Die covid-19-impfung erhöht die sterblichkeit von ungeimpften kindern in europa

Jede Re-Infektion erhöht das Risiko für Gesamtmortalität, Krankenhausaufenthalt und Folgeerkrankungen der Lungen sowie extrapulmonaler Organsysteme. Das betraf ungeimpfte und nicht komplett geimpfte Patienten.

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25. Juli

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Jede Re-Infektion erhöht das Risiko für Gesamtmortalität, Krankenhausaufenthalt und Folgeerkrankungen der Lungen sowie extrapulmonaler Organsysteme. Das zeigt ein neues US-Preprint.

Die erste Infektion mit SARS-CoV-2 ist mit einem erhöhten Risiko für akuten und postakuten Tod und Folgeerkrankungen im Lungen- und extrapulmonalen Organsystem verbunden. Ob eine Reinfektion das Risiko nach der ersten Infektion erhöht, war bisher jedoch nicht geklärt. US-Forschende analysierten darum jetzt Daten des US-Ministeriums für Veteranenangelegenheiten, um die Risiken abzuschätzen. Dazu verglichen sie eine Kohorte von Menschen mit Erstinfektion (n = 257.427) und eine mit Reinfektion (2 oder mehr Infektionen, n = 38.926) mit einer nicht infizierten Kontrollgruppe (n = 5.396.855).

Ergebnisse: Im Vergleich zu Patienten mit Erstinfektion wiesen diejenigen mit Re-Infektionen ein erhöhtes Risiko für eine Gesamtmortalität (Hazard Ratio 2,14; 95 Prozent Konfidenzintervall (KI): 1,97, 2,33), für einen Krankenhausaufenthalt (HR 2,98 (2,83, 3,12) sowie mindestens eine Folge einer SARS-CoV-2-Infektion (HR 1,82 (1,78, 1,88) auf. Im Vergleich zu Patienten mit Erstinfektion veränderte eine Re-Infektion das Risiko wie folgt:

  • Folgeerkrankungen im Lungenbereich (HR 2,49 (2,34, 2,65);
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HR 2,36 (2,23, 2,51);
  • Hämatologische Störungen (HR 2,22 (2,05, 2,41);
  • Müdigkeit (HR 2,4 (2,22, 2.58);
  • Magen-Darm-Erkrankungen (HR 1,69 (1,58, 1,8);
  • Nierenerkrankungen (HR 1,70 (1,45, 2,46);
  • Psychische Störungen (HR 1,97 (1,9, 2,04);
  • Diabetes (HR 1,62 (1,49, 1,76);
  • Muskel-Skelett-Erkrankungen (HR 1,29 (1,2, 1,38) und
  • neurologische Störungen (HR 1,39 (1,32, 1.46).

Die Risiken von gesundheitsschädlichen Ergebnissen nahmen dabei mit zunehmender Anzahl der Infektionen zu: Im Vergleich zur nicht-infizierten Kontrollgruppe hatten Menschen mit einer Infektion ein erhöhtes Risiko für mindestens eine Folgeerkrankung (HR 1,35 (1,4, 1,36), das nach zwei Infektionen weiter anstieg (HR 2,11 (2,07, 2,15) und am höchsten bei PatientInnen mit drei oder mehr Infektionen war (HR 3,00 (2,71, 3,31).

Fazit der Forschenden: „Angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass SARS-CoV-2 für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte eine Bedrohung bleiben wird, müssen wir dringend Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit entwickeln, (...) um die Menschen vor einer erneuten Infektion zu schützen.” Pharmazeutische Interventionen, um sowohl das Risiko einer Reinfektion als auch ihre nachteiligen gesundheitlichen Folgen zu verringern, halten die AutorInnen ebenfalls für „dringend erforderlich”.

Ziyad Al-Aly, Benjamin Bowe, Yan Xie et al. Outcomes of SARS-CoV-2 Reinfection, 17 June 2022, PREPRINT (Version 1) available at Research Square, https://doi.org/10.21203/rs.3.rs-1749502/v1

19. Juli

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mRNA-Impfstoffe haben die längste Schutzdauer

US-Forscher haben die Wahrscheinlichkeit errechnet, nach einer natürlichen Infektion oder einer Impfung mit den Vakzinen von Moderna, Pfizer, Johnson & Johnson oder AstraZeneca erneut an COVID-19 zu erkranken.

Seitdem COVID-19-Impfstoffe zum Schutz vor Infektionen und schweren Erkrankungen zur Verfügung stehen, herrschte große Unsicherheit darüber, wie lange der Schutz anhält und wann eine zusätzliche Auffrischungsimpfung notwendig sein könnte.

Die Studie unter der Leitung der Yale School of Public Health und der University of North Carolina in Charlotte ist die erste, die die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Infektion nach einer natürlichen Infektion oder einer Impfung mit den Impfstoffen von Moderna, Pfizer, Johnson & Johnson oder AstraZeneca quantifiziert. Die Ergebnisse wurden in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.

Das Risiko von Durchbruchsinfektionen hängt vom Impfstofftyp ab. Der Studie zufolge bieten die aktuellen mRNA-Impfstoffe (Pfizer, Moderna) die längste Schutzdauer - sie ist fast 3-mal so lang wie die der natürlichen Infektion und der Impfstoffe von Johnson & Johnson und Oxford-AstraZeneca.

"Die mRNA-Impfstoffe erzeugen die höchste Antikörperreaktion und bieten nach unserer Analyse einen dauerhafteren Schutz als andere Impfstoffe oder Expositionen", sagt Hauptautor Jeffrey Townsend von der Yale School of Public Health. "Es ist jedoch wichtig, daran zu denken, dass sich natürliche Immunität und Impfung nicht gegenseitig ausschließen. Viele Menschen verfügen über eine Teilimmunität aus mehreren Quellen, so dass die Kenntnis der relativen Dauerhaftigkeit entscheidend für die Entscheidung ist, wann das Immunsystem gestärkt werden sollte."

Ein zuverlässiger Schutz gegen eine Neuinfektion erfordert eine aktuelle Auffrischung mit Impfstoffen, die an die Veränderungen des Virus angepasst sind, die im Laufe der Zeit als Teil seiner natürlichen Entwicklung auftreten, so die Forscher.

Dem Modell zufolge gibt es "verblüffenden Ähnlichkeiten" der Reinfektionswahrscheinlichkeiten zwischen endemischen Coronavire und SARS-CoV-2. Aufgrund dieser Ähnlichkeiten konnten die Wissenschaftler längerfristige Prognosen erstellen als bei Studien, die sich ausschließlich auf aktuelle Infektionen konzentrierten. Außerdem stellte das Modell die Antikörperreaktionen nach natürlicher und impfstoffvermittelter Immunität in denselben Kontext und ermöglichte so einen Vergleich.

"SARS-CoV-2 spiegelt andere endemische Coronaviren wider, die sich ebenfalls weiterentwickeln und uns trotz natürlicher Immunität gegen frühere Stämme erneut infizieren", betont Townsend. "Die ständige Aktualisierung unserer Impfungen und Auffrischungsimpfungen ist für unseren Kampf gegen SARS-CoV-2 von entscheidender Bedeutung."

Townsend, J.P., et al. (2022) The durability of natural infection and vaccine-induced immunity against future infection by SARS-CoV-2. PNAS. doi.org/10.1073/pnas.2204336119.

7. Juli

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Impfung und Durchbruchinfektion schützen kaum vor BA.4/BA.5

Infektionen mit den Omikron-Untervarianten BA.1 und BA.2 schützen kaum vor den in der Sommerwelle vorherrschenden Varianten BA.4 und BA.5, zeigt eine in The Lancet erschiene Studie.

Die Forschenden analysierten die Neutralisierung von BA.2.12.1 und BA.4/BA.5 durch monoklonale Antikörper und Antikörper, die bei der Impfung oder Infektion induziert wurden. Als Referenz verwendeten sie Partikel, die die S-Proteine von B.1 (zirkulierend in der frühen Phase der Pandemie), BA.1 oder BA.2 tragen. Im Ergebnis entzogen sich alle Omikron-Subvarianten der Neutralisation durch sechs von zehn Antikörpern, auch wenn subvariantenspezifische Unterschiede festgestellt wurden.

Anschließend analysierten sie die Neutralisation von BA.2.12.1 und BA.4/BA.5 durch Plasma von zehn ungeimpften Personen in Deutschland (im Alter von 20 bis 71 Jahren; fünf Männer und fünf Frauen), die von März bis Mai 2022 leichte Infektionen hatten, als BA.1 und anschließend BA.2 in Deutschland zirkulierten.

Ergebnis: Die Neutralisation von BA.2 war 27,2-mal effizienter als von B.1, was darauf hindeutet, dass die meisten Spender seinerzeit mit BA.2 infiziert waren. Die Neutralisation von BA.2.12.1 ähnelte der von BA.2, während die Neutralisation von BA.4/BA.5 im Vergleich zu BA.2 und BA.2.12.1 deutlich reduziert wurde.

Die Forschenden analysierten daraufhin die Neutralisation durch Antikörper, die durch Impfung induziert wurden. Sie stellten fest, dass alle untersuchten Untervarianten der Neutralisation durch Antikörper weitestgehend entgingen, die bei der dreifachen Corminaty-Impfung (BioNTech/Pfizer) induziert wurden. Die Neutralisation war gegenüber den Werten für B1 deutlich reduziert:

  • 4,3-fach für BA.1,
  • 4,2-fach für BA.2,
  • 6,1-fach für BA.2.12.1 und
  • 8,1-fach für BA.4/BA.5

Eine ähnliche Tendenz wurde auch bei Proben von Personen beobachtet, die mit Comirnaty dreifach geimpft worden waren und anschließend eine BA.1- oder BA.2-Durchbruchinfektion hatten.

Die beobachtete robuste Neutralisationsevasion durch BA.4 und BA.5 deutet darauf hin, dass es sich um Immunevasionsvarianten handelt, die besser als BA.1 oder BA.2 geeignet sind, sich in geimpften oder von BA.1/BA.2 genesenen Populationen auszubreiten.

Prerna Arora, Amy Kempf, Inga Nehlmeier et al., Augmented neutralisation resistance of emerging omicron subvariants BA.2.12.1, BA.4, and BA.5, The Lancet, Published:June 28, 2022, DOI: https://doi.org/10.1016/S1473-3099(22)00422-4

30. Juni

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Vektorimpfstoffe verantwortlich für Hirnvenenthrombosen

Nur die Vektorimpfstoffe AstraZeneca und Johnson & Johnson sind für die sehr seltenen Hirnvenenthrombosen als Impfnebenwirkungen verantwortlich - nicht das Spike-Protein oder die Infektion selbst.

Anfang vergangenen Jahres hatte ein Team aus Greifswald bereits die Ursachen für die Entstehung von Hirnvenenthrombosen nach einer Covid-19-Impfung mit dem Vektorimpfstoff AstraZeneca aufgeklärt, einen Labortest zum Nachweis sowie eine Behandlungsmöglichkeit entwickelt.

Nun legten die Forscher die Ergebnisse einer ersten Studie mit betroffenen Frauen und Männern aus ganz Deutschland vor: Danach sind allein die Vektorimpfstoffe für schwere prothrombotische Nebenwirkungen (VITT) verantwortlich.

Bekanntermaßen kommt es bei einer Impfung gegen das SARS-CoV-2-Virus mit Adenovirusvektor-Impfstoffen zu Reaktionen des Immunsystems. In sehr seltenen Fällen können dabei Komplikationen entstehen, wie beispielsweise  Hirnvenen-Thrombosen. Die Ursache für die schwere sogenannte impfstoffinduzierte immunthrombotische Thrombozytopenie (VITT) sind Antikörper gegen das Thrombozytenprotein Plättchenfaktor 4 (PF4), die die Blutgerinnung stark aktivieren. Die Antikörper werden durch Bestandteile im Impfstoff, die sich an PF4 binden, ausgelöst.

Für die Studie wurden 69 betroffene Frauen und Männer aus ganz Deutschland untersucht. Ihr Durchschnittalter betrug 48 Jahre, 60 Prozent waren Frauen; der jüngste Patient war 18 und der älteste 80 Jahre alt. Elf Frauen und Männer erkrankten im weiteren Verlauf an Corona. Bei keinem stiegen danach die Anti-PF4-Antikörpern wieder an. Niemand entwickelte erneut eine Thrombozytopenie oder eine neue Thrombose.

„Wenn beide Immunantworten miteinander verbunden wären, müssten VITT-Überlebende mit einer Covid-19-Erkrankung einen Anstieg der Anti-PF4-Antikörper zeigen, der möglicherweise sogar eine  Thrombozytopenie und Thrombose erneut auslöst. Das geschieht jedoch nicht. Damit gibt es nach bisherigen laborbasierten Studienergebnissen nun erstmals auch den wissenschaftlichen Nachweis anhand tatsächlich erkrankter Menschen, der einen Zusammenhang zwischen der Anti-SARS-CoV-2- und der Anti-PF4-Immunantwort ausschließt", erläutert Studienautorin Linda Schönborn.

Somit ist den Forschern zufolge klar, dass die seltenen thrombotischen Erkrankungen allein ein Problem der Zusammensetzung der Impfstoffe auf Adenovirus-Vektorbasis, also AstraZeneca und Johnson & Johnson, sind, das durch eine Modifizierung der Impfstoffe behoben werden könnte.

„Unser Befund, dass Covid-19 bei VITT-Patienten keine Anti-PF4-Antikörper reaktiviert und Thrombosen auslöst, liefert weitere Einblicke in die Entstehung, Entwicklung und Behandlung von VITT und erleichtert die Entscheidungsfindung bezüglich einer weiteren Covid-19-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff“, betonte Studienleiter Andreas Greinacher, Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin an der Universitätsmedizin Greifswald.

Sein Team präsentierte die neue Studie gestern bei einem Meeting der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), auf dem welt Forschungsdaten zu Thromboseereignissen als Impfnebenwirkung vorstellt wurden.

NEJM, New England Journal Medicine SARS-CoV-2 infection in patients with a history of VITT, publ. Monday, June 27, 2022 (7:00 AM ET Monday, June 27), www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMc220660

20. Juni

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Booster erzielt in Laborstudie neutralisierende Wirkung gegen BA.4 und BA.5

Der Immunschutz durch eine Booster-Impfung mit dem BioNTech- oder dem Moderna-Vakzin könnte auch gegen die neuen Omikron-Varian­ten BA.4 und BA.5 und BA.2.12.1 halten, zeigen erste Labor­analysen.

Die Forschenden untersuchten zunächst die Neutralisationsresistenz gegen die Subvarianten bei vier Mitarbeitenden des Gesundheitswesens, die zwei Dosen des mRNA-1273-Impfstoffs (Moderna) erhalten hatten. Weitere elf Mitarbeitende hatten zwei Dosen des BNT162b2-Impfstoffs (Pfizer/BioNTech) erhalten.

Ergebnis: Die Untervarianten BA.4/5 und BA.2.12.1 wiesen einen Neutralisationswiderstand auf, der dem der Untervarianten BA.1 und BA.2 ähnlich war. Bei Vergleichsprobanden, die mit Moderna oder Pfizer/BioNTech geboostert waren (jeweils homologes Impfschema), zeigten sich die neutralisierenden Antikörpertiter dramatisch erhöht.

Im Vergleich zur Reaktion auf den Wildtyp von SARS-CoV-2 waren die neutralisierenden Antikörpertiter jedoch

  • gegenüber der BA.4/5-Variante 4,1-mal so niedrig,
  • gegenüber der BA.2.12.1-Variante 3,2-mal so niedrig und
  • gegenüber den BA.1- und BA.2-Varianten etwa 2,8-mal so niedrig.

Bei 30 Personen, die mit der Omikron-Variante infiziert waren und daraufhin im Krankenhaus behandelt wurden, jedoch nicht auf der Intensivstation, waren die neutralisierenden Antikörpertiter gegen BA.4/5 und BA.2.12.1 um 37,8 Prozent beziehungsweise 10,2 Prozent niedriger als die gegen BA.2. Außerdem zeigten die Ergebnisse, dass eine BA.1-Infektion keinen wirksamen Schutz gegen die neu entstandenen Unterlinien zu bieten scheint, schreiben die AutorInnen.

Eine Auffrischimpfung hingegen biete ausreichend neutralisierende Antikörpertiter gegen die BA.4/5- und die BA.2.12.1-Subvariante, lautet ihr Fazit, was „die Bedeutung der Auffrischimpfung für den Schutz vor aufkommenden Varianten noch einmal verdeutlicht”.

Panke Qu, M.S., Julia Faraone, B.A.,John P. Evans, M.S. et al, Neutralization of the SARS-CoV-2 Omicron BA.4/5 and BA.2.12.1 Subvariants, NEJM, June 15, 2022, DOI: 10.1056/NEJMc220672

14. Juni

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Verlust des Geruchssinns tritt bei Omikron-Infektion SELTENER Auf

Erkranken Menschen mit der Omikron-Variante an COVID-19, wird seltener der Verlust des Geruchs- und Geschmacksinns als Symptom festgestellt. Das ergab die Auswertung einer großen Datenmenge von Infizierten in den USA.

Erste klinische Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Zahl der chemosensorischen Funktionsstörungen im Zusammenhang mit einer COVID-Infektion möglicherweise abnimmt. Um das zu prüfen, wurde die „National COVID Cohort Collaborative“-Datenbank nach allen Patienten mit und ohne Geruchs- und Geschmacksverlust innerhalb von zwei Wochen nach der Diagnose abgefragt.

Mithilfe von CoVariants.org wurden sechswöchige Zeiträume mit der höchsten Variantenprävalenz für die Analyse ausgewählt. Von den insgesamt 3.678.214 Patienten mit COVID-19 in der Datenbank erfüllten 616.318 die Einschlusskriterien während dieser Zeitintervalle. Bei 3.431 von ihnen wurde eine Geruchs- oder Geschmacksstörung diagnostiziert.

Mit der untypisierten Variante als Basislinie lagen die Odds Ratios für die Alpha-, die Delta- und die Omikron-Variante von SARS-CoV-2 im Zeitraum des 27. Dezember 2021 bis zum 7. Februar 2022 bei 0,50 (95 Prozent Konfidenzintervall (KI), 0,45-0,55) sowie 0,44 (95 Prozent KI, 0,41-0,48) beziehungsweise bei nur noch 0,17 (95 Prozent KI, 0,15-0,18). Diese Daten untermauern die klinische Beobachtung, dass Patienten, die mit neueren Varianten infiziert sind, ein deutlich geringeres Risiko haben, einen damit verbundenen Verlust des Geruchs- und Geschmacksinns, sprich der Chemosensorik, zu entwickeln.

Coelho DH, Reiter ER, French E, Costanzo RM. Decreasing Incidence of Chemosensory Changes by COVID-19 Variant. Otolaryngol Head Neck Surg. 2022 May 3:1945998221097656. doi: 10.1177/01945998221097656. Epub ahead of print. PMID: 35503739.

10. Juni

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Impfdurchbrüche mit BA.1 schützen wohl kaum gegen neue Subtypen

Durchbruchinfektionen mit der Omikron-Variante BA.1 bilden bei zwei- und dreifach Geimpften eine stark neutralisierende Aktivität gegen verschiedene Varianten von SARS-CoV-2, nicht jedoch gegen die neuen Subtypen BA.4 und BA.5, so das Ergebnis einer Studie von BioNTech.

Für die Untersuchungen ermittelten die Forschenden den geometrischen mittleren Titer im ersten Schritt mit sogenannten Pseudoviren, sprich Vektoren mit einem künstlichen Spike-Protein der jeweiligen Virusvarianten, und im weiteren Schritt dann mit lebenden Viren.

So konnte festgestellt werden, dass bei den zweifach geimpften ProbandInnen mit Durchbruchsinfektion (n=8) im Pseudotypneutralisierungstest hundertfach höhere Titer gegen BA.1 und 35-fach höhere Titer gegen BA.2 gebildet wurden als in der Gruppe ohne Durchbruchinfektion (n=20). Und sogar im Vergleich zu den dreifach Geimpften ohne Infektion (n=19) wiesen die zweifach Geimpften mit Infektion höhere Titer auf.

