Was ist der unterschied von vermeintlich und vermutlich

Vor einiger Zeit schrieb mir eine Leserin, ihr falle immer häufiger die Verwechslung von »mutmaßlich« und »vermeintlich« auf. Spontan konnte ich diese Beobachtung nicht bestätigen, aber zumindest in die eine Richtung habe ich diesen Fehler inzwischen auch festgestellt: Oft sagt man »vermeintlich«, wo eigentlich »mutmaßlich« richtig wäre. Schauen wir also mal genauer hin.

Beide Begriffe sind Adjektive, und beide beschreiben eine Bewertung aufgrund von Annahmen und Indizien. Während aber »mutmaßlich« sozusagen die positive Variante ist (Duden: »aufgrund bestimmter Tatsachen, Anzeichen möglich, wahrscheinlich«), kennzeichnet »vermeintlich« tendenziell die gegenteilige Sachlage, nämlich eine irrige Annahme (Duden: »[irrtümlich, fälschlich] vermutet, angenommen; scheinbar«).

Ein mutmaßlicher Täter ist eine Person, von der man auf Basis aller gerade verfügbaren Indizien annehmen kann, dass sie eine bestimmte Tat begangen hat.

Entpuppt sich dieser Mensch aber im Nachhinein als völlig unbescholtener Bürger, dann war er nur vermeintlich der Täter. Im Rückblick kann man dann sagen, die Polizei suchte den vermeintlichen Täter; auch wenn er zum Zeitpunkt der Suche für die Beamten der mutmaßliche Täter war. Anders gesagt: Für den Gebrauch von »vermeintlich« benötigt man mehr gesicherte Informationen als für den von »mutmaßlich«.

Die Unterscheidung ähnelt ein wenig der zwischen »anscheinend« und »scheinbar«, über die ich hier schon einmal geschrieben habe.

© Juliane Topka 2016

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Vermeintlich: Nicht wirklich so gewesen, aber vorher vermutet Mutmaßlich: Höchstwahrscheinlich so gewesen wie angegeben

Terroranschläge, Überfälle oder andere kriminelle Ereignisse erlangen oft große mediale Aufmerksamkeit. Ohne Worte darüber zu verlieren, wie tragisch und schlimm jeder einzelne Zwischenfall ist, lässt die genaue Wortwahl der Berichterstattung einen interessanten Fall von Bedeutungsunterschieden schließen:

Der vermeintliche Täter stellte sich schlussendlich der Polizei.
Es wurde bekannt, dass die mutmaßlichen Schützen bereits vorbestraft waren.
Das ist vermeintlich / mutmaßlich illegal.

Sind denn die beiden Adjektive (Eigenschaftswörter) vermeintlich und mutmaßlich synonym zueinander; das heißt, können wir sie aufgrund einer gleichen Bedeutung immer miteinander vertauschen?

Was bedeutet „vermeintlich“?

Vermeintlich bedeutet, dass etwas irrtümlicherweise angenommen wurde, dies aber nach neueren Erkenntnissen nicht der Wahrheit entspricht.

Die vermeintliche Täterin wurde gefasst.

In diesem Satz gehen wir also davon aus, dass die Person zwar zunächst als Täterin eingestuft wurde – entweder aufgrund falscher Verdächtigung oder unbegründeter Annahmen. Inzwischen stimmt dies jedoch nicht und jemand anders ist die wahre Täterin oder der wahre Täter.

Zudem kann uns die Unterscheidung zwischen scheinbar und anscheinend hierbei helfen, denn diese geht semantisch in dieselbe Richtung. Wenn etwas vermeintlich so ist, ist es auch scheinbar so. Scheinbar wird oft als Adverb (Umstandswort) benutzt, kann jedoch auch als Adjektiv Nomen begleiten.

Wir hatten scheinbar mehrere Probleme.
= Wir hatten vermeintlich mehrere Probleme.

Wie gesagt, drücken beide Sätze aus, dass die angesprochenen Probleme nicht (mehr) existent sind.

Wann verwenden wir „mutmaßlich“?

Wenn etwas mutmaßlich der Fall ist, dann liegt kein Irrtum vor, sondern eine hohe Wahrscheinlichkeit einer wahren Aussage. Es kann immer noch sein, dass etwas mutmaßlich Illegales schlussendlich legal ist, allerdings ist dies aufgrund der Beweislage oder gewisser Anzeichen sehr unwahrscheinlich.

Es wurde bekannt, dass die mutmaßlichen Schützen bereits vorbestraft waren.

Hier gehen wir davon aus, dass es sich um die tatsächlichen Schützen handelt. Allerdings wäre es vor einer Verurteilung juristisch nicht korrekt, direkt von den Schützen zu sprechen. Daher wird mutmaßlich als Zusatz gewählt, um sprachlich diesen Unterschied zu verdeutlichen.

Der Vergleich mit anscheinend als Adverb hilft, den Unterschied zwischen mutmaßlich und vermeintlich zu erkennen. Anscheinend lässt sich allerdings nicht als Adjektiv verwenden. Wenn etwas anscheinend der Fall ist, ist es immer auch mutmaßlich so.

