar, dass wir am späten Nachmittag oder frühen Abend Venedig erreichen werden. Um uns herum ist nichts als Wasser. Lediglich auf der Hälfte der Etappe erblicken wir einige Fischerboote. Ob sie unter kroatischer oder italienischer Flagge fahren, können wir nicht erkennen.

Als ich in unser Kielwasser blicke, sehe ich einen dunklen Schatten auf unser Boot zuschießen. Kurz darauf dreht das Objekt nach Steuerbord ab und ist verschwunden. Habe ich mir das gerade eingebildet? Ich schaue erneut achteraus und da ist es wieder. Direkt im Kielwasser folgt uns ein Lebewesen. Ich rufe Sandra und zu zweit versuchen wir zu erkennen, um was es sich handelt. Zuerst denken wir natürlich an einen Delphin, denn von diesen Tieren haben wir auf unserer Reise schon viele gesehen. Aber irgendwas stimmt nicht. Das Lebewesen taucht zum Luft holen nicht auf. Und auch die Schwanzflosse bewegt sich seitlich und nicht wie bei einem Delphin auf und ab. Außerdem schwimmt es immer im Kielwasser und spielt nicht, wie es Delphine machen, mit der Bugwelle. Das Tier hat etwas von einem Tunfisch. Der Rücken glänzt und man kann dunklere Streifen erkennen. Als es dann immer öfter bis ganz nah an unsere Bordwand kommt, können wir es endlich richtig erkennen. Es ist ein Hai! Das ca. 2,5 Meter lange Tier verfolgt uns die nächsten drei Stunden bis wir schon das flache Lagunenwasser erreicht haben. Ein letztes Mal können wir es entdecken, bevor es wieder abdreht und in der Adria verschwindet. Die Begegnung lässt uns keine Ruhe und wir recherchieren dazu im Internet. Es stellt sich raus, dass auch bei uns in Europa der Weiße Hai beheimatet ist. Auch das Verhalten, einem Boot über eine lange Strecke zu folgen, wurde schon öfter beobachtet. In den letzten 150 Jahren kamen 11 Menschen in der Adria durch Haiangriffe zu Tode. Gut, dass die Badesaison für uns beendet ist!

Wir genießen unseren letzten guten Segeltag

Unser Begleiter auf der Fahrt nach Venedig - Ein weißer Hai

Nach dem aufregenden Zusammentreffen mit unserem Begleiter erreichen wir die Einfahrt zur Lagune von Venedig. Die großen Wellenbrecher kann man schon früh erkennen und auch die Fahrrinne ist schnell ausgemacht. Je näher man der Stadt kommt, desto aufgewühlter wird das Wasser. Wir fühlen uns wie in Budapast auf der Donau. Um uns herum sind große Autofähren, kleine Passagierfähren, Wassertaxen und Privatboote. Jetzt fehlt nur noch ein Kreuzfahrtschiff und wir hätten Stau. Wir können den Markusturm schon erblicken. Links von uns befindet sich die Insel Lido, rechts Le Vignole. Unser Liegeplatz befindet sich im Südosten in der Marina Sant’Elena. Das Navigieren wird nochmal spannend. Langsam tasten wir uns auf die rechte Seite des Kanals, immer die anderen Boote im Blick. Dann noch ein paar Meter und wir sind im ruhigen Hafenbecken der Marina. Ein Marinero im Schlauchboot führt uns zu unserem Liegeplatz und dann sind wir auch schon in Italien - geschafft. Wir kümmern uns noch kurz um den Papierkram im Marinabüro und um Wasser und Strom und schlendern anschließend direkt Richtung Innenstadt.

Die nächsten Tage verbringen wir in der Stadt, schauen uns die Sehenswürdigkeiten an, verirren uns auch in die abgelegenen Ecken der Stadt und laufen mit einer Free-Walking Tour durch die Gassen. Es ist noch ungewöhnlich viel Los dafür, dass es Anfang Oktober ist. Die bekannten Orte wie der Markusplatz oder die Rialtobrücke sind ständig von Menschenmassen verstopft. Man hat den Eindruck, dass die Stadt aus allen Nähten platzt. Laut unserem Guide gab es einen Tag dieses Jahr an dem 22 Kreuzfahrtschiffe an der Pier lagen. Was das für Venedig bedeutet ist überall zu sehen. Verstropfte Straßen, übertriebene Preise, schlechte Qualität in vielen Restaurants und Hinweisschilder für jede erdenkliche Situation. Hinsitzen nicht erlaubt, Stehenbleiben nicht erlaubt, Essen nicht erlaubt, Taubenfüttern nicht erlaubt und so weiter. Trotz des Trubels genießen wir die letzten Tage unserer Reise in Venedig. Wenn wir genug vom Sightseeing haben kehren wir einfach wieder auf unser eigenes, schwimmendes Zuhause zurück.