Für die jüngsten Virussubtypen BA.4 und BA.5 war dieser neutralisierende Effekt der Durchbruchinfektion deutlich geringer. Zwar wiesen die zweifach Geimpften mit der Infektion 15-fach höhere Titer gegen diese auf als diejenigen ohne Durchbruchinfektion, allerdings fiel die Antikörperantwort im Vergleich mit der Ursprungsvariante deutlich schwächer aus.

Die an das Spike-Protein der Omikron-BA.1 angepassten Impfstoffe könnten ähnlich wie eine Durchbruchinfektion in der Studie wirken, vermuten die Studienautoren. Auch könnte sich das Spektrum der B-Gedächtniszellen weiter entwickeln und so einen breiten Schutz gegen ältere Virusvarianten herstellen. Bis zur Zulassung des angepassten Impfstoffs können aber auch Varianten erscheinen, die sich dem bisher erlangten Immunschutz wirkungsvoll entziehen.


J. Quandt, A. Muik et al. Omicron BA.1 breakthrough infection drives cross-variant neutralization and memory B cell formation against conserved epitopes Sci. Immunol. (2022). doi: 10.1126/sciimmunol.abq2427

7. Juni

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Lebensmittel­allergien halbieren Ansteckungsrisiko

Eine große US-Beobachtungsstudie zeigt: Eine Lebensmittelallergie halbiert das Infektionsrisiko, während Asthma, Ekzeme und allergische Rhinitis nicht mit einem geringeren Ansteckungsrisiko verbunden sind.

Das Team beobachtete für die von den National Institutes of Health (NIH) finanzierte Studie die SARS-CoV-2-Infektion von mehr als 4.000 Personen in fast 1.400 Haushalten, in denen mindestens eine Person im Alter von 21 Jahren oder jünger lebte. Diese Kontrolle fand in 12 US-Städten zwischen Mai 2020 und Februar 2021 statt, also vor der flächendeckenden Einführung von Impfstoffen in den USA und vor dem Auftreten der besorgniserregenden Varianten. Die Teilnehmer wurden aus NIH-Studien rekrutiert, die sich mit allergischen Erkrankungen befassen. Etwa die Hälfte der teilnehmenden Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen hatte nach eigenen Angaben eine Lebensmittelallergie, Asthma, Ekzem oder allergische Rhinitis.

Eine Betreuungsperson in jedem Haushalt testete alle zwei Wochen Nasenabstriche der Probanden auf SARS-CoV-2 und füllte wöchentlich Umfragen aus. Wenn ein Haushaltsmitglied COVID-Symptome entwickelte, wurden zusätzliche Nasenabstriche entnommen. Auch Blutproben wurden in regelmäßigen Abständen und nach der ersten gemeldeten Erkrankung einer Familie entnommen, sofern eine solche vorlag.

Die Forscher fanden heraus, dass eine selbstberichtete, vom Arzt diagnostizierte Nahrungsmittelallergie das Infektionsrisiko halbierte, während Asthma und die anderen überwachten allergischen Erkrankungen - Ekzeme und allergische Rhinitis - nicht mit einem geringeren Infektionsrisiko verbunden waren.

Da alle diese Erkrankungen selbst angegeben wurden, analysierte das Team den Gehalt an Immunglobulin E (IgE)-spezifischen Antikörpern im Blut einer Untergruppe. Die Übereinstimmung zwischen der selbstberichteten Nahrungsmittelallergie und den Messungen der allergenspezifischen IgE-Werte untermauerte demnach die Genauigkeit der selbstberichteten Nahrungsmittelallergie der Probanden, so die Forscher.  

Studienleiterin Dr. Tina Hartert und ihre Kollegen vermuten, dass eine Entzündung vom Typ 2, die für allergische Erkrankungen charakteristisch ist, die Konzentration des ACE2-Rezeptors auf der Oberfläche der Atemwegszellen verringern könnte. SARS-CoV-2 nutzt diesen Rezeptor, um in die Zellen einzudringen. In der Folge könnte dieser Mangel die Fähigkeit des Virus, die Zellen zu infizieren, einschränken.

Unterschiede im Risikoverhalten von Menschen mit Lebensmittelallergien, die beispielsweise seltener in Restaurants essen, könnten ebenfalls das geringere Infektionsrisiko für diese Gruppe erklären. Anhand von zweiwöchentlichen Untersuchungen fand das Studienteam jedoch heraus, dass die Haushalte mit Lebensmittelallergikern nur geringfügig weniger belastet waren als andere Haushalte.

MA Seibold et al. Risikofaktoren für die SARS-CoV-2-Infektion und -Übertragung in Haushalten mit asthmatischen und allergischen Kindern. Eine prospektive Überwachungsstudie. Journal of Allergy and Clinical Immunology DOI: 10.1016/j.jaci.2022.05.014 (2022).


1. Juni

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Infektion über kontaminierte Oberflächen extrem unwahrscheinlich

Eine US-Studie zeigt, dass das Infektionsrisiko bei SARS-CoV-2 im öffentlich zugänglichen Raum, hier einem Universitätscampus, eher gering ist. Besonders unwahrscheinlich ist eine Infektion durch den Kontakt mit kontaminierten Oberflächen. 

Ziel der Untersuchung an der University of Michigan war es, potenzielle Infektionsrisiken auf einem Universitätscampus zu untersuchen. Dazu wurden von August 2020 bis April 2021 auf dem Campus der Universität Luft- und Oberflächenproben gesammelt, anschließend wurde deren Viruslast durch rRT-PCR-Tests, die auf das Gen N1 abzielen, quantifiziert. Die RNA-Konzentrationen wurden verwendet, um die Wahrscheinlichkeit einer Infektion durch eine quantitative mikrobielle Risikobewertungsmodellierung abzuschätzen.

Ergebnis: Insgesamt wurden im Untersuchungszeitraum 256 Luftproben und 517 Oberflächenproben gesammelt. Dabe war die Gesamtzahl der Infektionsfälle auf dem Campus in Wochen mit positiven Umweltproben signifikant höher. Die geschätzte Wahrscheinlichkeit einer Infektion betrug dabei in simulierten Szenarien etwa 1 pro 100 Expositionen bei mit SARS-CoV-2-beladenen Aerosolen und bis zu 1 pro 100.000 Expositionen beim Kontakt mit kontaminierten Oberflächen.

Fazit der Forschenden: Die Virusausscheidung wurde durch den Nachweis viraler RNA in mehreren Luft- und Oberflächenproben auf einem Universitätscampus nachgewiesen. Die niedrige Gesamtpositivitätsrate deutet darauf hin, dass das Infektionsrisiko gegenüber SARS-CoV-2 im öffentlich zugänglichen Raum gering war. Die Ergebnisse der Risikomodellierung lassen zudem darauf schließen, dass die Inhalation im Vergleich zum Oberflächenkontakt der vorherrschende Expositionsweg ist. Das unterstreicht die Bedeutung des Schutzes von Personen vor der Übertragung von SARS-CoV-2 und potenziell anderen Atemwegsinfektionskrankheiten durch die Luft.

Zhang, X., Wu, J., Smith, L.M. et al.: Monitoring SARS-CoV-2 in air and on surfaces and estimating infection risk in buildings and buses on a university campus. J Expo Sci Environ Epidemiol (2022). https://doi.org/10.1038/s41370-022-00442-9

19. Mai

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Grippeimpfung könnte COVID-Risiko senken

Gesundheitspersonal, das gegen Influenza impfen waren, erkrankte seltener und deutlich weniger schwer an COVID-19, stellte eine Studie aus Katar fest. Der kollaterale Nutzen sei aber eher kurz.

Die Studie wurde Ende 2020 und damit vor der Einführung der COVID-Impfstoffe durchgeführt. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Stärkung des Immunsystems durch Grippeimpfstoffe dem Körper helfen kann, das Coronavirus abzuwehren. Auswirkungen dieses Effekts wurden in Doha anhand der landesweiten Gesundheitsdaten von 30.774 Beschäftigten im Gesundheitswesen untersucht.

Die Forschenden glichen die Daten von 518 Beschäftigten, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden, mit mehr als 2.000 Studienteilnehmern ab, die negativ getestet waren. Diejenigen, die gegen die saisonale Grippe geimpft waren, hatten eine 30-prozentig geringere Wahrscheinlichkeit für einen positiven Corona-Test. Die Wahrscheinlichkeit, schwer an COVID zu erkranken, war sogar um 89 Prozent geringer als bei ungeimpften Kollegen.

Wie lange dieser Schutz anhält, ist aber unklar. Bei Probanden, die gegen Grippe geimpft waren und später an COVID-19 erkrankten, dokumentierte das Team eine Corona-Infektion durchschnittlich etwa sechs Wochen nach der Impfung. „Ich erwarte nicht, dass dieser Effekt lange anhält“, erklärte der Studienleiter Laith Abu-Raddad.

Die Ergebnisse der Studie konnten nicht voll umfassend erklären, warum die Grippeimpfstoffe, bestehend aus abgetöteten Influenzaviren, auch vor SARS-CoV-2 schützen. Impfstoffe trainieren das Immunsystem, spezifische Krankheitserreger zu erkennen, aber sie regen auch eine breit angelegte antivirale Abwehr an, so eine Erklärung unter den Kommentaren der Studie.

Abu-Raddad, L. et al: „Effectiveness of influenza vaccination against SARS-CoV-2 infection among healthcare workers in Qatar“ published on medRxiv preprint server on May, 10, 2022. DOI: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2022.05.09.22274802

17. Mai

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Schnellere Genesung und weniger Ansteckungen mit Povidon-Jod-Spray

Ein Nasen-Rachen-Spray mit Povidon-Jod und Glycyrrhizinsäure beschleunigt die Genesung SARS-CoV-2-Infizierter und reduziert die Zahl der Ansteckungen im selben Haushalt.

Die Studie wurde an den Universitäten Menoufia, Tanta und Zagazig in Ägypten zwischen März 2020 und Juli 2021 durchgeführt. Dazu wurden 353 SARS-CoV-2-positive Frauen und Männer im Alter von 18 bis 80 Jahren rekrutiert. Ausgeschlossen wurden Patienten mit CT-Nachweis einer Lungeninvasion, Patienten mit herabgesetzter Sauerstoffsättigung (unter 90 Prozent), Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen, unbehandelter Hypertonie oder Diabetes Mellitus – sowie beatmete Patienten oder solche mit Multiorganversagen.

Letztlich erhielten 200 Patienten eine Standardbehandlung in Form von Vitamin C, Paracetamol und Zink sowie Nasen- und Oropharynxsprayflaschen. Die Sprühwirkstoffe in der Behandlungsgruppe (n=100) umfassten eine Verbindung von Glycyrrhizinsäure in Form von Ammoniumglycyrrhizat 2,5 mg/ml plus Povidon-Iod (PVI)0,5 Prozent für Oropharynx- und Dikaliumglycyrrhizinat 2,5 mg/ml plus PVI 0,5 Prozent für Nasenspray. Den Patienten wurde empfohlen, sechsmal täglich Oropharynx- und Nasensprays gleichzeitig zu verwenden. Sie wurden angewiesen, im Anschluss 20 Minuten lang auf Essen, Trinken und Rauchen zu verzichten, insbesondere nach dem oropharyngealen Spray.

Alle Patientendaten wie Alter, Geschlecht, Körpergewicht, Sauerstoffsättigung, Blutdruck, Puls und assoziierte Erkrankung wurden erfasst und zwischen den beiden Gruppen verglichen. Die Patienten wurden täglich durch einen Hausbesuch am Morgen und zwei Telefonate pro Tag zur Verbesserung ihrer Symptome befragt. Gleichzeitig wurden sie an den Tagen 4, 7 und 10 einem PCR-Test unterzogen und die Haushaltskontakte erfasst, die innerhalb von 15 Tagen klinische COVID-19-Symptome entwickelten.

Ergebnis: Die Behandlung mit Povidon-Jod und Glycyrrhizinsäure beschleunigte die Erholungsrate zu mehreren Zeitpunkten messbar, wie die PCR-Positivrate zeigt:

  • Nach 4 Tagen: Behandlungsgruppe 70 Prozent, Placebo 99 Prozent
  • Nach 7 Tagen: Behandlungsgruppe 20 Prozent, Placebo 65 Prozent
  • Nach 10 Tagen: Behandlungsgruppe 1 Prozent, Placebo 10 Prozent

Die Behandlung führte zudem zu einem signifikant schnelleren Abklingen gemeldeter COVID-Symptome:

  • Allgemeine Symptome (Fieber, Husten, Gliederschmerzen, laufende Nase, Kopfschmerzen, Schwindel, Durchfall): Behandlungsgruppe 7,6 Tage, Placebo 8,9 Tage
  • Geruchs-/Geschmacksverlust: Behandlung 5,6 Tage, Placebo 11 Tage

Außerdem reduzierte die Behandlung mit den Sprays die Zahl der Haushaltsmitglieder, die durch die initial Infizierten angesteckt wurden:

  • Ansteckungen von Haushaltsmitgliedern: Behandlungsgruppe 4 Prozent, Placebo 76 Prozent

Weiterer Befund: Die Placebo-Kontrollgruppe zeigte eine Komplikationsrate von 7 Prozent, wobei fünf Patienten Hypoxämie und Dyspnoe entwickelten und ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten, bei zwei Patienten stellten sich Geschmacks- und Geruchssinn während des Studienzeitraums nicht wieder ein. In der Behandlungsgruppe wurden keine Komplikationen gemeldet.

Fazit: Die Verwendung einer Kombination aus Povidon-Jod 0,5 Prozent und Glycyrrhizinsäure 2,5 mg / ml als Nasen-, Mund- und Rachensprays könnte die Genesung von einer SARS-CoV-2-Infektion beschleunigen und einen guten Schutz für Haushaltskontakte von SARS-CoV-2-Patienten bieten.

Elsersy Hazem E. et al, „Combined Nasal, Oropharyngeal Povidone Iodine Plus Glycyrrhizic Acid Sprays, Accelerate Clinical and Laboratory Recovery and Reduces Household Transmission of SARS-CoV-2: A Randomized Placebo-Controlled Clinical Trial”, Frontiers in Medicine, Volume 9, 2022, doi: 10.3389/fmed.2022.863917

05. Mai

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Bluttest kann schweren COVID-Verlauf voraussagen

Patienten mit schwerem COVID haben schon bei der Klinikaufnahme einen Mangel an speziellen Killer-T-Zellen im Blut. Dies könnte ein wichtiges Frühwarnzeichen sein, wie eine preisgekrönte Arbeit zeigt.

Bei Patienten mit schwerem COVID sind von Beginn spezielle Killer-T-Zellen im Blut spezifisch niedriger. Forschende haben damit einen Biomarker identifiziert, der schon bei der Krankenhausaufnahme per Bluttest Hinweise auf einen schweren Verlauf geben kann.

Das Team erstellte die Immunprofile von 121 COVID-Patienten und verglich sie mit denen von 21 gesunden Probanden sowie mit denen von 25 Patienten, die an einer schweren Lungenentzündung erkrankt waren. Letztere zeigten in weiten Teilen ähnliche Immunreaktionen wie Patienten mit einer Corona-Infektion - zum Beispiel eine „Notfall-Myelopoese“.

Die Myeolopoese ist Teil der Blutbildung und findet im Knochenmark statt. Bei einer Notfall-Myelopoese weisen die neu entstehenden myeloische Zellen eine reduzierte antigenpräsentierende-Kapazität auf. In beiden Patientengruppen zeigten sich bei schweren Verläufen zudem Zeichen einer adaptiven Immunparalyse, also einer Hemmung des Immunsystems.

Als Besonderheit in der Immunantwort von Patienten mit schwerem COVID zeigte sich ein Mangel von CD56+T-Zellen im Blut schon bei der Aufnahme in die Klinik. Dies könnte ein wichtiges Frühwarnzeichen für einen schweren Verlauf sein und sich als Indikatorwert eignen.

Die Ergebnisse geben Hoffnung darauf, dass mithilfe eines Bluttests das Risiko für einen schweren Verlauf frühzeitig erkannt werden könnte. Die betroffenen Patienten könnten dann engmaschiger überwacht und frühzeitig spezifisch gegen SARS-CoV-2 behandelt werden.

Für seine im Mai 2021 veröffentlichte Abeit wurde das Team um Erstautorin Stefanie Kreutmair dieses Jahr mit dem mit 30.000 Euro dotierten Theodor-Frerichs-Preis der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) ausgezeichnet.

Kreutmair, S. et al., Distinct immunological signatures discriminate severe COVID-19 from non-SARS-CoV-2-driven critical pneumonia. Immunity, 54(7), 1578–1593.e5. doi.org/10.1016/j.immuni.2021.05.002

29. April

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Informationen zur Impfung können Impfbereitschaft sogar verringern

Gängige Botschaften von Impfkampagnen verfehlen vielfach ihr Ziel. Informationen über Vorteile der Impfstoffe können die Impfbereitschaft sogar verringern. Das zeigt eine Studie in acht europäischen Ländern.

Ein Team der Technischen Universität München (TUM), der Universität Trient und der London School of Economics and Political Science hat für Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen, Schweden und Spanien untersucht, mit welchen Kommunikationsstrategien die Impfbereitschaft erhöht werden kann und welche Faktoren den Botschaften entgegenwirken.

Mehr als 10.000 ungeimpfte Erwachsene bekamen online im Juni 2021 (in Deutschland im April) zur Zeit der Hochphase der Impfkampagnen zunächst allgemeine Informationen über die vorhandenen Impfstoffe. Dann erhielten sie eine von drei Botschaften oder wurden einer Kontrollgruppe zugeordnet.

Botschaft 1 verdeutlichte, wie stark die vorhandenen Impfstoffe das Risiko reduzieren, schwer an COVID-19 zu erkranken und zu sterben. Botschaft 2 betonte die Vorteile, die Geimpfte mit einem Zertifikat im Vergleich zu Ungeimpften haben, vor allem beim Reisen. Botschaft 3 veranschaulichte die Aussicht auf den Wegfall aller Beschränkungen in der Freizeit, etwa beim Besuch von Restaurants, Kinos, Fitnessstudios und Konzerten. Anschließend wurden alle Teilnehmenden gefragt, ob sie sich in der folgenden Woche gegen COVID-19 impfen lassen würden, falls sie die Möglichkeit dazu bekämen.

Nur in Deutschland wirkten drei Botschaften

Lediglich in Deutschland und in geringerem Ausmaß in Großbritannien könnte die Impfquote mit den Botschaften gesteigert werden. In Deutschland war die Impfbereitschaft in den drei Gruppen signifikant höher als in der Kontrollgruppe. In Großbritannien war dies bei der Gruppe der Fall, in der die Vorteile eines Impfzertifikats betont wurden. In allen anderen Ländern erzielten die Botschaften keinen Effekt – oder das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung: Die Menschen in Spanien und Italien, die über die Reduzierung des Krankheitsrisikos durch die Impfung informiert wurden, wollten sich sogar seltener impfen lassen als die Kontrollgruppe.

Die Gesundheitskompetenz entscheidend

Im Ergebnis bestehen Zusammenhänge zwischen der Wirksamkeit der Botschaften, soziodemografischen Merkmalen sowie dem Vertrauen der Bürger in ihre Regierung, ihrer Kompetenz in Gesundheitsfragen und dem Anteil der Bevölkerung, der an bestimmte Verschwörungstheorien glaubt.

Für alle Botschaften gilt, dass sie ihr Ziel weniger wahrscheinlich erreichen, wenn die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung gering ist. „Dieses Ergebnis hat uns überrascht“, sagt Matteo M. Galizzi, Professor für Behavioural Science an der London School of Economics and Political Science. „Wir hatten eher angenommen, dass verständliche und visualisierte Informationen über COVID-19 bei Menschen mit wenig Vorwissen zu mehr Verständnis für die Krankheit und damit auch zu einer größeren Impfbereitschaft führen.“ Bisherige Vermutungen, dass Vertrauen in die eigene Regierung einen positiven Effekt hat, werden dagegen durch das Studienergebnis bestätigt.

Ältere sind weniger empfänglich

Waren Verschwörungstheorien vergleichsweise weit verbreitet, erzielten sowohl die Botschaft der gesundheitlichen Vorteile als auch die Aussicht auf künftige Freizeitmöglichkeiten keine signifikanten Erfolge. „Die Auswertung zeigt, dass diese starke Desinformation auch die negative Wirkung der gesundheitlichen Aufklärung in Spanien und Italien erklären kann“, sagt Giuseppe A. Veltri, Professor für Computational Social Science der Universität Trient.