Wir haben anscheinend mehrere Probleme.
= Wir haben mutmaßlich mehrere Probleme.

Wie gesagt, besteht in beiden Sätzen ein hoher Wahrheitsgehalt darüber, dass es diese Probleme gibt.

Schüsse in Kopenhagen: Mutmaßlicher Täter muss in Psychiatrie

Nach den tödlichen Schüssen in einem Einkaufszentrum in Kopenhagen hat ein Gericht den mutmaßlichen Schützen in die Psychiatrie eingewiesen. Die Polizei hatte zuvor einen terroristischen Hintergrund ausgeschlossen.

In den meisten Nachrichten wird korrekterweise von mutmaßlichen Tätern und Täterinnen gesprochen, solange kein gerichtliches Urteil vorliegt.

Welche Alternativen gibt es für „vermeintlich“ und „mutmaßlich“?

In den Nachrichten sollten wir also laut Definition häufiger die Kombination aus mutmaßlich und einer Personenbeschreibung hören als Formulierungen mit vermeintlich. Nur wenn die Rede von falsch verurteilten oder beschuldigten Personen ist, sollte vermeintlich als Attribut vorkommen.

Um diese feine Nuance zu umgehen, können Sie ein Synonym (eine Alternative) wählen, wenn Sie von einem traurigen Ereignis berichten möchten.

Wortart Vermeintlich Mutmaßlich
Adjektiv/Adverb Irrtümlich, angeblich, angenommen, scheinbar, vorgetäuscht Wahrscheinlich, anscheinend, offenbar, vermutlich
Sonstige Alternativen Falsch vermutet Aufgrund bestimmter Tatsachen möglich

Für weitere Synonyme können Sie LanguageTool konsultieren. Der intelligente Schreibassistent erlaubt nicht nur eine umfassende Sprachprüfung, sondern auch, bei einem Doppelklick auf jedes beliebige Wort passende und individuelle Alternativen zu entdecken.

(1) Anscheinend gab es mutmaßliche Komplizinnen der Tat.

→ Streichen Sie entweder anscheinend oder vermeintliche.

(2) Die Polizei vermutet immer noch, alle Opfer seien vermeintlich überrascht von der Brutalität gewesen.

→ Es ist ratsam, entweder vermutet zu ersetzen oder vermeintlich zu streichen.

Journalisten sollten die Feinheiten der Sprache beherrschen. Anderenfalls transportieren sie möglicherweise in ihren Texten eine andere Bedeutung, als sie eigentlich geplant hatten. Vor allem in Polizeiberichten sind solche unfreiwilligen Bedeutungsverschiebungen durch fehlerhafte Anwendung von Wörtern wie „vermutlich“ und „vermeintlich“ oder „mutmaßlich“ nicht gerade selten. Das Adverb „vermutlich“ besagt, dass jemand wahrscheinlich die angegebene Eigenschaft besitzt, sich der Autor dessen aber nicht sicher ist. Das entsprechende Adjektiv ist „mutmaßlich“. Das Adjektiv „vermeintlich“ hingegen besagt, dass die betreffende Person fälschlicherweise glaubt, die angegebene Eigenschaft zu besitzen, sich dabei aber im Irrtum befindet. Das entsprechende Adverb ist „angeblich“. Ohnehin ist die Unterscheidung zwischen Adverb und Adjektiv in der journalistischen Arbeit stark ins Hintertreffen geraten. Besonders extrem ist das bei der inzwischen häufig anzutreffenden Verwendung des Worts „aktuell“ als Adverb, obwohl es sich dabei um ein Adjektiv handelt. Natürlich kann man viele Adjektive auch adverbial einsetzen, ebenso wie man Adverbien mitunter auch adjektivisch gebrauchen kann. Dabei bedarf es aber eines großen sprachlichen Fingerspitzengefühls, über das viele Schreiberlinge leider nicht in ausreichendem Maß verfügen.

Gute und elegante Sprache ist jedoch ein Ausweis für solide und seriöse journalistische Arbeit. Auch sprachliche Qualität verrät, ob jemand des logischen Denkens und Differenzierens fähig ist oder nicht.

Das Magazin „The New Yorker“ macht vor, dass sprachliche und inhaltliche Qualität im besten Fall zusammengehen, was dann auch zum entsprechenden Erfolg des betreffenden Qualitätsmediums bei einem aufgeklärten Publikum führt. So prüft dort die „Komma-Queen“ jedes Wort und jedes Satzzeichen, während andere jede Information auf ihren Wahrheitsgehalt hin durchleuchten.

Die Mühe zahlt sich aus: Binen kürzester Zeit haben sich die Abonnementszahlen des New Yorker nach dem Wahlsieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl deutlich gesteigert. Zu hoffen wäre, dass dieses Beispiel in Deutschland auch ohne allzu deutliche Wahlerfolge rassistischer Rechtspopulisten Schule macht.

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