Warum sind in meinem Garten plötzlich keine Vögel mehr?

26.08.2022, 10:39 2 Min.

Viele Gartenbesitzer*innen wundern sich, warum sie jetzt kaum noch Singvögel hören und sehen. Der Umweltverband Nabu gibt Entwarnung – und erklärt das Phänomen

Seit einiger Zeit erhält der Umweltverband Nabu besorgte Anrufe: Aus ihrem Garten, so die Anrufer*innen, seien die Vögel verschwunden. Es sei kein Gesang mehr zu hören, und es seien kaum noch Vögel zu sehen. Keine Sorge, beruhigt der Nabu-Landesverband Hessen. Dass Gartenvögel im Hochsommer verstummen und "unsichtbar" werden, ist völlig normal.

Denn zum einen ist der Nachwuchs flügge und aus dem Nest, erklärt Bernd Petri, stellvertretender Landesvorsitzender des NABU Hessen in einer Pressemitteilung. Damit entfällt auch die Notwendigkeit, Partner durch auffallenden Gesang anzulocken und das Revier auch gegenüber Rivalen melodisch zu markieren. Es wird also im Verlauf des Sommers stiller im Garten.

Doch warum sehen wir auch weniger Vögel im Sommer? Dafür nennt Petri zwei Gründe: Viele Singvögel mausern sich, wenn der Nachwuchs aus dem Nest ist. Sukzessive wird jede Feder ihres Gefieders durch eine neue ersetzt – auch die Flügelfedern. Eine sensible Zeit, in der die Vögel sich besser diskret verhalten, um keine flinken Jäger auf sich aufmerksam machen.

Zudem lockt auf den Feldern oder in den Hecken ein reichhaltiges Nahrungsangebot an Körnern und Beeren – für Spatzen und Finken ein Grund, unseren Gärten den Rücken zu kehren. "Viele Vögel verlassen ihr Nistgebiet und ziehen dorthin, wo sie die besten Futterquellen vorfinden", sagt Maik Sommerhage, NABU Experte für Vogelschutz.

Sofern die Vögel im Herbst nicht in den Süden ziehen, kehren sie mit Einbruch des Winters wieder in die Gärten zurück.

Dass wir im Sommer weniger Vögel im Garten hören und sehen, ist also keine Folge einer rätselhaften Krankheit oder des Artensterbens. Allerdings zeigen Vogelzählungen, dass die Zahl der Individuen tatsächlich abnimmt.

In den vergangenen vierzig Jahren, so schätzen Expert*innen, sind in ganz Europa zwischen 17 und 19 Prozent der gesamten Vogel-"Bevölkerung" verschwunden. Darunter vor allem Arten, die ehemals überall zahlreich anzutreffen waren. So hat sich die Zahl der Spatzen in der EU seit 1980 sogar halbiert.

Betroffen sind auch viele Feldvogelarten. Der Anblick von Kiebitzschwärmen etwa ist heute eine Seltenheit, der Gesang der Lerche ist nur noch vereinzelt zu hören. Grund Nummer eins: die intensive Landwirtschaft.

Warum sind in meinem Garten plötzlich keine Vögel mehr?
Blaumeise an Meisenknödel (© Darius Stiels)

Uns erreichen immer wieder Anfragen, warum gerade an einer Futterstelle weniger Vögel auftauchen, wo doch augenscheinlich alles wie immer ist. Tatsächlich schwankt die Zahl der Vögel im Jahresverlauf und die Zahl der Gründe ist so hoch, dass in den allerwenigsten Fällen ein Einzelfall zu beantworten ist. Was warum tatsächlich gerade in jedem Garten zwischen Aachen und Bielefeld geschieht, lässt sich nicht immer beantworten. Nicht umsonst organisieren wir schließlich großräumige Monitoringprogramme und betreiben Ursachenforschung. Dennoch gibt es einige wiederkehrende Antworten:

Jahreszeiten am Futterhaus?
Viele Vogelarten fressen zur Brutzeit vielfach Insekten und andere Wirbellose und verfüttern diese auch an ihre Jungen. Für viele Arten besteht dann auch kein Futtermangel für die Altvögel. Es ist also nicht ungewöhnlich, dass ausgelegtes Futter zu dieser Zeit verschmäht wird. Außerdem sind viele Vogelarten nun territorial (sie verteidigen ihr Brutrevier gegen Artgenossen) und Sie können in der Regel auch nur die unmittelbar in Ihrer Umgebung brütenden Vögel anlocken – das brütende Kohlmeisenpaar in ihrem Nistkasten wird andere Kohlmeisen meist vertreiben. Dennoch kann die Zahl der Vögel an der Futterstelle im Sommer höher sein als im Winter. Nach der Brutzeit bilden einige Arten Schwärme und Meisen und andere Arten sind sogar in gemischten Trupps auf Nahrungssuche. Durchzügler und Wintergäste kommen hinzu. Viele Zugvögel verlassen das Gebiet gen Süden, aber diese sind oft ganzjährig Insektenfresser, die eh nur selten Futterstellen aufsuchen.

Welches Vogelfutter?
Verschiedene Vogelarten haben unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten. Nicht alle mögen Körner, zudem wechseln manche Arten im Laufe des Jahres ihre Ernährung. Im Sommerhalbjahr stehen bei vielen Arten Insekten und andere Wirbellose auf dem Speiseplan. Mittlerweile gibt es im Fachhandel eine Vielzahl verschiedenster Futtermischungen, Haferflocken und Sonnenblumenkerne sind oft der Standard. Auch Fettfutter (Meisenknödel) wird oft angenommen. Ein naturnaher Garten mit Stauden wie Disteln, heimischen, blühenden und Früchte tragenden Sträuchern und ein Gartenteich sind aber fast immer Vogelmagneten und bieten ganzjährig nicht nur Futter, sondern auch Brutplätze für eine Vielzahl von Arten.

Lokale Effekte?
Viele Vogelarten im städtischen Umfeld erschließen sich vergleichsweise schnell neue Nahrungsquellen. Eine neue Futterstelle in der Nachbarschaft, die vielleicht günstiger liegt oder anderes Futter hat, kann dafür sorgen, dass an der eigenen Futterstelle weniger los ist. Gleichzeitig kann es aber auch vorkommen, dass man an einer neu eingerichteten Futterstelle einige Zeit warten muss, bis diese von einer größeren Zahl Vögel angenommen wird. Viele Vögel sind außerhalb der Brutzeit in gemischten Trupps unterwegs, die regelmäßig verschiedene Futterquellen in einem Rundkurs aufsuchen. Ob die eigene Futterstelle auf der entsprechenden Route liegt, ist auch ein bisschen Glückssache.

Großräumige Bestandsveränderungen?
Neben lokalen Effekten oder solchen, die alljährlich wiederkehren, gibt es auch tatsächlich großräumige Veränderungen über längere Zeiträume, die sich manchmal auch im eigenen Garten beobachten lassen. Bestände einiger Waldvogelarten schwanken stark in Abhängigkeit von der Mast verschiedener Baumarten in Mitteleuropa oder in den Brutgebieten der Wintergäste. Auch andere Faktoren wie das Wetter können zu Bestandsschwankungen führen. Manche Vogelarten zeigen fast überall starke Bestandsrückgänge, z.B. durch Verschlechterungen ihres Lebensraums, durch den Klimawandel oder durch Krankheiten. Arten wie der Feldsperling, der mancherorts noch regelmäßig an Futterstellen zu beobachten ist, stehen mittlerweile sogar auf der Roten Liste der gefährdeten Arten.

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