Unterschiede gab es auch zwischen einzelnen soziodemografischen Gruppen. Beispielsweise ließen sich Männer mit einem geringen Bildungsgrad von den beiden Botschaften, die auf Vorteile in Alltag und Freizeit abzielen, häufiger von der Impfung überzeugen als Männer mit gleichem Profil in der Kontrollgruppe. Bei dieser Gruppe zeigte sich auch ein besonders starker Effekt, wenn in einem Land das Vertrauen in die Regierung groß und die Verbreitung von Verschwörungstheorien gering war. Ältere Menschen waren für alle Botschaften tendenziell weniger empfänglich als jüngere.

Man sollte nicht auf andere Länder schielen

„Während der Pandemie wurde oft in andere Länder geschaut, was dort besser oder schlechter läuft. Unsere Studie zeigt, dass solche Vergleiche nur bedingt hilfreich sind“, sagt Prof. Tim Büthe vom Lehrstuhl für International Relations der TUM. „Erfolgversprechender ist vielmehr, in jedem Land die gegebenen Voraussetzungen zu untersuchen und dann politische Maßnahmen und Kommunikation gezielt darauf abzustimmen. Das kann die Politik auch jetzt noch für Kampagnen zu weiteren Corona-Boosterimpfungen angehen.“

Studienleiterin Janina Steinert, Professorin für Global Health an der TUM, betont: „Die Botschaften, die zur Impfung motivieren, sollten differenzierter für einzelne Zielgruppen zugeschnitten und verbreitet werden, beispielsweise über bestimmte Social-Media-Kanäle oder mit Anzeigen in Medien, die sich an einzelne Geschlechter und Altersgruppen richten. Bei einem geringen Vertrauen in die Regierung könnten Personen als Kommunikatorinnen und Kommunikatoren auftreten, die Vorbilder für einzelne soziodemografische Gruppen sind.“

Sollten jedoch die Erfolgsaussichten für eine Kommunikationskampagne schlecht sein, empfiehlt das Team, den Schwerpunkt auf andere Maßnahmen zu legen. Möglich seien etwa konkrete Belohnungen oder ein individuell zugewiesener Impftermin, dem man nur aktiv widersprechen kann. „Langfristig sollten alle Länder die Gesundheitskompetenz ihrer Bürgerinnen und Bürger stärken, um die Effektivität künftiger Impfkampagnen zu erhöhen“, sagt Steinert.

Die Rolle der Zulassungsverfahren

Eine weitere Studie gibt Hinweise, wie das Vertrauen in Impfstoffe von deren Zulassungsverfahren abhängt. Forschende der TUM, der Universität Innsbruck und der Privatuniversität UMIT Tirol haben im frühen Stadium der Impfkampagne, im März 2021, einer repräsentativen Stichprobe von rund 2.000 deutschen Erwachsenen Informationen zu einem hypothetischen mRNA-Impfstoff gezeigt.

Die Teilnehmenden wurden zufällig in vier Gruppen eingeteilt: Sie erhielten entweder das Szenario einer Notfallzulassung, die entweder fünf oder 20 Tage gedauert hatte, oder eines beschleunigten, aber vertieften Verfahrens, das 20 oder 150 Tage gedauert hatte. Anschließend wurden sie gefragt, ob sie sich mit diesem Impfstoff immunisieren lassen würden, ob sie dem Vakzin vertrauen und ob sie dafür zahlen würden.

Vergleicht man die beiden Gruppen, die von einer Verfahrensdauer von 20 Tagen ausgingen, waren die Impfbereitschaft und das Vertrauen beim vertieften Verfahren gegenüber der Notfallzulassung deutlich größer (um 13 und 12 Prozentpunkte). Diese Gruppe war zudem willens, acht bis neun Euro mehr für den Impfstoff zu zahlen.

Eine längere Prüfungsdauer hatte dagegen geringfügigere Auswirkungen: Im Vergleich der beiden Gruppen, denen die Notfallzulassung zugeordnet war, erhöhte die Verlängerung von fünf auf 20 Tage Impfbereitschaft und Vertrauen um fünf bis sechs Prozentpunkte. Die Verlängerung der vertieften Prüfung von 20 auf 150 Tage hatte keinen signifikanten Effekt.

„Die Zulassungsbehörden stehen in einer Pandemie vor der Abwägung, einerseits möglichst schnell Impfungen zu genehmigen und andererseits mit einer möglichst gründlichen Prüfung Vertrauen zu schaffen“, sagt Studienautor Philipp Lergetporer, Professor für Economics an der TUM. „Unsere Studie kann zur Grundlage für diese schwierigen Entscheidungen beitragen.“

Studie “How Does the Vaccine Approval Procedure Affect Covid-19 Vaccination Intentions” von Prof. Dr. Philipp  Lergetporer, Technische Universität München (TUM)

Steinert JI, Sternberg H, Prince H, Fasolo B, Galizzi M, Buethe T, Veltri GA (2022). COVID-19 Vaccine Hesitancy in Eight European Countries: Prevalence, Determinants and Heterogeneity. Science Advances Vol 8, Issue 17, https://doi.org/10.1126/sciadv.abm9825

22. April

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Luftverschmutzung ist womöglich ein Risikofaktor

Eine erhöhte Luftverschmutzung am Wohnort könnte das Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion erhöhen und auch als COVID-Risikofaktor gelten, zeigt eine Studie aus Schweden.

Bereits die kurzfristige Exposition mit Feinstaub, Ruß und Kohlenstoff konnte die Wahrscheinlichkeit einer SARS-CoV-2-Infektion um durchschnittlich 6,8 Prozent erhöhen. Zu diesem Ergebnis kommt die Untersuchung einer Kohorte von 425 jüngeren erwachsenen Schweden (Durchschnittsalter 25,6 Jahre) mit Wohnsitz in Stockholm, die zwischen dem 5. Mai 2020 und 31. März 2021 ein positives PCR-Testergebnis aufwiesen. Die Abteilung für Umweltmedizin am Karolinska-Institut ermittelte die Werte der Luftverschmutzung (Feinstaub mit Durchmesser ≤2,5 μm [PM2,5], Feinstaub mit Durchmesser ≤10 μm [PM10], Ruß [BC] und Stickoxide [NOx]) am Wohnort der Teilnehmenden am Tag des Tests sowie an den Tagen davor. Zur Kontrolle dienten die Messwerte der gleichen Wochentage im Vormonat.

Stärkste Assoziation nur wenige Tage vor der Infektion

Festgestellt wurde bei der Untersuchung, dass vor allem erhöhte Messwerte von Feinstaub und Ruß in den zwei Tagen vor der gesicherten Infektion diese wahrscheinlicher machten. Die Infizierten waren an den Tagen der Tests einer Luftverschmutzung einer medianen Feinstaubkonzentration von 4,4 μg/m3 PM2,5 sowie 7,7 μg/m3 PM10 sowie 0,3 μg/m3 Ruß und 8,2 μg/m3 Stickoxiden ausgesetzt. An den Kontrolltagen war das Expositionsniveau der Partikel im Median niedriger und lag bei 3,8 μg/m3 RM2,5 beziehungsweise 6,6 μg/m3 RM10 sowie 0,2 μg/m3 bei Ruß und 7,7 μg/m3 bei Stickoxiden.

Die Forschenden nutzten anschließend verteilte Lag-Modelle in Kombination mit bedingten logistischen Regressionsmodellen, um die Assoziation zu schätzen. Ergebnis: Jeder Anstieg des Interquartilsabstands(der Breite des Intervalls, in dem die mittleren 50 Prozent der Stichprobeelemente liegen) der kurzfristigen Exposition war mit einem relativen Anstieg der positiven Ergebnisse des SARS-CoV-2-PCR-Tests verbunden (Konfidenzintervall 95 Prozent):

  • gegenüber PM2,5 um 6,8 Prozent (Spreizung 2,1 bis 11,8 Prozent,
  • gegenüber PM10 um 6,9 Prozent (Spreizung 2,0 bis 12,1 Prozent) und
  • gegenüber BC um 5,8 Prozent (Spreizung 0,3 bis 11,6 Prozent).

Diese Ergebnisse waren weder mit NOx verbunden, noch wurden sie durch Geschlecht, Rauchen, Asthma, Übergewicht oder selbstberichtete COVID-19-Atemwegssymptome verändert.

Darum vermuten die Forschenden, die Schadstoffe in der Luft könnten zum einen die Empfänglichkeit für Infektionen, zum anderen aber auch das Risiko für schwere Erkrankungen oder Komorbiditäten erhöhen und somit auch bei COVID als Risikofaktor gelten. Hintergrund: Luftverschmutzung löst oxidativen Stress aus und unterdrückt das Immunsystem. Die Feinstaub- und Rußpartikel können Epithelschäden sowie Lungenentzündungen und somit den Eintritt des Virus in die angegriffenen Atemwege begünstigen. Eine Verringerung der Luftverschmutzung würde die öffentliche Gesundheit unterstützen, lautet die Schlussfolgerung der Autoren.

Zhebin Yu et al: „Association of Short-term Air Pollution Exposure With SARS-CoV-2 Infection Among Young Adults in Sweden“ published in JAMA Network on April 20, 2022 DOI:10.1001/jamanetworkopen.2022.8109

14. April

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Myo- und Perikarditis nach COVID-Impfung nicht häufiger

Eine internationale Meta-Analyse hat nun festgestellt, dass die Fälle von Myo- und Perikarditis nach einer COVID-Impfung sogar seltener auftraten als im Vergleich zu anderen Impfungen.

Die Herzmuskel- beziehungsweise Herzbeutelentzündungen ist eine sehr selten festgestellte Impfreaktion. Die Berichte über einen möglichen Zusammenhang mit der COVID-Impfung häuften sich ab Sommer 2021 – vor allem bei Jugendlichen und jungen Männern. Das veranlasste ein Team aus Wissenschaftlern der National University of Singapore zu einer Meta-Analyse. Darin der Vergleich der Häufigkeit einer Myo- und Perikarditis (Myoperikarditis) im Zusammenhang mit anderen Impfungen, wie etwa der Influenza- oder Pockenimpfung sowie gegen andere Infektionskrankheiten.

Im Ergebnis lag das Risiko einer Myoperikarditis nach einer COVID-Impfung sogar unter dem anderer Impfungen. Festgestellt wurde bei der Meta-Analyse eine Gesamtinzidenz von 18 Fällen pro Million COVID-Impfdosen, wo hingegen bei anderen Impfungen die Risikorate bei durchschnittlich 56 pro Million Impfdosen kam. Die Gesamtinzidenz betrug demnach 33,3 Fälle pro Million Impfdosen.

Risiko für unter 30-Jährige und Männer leicht erhöht

Als Risikofaktoren konnte ein Alter unter 30 Jahren (40,9 Fälle pro Million Dosen) sowie das männliche Geschlecht (23 Fälle pro Million Dosen), die Impfung mit einem mRNA-Impfstoff  (22,6 Fälle pro Million Dosen) und eine Zweitimpfung (31,1 Fälle pro Million Dosen) im Vergleich zu allen COVID-Impfungen in der Allgemeinbevölkerung festgestellt werden.

Die Autoren der Studie erklären: „Das Auftreten von Myoperikarditis nach Nicht-COVID-Impfungen könnte darin begründet sein, dass es sich bei dieser um eine Nebenwirkung des Entzündungsprozesses handelt, der von jeder Impfung induziert wird und nicht spezifisch für das Spike-Protein der Impfung oder -infektion ist“. Der Nutzen einer COVID-Impfung überwiege allerdings erheblich dem Risiko der seltenen Nebenwirkung, wie die Analyse verdeutlichen konnte.

Ling, R. et al: „Myopericarditis following COVID-19 vaccination and non-COVID-19 vaccination: a systematic review and meta-analysis“ published in The Lancet on April 11, 2022. DOI: DOI: https://doi.org/10.1016/S2213-2600(22)00059-5

11. April

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Dreifach Geimpfte genesen drei Tage schneller von Omikron-Infektion

Infizierte, die geboostert waren, erholten sich im Durchschnitt drei Tage zügiger von einer Infektion mit der Omikron-Variante. Das zeigen neue Daten einer britischen Gesundheits-App, die Patienten mit Informationen zu ihrem Krankheitsbild befüllten.

Aktuelle Auswertungen der „COVID Symptom Study“ in Großbritannien, die die Daten der ZOE App nutzt, zeigen, dass sich das Krankheitsbild und die Länge einer SARS-CoV-2-Infektion durch die Omikron-Variante verändert haben. Beispielsweise gab es 25 Prozent weniger Hospitalisierungen im Vergleich zu der Infektionswelle mit der Delta-Variante des Virus. Auch Begleiterscheinungen wie der Verlust des Geruchsinns sind von 52,7 auf nur mehr 16,7 Prozent deutlich zurückgegangen. Zudem erholen sich Infizierte durchschnittlich schneller – besonders, wenn sie dreifach geimpft sind.

Die mediane Krankheitsdauer kürzte sich von 8,89 Tagen während der Delta-Welle auf 6,87 Tage bei der Omikron-Welle. Das sei vor allem der Booster-Impfung zuzuschreiben, so die Studienautoren in ihrer Publikation in The Lancet. Denn bei Patienten mit einer Grundimmunisierung reduzierte sich die Krankheitsdauer im Durchschnitt von 9,57 auf 8,30 Tage. Dreifach geimpfte Patienten hingegen zeigten in der Delta-Welle 7,71 Tage und in der Omikron-Welle nur noch über 4,40 Tage Symptome.

Auswahl aus 32 Symptomen in der App

Die App wurde von Epidemiologen am King’s College London entwickelt und bereits im März 2020 zur Verfügung gestellt. Bei einer Infektion können Nutzerinnen und Nutzer dort Angaben zu ihrem Krankheitsverlauf machen und dafür aus 32 möglichen Symptomen auswählen. Die App ist in England recht beliebt und sammelt große Datenmengen. Für die aktuelle Analyse haben Forschende die Angaben der Delta-Welle zwischen Anfang Juni und Ende November 2021 und der aufkommenden Omikron-Welle zwischen Dezember 2021 und Ende Januar 2022 verglichen. Dabei wurden jeweils 4.990 Personen aus den beiden Wellen gegenübergestellt, die sich in Alter, Geschlecht und im Impfstatus glichen.

Bei den Infektionen mit Omikron wurden allerdings häufiger Halsschmerzen und eine heisere Stimme als Symptom angegeben. Möglicherweise, weil die Infektion mit der Virusvariante eher die oberen Atemwege angreift. Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen und Schwindel sowie kognitive Störungen wie etwa der sogenannte Brain Fog, die Indikatoren für eine systemische Erkrankung sind, wurden insgesamt deutlich seltener dokumentiert.

Spector, T. et al: „Symptom prevalence, duration, and risk of hospital admission in individuals infected with SARS-CoV-2 during periods of omicron and delta variant dominance: a prospective observational study from the ZOE COVID Study“ pulished in The Lancet on April, 7, 2022. DOI: https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(22)00327-0/fulltext

6. April

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SARS-CoV-2-Infektion erhöht Diabetesrisiko um 40 Prozent

Im ersten Jahr nach einer SARS-CoV-2-Infektion ist das Risiko, an einem Diabetes zu erkranken, um 40 Prozent erhöht. Das zeigt eine US-Untersuchung mit mehr als 180.000 Probanden.

In der Kohortenstudie nutzten die Forschenden Datenbanken des US-Ministeriums für Veteranenangelegenheiten, um eine Kohorte von 181.280 Teilnehmenden, die zwischen dem 1. März 2020 und dem 30. September 2021 einen positiven COVID-Test hatten und die ersten 30 Tage der Erkrankung überlebten – sowie zwei Kontrollgruppen aufzubauen.

Die Teilnehmenden der zeitgenössischen Kontrollgruppe (n = 4.118.441) wurden im selben Zeitraum beobachtet, bei ihnen gab es jedoch keine Hinweise auf eine SARS-CoV-2-Infektion. Außerdem wurde eine historische Kontrollgruppe (n = 4.286.911) gebildet, deren Daten aus dem Zeitraum vom 1. März 2018 bis zum 30. September 2019 ausgewertet wurden. Die Teilnehmenden aller Gruppen hatten vor dem Eintritt in die Kohorte keinen Diabetes und wurden für im Median 352 (245 bis 406) Tage nachbeobachtet.

Die Forschenden verwendeten anschließend inverse wahrscheinlichkeitsgewichtete Überlebensanalysen, einschließlich vordefinierter und algorithmisch ausgewählter hochdimensionaler Variablen, um das postakute COVID-Risiko für Diabetes, die Verwendung von Antihypoglykämika und eine Zusammensetzung der beiden Endpunkte abzuschätzen. Die Forschenden quantifizierten dies über zwei Risikomaße: Hazard Ratio (HR) und Belastung pro 1.000 Personen nach 12 Monaten.

Das Ergebnis: In der postakuten Phase der Erkrankung zeigten Menschen mit COVID-19 im Vergleich zur heutigen Kontrollgruppe

  • erhöhtes Risiko (HR 1,40, Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 1,36 bis 1,44) und
  • eine übermäßige Belastung (13,46, 12,11 bis 14,84) für Diabetes sowie
  • ein erhöhtes Risiko (1,85, 1,78 bis 1,92) und
  • eine übermäßige Belastung (12,35, 11,36 bis 13,38) von antihyperglykämischem Konsum.

Darüber hinaus ergaben Analysen zur Abschätzung des Risikos eines zusammengesetzten Endpunkts von Diabetes oder  antihyperglykämischer Anwendung eine HR von 1,46 (1,43 bis 1,50) und eine übermäßige Belastung von 18,03 (16,59 bis 19,51) pro 1.000 Personen nach zwölf Monaten.

Die Risiken und Belastungen postakuter Ergebnisse stiegen dabei je nach Schweregrad der akuten Phase von COVID-19 – unabhängig davon, ob die Patienten hospitalisiert werden mussten oder nicht. Nach Ansicht der Forschenden sollte die postakute COVID-Versorgung perspektivisch darum auch die Identifizierung und Behandlung von Diabetes umfassen.

Yan Xie, Z. et al: „Risks and burdens of incident diabetes in long COVID: a cohort studyRisks and burdens of incident diabetes in long COVID: a cohort study”, MD Published:March 21, 2022, DOI: https://doi.org/10.1016/S2213-8587(22)00044-4

28. März

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SARS-CoV-2 infiziert auch das Auge

Die Obduktion von COVID-Patienten gab bereits Hinweise darauf, dass Coronaviren auch im Auge Schäden verursachen können. Bisllang war aber unklar, welche Netzhautstrukturen betroffen waren.

Ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster verwendete nun für weiterführende Untersuchungen ein organähnliches Modellsystem (Organoide) aus der Netzhaut aus menschlichen reprogrammierten Stammzellen. Die Forschenden stellten fest: SARS-CoV-2 infiziert die Netzhautzellen, vor allem die retinale Ganglienzellen, aber auch die Lichtsinneszellen, und vermehrt sich in diesen Zelltypen. Die Studie erbringt erstmal den Nachweis für eine Virusreplikation in der Netzhaut.

Dabei erwies sich das Organoid-Modell dabei als relevante Alternative zu Tierversuchen, da sich SARS-CoV-2-Infektionen beim Menschen nicht oder nur unzulänglich im Tiermodell nachbilden lassen. Als Ausgangszelltyp für die Netzhautorganoide wurden menschliche iPS-Zellen verwendet. Das sind Zellen, die aus Biopsien gewonnen und zu künstlich induzierten Stammzellen umprogrammiert wurden.

Die ausgereiften Netzhautorganoide wurden dann in einem Sicherheitslabor der Schutzstufe 3 mit SARS-CoV-2 Viren inkubiert und anschließend nach festgelegten Inkubationszeiten analysiert. So gelang den Forschern mittels quantitativer PCR-Analyse der Nachweis von mRNA in den Organoiden, also dass Zellen wirklich vom Virus infiziert wurden.

Der Test zeigte auch, dass sich in den Organoiden neue Virusnachkommen gebildet hatten – das Virus repliziert sich in der Netzhaut. Diese Erkenntnis ist neu und unterstreicht die Notwendigkeit, retinale Pathologien als mögliche Folge von Long-COVID zu beobachten, schreiben die Autoren.