In der Gegend um die Marina verirrt sich fast kein Tourist

Dadurch, dass unser Winterlager so nah an München ist, lassen es sich Sandras Eltern nicht nehmen und holen uns und unser ganzes Gepäck aus Italien ab. Wir treffen uns für einen Tag in Venedig und fahren mit unserem Boot am Markusplatz vorbei bis kurz vor die riesige Pier der Kreuzfahrtschiffe. Auch hier brodelt das Wasser wieder. Wir sind immer wieder erstaunt, wie unterschiedlich sich eine Stadt vom Wasser aus zeigt. In den letzten Monaten haben wir alle neuen Orte vom Wasser aus erreicht und auch hier auf dem Canale di San Marco zeigt sich die Stadt wieder mit einem neuen Gesicht. Nach der Erkundungstour auf dem Wasser lassen wir den Abend gemütlich bei einem Abendessen ausklingen.

Mit dem eigenen Boot in der Lagune von Venedig

Und dann, am 9. Oktober, beginnt sie, die letzte Etappe unserer Reise. Wir fahren am Morgen aus unserer Box und auf den Kanal. Es sind noch wenige Boote unterwegs und so können wir die Ruhe der Lagune genießen als wir Venedig und etwas später auch die Wellenbrecher hinter uns lassen und Kurs Nordost fahren. Die Adria ist ruhig und das Wetter gut. Rechts sehen wir nichts als Wasser, irgendwo in der Ferne liegt Kroatien. Links fahren wir an den Touristenhochburgen, wie Lido Di Jesolo, Caorle und Bibione vorbei. Die riesigen Hotelburgen sind schon aus der Ferne auszumachen. Am Nachmittag erreichen wir dann die nächste Lagune, die Laguna di Marano. Wir überqueren die durch eine lange Insel abgetrennte Wasserfläche und fahren in einen kleinen Kanal, der uns zu unserem Winterliegeplatz bringt.

Wir haben unser Ziel erreicht - der Winterhafen in der Marina Sant Andrea

Dort angekommen, melden wir uns beim Büro an, machen einen Krantermin aus und fangen an das Boot winterfest zu machen. Wir haben zwei ganze Tage Zeit, bis zum Krantermin. Und es wird sich zeigen, dass wir auch beide Tage brauchen. Das Boot ist zwar nur 10 Meter lang, aber es passt mehr rein, als man zunächst annehmen mag. Wir fangen an unsere Sachen der letzten sechs Monate zusammen zu packen, räumen die Schapps aus, schlagen die Segel ab, verräumen die Leinen, verstauen unsere Fahrräder und das Schlauchboot, wintern den Außenborder ein, putzen das gesamte Boot und machen dann noch einen Öl- und Filterwechsel am Motor. Am 12. Oktober starten wir das letzte Mal den Motor der uns zuverlässige Dienste geleistet hat und fahren die wenigen Meter zur Kranbucht. Dort werden wir schon erwartet. Kaum sind wir unter dem Kran ziehen die Stahlseile an und unsere Valiente hängt sicher in den Gurten. Wir verlassen das Boot und kurze Zeit später schwebt es an uns vorbei Richtung Hafenbock. Nachdem es sicher auf dem Gerüst steht, wird das Unterwasserschiff abgespritzt. Das Antifouling hat seinen Dienst gut erfüllt und wir können fast keinen Bewuchs erkennen. Auch der Kiel sieht gut aus, haben wir doch die ein oder andere Nacht auf den Flüssen im Schlamm verbracht.

Unsere Valiente kommt aus dem Wasser

Welche Haie gibt es in Venedig?
Für die nächsten Monate brauchen wir eine Leiter um auf unsere Valiente zu kommen

Zufrieden und auch traurig tätigen wir die letzten Handgriffe an Bord. Der Motor wird noch für den Winter vorbereitet, alle Luken geschlossen, die Polster aufgestellt, alle Ventile geöffnet und am Schluss der Niedergang geschlossen. Das war´s dann. Nach sechseinhalb Monaten, ca. 4000 Meilen, 12 Ländern und ungefähr 20 Besuchern die uns auf kleinen und größeren Etappen begleitet haben, geht unsere Reise zu Ende.

Wir haben viel erlebt, haben abgelegene Ecken in Europa besucht, Metropolen erkundet, haben viele tolle und hilfsbereite Menschen kennen gelernt, haben schwierige Situationen gemeistert und Vertrauen in uns und das Boot aufgebaut. Wir hatten viele Freunde und Familie an Bord mit denen wir unsere Erfahrungen teilen konnten. Und egal in welchem Land wir waren, wir hatten nie das Gefühl nicht willkommen zu sein. Wir blicken zurück auf die vielen Menschen, die diese Reise so unvergesslich gemacht haben. Diejenigen, die die Vereinshäfen an den Flüssen am Leben erhalten, die netten Hafenmeister die immer versuchen es den Gästen recht zu machen, die Menschen die uns freundlichen aufgenommen haben und uns ihre Heimat gezeigt haben und uns immer ihre Hilfe angeboten haben. Aber vor allem möchten wir uns bei unseren Freunden und unseren Familien bedanken, die immer für uns da waren und uns in jeder Phase der Reise unterstützt haben. Vielen Dank!

Etwas müde vom Ausräumen aber sehr glücklich blicken wir zurück auf sechseinhalb unvergessliche Monate. Die wunderbaren Momente mit unseren Besuchern wurden an der Salonwand verewigt