Menuchin-Lasowski, Y. et al: „SARS-CoV-2 infects and replicates in photoreceptor and retinal ganglion cells of human retinal organoids.“ In Stem Cell Reports, April 12, 2022, online advance publication March 24, 2022. DOI:https://doi.org/10.1016/j.stemcr.2022.02.015

21. März

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Wer geimpft und genesen ist, hat stärksten Schutz vor Neuinfektion

Ein interdisziplinäres Forschungsteam konnte nun in einer Studie belegen, dass der beste Immunschutz vor SARS-CoV-2 beziehungsweise einer Neuinfektion nach einer vollständigen Impfung und einer durchgemachten Infektion besteht. Die Kombination wirkt wie ein Booster.

Personen, die vollständig gegen COVID-19 geimpft sind und dazu noch eine Infektion mit dem Coronavirus durchgemacht haben, weisen eine fünffach höhere Antikörperkonzentration im Blut auf als vollständig geimpfte Personen ohne eine Infektion. Damit wären die genesenen Geimpften bei einer Neuinfektion mit anderen Varianten deutlich besser vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Forschungskooperation des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der Technischen Universität Dortmund (IfADo), des Max-Planck-Instituts für molekulare Physiologie (MPI) sowie des Klinikums Dortmund. Für die Studie zum Immunschutz wurden insgesamt 140 Probandinnen und Probanden einer Gesundheitseinrichtung seit März 2020 untersucht. Somit standen auch Blutproben aus den ersten Wochen der Pandemie zur Verfügung.

Weiter konnte bei fast allen der positiv getesteten Probanden eine effektive Menge neutralisierender Antikörper gegen das Spike-Protein nachgewiesen werden – und dass über einen längeren Zeitraum. Auch nach 300 Tagen waren die Antikörperspiegel im Blut bei drei Viertel der Probanden kaum gesunken. Allerdings lag bei ihnen eine Infektion mit der ursprünglichen Variante des Coronavirus vor und daher wurden die neutralisierenden Antikörper gegen das ursprüngliche Spike-Protein gemessen.

Das Forschungsteam aus Biochemikern, Immunologen, Klinikern und dem Dortmunder Gesundheitsamt erklärte noch einmal, dass bei der Infektion das Immunsystem mit der Produktion von Antikörpern reagiert, die das Virus daran hindern können, weitere Zellen zu infizieren. Gleichzeitig können sogenannte T-Killerzellen die fremden Virusbestandteile erkennen und so bereits infizierte Zellen abtöten. Während der Immunreaktion verbessern sich die Antikörper ständig und sind schließlich maßgeschneidert für den Erreger. Die Menge dieser neutralisierenden Antikörper zeigt an, wie gut eine neue Infektion vom Körper abgewehrt werden kann.

Watzl, C. et al: „Neutralizing antibody responses 300 days after SARS-CoV-2 infection and induction of high antibody titers after vaccination“ published in European Journal of Immunology on March 05, 2022. DOI: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/eji.202149758

17. März

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Zusammenhang zwischen Impfquote und Inzidenz in Österreich

Ob die Infektionsverbreitung mit der Impfquote zusammenhängt, fragen sich Wissenschaftler weltweit. Eine österreichische Studie legt nun Ergebnisse vor. Dort beeinflusste die Impfquote scheinbar die Inzidenz.

Ist die Quote der Impfungen gegen COVID-19 hoch, sinkt die Inzidenz – und umgekehrt. Diese negative Korrelation konnten Forschenden in einer Studie feststellen. Dafür analysierten sie die Inzidenzraten und deren Entwicklung sowie die Impfquoten in 94 österreichischen Bezirken mit insgesamt 8,9 Millionen Personen während zwei Phasen: in einer Phase, in der die Infektionsraten anstiegen und einer zweiten Phase, in der diese stabil waren.

Verglichen wurde die Sieben-Tage-Inzidenz und der Prozentsatz der Bürger mit einem gültigen Impfzertifikat. Um die Zusammenhänge zwischen den Inzidenzen und den Impfraten zu bewerten, berechneten die Wissenschaftler die Korrelationen unter Verwendung von Spearmans Rangkorrelationskoeffizienten.

Ergebnis: Die negative Korrelation konnte sowohl bei steigender als auch bei stabiler Inzidenz festgestellt werden. In der stagnierenden Phase konnten sie jedoch keinen Zusammenhang zwischen der Impfquote und einer Veränderung der Inzidenz ausmachen. Zuvor hatte eine neuere US-Studie nahegelegt, dass die Ausbreitung von COVID-19 nicht mit dem Grad der Durchimpfung zusammenhängt, während eine deutsche Preprint-Studie im Herbst 2021 zeigte, dass das aktuelle Infektionsgeschehen „hauptsächlich von den nicht Geimpften verursacht wird”.

Zukünftige Studien zum Thema sollten einen noch komplexerer statistischen Ansatz verfolgen, schreiben die Forschenden, die Berücksichtigung der abnehmenden Immunität nach Impfungen und neue Virusmutationen berücksichtigen.

Blasche, G. et al: „Vaccination rates are associated with COVID-19 incidence in Austria“ Dtsch Arztebl Int 2022; 119: 214–5. DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0132

14. März

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So geht es den ersten COVID-Patienten aus Wuhan heute

Die ersten älteren COVID-Patienten aus Wuhan, die im Frühjahr 2020 aufgrund der Schwere der Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden mussten, haben ein Jahr danach öfter kognitive Störungen oder sogar Demenz.

Besonders, wenn sie unter dem akuten Atemnotsyndrom litten, stieg das Risiko für die Spätfolgen. Ein wesentlicher Risikofaktor neben dem Alter war eine notwendige maschinelle Beatmung im Zuge der intensivmedizinischen Behandlung.

Für die Studie befragten die Wissenschaftler 1.438 überlebende Senioren ab 60 Jahre zu ihrem kognitiven Status sechs bis zwölf Monaten nach ihrer Erkrankung. Befragt zu dem Genesungszustand  wurden zudem die Ehepartner. Die Vergleichsgruppe bestand aus 438 Personen, die nicht an COVID-19 erkrankt waren.

Als "schwer erkrankt" definierten die Mediziner jene Patienten, die über 30 Minuten schwere Atemnot erlitten hatten oder bei denen die Sauerstoffsättigung im Blut unter 90 Prozent gefallen war. So hatten 41 Prozent eine High-Flow-Sauerstofftherapie erhialten und 32 Prozent sind maschinell beatmet worden.

Sechs Monaten nach der Infektion erfüllten zehn Prozent der Patienten die Screening-Kriterien einer Demenz. Nach zwölf Monaten stieg der Anteil auf 15 Prozent. Bei insgesamt 26 Prozent hatten sich leichte kognitive Beeinträchtigungen entwickelt, aus denen sich noch eine Demenz entstehen kann. Bei rund einem Fünftel hatte sich der kognitive Zustand zwölf Monaten noch einmal verschlechtert gegenüber nach sechs Monaten.

Bei 9,6 Prozent der schwer Erkrankten verliefen die ersten sechs Monaten unauffällig, nach zwölf Monaten fanden die Wissenschaftler dann allerdings erste Hinweise auf eine kognitive Störung. Erlitten die Senioren im Krankenhaus keine schweren der Lungenfunktionsstörungen, waren die kognitiven Auswirkungen viel weniger auffällig und problematisch.

Was die Interpretation der Studienergebnisse angeht, sei zu beachten, dass die ersten Patienten in Wuhan unter schwierigen Bedingungen in zum Teil provisorisch errichteten Krankenhäusern behandelt wurden. Daher müsse abgewartet werden, ob aus anderen Ländern ähnliche Ergebnisse zu beobachten sind. Sollten sich die kognitiven Störungen auch dort häufen, müsse in den nächsten Jahren mit einem Anstieg von Demenzerkrankungen gerechnet werden, so die Studienautoren.

Liu Y, Chen Y, Wang Q, et al. „One-Year Trajectory of Cognitive Changes in Older Survivors of COVID-19 in Wuhan, China: A Longitudinal Cohort Study.“ JAMA Neurol. Published online March 08, 2022. doi:10.1001/jamaneurol.2022.0461

9. März

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16 Genvarianten erklären schweren COVID-Verlauf

16 Gen-Varianten entscheiden mit darüber, ob eine Corona-Erkrankung lebensgefährlich wird oder nicht - darunter solche, die Blutgerinnung, Immunreaktion und Intensität der Entzündung beeinflussen.

Die Forscher des GenOMICC-Konsortiums in London - einer weltweiten Zusammenarbeit zur Erforschung der Genetik bei kritischen Krankheiten - hatten die Genome von 7.491 Corona-Patienten aus 224 Intensivstationen im Vereinigten Königreich sequenziert. Ihre DNA wurde mit der von 48.400 anderen Personen verglichen, die nicht an COVID erkrankt waren, sowie mit der von weiteren 1.630 Personen, die eine leichte COVID-Erkrankung aufwiesen.

Die Bestimmung der gesamten Genomsequenz aller Studienteilnehmer ermöglichte es dem Team, eine genaue Karte zu erstellen und genetische Variationen zu identifizieren, die mit dem Schweregrad von COVID-19 zusammenhängen. Die Wissenschaftler fanden entscheidende Unterschiede in 16 Genen der Intensivpatienten im Vergleich zur DNA der anderen Gruppen.

Insgesamt wurden 16 neue genetische Varianten identifiziert, die mit der schweren Covid-19-Krankheit in Verbindung stehen, darunter solche, die mit der Blutgerinnung, der Immunreaktion und der Intensität der Entzündung zusammenhängen. Die Ergebnisse bestätigten auch die Beteiligung von sieben anderen genetischen Variationen, die bereits in früheren Studien mit schwerem COVID in Verbindung gebracht wurden.

Um das Risiko einer schweren Erkrankung zu erhöhen, reicht es, wenn eine einzige Genvariante einen wichtigen Botenstoff des Immunsystems (Interferon alpha-10) stört. Das deutet den Autoren zufolge darauf hin, dass die Behandlung von Patienten mit Interferon - Proteinen, die von Immunzellen zur Virenabwehr freigesetzt werden - dazu beitragen könnte, die Krankheit in den frühen Stadien zu kontrollieren.

Genvariationen, die die Blutgerinnung kontrollieren, stehen demnach zudem mit schwerem COVID in Verbindung. Diese Erkenntnis könnte einige der Gerinnungsanomalien erklären, die in schweren Fällen auftreten.

 "Diese Ergebnisse erklären, warum manche Menschen eine lebensbedrohliche Covid-19-Erkrankung entwickeln, während bei anderen überhaupt keine Symptome auftreten. Noch wichtiger ist jedoch, dass wir dadurch ein tieferes Verständnis des Krankheitsprozesses erlangen und einen großen Schritt vorwärts bei der Suche nach wirksameren Behandlungen machen", erläutert Projektleiter Prof. Kenneth Baillie von der Universität Edinburgh.

Dr. Rich Scott, Chief Medical Officer bei Genomics England, ergänzt: "Die Studie stellt einen großen Fortschritt in unserem Verständnis darüber dar, wie unsere genetische Ausstattung eine schwere Erkrankung mit Covid-19 beeinflusst."

Kousathanas, A., Pairo-Castineira, E., Rawlik, K. et al. Whole genome sequencing reveals host factors underlying critical Covid-19. Nature (2022). https://doi.org/10.1038/s41586-022-04576-6

2. März

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Omikron verläuft zu 67 Prozent weniger tödlich als Delta

Eine Datenanalyse aus England zeigt: Das Sterberisiko ist bei einer Infektion mit Omikron um 67 Prozent geringer als mit Delta. Es sterben weniger Männer als Frauen an der Variante.
Das Office for National Statistics (ONS) analysiert regelmäßig die Infektionen und die COVID-assoziierten Todesfälle. Die Studienpopulation umfasste 1.035.163 Personen, die im Dezember 2021 in England positiv auf COVID-19 getestet wurden, davon hatten 78,6 Prozent Omicron-Infektionen und 21,4 Prozent Delta-Infektionen. Insgesamt waren das rund ein Drittel aller im Dezember 2021 positiv getesteten Personen in England.

Es gab 128 Todesfälle mit COVID-19 und 53 Todesfälle ohne COVID-19 bei den Omicron-Infizierten und 189 beziehungsweise 28 bei den Delta-Infizierten. Die mittlere Zeitspanne vom positiven Ergebnis bis zum Tod durch COVID-19 betrug 13 Tage für Omicron und 16 Tage für Delta.
Waren die Patienten an Omikron-Variante erkrankt, war ihr Sterberisiko um 67 Prozent niedriger. Bei Männern verringerte sich das Risiko sogar um 75 Prozent, während es bei Frauen um 57 Prozent abnahm. Im Vergleich zu Omikron, ist das Risiko, an Delta zu sterben, bei den 18- bis 59-Jährigen um 87 Prozent, bei den 60- bis 69-Jährigen 86 Prozent und bei den über 70-Jährigen 55 Prozent höher.
Studie des ONS :„Comparing the risk of death involving coronavirus (COVID-19) by variant, England: December 2021“

25. Februar

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RKI warnt vor Omikron-Subtyp

Das Robert Koch-Institut (RKI) warnt mit Experten vor dem neuen Omikron-Subtyp BA.2: Eine neue Welle ist im Anmarsch, Reinfektionen binnen kürzester Zeit möglich. Eine Studie aus Dänemark bestätigt den Trend.

Neue RKI -Analysen zu den Virusvarianten zeigen dass sich die wahrscheinlich noch leichter übertragbare Omikron-Untervariante BA.2 in Deutschland kontinuierlich ausbreitet. In der Woche bis zum 13. Februar lag der Anteil dieser in einer Stichprobe positiver Befunde bei fast 24 Prozent. Auch Modellierer gehen von einer Fortsetzung des Trends aus.

Ein Team der Technischen Universität Berlin (TU) hatte in einem Bericht darauf hingewiesen, dass es aufgrund von BA.2 ab Ende Februar zu einem Wiederanstieg der Infektionszahlen kommen wird. Die zwei Wellen mit der alten und der neuen Untervariante von Omikron würden sich dabei überlagern: Während die eine Welle langsam abflacht, steigt die neue bereits stark an. Dabei verwiesen die Wissenschaftler auf die Entwicklung in Dänemark.

Am Statens Serum Institut in Kopenhagen wurden zuletzt rund 140.000 Virusgenome sequenziert – darunter 64 Fälle, bei denen sich dieselbe Person zweimal mit der Omikron-Variante infiziert hatte. In 47 Fällen wurden im ersten Abstrich BA.1 und im zweiten Abstrich BA.2, der neue Omikron-Subtyp, festgestellt. Bei den restlichen 17 gehen die Forschenden von einer verschleppten Infektion aus, da sich die RNA der sequenzierten Proben sehr stark ähnelte.

Der Subtyp BA.2 verursacht inzwischen einen Anteil von 88 Prozent des Infektionsgeschehens in Dänemark. Dort wurde aufgrund der hohen Impfquote während der Omikron-Welle die Pandemie-Schutzmaßnahmen gelockert. Die 7-Tage-Inzidenz stieg Anfang Februar auf über 5.000 Fälle pro100.000. Allerdings gab es weniger als 30 COVID-bedingte Todesfälle.

Die Betroffen waren jüngeren Alters, 42 ungeimpft. Aufgrund der genetischen Unterschiede von BA.2 zu BA.1 müsse mit Reinfektionen gerechnet werden. Sie erscheinen allerdings auch bei einer ungebremsten Epidemie wie in Dänemark eher selten aufzutreten. Auch in Norwegen sind mittlerweile mehrere Fälle bekannt, bei denen Omikron-Genesene sich mit dem neuen Virusstamm infiziert haben.

BA.2 verursacht inzwischen einen Anteil von 88 Prozent des Infektionsgeschehens in Dänemark. Dort wurden aufgrund der hohen Impfquote während der Omikron-Welle die Pandemie-Schutzmaßnahmen gelockert. Die 7-Tage-Inzidenz stieg Anfang Februar auf über 5.000 Fälle pro100.000. Allerdings gab es weniger als 30 COVID-bedingte Todesfälle.
Stegger, M. et al: „Occurrence and significance of Omicron BA.1 infection followed by BA.2 reinfection“ published in medRxiv on Feb, 19, 2022. DOI: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2022.02.19.22271112v1

15. Februar

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Masken beeinträchtigen die physische Leistungsfähigkeit nicht

Eine umfangreiche US-Studie zeigt, dass es selbst nach milden COVID-Verläufen zu einem langfristigen, erheblichen Anstieg des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommt. 
Die Forschenden analysierten die nationalen Gesundheitsdatenbanken des US-Veteranenministeriums, um eine Kohorte von 153.760 US-Veteranen aufzubauen, die die ersten 30 Tage von COVID-19 überlebt haben, sowie zwei Kontrollgruppen: eine zeitgenössische Kohorte aus 5.637.647 Benutzern von US Veterans Health ohne Hinweise auf eine SARS-CoV-2-Infektion sowie eine historische Kohorte (vor der COVID-19-Pandemie) bestehend aus 5.859.411 nicht mit COVID-19 Infizierten aus 2017. Diese Kohorten wurden längs nachverfolgt, um die Risiken und 12-Monats-Belastungen durch vorab festgelegte kardiovaskuläre Ereignisse in der Gesamtkohorte und je nach Behandlungsumfeld der akuten Infektion (nicht stationär (n=131.612), stationär (n=16.760) und auf der Intensivstation aufgenommen (n=5.388)) abzuschätzen. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 347 Tage.

Ergebnis: Das Risiko für zwölf vordefinierte kardiovaskuläre Ereignisse veränderte sich durch die COVID-Erkrankungen deutlich.

Zerebrovaskuläre Störungen:
Menschen, die die ersten 30 Tage von COVID-19 überlebten, wiesen ein erhöhtes Schlaganfallrisiko auf. Die Hazard Ratio (HR) lag bei 1,52 (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung von 1,43 bis 1,62) pro 10.000 Personen nach 12 Monaten.

Dysrhythmien:

  • Es bestand ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern (HR = 1,71 (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung von 1,64 bis 1,79);
  • Sinustachykardie HR = 1,84 (1,74, 1,95);
  • Sinusbradykardie HR = 1,53 (1,45, 1,62);
  • ventrikuläre Arrhythmien HR = 1,84 (1,72, 1,98);
  • Vorhofflattern HR = 1,80 (1,66, 1,96); 
  • Das Risiko einer Kombination HR = 1,69 (1,64, 1,75)

Entzündliche Erkrankung des Herzens

  • Perikarditis HR = 1,85 (1,61, 2,13);
  • Myokarditis HR = 5,38 (3,80, 7,59);
  • Das Risiko einer Kombination betrug HR = 2,02 (1,77, 2,30)

Ischämische Herzerkrankung

  • Akute Koronarerkrankung HR = 1,72 (1,56, 1,90);
  • Myokardinfarkt HR = 1,63 (1,51, 1,75);
  • Ischämische Kardiomyopathie HR = 1,75 (1,44, 2,13);
  • Angina HR = 1,52 (1,42, 1,64);
  • Das Risiko einer Kombination betrug HR = 1,66 (1,52, 1,80)

Andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen

  • Herzinsuffizienz HR = 1,72 (1,65, 1,80);
  • nicht-ischämische Kardiomyopathie HR = 1,62 (1,52, 1,73);
  • Herzstillstand HR = 2,45 (2,08, 2,89);
  • kardiogener Schock HR = 2,43 (1,86, 3,16);
  • Das Risiko einer Kombination betrug HR = 1,72 (1,65, 1,79)

Thromboembolische Erkrankungen

  • Lungenembolie HR = 2,93 (2,73, 3,15);
  • tiefe Venenthrombose HR = 2,09 (1,94, 2,24);
  • oberflächliche Venenthrombose HR = 1,95 (1,80, 2,12);
  • Das Risiko einer Kombination betrug HR = 2,39 (2,27, 2,51)

Anschließend untersuchten die Forschenden die Risiken von zwei zusammengesetzten Endpunkten, darunter schwerwiegende unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) – eine Kombination aus Myokardinfarkt, Schlaganfall und Gesamtmortalität – und alle kardiovaskulären Folgen (definiert als das Auftreten eines vorab festgelegten kardiovaskulären Ereignisses). Im Vergleich zur aktuellen Kontrollgruppe gab es erhöhte Risiken durch MACE HR = 1,55 (1,50, 1,60) und ein beliebiges kardiovaskuläres Ergebnis HR = 1,63 (1,59, 1,68).

Die Ergebnisse wurden 30 Tage nach dem positiven COVID-19-Test bis zum Ende der Nachbeobachtung ermittelt. COVID-19-Kohorte (n = 153.760) und historische Kontrollkohorte (n = 5.859.411). Angepasste Hazard Ratios (HR) und 95 Prozent-Konfidenzintervalle werden dargestellt. Die Länge des Balkens stellt die zusätzliche Belastung pro 1.000 Personen nach 12 Monaten dar, und die zugehörigen 95 Prozent-Konfidenzintervalle sind ebenfalls gezeigt. | (CC by 4.0) Xie Y, Xu E, Bowe B, Al-Aly Z. Long-term cardiovascular outcomes of COVID-19. Nat Med. 2022 Feb 7. doi: 10.1038/s41591-022-01689-3. Epub ahead of print. PMID: 35132265.

Fazit der Autoren: anhand der nationalen Kohorte von COVID-Patienten ließ sich zeigen, dass das Risiko für neu auftretende Herz-Kreislauf-Erkrankungen erheblich sind und mehrere Kategorien von Herz-Kreislauf-Erkrankungen umfassen (ischämische und nicht-ischämische Herzerkrankungen, Rhythmusstörungen und andere). Die Risiken und Belastungen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen waren selbst bei denjenigen offensichtlich, deren akutes COVID-19 keinen Krankenhausaufenthalt erforderte. Die Empfehlung der Forschenden ist, dass die die kardiovaskuläre Gesundheit und Krankheit von COVID-Patienten beobachtet werden sollte.

Xie Y, Xu E, Bowe B, Al-Aly Z. Long-term cardiovascular outcomes of COVID-19. Nat Med. 2022 Feb 7. doi: 10.1038/s41591-022-01689-3. Epub ahead of print. PMID: 35132265.

10. Februar

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Masken beeinträchtigen die physische Leistungsfähigkeit nicht

Ob das Tragen von Masken im Arbeitsalltag und bei höherer körperlicher Belastung die Leistungsfähigkeit einschränkt, hat eine Gruppe Forschender des Instituts für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung am Tübinger Universitätsklinikum geprüft. Im Ergebnis kam es zu keinen nennenswerten Einschränkungen.
Für die Studie untersuchte das Team über vier Tage 39 Probandinnen und Probanden bei körperlicher Aktivität und dabei beim Tragen verschiedener Maskentypen. Die kleine, aber heterogene Kohorte aus Teilnehmern mit unterschiedlichem Alter und unterschiedlichem Fitnesslevel (13 Personen in drei Leistungsklassen unterhalb, gleich und über der Norm) trug dabei jeweils einen Tag lang zunächst keine Maske, dann eine Stoffmaske (sogenannte Community-Maske), dann eine medizinische Maske (den OP-Mundschutz) und am letzten Untersuchungstag eine FFP2-Maske.

Das Gefühl der Probanden widersprach den gemessenen Daten

Bei dem durchgeführten Test auf dem Fahrradergometer kamen die Probanden bis an ihre submaximale Belastung - das entspricht einer Herzfrequenz von 150 Schlägen pro Minute. Die Wissenschaftler bestimmten dabei verschiedene Parameter wie den Sauerstoff- und den Kohlenstoffdioxidgehalt im Blut und die Atemfrequenz sowie die Leistung auf dem Ergometer.
Ergebnis: Die Verwendung der medizinischen Masken führte im Vergleich zur Kontrolle ohne Maske zu keiner Veränderung der körperlichen Arbeitsfähigkeit oder der physiologischen Reaktion. Auch beim Tragen der anderen Masken kamen keine Veränderungen vor, die den Normalbereich überschritten. Faktoren wie das Geschlecht und die kardiorespiratorische Fitness beeinflussten die Wirkung der Masken nicht. Lediglich die empfundene Anstrengung war beim Maskentragen auf einer Skala von eins bis zehn um einen Punkt erhöht.
Fazit: Ob und gleich welche Maske bei der körperlichen Tätigkeit getragen wurde, es gibt keine messbaren physiologischen oder Leistungsparameter, die sich verändern.
In einer Folgestudie werden nun die physiologischen Parameter unter 130-minütigen Tätigkeitssimulationen mit FFP2-Maske, medizinischem Mundschutz und ohne Maske untersucht. Mit den Ergebnissen rechnen die Forschenden in den nächsten Monaten.
Steinhilber et al: „Effects of Face Masks on Physical Performance and Physiological Response during a Submaximal Bicycle Ergometer Test” Int. J. Environ. Res. Public Health 2022, 19(3), 1063; DOI: www.mdpi.com/1660-4601/19/3/1063

09. Februar

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COVID-Risiko für Asthma-Patienten – Ein Update

Forschende aus Deutschland und Israel haben die aktuelle Studienliteratur zum Thema gesichtet und zu einem Überblicksartikel zusammengefasst. Darin erscheint Asthma selbst nicht als Risikofaktor. Ebenso die Therapien mit inhalativen Kortikosteroiden oder Biologika. Die Einnahme von systemischen Kortikosteroiden stellt wiederum ein Risiko für einen schwereren Verlauf dar.

In der ersten Phase der Coronavirus-Pandemie wurde befürchtet, dass Asthma-Patienten ein erhöhtes Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion tragen und schwerer erkranken könnten. Diese Annahme hat sich in Datenauswertungen bislang nicht bestätigt. Auch ist Asthma bei hospitalisierten Patienten mit schwerer Lungenentzündung bei einer SARS-CoV-2-Infektion nicht überrepräsentiert und es besteht kein erhöhtes Risiko für eine akute Verschlechterung durch die Virusinfektion. Zu diesem Schluss kommt ein Überblicksartikel deutsch-israelischer Forscher zum Thema.

Die Übersicht zeigt, welches Therapeutikum das Risiko einer Infektion, eines schweren Verlaufs und der Sterblichkeit bei Asthmatikern erhöht. | Adir, Y. et al: „Asthma and COVID-19: an update.“ In European Respiratory Review

Die Verwendung von inhalativen Kortikosteroiden (ICS) gilt laut Übersichtsarbeit bei Asthma-Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion als sicher. Darüber hinaus deuten Studiendaten darauf hin, dass ICS einen gewissen Schutz vor einer Infektion und der Entwicklung einer schweren Erkrankung bieten können, indem sie die Expression von Angiotensin Converting Enzyme-2 (ACE2), der Zielstruktur des Coronavirus, und der Transmembranprotease Serin in der Lunge verringern. Auch eine Biologika-Therapie bei schwerem allergischem und eosinophilem Asthma birgt kein erhöhtes Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren oder einen schweren Krankheitsverlauf zu erleiden.

Im Gegensatz dazu stellt die chronische oder wiederholte Einnahme von systemischen Kortikosteroiden vor der SARS-CoV-2-Infektion einen wesentlichen Risikofaktor für einen schweren und letalen Verlauf bei Asthma-Patienten dar, so das Ergebnis des Forschungskonsortiums.

Adir, Y. et al: „Asthma and COVID-19: an update.“ In European Respiratory Review, 30(162), 210152. DOI: https://doi.org/10.1183/16000617.0152-2021

04. Februar

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Breite Immunität entsteht nach dreifachem Kontakt mit Spike-Proteinen  

Nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität der Antikörper auf SARS-CoV-2 zeigt sich entscheidend für die Immunabwehr, so das Ergebnis einer Studie am Institut für Virologie der TU München in Zusammenarbeit mit dem Helmholtz Munich und der LMU.
Im Fachmagazin Nature Medicine erklärten die Forschenden dazu: Insgesamt seien drei Kontakte zum Spike-Protein als viralem Antigen notwendig, damit neutralisierende Antikörper nicht nur in ausreichender Menge, sondern auch in hoher Qualität gebildet werden. Diese qualitativ hochwertigen Antikörper würden das Virus stärker binden und könnten so auch die Omikron-Variante effektiver bekämpfen, schreiben die Autoren. Das gelte sowohl für dreifach Geimpfte als auch für Genesene nach zwei Impfungen und beziehungsweise auch bei zweifach Geimpften nach einer Durchbruchsinfektion.

Über zwei Jahre wurden für die Studie freiwillige Teilnehmende aus dem Kreis der Mitarbeitenden am Klinikum rechts der Isar der TUM in regelmäßigen Abständen untersucht. Hierbei gab es eine Gruppe (98 Personen), die sich in der ersten Pandemie-Welle im Frühjahr 2020 mit SARS-CoV-2 infiziert hatte, und eine zweite Gruppe (73 Personen), die sich nicht infiziert hatte. Später wurde den Teilnehmern beider Gruppen Impfungen mit dem mRNA-basierten COVID-Impfstoff von BioNTech/Pfizer angeboten. Beide Gruppen waren hinsichtlich ihres Geschlechts, Alters, ihren Arbeitsbedingungen und Risikofaktoren vergleichbar, schreiben die Wissenschaftler.

Zahl der Kontakte zu Spike-Protein von SARS-CoV2 wichtig für effektive Antikörper

Im Blut der Probanden wurden mehrere Parameter bestimmt: die Menge der Antikörper (IgG), die Stärke der Bindung zwischen Virus-Protein und Antikörper und die Fähigkeit von Antikörpern, SARS-CoV-2 Varianten in Zellkultur zu neutralisieren. Die beiden letzteren gelten als besonders wichtig, um das Ausmaß der schützenden Immunität abzuschätzen. Die Studienergebnisse belegen, dass die Fähigkeit des Immunsystems, das Virus zu neutralisieren, nur teilweise mit dem Antikörper-Titer korreliert. Entscheidender sei, wie effektiv diese Antikörper an das Virus binden und es so inaktivieren.

„Eine neue Erkenntnis ist, dass Menschen dreimaligen Kontakt mit dem Spike-Protein benötigen, um eine sehr gute neutralisierende Aktivität gegen alle Variants of Concern, inklusive Omikron, zu entwickeln“, erklärt Prof. Protzer, Leiterin des Instituts für Virologie der TUM. Omikron ist im Vergleich zu anderen Varianten die am stärksten ausgeprägte Immunflucht gegenüber neutralisierenden Antikörpern. Man brauche deutlich mehr und bessere Antikörper, um das Virus zu neutralisieren, ergänzt Prof. Keppler vom Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).

Das Forschungsteam hattn für die Untersuchungen einen neuen Test entwickelt, mit dem man in hohem Durchsatz viele Serumproben und verschiedene Varianten des Virus in einem Hochsicherheitslabor innerhalb weniger Tage untersuchen kann. Wie die Forschenden berichten, sind hier unterschiedliche Konstellationen möglich. Dreifach geimpfte Personen ohne vorige SARS-CoV-2-Infektion kamen fast auf gleiche Titer neutralisierender Antikörper gegen Omikron wie geimpfte Genesene oder Personen, die eine Durchbruchsinfektion mit dem Delta oder Omikron hatten.

Wratil, P. R. et al: „Three exposures to the spike protein of SARS-CoV-2 by either infection or vaccination elicit superior neutralizing immunity to all variants of concern“ published in Nature Medicine on Jan, 22, 2022 https://www.nature.com/articles/s41591-022-01715-4

01. Februar

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Kinder Profitieren indirekt von Impfungen der Eltern

Auch wenn Kinder selbst noch nicht geimpft waren, zeigte sich in Familien mit geimpften Eltern eine geringere Ansteckungsquote. Das zeigen israelische Real-World-Daten von Krankenversicherten.

Wie Versichertendaten aus Israel zeigen, steckten sich ungeimpfte Kinder erheblich weniger mit SARS-CoV-2 an, wenn deren Eltern vollständig gegen COVID-19 geimpft waren. Genau wie in anderen Ländern wurden dort Kinder zu Beginn der Impf-Kampagne nicht geimpft. Gleichzeitig wurde deutlich, dass das Ansteckungsrisiko in den Familien verhältnismäßig hoch ist. Die durchschnittliche sekundäre Befallsrate beträgt etwa 20 Prozent. Kinder werden zwar in der Regel nicht schwer krank, können sich jedoch ebenso leicht anstecken.
Die Daten des landesweit größten Versicherers Clalit belegen, dass das Infektionsrisiko von Kindern von vollständig geimpften Eltern während der Welle mit der Alpha-Variante des Virus von Januar bis März 2021 um 71,7 Prozent (95-Prozent-Konfidenzintervall 68,6 - 74,6 Prozent) sank. War zumindest ein Elternteil doppelt geimpften, so sank das Risiko um 26 Prozent (14 - 36,2 Prozent). Die Impfung der Erwachsenen erfolgte mit dem Vakzin von BioNTech/Pfizer.

Vollständiger Impfschutz erhöht auch den indirekten Infektionsschutz Ungeimpfter

Und auch die dritte Impfung, die sogenannte Boosterung gegen die deutlich ansteckendere Delta-Variante, erzeugte einen indirekten Schutz für Kinder in den Familien. Insgesamt fiel dieser allerdings etwas geringer aus. Das Ansteckungsrisiko der Kinder nahm um 58,1 Prozent (53,1 - 62,6 Prozent) ab, wenn beide Eltern die Auffrischimpfung erhalten hatten. War nur ein Elternteil zum dritten Mal geimpft, so reduzierte sich das Risiko im Durchschnitt um 20,8 Prozent (11,4 - 29,1 Prozent) ab.

Hayek, S. et al: „Indirect protection of children from SARS-CoV-2 infection through parental vaccination“ published in Science on Jan, 27, 2022. DOI: 10.1126/science.abm3087

20. Januar

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COVID-Patienten zeigen auch nach milden Verläufen kognitive Einschränkungen

COVID-Erkrankte, die asymptomatische bis moderate Verläufe hatten, litten in einer neuen Studie aus Oxford überraschenderweise noch bis zu neun Monate nach der Infektion an geistigen Einschränkungen.

Für die Studie wurden 135 Personen untersucht, die kaum oder gar nichts von ihrer Corona-Infektion gespürt hatten und auch keine Long-COVID-Beschwerden angaben. Die Testreihe bestand aus zwölf kognitiven Online-Aufgaben. Geprüft wurde ein breites Spektrum geistiger Funktionen, darunter die für das tägliche Leben relevanten Fähigkeiten wie etwa die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten, das Gedächtnis, die motorische Kontrolle, die Reaktionsgeschwindigkeit, die Planung, das semantische Denken, die mentale Rotation und die räumlich-visuelle Aufmerksamkeit.

Im Ergebnis schnitten die Probanden mit vorangegangener Infektion und ohne signifikante Krankheitssymptome schlechter ab als die Personen aus der Kontrollgruppe ohne Infektion. Sie erinnerten sich schlechter an persönliche Erfahrungen und ihre Aufmerksamkeitsfähigkeit ließ schneller nach.

Bei all diesen Funktionen zeigten die ehemals COVID-positiven Probanden anfangs die gleiche Ausgangsleistung. Nach nur zwei Minuten einer aufmerksamkeitsintensiven Aufgabe kam es jedoch zu einer signifikant stärkeren Abnahme der Wahrnehmungssensibilität, obwohl sie im Vergleich zu den gesunden Kontrollpersonen den gleichen Grad an Müdigkeit aufwiesen, berichten die Studienautoren.

Nachfolgende Tests zeigten auch eine signifikant stärkere Verschlechterung des episodischen Gedächtnisses. Die Ergebnisse belegen, dass chronische kognitive Beeinträchtigungen nach COVID-19 auch bei Personen zu beobachten sind, die keine lang anhaltenden Symptome aufweisen.

In Bezug auf selbstberichtete Müdigkeit, Vergesslichkeit, Schlafstörungen, Motivation, Depression, Angst und Persönlichkeitsprofil unterschieden sich die Angaben der Probanden allerdings nicht signifikant von der Kontrollgruppe. Bei den übrigen getesteten Fähigkeiten schnitten sie gut ab, einschließlich des Arbeitsgedächtnisses, Exekutivfunktion, Planung und mentaler Rotation.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass spezifische chronisch kognitive Veränderungen nach einer Infektion bei objektiven Tests auch bei denjenigen zu beobachten sind, die keine größere Symptombelastung angeben.

Zhao, S. et al: „Rapid vigilance and episodic memory decrements in COVID-19 survivors”, Brain Communications, Volume 4, Issue 1, 2022, fcab295, DOI: https://doi.org/10.1093/braincomms/fcab295

14. Januar

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Für wen die vierte COVID-Impfung wichtig wird

Etwa 25 Prozent aller immunsupprimierten Patienten bilden auch nach drei COVID-Impfdosen keine ausreichende Antikörperkonzentration. Das geht aus einer Publikation im British Medical Journal (BMJ) hervor, die vorhandene Daten zur Fragestellung zusammenfasst. Erst die vierte Dosis bringt einen messbaren Schutz.

Forschende des Imperial College Healthcare NHS Trust werteten Daten der teilweise als Preprint in The Lancet veröffentlichten Octave-Studie (Observational Cohort Trial T Cells Antibodies and Vaccine Efficacy in SARS-CoV-2) und teils unveröffentlichten Daten aus. Ziel war, zu klären, wer eine vierte Impfung benötigt und warum. Denn etwa die Hälfte aller immunsupprimierten Patienten zeigten nach zwei Impfungen keine Antikörperreaktion gegen SARS-CoV-2. Bei einem Viertel der untersuchten Patienten reichte auch die dritte Impfung nicht aus, um eine ausreichende Antikörperkonzentration zu bilden.

Die Datenauswertung belegt nach Angaben der Autoren, dass Patienten mit supprimiertem Immun­system eine vierte Impfung benötigen, um überhaupt eine nachweisbare Immunreakt­ion zu erhalten. Im Gegensatz dazu würde eine vierte Dosis in der Allgemeinbevölkerung die Immunant­wort nur verstärken, heißt es.

Auf Basis dieser Erkenntnisse priorisieren die USA und Großbritannien die vierte COVID-Impfdosis. Die Virologin Sandra Ciesek erklärte bereits vor Weihnachten im NDR-Info-Podcast "Das Coronavirus-Update", dass es in Deutschland erstmal darum ginge, den zweiten Booster für immunschwache Personen und deren Kontaktpersonen, darunter Pfleger und Krankenhauspersonal, zu untersuchen. Wesentlich sei dabei auch die Erkenntnis, inwieweit gebildete Antikörper eine Infektion mit der Omikron-Variante neutralisieren können.

Vorveröffentlichte Daten: Kearns, P. et al: "Examining the Immunological Effects of COVID-19 Vaccination in Patients with Conditions Potentially Leading to Diminished Immune Response Capacity - The OCTAVE Trial" published in The Lancet on 23. Aug. 2021 DOI: http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3910058

Aktuelle Publikation mit Datenzusammenfassung: Iacobucci G. et al: „Covid-19: Fourth vaccine doses - who needs them and why?” published in BMJ on 07 January 2022 DOI: https://doi.org/10.1136/bmj.o30


7. Januar

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Diese Spuren hinterlässt Long COVID in der Mundhöhle

Ulzerationen und hämorrhagische Veränderungen der Mundschleimhaut, Candidose auf der Zunge und aphthöse Läsionen sind laut einer Studie die häufigsten Long-COVID-assoziierten oralen Manifestationen.

Für die polnische Studie werteten drei Zahnärzte 1.256 Konsultationen von Patienten ihrer Praxis aus, die sich zwei bis sechs Monaten vor dem Praxisbesuch mit SARS-CoV-2 infiziert hatten und stellen sechs exemplarische Fallberichte vor. Ergebnis: Von allen untersuchten Patienten wiesen

  • 32 Prozent Verfärbungen, Ulzerationen und hämorrhagische Veränderungen der Mundschleimhaut auf,
  • 29 Prozent hatten Candidose auf der Zunge,
  • 25 Prozent der Patienten hatten einseitige (häufig linksseitige) aphthöse Läsionen am harten Gaumen und
  • 12 Prozent eine atrophische Cheilitis.

Außerdem berichteten während der Anamnese etwa 60 Prozent der Patienten über Speichelfluss-Sekretionsstörungen in der Anfangsphase der Infektion, die bei 6 Prozent bis zu vier Monate nach dem Verschwinden der systemischen Symptome anhielt. Etwa 30 Prozent der Patienten über 70 Jahre mit Komorbiditäten oder schweren Verläufen inklusive Hospitalisierung wiesen umfangreichere und schwerwiegendere Veränderungen in der Mundhöhle auf, die noch lange nach der Infektion anhielten. Im Extremfall bestand eine aphthöse Läsion für 6 Monate. Die Fallberichte wurden anhand der CARE-Checkliste geführt. Bei den sechs in der Studie ausführlich beschriebenen Patienten wurden Panorama-Röntgenaufnahmen angefertigt, die keine pathologischen Veränderungen im Knochengewebe zeigten.

Aphthenartige Läsionen und kleine Geschwüre, die einer Lasertherapie unterzogen wurden, heilten nach vier bis fünf Behandlungen ab. Die mykotischen Läsionen verschwanden nach 10 Tagen Anwendung von Nystatin. Bei Patienten mit eingeschränkter Speichelsekretion wurden 14 Tage lang stimulierende Medikamente verwendet, die eine Verbesserung der Sekretion ermöglichten.

Die covid-19-impfung erhöht die sterblichkeit von ungeimpften kindern in europa

Eine Trias aus Geschmacksstörungen, Xerostomie und Mundschleimhautläsionen sind wohl die häufigsten COVID-19-assoziierten oralen Manifestationen. Dabei tritt Mundtrockenheit öfter auf als Geschmacksstörungen.

Fazit der Forschenden: Bei Patienten mit Verdacht oder bestätigter SARS-CoV-2-Infektion sollte eine eingehende intraorale Untersuchung durchgeführt und der Patient für mindestens 6 Monate obligatorisch überwacht werden. Veränderungen der Mundhöhle bedürfen je nach klinischem Zustand des Patienten einer Beobachtung, einer Basis- oder Fachbehandlung. Bei Veränderungen in der Mundhöhle ohne Schmerzsymptomatik sollte etwa 4 Wochen beobachtet und die spontane Rückbildung der Veränderungen abgewartet werden. Bei komplexen pathologischen Veränderungen sollte der Patient in eine Zahnklinik überwiesen werden.


Barbara Rafałowicz, Leopold Wagner, Juliusz Rafałowicz, „Long COVID Oral Cavity Symptoms Based on Selected Clinical Cases”, Eur J Dent. 2021 Dec 17. doi: 10.1055/s-0041-1739445. Epub ahead of print. PMID: 34921381.

4. Januar

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Virus gelangt schon nach wenigen Tagen in Herz und Gehirn

SARS-CoV-2 verursacht eine systemische Infektion und kann über Monate hinweg im Körper persistieren. Bereits im frühen Stadium kann das Virus das Gewebe in Herz und Gehirn erreichen. Dort ist es bis zu 230 Tage nach Auftreten der Symptome nachweisbar.

Am Clinical Center der US-National Institutes of Health in Bethesda in Mary­land haben Wissenschaftler umfangreiche Autopsien bei COVID-Verstorbenen durchgeführt und dabei die Virusausbreitung im Körper verfolgt. Sie verwendeten dafür genetische Virusnachweise, die im Gegensatz zu den histologischen Nachweisen stehen, welche häufig aus dem Lungengewebe entnommen werden.
Ziel war, die Verteilung, Replikation und Zelltypspezifität von SARS-CoV-2 im menschlichen Körper einschließlich des Gehirns zu erfassen und zu quantifizieren. Zwar geht die Viruskonzentration im Verlauf einer Infektion zurück, jedoch fanden die Forschenden die Virusgene auch noch bei Patienten, deren akute Infektion mehr als sieben Monate zurücklag, ebenso bei asymptomatischen Patienten.

So war die Zahl der Genkopien pro Nanogramm in den Atmungsorgane am höchsten. Die Forschenden fanden Hinweise in verschiedenen Geweben darauf, dass eine bis zu 230 Tage nach Auftreten der Symptome anhaltende Virusreplikation erfolgte. Allerdings stand die Replikation nur selten mit Entzündungen oder anderen histologischen Veränderungen in Verbindung.

Zudem wurden bei einigen Patienten mehrere Varianten des Virus gefunden, die sich durch einzel­ne Muta­tionen unterschieden. Das sei ein indirekter Hinweis darauf ist, dass sich die Viren trotz Fehlern im Organismus repliziert hatten.

Bei den Befundvergleichen stellten die Wissenschaftler fest, dass das Virus bereits wenige Tage nach der Indikation in das Gewebe von Gehirn und Herz gelangen konnte - unabhängig von der Schwere der Symptome der COVID-Erkrankung. Sie schließen daraus, dass es tatsächlich bereits in der frühen Phase der Infektion zu einer Virämie kommt und sich das Virus so in weiten Teilen des Körpers verteilen kann.

Chertow, D. et al: „SARS-CoV-2 infection and persistence throughout the human body and brain” published in Research Square as preprint of Nature on Dec. 20, 2021. DOI: https://doi.org/10.21203/rs.3.rs-1139035/v1

23. Dezember

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Forscher visualisieren erstmals Gewebeschäden des Herzens durch COVID

Forscher haben die Gewebeschäden des Herzens nach COVID-19 erstmals visualisiert: Im Vergleich zum gesunden Herzen kommt es dabei auf der Ebene der Kapillaren durch Neubildung und Aufspaltung der Gefäße zu einem chaotisch umgebauten Netzwerk voller Abspaltungen, Verzweigungen und Schlaufen.

Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Universitäten Göttingen und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat wesentliche Veränderungen im Herzmuskelgewebe von Menschen nachgewiesen, die an Covid-19 gestorben sind.

Studie zeigt Beteiligung des Herzens erstmals auf zellulärer Ebene

Die Studie untermauert die Beteiligung des Herzens bei Covid-19 erstmals auf zellulärer Ebene durch eine Visualisierung und Analyse des betroffenen Gewebes in der dritten Dimension. Abgebildet wurde die Gewebearchitektur mittels Synchrotronstrahlung - einer besonders brillanten Röntgenstrahlung. In den untersuchten schweren Krankheitsverläufen von Covid-19 beobachteten die Wissenschaftler starke Veränderungen auf der Ebene feinster Gefäße, der sogenannten Kapillaren, im Herzmuskelgewebe.

Der erste visuelle Nachweis einer speziellen Form der Gefäßneubildung im Gewebe

Im Vergleich zum gesunden Herzen zeigte sich hier ein durch Neubildung und Aufspaltung der Gefäße chaotisch umgebautes Netzwerk voller Abspaltungen, Verzweigungen und Schlaufen. Diese Veränderungen sind den Forschern zufolge der erste direkte visuelle Nachweis einer speziellen Form der Gefäßneubildung im Gewebe, der sogenannten intussuszeptiven Angiogene, einer der Haupttreiber der Lungenschädigung bei Covid-19.

"Die [...] gewonnenen Parameter zeigten dann im Vergleich zu gesundem Gewebe und Erkrankungen wie schwerer Influenza und gewöhnlicher Herzmuskelentzündung eine völlig andere Qualität", erläutern die Leiter der Studie, Prof. Dr. Tim Salditt von der Universität Göttingen und Prof. Dr. Danny Jonigk von der MHH.

 Den Ansatz, die charakteristischen Gewebemuster in abstrakte mathematische Auftragungen umzuwandeln, wollen die Forschenden in Zukunft weiter ausbauen, um automatisierte Werkzeuge für die Diagnostik zu entwickeln.

Originalveröffentlichung: Marius Reichardt et al. 3D virtual histopathology of cardiac tissue from Covid-19 patients on phase-contrast x-ray tomography. eLife 2021. https://doi.org/10.7554

20. Dezember

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Künstliches Protein wird Hoffnungsträger für Medikament
Ein Forschungsteam an der TU München hat ein Protein entwickelt, das im Zellversuch die Infektion durch das SARS-CoV-2-Virus und dessen Varianten zuverlässig verhindert. Ein künstlich geschaffenes Protein, das das Virus hemmt, spielt dabei die zentrale Rolle.

Bekannt ist ja inzwischen, dass das Virus ein Protein an der Oberfläche menschlicher Zellen als Eintrittspforte nutzt, das sogenannte Angiotensin-converting enzyme 2 (ACE2). Hier greift das Spike-Protein des Virus an, um anschließend die Zelle zu infizieren. Um dies zu verhindern, haben die Wissenschaftler das ACE2-Protein mit einem Teil eines menschlichen Antikörper-Proteins verbunden. Damit ist ein Wirkstoff geschaffen, der das Spike-Protein des Virus blockiert. In Zellkulturversuchen konnten das Virus so komplett neutralisiert und eine Infektion verhindert werden.
Die Leiterin des Instituts für Virologie der TU München und bei Helmholtz Munich, Prof. Ulrike Protzer, erklärt die Idee hinter der Entwicklung: "Sowohl Impfstoffe als auch Antikörper-Medikamente haben das Problem, dass das Virus ihnen mit jeder erfolgreichen Mutation ein klein wenig ausweicht. Dadurch entstehen sogenannte Immune-Escape-Varianten." Also musste das Team dem Virus weiterhin sein wichtigstes Ziel, das ACE2-Protein, "anbieten".
Das Problem dabei: Das einfache ACE2-Protein wird von anderen Enzymen im menschlichen Körper zu schnell abgebaut. Die Lösung: Die Wissenschaftler fusionierten das ACE2-Protein mit einem Fragment des menschlichen Antikörpers Immunglobulin G (IgG).

Das Virus kann nicht mehr ausweichen

Da ein optimales Andocken ans ACE2-Protein für das Virus überlebensnotwendig ist, kann das Virus einem Medikament, das auf diesem Protein basiert, nicht ausweichen. Das Fusionsprotein werde daher auch gegen zukünftige Mutationen sicher wirken, schreiben die Autoren. Und es lasse sich gut biotechnologisch herstellen. Die ausgewählten Wirkstoffvariationen hätten pharmakologisch günstige Eigenschaften.

Das künstliche Protein kann potenziell gegen allen Corona-Viren eingesetzt werden, die ACE2 als Eintrittspforte benutzen - nicht nur gegen Varianten des aktuellen Virus. ACE2 besitzt darüber hinaus eine natürliche Enzymaktivität im Herz-Kreislauf-System, die einen zusätzlichen Schutz für Lunge, Herz und Niere vor einem bedrohlichen Organversagen bieten könnte.

Kurz gesagt:

Das ACE2-Protein wird mit einem Fragment des menschlichen Antikörpers Immunglobulin G fusioniert. Das Protein erhält dadurch eine längere Halbwertszeit. Das Virus dockt an das künstlich hergestellte Protein an, wird damit blockiert und kann sich nicht mehr an Körperzellen binden. Im Zellkulturversuch hat das bislang bei den Virusvarianten Alpha, Beta und Delta funktioniert und soll auch für weitere Immune-Escape-Varianten gelten.

"Das SARS-CoV-2-Virus und seine Verwandten werden die Menschheit auch in Zukunft weiter begleiten", sagt Protzer. "Auch wenn die Impfung schwere Krankheitsverläufe sehr zuverlässig verhindert, die deutlich ansteckenderen Delta- und Omikron-Varianten haben gezeigt, dass sich sowohl Genesene als auch Geimpfte erneut anstecken können. Vor dem Hintergrund zukünftiger, möglicherweise noch ansteckenderer Varianten brauchen wir daher neben der Impfung auch einen breit wirksamen Wirkstoff gegen dieses Virus."

Die bisher wirksamste medikamentöse Therapie gegen das SARS-CoV-2 sind Antikörper-Therapien. Hierbei werden rekombinante Antikörper zur Therapie von COVID-19-Erkrankungen eingesetzt, unter anderem auch am TUM-Klinikum rechts der Isar, jedoch entzieht sich das Virus durch Mutation dem Angriff der therapeutischen und teilweise sogar der natürlichen, nach einer Impfung ausgebildeten Antikörper.
Protzer, U. et al: „Picomolar inhibition of SARS-CoV-2 variants of concern by an engineered ACE2-IgG4-Fc fusion protein”. Published in Antiviral Research 196 (2021) 105197 DOI: 10.1016/j.antiviral.2021.105197

16. Dezember

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Forscher weisen Virusvermehrung im Fettgewebe nach

Es ist bereits bekannt, dass Adipositas ein Risikofaktor für schwere Krankheitsverläufe ist. Allerdings war die Rolle des Fettgewebes für die Virusinfektion und -vermehrung von SARS-CoV-2 und damit einhergehend die Folgen für den Stoffwechsel bisher größtenteils ungeklärt. Dieser Frage sind nun Forscher in einer multidisziplinär angelegten Studie nachgegangen.

Das Team unter der Leitung von Prof. Dr. Gülşah Gabriel (HPI) und Prof. Dr. Jörg Heeren (UKE) konnte in Autopsieproben von COVID-19-Verstorbenen belegen, dass SARS-CoV-2 häufig im Fettgewebe von COVID-19-Patienten nachweisbar ist. Bemerkenswerterweise wurde das Virus vorwiegend im Fettgewebe von  übergewichtigen oder adipösen Männern nachgewiesen.

Bei Frauen wurde SARS-CoV-2 ebenfalls in Fettgeweben gefunden, doch gab es keine eindeutige Korrelation zwischen der Fettmasse und den Virus-mRNA-Spiegeln.

In einem präklinischen Modell einer COVID‑19-Erkrankung ziegten die Wissenschaftler zudem, dass sich SARS-CoV‑2 vom Respirationstrakt ausgehend in das Fettgewebe ausbreitet und sich dort weiter vermehrt. Dies führt zu einer lokalen Entzündung und hat Folgen für den gesamten Stoffwechsel.

Gesundheitsgefahr Adipositas

Weltweit stellt überhöhtes Körpergewicht eine schwerwiegende Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar. Laut Weltgesundheitsorganisation hat die Prävalenz der Adipositas in den letzten Jahrzehnten dramatisch zugenommen und mittlerweile epidemische Ausmaße angenommen.

Etwa 39 Prozent der Erwachsenen sind übergewichtig (BMI≥25 kg/m2) und 13 Prozent adipös (BMI≥30 kg/m2). Geschätzt sind 19 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig, 7 Prozent adipös. Die Prävalenzen können länderabhängig stark variieren.

Quelle: HPI, UKE

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass die bei Patienten mit COVID-19 beschriebenen Veränderungen des Stoffwechsels durch die SARS-CoV-2-Infektion der Fettgewebe erklärbar sind", erläutert Heeren, Professor für Immunstoffwechsel am Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie des UKE.

Dass der intrazelluläre Fettstoffwechsel für die Ausbreitung von SARS-CoV-2 ein maßgeblicher Faktor ist, konnten die Forscher in reifen Adipozyten (Fettzellen) in Zellkultur zeigen. So reduziert die Blockierung des Fettabbaus durch einen Lipase-Inhibitor die Virusreplikation in reifen Adipozyten um das 100-Fache. Durch die gleichzeitige Verabreichung eines Medikaments zur Cholesterin-Senkung konnte die Replikation noch weiter unterdrückt werden.

"Da es sich dabei um zwei bereits gegen andere Krankheitsbilder zugelassene Wirkstoffe handelt, könnten unsere Ergebnisse eine Basis für neue Behandlungsstrategien gegen COVID-19 darstellen", bewertet Gabriel, Leiterin der HPI-Abteilung "Virale Zoonosen - One Health" und Professorin für Virologie an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo), die Ergebnisse.

Zickler, M. et al: „Replication of SARS-CoV-2 in adipose tissue determines organ and systemic lipid metabolism in hamsters and humans” published in Cell Metabolism on Jan, 4, 2021 DOI: https://doi.org/10.1016/j.cmet.2021.12.002.

13. Dezember

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Booster verbessert Impfschutz gegen Delta und Omikron

Der Booster reduziert bei der Delta-Variante das Risiko für schwere COVID-Verläufe stark, gegen Omikron erhöht er die Wirksamkeit der Vakzine deutlich. Zu diesem Schluss kommen zwei aktuelle Studien.

1. Delta: Booster schützt 93 Prozent besser vor schwerem Verlauf

Um den Booster-Schutz mit BioNTech gegen die Delta-Variante zu bewerten, wurden in Israel die Gesundheitsdaten von knapp 1,1 Millionen dreifach geimpften Personen ausgewertet. Die Daten der Infektionsverläufe wurden denen einer Kontrollgruppe von rund 730.000 zweifach Geimpften gegenübergestellt, die nach fünf Monaten noch keine Auffrischimpfung gegen COVID-19 erhalten hatten. Das Durchschnittsalter aller Personen betrug 52 Jahre, 51 Prozent waren Frauen. Das Risiko schwerer Krankheitsverläufe wurde anhand der registrierten Hospitalisierungen und letalen COVID-Verläufe festgestellt.

Ergebnis: Dass Risiko eines schweren Verlaufs mit Hospitalisierung wird im Vergleich zu einer fünf Monate zurückliegenden Doppelimpfung (231 Ereignisse) durch eine Booster-Impfung um 93 Prozent gesenkt (29 Ereignisse). Das Mortalitätsrisiko sank um 81 Prozent (44 versus 7 Ereignisse).

Barda, N. et al: "Effectiveness of a third dose of the BNT162b2 mRNA COVID-19 vaccine for preventing severe outcomes in Israel: an observational study" published in The Lancet on Oct. 29. 2021 DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)02249-2

2. Omikron: Booster ist auf jeden Fall nötig

Die als Preprint erschienene Studie untersuchte die Wirksamkeit der Vakzine von AstraZeneca sowie BioNTech/Pfizer gegen symptomatische Erkrankungen aufgrund von Omikron - jeweils für verschiedene Zeiträume nach der zweiten Impfdosis und nach der Boostergabe. Ausgewertet wurden dabei Testdaten, die zwischen dem 27. November und 3. Dezember 2021 in Großbritannien erhoben wurden.

Ergebnisse: Bei Geimpften, die zwei Dosen des AstraZeneca-Vakzins erhalten hatten, gab es ab Woche 15 nach der zweiten Dosis keine schützende Wirkung gegen symptomatische Erkrankungen mit Omikron.

Für Geimpfte, die zwei Dosen des BioNTech/Pfizer-Vakzins erhalten hatten, reduzierte sich die Impfstoffwirksamkeit bereits wenige Wochen nach der zweiten Dosis ebenfalls deutlich. Sie betrug

  • nach 2 bis 9 Wochen 88,0 Prozent,
  • nach 10 bis 14 Wochen 48,5 Prozent
  • und nach 15 Wochen 34 bis 37 Prozent.

Alle Geimpften profitieren deutlich von der Booster-Impfung mit BioNTech/Pfizer, bei AstraZeneca ist der Effekt besonders stark. Zwei Wochen nach der Auffrischungsdosis hatten doppelt mit AstraZeneca Geimpfte einen 71,4-prozentigen Schutz. Bei ausschließlich mit BioNTech/Pfizer Geimpften stieg die Wirksamkeit im selben Zeitraum nach der dritten Dosis auf 75,5 Prozent.

Fazit der Autoren: Zwei Impfdosen bieten keinen ausreichenden Schutz vor Infektionen und leichten Erkrankungen mit der Omikron-Variante. Zum Schutz vor schweren Erkrankungen könnten zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Angaben gemacht werden. Die Ergebnisse bestätigten erste vorläufige Daten anderer Autoren für die Omikron-Variante.

Nick Andrews et al. „Effectiveness of COVID-19 vaccines against the Omicron (B.1.1.529) variant of concern”, published online on Dec, 2021.

06. Dezember

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FFP2-Masken senken Infektionsrisiko drastisch

Passende und richtig getragene FFP2-Masken senken das Infektionsrisiko bei Kontakten von 60 Minuten Dauer auf 0,4 Prozent. Bei OP-Masken steigt der Wert auf 30 - ohne Maske innerhalb von Minuten auf 90 Prozent.

Wie gut welche Masken bei welcher Trageweise schützen, hat ein Team des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen in einer umfassenden Studie untersucht. Die Göttinger Forscher berücksichtigten dabei auch, wie ein schlechter Sitz der Maske den Schutz schwächt und wie sich das verhindern lässt. Die Ansteckungswahrscheinlichkeiten geben jeweils die obere Grenze des Risikos an. Im täglichen Leben sei die tatsächliche Infektionswahrscheinlichkeit sicherlich 10- bis 100-mal kleiner.

Obwohl die besonders großen und damit besonders virusreichen Partikel schon nach einer kurzen Strecke durch die Luft zu Boden fallen, haben die Wissenschaftler auch in drei Metern Entfernung noch ein enormes Ansteckungsrisiko ausgemacht, wenn man Delta-Infizierten mit einer hohen Viruslast für ein paar Minuten begegnet und keine Maske trägt.

Zur Berechnung der Exposition und des Infektionsrisikos verwendeten sie eine umfassende Datenbank zur Größenverteilung von Atemwegspartikeln sowie Erkenntnisse der; Ausatemflussphysik. Eingnang fanden auch Arbeiten zur Leckage aus Gesichtsmasken verschiedener Art und Passformen, gemessen an menschlichen Probanden. Berücksichtigt wurden zudem die Schrumpfung der Umgebungspartikel durch Verdunstung sowie die Rehydratation, Inhalationsfähigkeit und Ablagerung in den anfälligen Atemwegen.

FFP2-Masken schützen 75-mal besser als OP-Masken

Ergebnisse: Bei einer typischen SARS-CoV-2-Viruslast und infektiösen Dosis genügt Social Distancing allein nicht, um wirksam das Infektionsrisiko zu reduzieren. Bei dem empfohlenen Abstand von 1,5 Metern zwischen zwei sprechenden Personen ist die relevant angenommene Obergrenze eines 90-prozentigen Infektionsrisikos bereits nach 90 Sekunden erreicht. Eine dicht abschließende FFP2-Masken schützt demnach im Vergleich zu gutsitzenden OP-Masken 75 mal besser. Auch medizinische Masken reduzieren das Ansteckungsrisiko schon deutlich im Vergleich zu einer Situation ganz ohne Mund-Nasenschutz.

Sobald die nicht infizierte Person eine Gesichtsmaske trägt, steigt das Risiko deutlich langsamer: handelt es sich um eine chirurgische Maske, wird der Wert von 90 Prozent erst nach 30 Minuten erreicht - bei einer FFP2-Maske beträgt das Risiko nach 60 Minuten hingegen erst 20 Prozent. Wenn beide Personen eine chirurgische Maske tragen, während der Infektiöse spricht, beträgt das errechnete Risiko nach 60 Minuten knapp 30 Prozent, aber wenn beide eine gut sitzende FFP2-Maske tragen, sind es nur 0,4 Prozent.

"Tragen sowohl die infizierte als auch die nicht-infizierte Person gut sitzende FFP2-Masken, beträgt das maximale Ansteckungsrisiko nach 20 Minuten selbst auf kürzeste Distanz kaum mehr als ein Promille. Sitzen ihre Masken schlecht, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Infektion auf etwa vier Prozent. Tragen beide gut angepasste OP-Masken, wird das Virus innerhalb von 20 Minuten mit höchstens zehnprozentiger Wahrscheinlichkeit übertragen", schreiben die Autoren.

Fazit der Autoren: Social Distancing allein ohne Maskierung ist mit einem sehr hohen Infektionsrisiko verbunden, insbesondere in Situationen, in denen Infektiöse sprechen. Hohe Infektionsrisiken sind auch dann zu erwarten, wenn nur der Anfällige eine Gesichtsmaske trägt, auch bei Social Distancing. Eine universelle Maskierung ist somit die effektivste Methode, um die Übertragung von SARS-CoV-2 in der Luft zu begrenzen, selbst wenn Gesichtsdichtungslecks berücksichtigt werden.

Hauptfaktor sind Undichtigkeiten

Der Hauptfaktor, der das Infektionsrisiko beeinflusst, sind Undichtigkeiten zwischen Maske und Gesicht. Die untersuchten angepassten FFP2-Masken und "höchstwahrscheinlich andere vertikal gefaltete FFP2-Masken ähnlicher Bauart" können, wenn sie mittels Nasenbügel richtig an Gesichter angepasst werden, das Infektionsrisiko um den Faktor 30 im Vergleich zu locker getragenen Masken und um den Faktor 75 im Vergleich zu angepassten chirurgischen Masken für eine Expositionsdauer von 20 Minuten reduzieren.

FFP2-Masken seien chirurgischen Masken vorzuziehen, "da selbst lose getragene FFP2-Masken das Infektionsrisiko im Vergleich zu gutsitzenden chirurgischen Masken um den Faktor 2,5 senken können". Da die in der Untersuchung verwendete kritische Grenze für das Infektionsrisiko äußerst konservativ ist, kommen die Autoren zu dem Schluss, "dass die universelle Maskierung mit chirurgischen Masken und/oder FFP2-Masken eine sehr wirksame Maßnahme ist, um die Übertragung von COVID-19 zu minimieren".

Gholamhossein Bagheri et al. "An upper bound on one-to-one exposure to infectious human respiratory particles", Proceedings of the National Academy of Sciences Dec 2021, 118 (49) e2110117118; DOI: 10.1073/pnas.2110117118

02. Dezember

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Sterblichkeit bei Asthma-Patienten fällt geringer aus

Ein umfangreiche Metaanalyse wissenschaftlicher Publikationen zu COVID-Patienten mit Asthma weist auf ein geringeres Mortalitätsrisiko hin. Drei Erklärungen ließen sich dafür ableiten.

Den bisher noch eher unklaren Zusammenhang zwischen dem Mortalitätsrisiko bei COVID-Patienten, bei denen zudem die Diagnose Asthma vorliegt, nahm ein chinesisches Wissenschaftsteam zum Anlass für eine umfassende und systematische Analyse. Dafür wurden die Angaben internationaler Publikationen in elektronischen Datenbanken wie PubMed, EMBASE und Web of Science ausgewertet. Auf der Basis von insgesamt 62 Studien mit 2.457.205 registrierten Fällen von COVID-Patienten mit Asthma zeigte sich ein signifikant geringeres Mortalitätsrisiko im Vergleich zu COVID-Patienten ohne Asthma.

Beispielsweise zeigten 15 Kohortenstudien mit insgesamt 829.670 Patienten einen Hazard Ratio (HR) von 0,88 bei 95-prozentigem Konfidenzintervall (KI) und dem Risikowert p < 0,001. Weitere 34 Kohortenstudien mit 1.008.015 Patienten ergaben den Odds Ratio (OR) von 0,88 mit ebenfalls 95-prozentigem KI und p = 0,011. Und elf Querschnittsstudien mit zusammen 1.134.738 Patienten wiesen einen OR von 0,87 bei 95-prozentigem KI zu p = 0,075 auf. Ein zweiseitiger p-Wert von weniger als 0,05 wurde als statistisch signifikant angesehen.

Asthma-Patienten sind in der Regel medizinisch besser überwacht

In ihrer Schlussfolgerung zu den Ergebnissen nennen die Autoren drei Gründe für den Schutzfaktor gegen Sterblichkeit bei den Asthma-Patienten: Zum einen werden COVID-Patienten mit Asthma eher in der Praxis vorstellig und erhalten mehr medizinische Versorgung aufgrund des bereits vorliegenden Atemwegsleidens.

Zum anderen könnten die gegen das Asthma angewendeten Medikamente wie etwa inhalative Kortikosteroide, Allergen-Immuntherapie und Biologika zur einer Unterdrückung der Virusreplikation führen sowie bei der Linderung von Entzündungen von Vorteil sein. Und drittens könnte die Typ-2-Immunantwort bei Patienten mit Asthma dem durch eine Infektion mit SARS-Cov-2 induzierten Entzündungsprozess entgegenwirken.

Der gepoolte Effekt (gepoolte Odds Ratio [OR] und/oder Hazard Ratio [HR]) und dessen 95-prozentiges Konfidenzintervall (KI) wurden mit einem Random-Effects-Modell geschätzt. Außerdem wurden die Ergebnisse für die gepoolte OR und die gepoolte HR getrennt dargestellt. Die Heterogenität zwischen den Studien wurde anhand der Higgins-I2-Statistik und des Q-Tests auf Basis des Chi-Quadrats bewertet. Die Autoren geben aber zu bedenken, dass Studienverzerrungen nicht auszuschließen sind.

Hou, H. et al.: "The Association of Asthma With COVID-19 Mortality: An Updated Meta-Analysis Based on Adjusted Effect Estimates" published in In Practice on Nov 1 , 2021 https://www.jaci-inpractice.org/article/S2213-2198(21)00922-3/fulltext

29. November

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Doppelte Impfung senkt Risiko für Long COVID um 49 Prozent

Eine Symptomstudie des King's College London unter rund 1,2 Millionen Briten zeigt: Das Risiko, nach einer SARS-CoV-2-Infektion an Long-COVID zu erkranken, ist bei doppelt Geimpften fast um die Hälfte reduziert.

Forscher des King's College London analysierten Daten von Teilnehmern, die zwischen dem 8. Dezember 2020 und dem 4. Juli 2021 ihre Symptome, Tests und Impfungen in der britischen ZOE-COVID-Symptomstudie-App protokolliert hatten: 1.240.009 Briten hatten die erste Dosis und 971.504 zweite Dosis erhalten.

Die Studie, die in The Lancet Infectious Diseases veröffentlicht wurde, ergab, dass in dem unwahrscheinlichen Fall, dass man sich nach einer Doppelimpfung mit COVID-19 ansteckt, das Risiko einer langen COVID-Erkrankung um fast die Hälfte (49 Prozent) reduziert war.

Bei den vollständig Geimpften kam es auch zu 73 Prozent weniger Krankenhausaufenthalten (zu 73 Prozent weniger wahrscheinlich) und einer geringeren Belastung durch akute Symptome (zu 31 Prozent weniger wahrscheinlich). Die Art der häufigsten Symptome war ähnlich wie bei ungeimpften Erwachsenen: Es traten Geruchsverlust, Husten, Fieber, Kopfschmerzen und Müdigkeit auf, allerdings milder und seltener auf. Zudem war die Wahrscheinlichkeit, dass die Genesenen in der ersten Krankheitswoche an mehreren Symptomen litten, halb so groß. Niesen war das einzige Symptom, das bei geimpften Personen mit COVID-19 häufiger auftrat.

Michela Antonelli et al., "Risk factors and disease profile of post-vaccination SARS-CoV-2 infection in UK users of the COVID Symptom Study app: a prospective, community-based, nested, case-control study", The Lancet, Published: September 01, 2021, https://doi.org/10.1016/S1473-3099(21)00460-6

18. November

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Weniger psychiatrische Folgen nach COVID-19 als angenommen?

Das Risiko nach einer COVID-Infektion am Fatigue-Syndrom oder an Schlafstörungen zu leiden ist deutlich erhöht. Das trifft jedoch nicht auf psychiatrische Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen zu, fanden britische Wissenschaftler heraus.

Das Team der Forschenden vom Greater Manchester Mental Health Trust in England verwendete Daten von rund 12 Millionen Patienten aus hausärztlichen Praxen, darunter 233.000 positiv auf SARS-CoV-2 Getestete. Unterteilt in verschiedene Fallgruppen, in denen die Inzidenz oder das Neuauftreten von psychiatrischen Erkrankungen, Schlafstörungen oder des Fatigue-Syndroms ermittelt wurden, wurde den positiv getesteten Patienten je eine Kontrollgruppe von negativ getesteten Patienten gegenübergestellt.

Die gesundheitliche Entwicklung der erfassten Patienten wurde zwischen Februar und Dezember 2020 bis zu zehn Monate lang beobachtet. Dabei zeigte sich, dass die Inzidenz für Fatigue bei zuvor mit COVID Infizierten fast sechs Mal höher lag (adjusted Hazard Ratio / Gefährdungsquote: 5,98) sowie drei Mal höher bei Schlafstörungen (adjusted Hazard Ratio: 3,16). Das mit psychiatrischen Erkrankungen wie Angststörung, Depression oder Psychose assoziierte Risiko war jedoch bei den positiven Patienten kaum höher als bei den negativen (adjusted Hazard Ratio: 1,83 zu 1,71). Dafür war allerdings die saisonale Grippe deutlich mit einem erhöhten Risiko für psychiatrische Erkrankungen assoziiert (adjusted Hazard Ratio: 2,98).

Somit könnte das Ausmaß von psychiatrischen Langzeitfolgen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 doch geringer ausfallen als angenommen, schließen die Forschenden.

Abel, KM. et al.: "Association of SARS-CoV-2 Infection With Psychological Distress, Psychotropic Prescribing, Fatigue, and Sleep Problems Among UK Primary Care Patients". JAMA Netw Open. 2021;4(11):e2134803. doi:10.1001/jamanetworkopen.2021.34803

4. November

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Dreifach Geimpfte erkranken neunmal seltener ernsthaft an COVID-19

Einer Studie aus Israel zufolge hat die Booster-Impfung mit dem Vakzin von BioNTech/Pfizer nach nur sieben Tagen eine immense Wirksamkeit: Demnach liegt die Schutzwirkung vor einer schweren COVID-Erkrankung bei 92 Prozent.

Unter Verwendung von Daten des Clalit Health Services, die für mehr als die Hälfte der israelischen Bevölkerung eine obligatorische Gesundheitsversorgung bieten, untersuchten die Forschenden Personen, die zwischen dem 30. Juli 2020 und dem 23. September 2021 eine dritte Impfdosis erhielten. Die Beobachtungen wurden mit demografisch und klinisch ähnlichen Kontrollen abgeglichen, die keine dritte Dosis erhielten.

1.158.269 Personen kamen für die Aufnahme in die Gruppe der dritten Dosis infrage. Nach dem Matching umfassten die dritte Dosisgruppe und die Kontrollgruppe jeweils 728.321 Personen.

Die Teilnehmer hatten die zweite Impfdosis mindestens 5 Monate vorher erhalten, hatten keine zuvor dokumentierte SARS-CoV-2-Infektion und drei Tage vor der Rekrutierung keinen Kontakt mit Einrichtungen des Gesundheitssystems. Gesundheitspersonal und Heimbewohner wurden von der Untersuchung ausgeschlossen.

Die Teilnehmer waren durchschnittlich von 52 Jahre alt, 51 Prozent von ihnen Frauen. Primäre Endpunkte waren COVID-19-bedingte Krankenhauseinweisungen, schwere Erkrankungen und COVID-19-bedingte Todesfälle. Die durchschnittliche Nachbeobachtungszeit betrug in beiden Gruppen 13 Tage.

Die Wirksamkeit der Impfung wurde ab 7 Tagen nach Erhalt der dritten Dosis bewertet und dann verglichen mit der Wirksamkeit nach nur zwei Dosen, wobei die zweite Impfdosis mindestens 5 Monate zurücklag. Die mit dem Kaplan-Meier-Schätzer geschätzte Schutzwirkung

  • gegen Hospitalisierung lag bei 93 Prozent (231 Ereignisse für zwei Dosen vs. 29 Ereignisse für drei Dosen)
  • gegen schwere Krankheitsverläufe bei 92 Prozent (157 vs. 17 Ereignisse) und
  • gegen COVID-19-bedingte Todesfälle 81 Prozent (44 vs. sieben Ereignisse).

Fazit der Autoren: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine dritte Dosis des MRNA-Impfstoffs BioNTech/Pfizer im Vergleich zu zwei Dosen stärker vor schweren COVID-19-bedingten Ereignissen schützt.

Noam Barda et al., "Effectiveness of a third dose of the BNT162b2 mRNA COVID-19 vaccine for preventing severe outcomes in Israel: an observational study", The Lancet, Published:October 29, 2021, DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)02249-2

29. Oktober

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COVID-19 macht anfälliger für Sekundärinfektionen

Münchner Forscher fanden heraus, dass als Folge einer SARS-CoV-2-Infektion nicht nur der Anteil der sogenannten dendritischen Zellen im Blut stark abnimmt, sondern auch die Funktionsfähigkeit dieser bestimmter Immunzellen eingeschränkt ist. Dadurch könnten Patienten während und unmittelbar nach einer COVID-19 Erkrankung anfälliger für Sekundärinfektionen sein. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachmagazin PLOS Pathogens veröffentlicht.

COVID-Infektionen  verursachen bei etwa drei bis zehn Prozent der Patienten einen schweren Verlauf von COVID-19. Ursachen hierfür sind überschießende Entzündungsreaktionen, Blutgerinnungsstörungen und Schäden am Herz-Kreislauf-System. Dendritische Zellen lösen eine Immunantwort gegen Erreger aus.

Die Forschenden werteten Blutproben von 65 COVID-Patientien aus und stellten fest, dass in ihrem Blut weniger dendritische Zellen vorhanden waren als bei gesunden Probanden. Zudem konnten isolierte dendritische Zellen im Blut die T-Zellen schlechter aktivieren.

Dendritische Zellen

Dendritische Zellen sind antigenpräsentierende Zellen und spielen eine zentrale Rolle im menschlichen Immunsystem, indem sie als eine Art "Wächter" fungieren.  Sie nehmen Antikörper auf, migrieren in Lymphknoten und lösen eine Immunantwort gegen Erreger aus, indem sie T-Zellen des Immunsystems aktivieren. Diese unterstützen wiederum die Bildung von Antikörpern durch B-Zellen.

"Wir haben eigentlich erwartet, dass dendritische Zellen SARS-CoV-2-Infizierter T-Zellen stärker aktivieren können als dendritische Zellen von Gesunden. Im längeren Verlauf der Erkrankung zeigten die dendritischen Zellen im Blut jedoch Veränderungen, die eher zu einer Hemmung der T-Zell-Antworten führen," berichtet Prof. Anne Krug, eine der Studienautorinnen.

Es zeigte sich aber auch: 15 Tage nach der Diagnose hatten 90 Prozent der Patienten Antikörper gegen das SARS-CoV-2 Hüllprotein gebildet und viele eine robuste Immunreaktion gegen das Virus ausgebildet. Die negativen Folgen bei der Immunantwort zeigen sich scheinbar nicht bei der Abwehr gegen das Coronavirus.

Medizinisch bedeutsam seien diese Befunde dennoch, ist Krug überzeugt: Möglicherweise reagiert der Körper bei reduzierter Anzahl und gestörter Funktion dendritischer Zellen auf bakterielle oder virale Infektionen nach COVID-19 schwächer als erwartet. Möglicherweise könnten unter anderem Herpesviren reaktiviert werden, vermutet sie. Dieser mögliche Zusammenhang müsse in klinischen Studien weiter untersucht werden.

Die Forschenden formulierten verschiedene Hypothesen, warum die Anzahl der dendritischen Zellen im Blut absinkt und sich ihre Funktionsfähigkeit reduziert. Es könnte sich dabei um einen normalen, sinnvollen Regulationsvorgang handeln. Da es bei COVID-19 zu teils heftigen Entzündungsreaktionen komme, könnte der Körper versuchen, inflammatorische Vorgänge herunterzuregulieren. Möglicherweise wandern dendritische Zellen aus dem Blut in entzündete Gewebe wie die Lunge ein, was die Reduktion der zirkulierenden Zellen erklären könnte.

Auch die Regeneration dendritischer Zellen gerät ins Stocken. Die Wissenschaftler vermuten, dass Patienten während und unmittelbar nach COVID-19 schlechter Immunantworten auslösen können. Ob die beschriebenen Effekte auf das Immunsystem bei Langzeitbeschwerden nach SARS-CoV-2-Infektionen eine Rolle spielen, soll Gegenstand weiterer Forschung sein.

E. Winheim, L. Rinke, K. Lutz, A. Reischer, A. Leutbecher, L. Wolfram, L. Rausch, J. Kranich, P. R. Wratil, J. E. Huber, D. Baumjohann, S. Rothenfusser, B. Schubert, A. Hilgendorff, J. C. Hellmuth, C. Scherer, M. Muenchhoff, M. von Bergwelt-Baildon, K. Stark, T. Straub, T. Brocker, O. T. Keppler, M. Subklewe, A. B. Krug: Impaired function and delayed regeneration of dendritic cells in COVID-19., PLOS Pathogens 2021

25. Oktober

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Jeder zweite COVID-Patient hat nach sechs Monaten noch Symptome

Eine US-Übersichtsarbeit wertete 57 Studien mit mehr als 250.000 Probanden aus und zeigt, dass die Hälfte aller COVID-Patienten auch sechs Monate nach Ende der akuten Phase an mindestens einem Symptom leidet.   

Kurz- und langfristige persistierende postakute Folgeerscheinungen von COVID-19 (PASC) wurden bislang nicht systematisch evaluiert, schreiben die Autoren. Deren Inzidenz und Entwicklung sind abhängig von der Zeit der Infektion, den betroffenen Organsystemen und Geweben, dem Impfstatus, der Variante des Virus und der geografischen Region. Ziel ihrer Metastudie war die Abschätzung der organsystemspezifischen Häufigkeit und Entwicklung von PASC.

Die Forschenden untersuchten die dazu die bisher erschienene Literatur von Dezember 2019 bis März 2021. Insgesamt wurden 2.100 Studien aus Datenbanken und durch zitierte Referenzen identifiziert. Studien, die Daten zu PASC bei Kindern und Erwachsenen lieferten, wurden eingeschlossen.

Das Hauptergebnis war die Häufigkeit von PASC, die durch Laboruntersuchungen, radiologische Pathologie und klinische Anzeichen und Symptome diagnostiziert wurde. PASC wurden anschließend nach einem Organsystem klassifiziert, dazu gehörten die Einstufungen als neurologisch, kardiovaskulär, pulmonal, gastrointestinal und dermatologisch sowie deren Einfluss auf die psychische Gesundheit und funktionelle Mobilität beschrieben.

Ergebnisse: Aus insgesamt 2.100 identifizierten Studien erfüllten 57 Studien mit 250.351 Überlebenden von COVID-19 die Einschlusskriterien. Das Durchschnittsalter der Überlebenden betrug 54,4 Jahre, 56 Prozent waren männlich und 79 Prozent mussten COVID-bedingt hospitalisiert werden. Länder mit hohem Einkommen trugen 45 Studien. Der mediane Anteil der COVID-19-Überlebenden, der an mindestens einem PASC litt, betrug:

  • nach einem Monat 54 Prozent (Spreizung 45,0 bis 69,0 Prozent; 13 Studien),
  • nach 2 bis 5 Monaten 55 Prozent (Spreizung 34,8 bis 65,5 Prozent; 38 Studien) und
  • nach 6 oder mehr Monaten 54 Prozent (Spreizung 31,0 bis 67,0 Prozent; 9 Studien)

Die häufigsten Symptome waren Lungenfolgen, neurologische Störungen, psychische Störungen, funktionelle Mobilitätsbeeinträchtigungen; außerdem allgemeine und konstitutionelle Symptome wie:

  • Anomalien der Bildgebung der Brust (Median 62,2 Prozent [Spreizung 45,8 bis 76,5 Prozent]),
  • allgemeine Funktionsstörungen (Median 44 Prozent [Spreizung 23,4 bis 62,6 Prozent]) und
  • Müdigkeit oder Muskelschwäche (Median 37,5 Prozent [Spreizung 25,4 bis 54,5 Prozent]) und
  • generalisierte Angststörungen (Median 29,6 Prozent [Spreizung 14,0 bis 44,0 Prozent]) und
  • Konzentrationsschwierigkeiten (Median 23,8 Prozent [Spreizung 20,4 bis 25,9 Prozent]).

Schlussfolgerung der Autoren: In diesem systematischen Review erlebten mehr als die Hälfte der COVID-19-Überlebenden PASC auch noch 6 Monate nach ihrer Genesung. Diese langfristigen PASC-Effekte treten in einem Ausmaß auf, das die bestehenden Kapazitäten im Gesundheitswesen überfordern könnte, insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. 

Groff D, Sun A, Ssentongo AE, et al. Short-term and Long-term Rates of Postacute Sequelae of SARS-CoV-2 Infection: A Systematic Review. JAMA Netw Open. 2021;4(10):e2128568. doi:10.1001/jamanetworkopen.2021.28568

18. Oktober

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Heterologer Booster für Johnson & Johnson-Geimpfte

Für die empfohlene Auffrisch-Impfung für Personen, die eine Dosis des Vakzins von Johnson & Johnson erhalten haben, ist ein heterologer Booster effektiver. Das belegen Daten aus den USA nach der Analyse aller dort zugelassen, möglichen Impfstoff-Kombinationen.

Aufgrund der verhältnismäßig hohen Quote an Impfdurchbrüchen bei Johnson & Johnsons Impfstoff Janssen und dessen geringerer Wirksamkeit gegen die Delta-Variante empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) eine Booster-Impfung mit einem m-RNA-Impfstoff (zm online berichtet). Sie kann ab vier Wochen nach der Janssen-Impfung erfolgen.

Jetzt untermauern veröffentliche Studiendaten einer systematischen Prüfung aller möglichen Kombinationen der drei dort zugelassenen Vakzine (BioNTech/Pfizer, Moderna und Johnson & Johnson) des US-National Institute of Allergy and Infectious Diseases den Effekt eines heterologen Impfschemas. Bei den meisten Probanden bildete sich dabei eine bessere Immunantwort.

So stiegen die Titer der neutralisierenden Antikörper im Durchschnitt um den Faktor 6,2 bis 76, während sie bei einem Booster mit demselben Impfstoff lediglich um den Faktor 4,2 bis 20 nach oben gingen.

Ganz klar erkennbar war der Effekt der seit Kurzem empfohlenen Auffrischimpfung bei Janssen: Erfolgte diese erneut mit dem gleichen Impfstoff, stieg der Titer nur auf den Wert 31,42. Wurde aber mit BioNTech/Pfizers Vakzin aufgefrischt, stieg er auf 341,3. Noch stärker fiel der Effekt bei der Boosterung mit dem Moderna-Impfstoff aus. Hier stiegen die Titer der neutralisierenden Antikörper von 8,9 am Tag der Impfung auf 676,1 nach zwei Wochen.

Übrigens ergab auch die Kombination der beiden m-RNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna eine stärkere Immunität hinsichtlich der Bildung neutralisierender Antikörper: Von einem Durchschnittswert von 446,7 bei gleicher Impfstoffverwendung von BioNTech/Pfizer zu 785,8 bei der Kombination mit Moderna.

Mit 901,8 erzielte eine doppelte Moderna-Impfung den höchsten Wert an neutralisierenden Antikörper aller neun Kombinationen hinsichtlich der Grundimmunisierung.

Ein Experten-Gremium empfiehlt der US-Gesundheitsbehörde FDA, älteren Personen und Risikogruppen eine Auffrischungsimpfung mit Moderna zu verabreichen, wenn sie zuvor mit dem Vakzin von BioNTech/Pfizer geimpft wurden. Personen, die bereits mit Modernaf geimpft wurden, sollten nach sechs Monaten mindestens eine halben Dosis desselben Impfstoffs erhalten, lautet der Rat.

Atmar, R. L. et al: "Heterologous SARS-CoV-2 Booster Vaccinations - Preliminary Report" published in medRxiv on Oct. 13, 2021. doi.org/10.1101/2021.10.10.21264827

13. Oktober

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Impfung reduziert Risiko für schwere Verläufe um mehr als 90 Prozent

Die Impfung mit BioNTech, Moderna oder AstraZeneca senkt das Risiko für einen schweren COVID-Verlauf bei über 50-Jährigen um 84 bis 92 Prozent. Das zeigt eine Auswertung von mehr als 22 Millionen Datensätzen.

Die Studie - die bisher größte ihrer Art - wurde von Epi-Phare, einer französischen Forschungsgruppe, durchgeführt, die vom dortigen Gesundheitssystem, der nationalen Krankenkasse l'Assurance Maladie sowie der Arzneimittelagentur des Landes eingerichtet wurde. Um die Wirksamkeit der Impfung zur Vorbeugung schwerer Formen von COVID-19 zu bewerten, wurden zwei Alterskohorten untersucht.

Die erste umfasste 15,4 Millionen Menschen zwischen 50 und 74 Jahren (jeweils 7,7 Millionen geimpft beziehungsweise nicht geimpft), die andere 7,2 Millionen Menschen ab 75 Jahren (jeweils 3,6 Millionen geimpft beziehungsweise nicht geimpft). Beide Kohorten wurden vom 27. Dezember 2020 bis zum 20. Juli 2021 verfolgt.

Die geimpften Personen zwischen 50 und 74 Jahren erhielten 53,6 Prozent den BioNTech/Pfizer-Impfstoff, 7,1 Prozent Moderna und 39,2 Prozent AstraZeneca. Bei den Personen ab 75 Jahren erhielten 85,3 Prozent BioNTech/Pfizer, 8,7 Prozent Moderna und 6,1 Prozent AstraZeneca.

Die Ergebnisse beider Studien sind nach Angaben der Autoren zu einem hohen Maß übereinstimmend: Sie zeigen eine hohe Wirksamkeit für die drei Impfstoffe gegen die schweren Formen von COVID-19 (Hospitalisierung oder letaler Verlauf), wobei sich das Krankenhausrisiko ab dem 14. Tag nach Injektion der zweiten Dosis in beiden Kohorten und für jeden Impfstoff um mehr als 90 Prozent verringert. Das gesunkene Risiko für einen letalen Verlauf liegt in der gleichen Größenordnung.

Die Wirksamkeit der Impfung bei schweren Formen von COVID-19 schien während des  Nachbeobachtungszeitraums von bis zu 5 Monaten nicht zu sinken. Sie betrug 97 Prozent in der Kohorte der 50- bis 74-Jährigen auch nach 4 Monaten noch und 94 Prozent in der Kohorte der über 75-Jährigen und BioNTech/Pfizer-bis zum Ende des 5. Monats. Bei den Impfstoffen Moderna und AstraZeneca war die Nachbeobachtung zu kurz, um ihre Wirkung nach vier oder fünf Monaten untersuchen zu können.

Für die Delta-Variante wurde das Krankenhausrisiko für COVID-19 zwischen dem 20. Juni und dem 20. Juli 2021 gesondert begutachtet. In diesem Zeitraum betrug die Wirksamkeit 84 Prozent in der Kohorte ab 75 Jahren und 92 Prozent in der Kohorte zwischen 50 und 74 Jahren.

Fazit der Autoren: Die Impfungen haben erheblichen Einfluss auf das Risiko schwerer COVID-19-Formen bei Menschen ab 50 Jahren. Die weitere Überwachung muss nun Aufschluss über die Entwicklung der Effizienz über einen längeren Zeitraum geben beziehungsweise helfen, die Auswirkungen der Deltavarianten besser charakterisieren zu können.

Marie Joëlle Jabagi et al., "Estimation de l'impact de la vaccination sur le risque de formes graves de Covid-19 chez les personnes de 50 à 74 ans en France à partir des données du Système National des Données de Santé (SNDS)", epi-phare_rapport_vaccination_covid_reduction_risques_50_74ans.pdf

Kim Bouillon et al., "Estimation de l'impact de la vaccination chez les personnes âgées de 75 ans et plus sur le risque de formes graves de Covid-19 en France à partir des données du Système National des Données de Santé (SNDS) - actualisation jusqu'au 20 juillet 2021", https://www.epi-phare.fr/app/uploads/2021/10/epi-phare_rapport_vaccination_reduction-des-risques_75ans-et-plus.pdf

11. Oktober

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COVID-Genesene haben erhebliche kardiovaskuläre Risiken

Vorhoffflimmern, Schlaganfall, Myokarditis: Die Risiken für derartige Ereignisse ist bei COVID-Patienten in den 12 Monaten nach ihrer Genesung stark erhöht. Teilweise um mehr als 400 Prozent, zeigt eine Studie.

Für ihre bisher als Preprint erschienene Studie verwendeten die Forschenden nationale Gesundheitsdatenbanken des US-Ministeriums für Veteranenangelegenheiten. Sie bauten eine Kohorte von 151.195 US-Veteranen auf, die eine COVID-Erkrankung überstanden hatten und zwei Kontrollgruppen - eine zeitgenössische Kohorte, die aus 3.670.087 nicht COVID-19-Infizierten besteht sowie eine historische Kohorte, die aus 3.656.337 nicht COVID-19-Infizierten von 2017 besteht. Diese Kohorten wurden longitudinal verfolgt, um die Risiken von vorab spezifizierten kardiovaskulären Ereignissen in der Gesamtkohorte in den 12 Monaten nach der Genesung abzuschätzen.

Anschließend untersuchten die Forschenden die Zusammenhänge zwischen COVID-19 und den vorgegebenen Ergebnissen in Analysen unter Berücksichtigung der historischen Kontrollgruppe als Referenzkategorie. Die Ergebnisse stimmten mit Analysen überein, die die zeitgenössische Kontrolle als Referenzkategorie verwendeten - und zeigten erhöhte Risiken der vordefinierten Ergebnisse im Vergleich von COVID-19 mit der gesamten historischen Kontrollgruppe.

Ergebnisse: Menschen, die die ersten 30 Tage von COVID-19 überlebten, zeigten auch nach 12 Monaten erhöhte Risiken (Hazard Ratios, HR) für

  • Schlaganfall - (HR 1,48 (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 1,38, 1,58)
  • vorübergehende ischämische Attacken (HR 1,40 (1,27, 1,53)
  • Vorhofflimmern (HR 1,79 (1,69, 1,90)
  • Sinustachykardie (HR 1,82 (1,72, 1,93)
  • Sinusbradykardie (HR 1,49 (1,42, 1,57)
  • ventrikuläre Arrhythmien (HR 1,56 (1,47, 1,66);
  • Vorhofflattern (HR 1,57 (1,45, 1,70)

Sowie für entzündliche Erkrankungen des Herzens

  • Perikarditis (HR 1,62 (1,43, 1,83)
  • Myokarditis (HR 5,22 (3,71, 7,35);
  • akute Koronarerkrankung (HR 1,48 (1,38, 1,58)
  • Myokardinfarkt (HR 1,61 (1,49, 1,73);
  • ischämische Kardiomyopathie (HR 1,41 (1,28, 1,55);
  • Angina pectoris (HR 1,48 (1,37, 1,60);
  • Herzinsuffizienz (HR 1,73 (1,65, 1,81);
  • nicht-ischämische Kardiomyopathie (HR 1,35 (1,28, 1,41)
  • Herzstillstand (HR 2,15 (1,75, 2,65); 
  • kardiogener Schock (HR 2,17 (1,70, 2,77);

Erhöhte Risiken ergaben sich auch für thromboembolische Erkrankungen:

  • Lungenembolie (HR 3.06 (2.83, 3.31);
  • tiefe Venenthrombose (HR 1,62 (1,53, 1,71);
  • oberflächliche Venenthrombose (HR 1,73 (1,61, 1,87);

Fazit der Autoren: Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass das Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen weit über die akute Phase von COVID-19 hinausgeht. Angesichts der großen und wachsenden Zahl von Menschen, die mit COVID-19 infiziert sind, könnten die beschriebenen Risiken zu einer großen Anzahl potenziell betroffener Menschen auf der ganzen Welt führen. Regierungen und Gesundheitssysteme sollten darauf vorbereitet sein, mit dem wahrscheinlich erheblichen Beitrag der COVID-19-Pandemie zu einem Anstieg der Belastung durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen umzugehen.

Ziyad Al-Aly et al., "One-year Risks and Burdens of Incident Cardiovascular Disease in COVID-19: Cardiovascular Manifestations of Long COVID", Researchsquare, DOI: 10.21203/rs.3.rs-940278/v1

07. Oktober

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Analyse: Unterricht ohne Masken verdreifacht Infektionsrisiko

Die US-Gesundheitsbehörde CDC hat die SARS-CoV-2-Infektionen in Schulen Arizonas zwischen 15. Juli und 31. August analysiert. Ergebnis: Unterricht ohne Masken erhöhte die Infektionsgefahr um das 3,5-fache.

Um den Effekt von Schutzmasken auf das Infektionsgeschehen in Schulen zu untersuchen, hat die CDC vom 15. Juli bis 31. August 2021 die schulbedingten COVID-19-Ausbrüche in öffentlichen Schulen der Landkreise Maricopa und Pima überprüft. In den beiden Countys wohnen mehr als 75 Prozent der Bevölkerung Arizonas. Mitte Juli lagen die kreisweiten 7-Tage-Inzidenzen bei 161 beziehungsweise 105 pro 100.000 Personen, zu diesem Zeitpunkt waren 47,6 Prozent der Einwohner von Maricopa County und 59,2 Prozent der Einwohner von Pima County mindestens einmal geimpft.

Als Maskenpflicht wurde gewertet, wenn alle Personen, unabhängig vom Impfstatus, verpflichtet waren, in den Innenräumen in der Schule eine Maske zu tragen. Ein schulbedingter Ausbruch wurde definiert als das Auftreten von zwei oder mehr laborbestätigten COVID-19-Fällen unter Schülern oder Mitarbeitern der Schule innerhalb eines Zeitraums von 14 Tagen und mindestens sieben Kalendertagen nach Schulbeginn.

Daten lagen für 1.020 von 1.041 (98,0 Prozent) der Schulen in den Landkreisen Maricopa und Pima vor. Einundzwanzig (2,0 Prozent) Schulen hatten Ausbrüche weniger als 7 Tage nach Schulbeginn gemeldet und wurden darum von den Analysen ausgeschlossen. Von den 999 Schulen, die in die Analyse einbezogen wurden, hatten 52 Prozent eine Maskenpflicht und 48 Prozent keine Maskenpflicht.

Ergebnis: Vom 15. Juli bis 31. August 2021 kam es zu 191 schulbedingten Ausbrüchen, 113 (59,2 Prozent) davon in Schulen ohne Maskenpflicht. Bereinigt um mögliche Störfaktoren waren die Chancen auf einen schulbedingten COVID-19-Ausbruch in Schulen ohne Maskenpflicht 3,5-mal höher als in Schulen mit Maskenpflicht (Odds Ratio = 3,5, Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 1,8 bis 6,9).

Fazit: Angesichts der hohen Übertragbarkeit der Deltavariante von SARS-CoV-2 bleibt das Masketragen neben Impfungen und der Umsetzung anderer Präventionsmaßnahmen für die COVID-19-Prävention in Schulen unerlässlich.
We Jehn M, McCullough JM, Dale AP, et al. Association Between K-12 School Mask Policies and School-Associated COVID-19 Outbreaks - Maricopa and Pima Counties, Arizona, Juli-August 2021. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2021;70:1372-1373. DOI: http://dx.doi.org/10.15585/mmwr.mm7039e1

05. Oktober

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KI-Analyse: Erhöhter Blutzucker ist der häufigste COVID-Risikofaktor
Forschende haben mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) rund 240.000 Publikationen auf den häufigsten Risikofaktor für schwere COVID-Verläufe untersucht. Ergebnis: hoher Blutzucker.
Welcher Risikofaktor wird in wissenschaftlichen Beiträgen zu COVID-19 am häufigsten mit einem schweren Verlauf in Verbindung gebracht? Und warum erkranken ältere, adipöse und Menschen mit Diabetes deutlich häufiger ernst? Dieser Frage gingen Wissenschaftler aus der Schweiz mit Hilfe von künstlicher Intelligenz nach. Ein erhöhter Blutzuckerspiegel tritt der Analyse nach als der wichtigste und einzeln auftretende Faktor hervor - auch bei zuvor gesunden Menschen.

Für die Studie wurden 240.000 internationale Beiträge mithilfe eines maschinelle trainierten E-Learning-Systems auf die häufigste Begriffsnennung hin ausgewertet. Allein 3.000 Studien thematisierten dabei den Zusammenhang von "Glukose als Risikofaktor für COVID-19". 

Der erhöhte Spiegel scheint ideale Bedingungen für SARS-CoV-2 zu schaffen, um den ersten Stufen der Immunabwehr in der Lunge zu entkommen. Weiter erleichtert er den Zugang des Virus zu den tief in der Lunge liegenden Lungenbläschen, den alveolaren Zellen und die Bindung an den ACE2-Rezeptor. Somit ist auch der wichtigste Infektionsschritt, das Eindringen in die menschliche Körperzelle in der Lunge, durch einen erhöhten Blutzuckerspiegel für das Virus erleichtert, erklären die Autoren.
Auch die Vermehrung des Virus innerhalb der Zellen, die Entwicklung einer entzündlichen Reaktion in der Lunge und Zellschäden, Zytokinsturm und thrombotische Ereignisse stehen mit erhöhtem Blutzucker in Zusammenhang. Da der Zucker-Stoffwechsel in höherem Alter und bei verschiedenen Grunderkrankungen gestört ist, erklärt der Blutzuckerspiegel das erhöhte Risiko für Coronavirus-Infektionen in diesen Gruppen, schreiben die Autoren.

Daher sprechen sie sich für eine Überwachung und Kontrolle des Blutzuckerspiegels aus und empfehlen eine entsprechend angepasste Ernährung bei Personen, die bereits als Risikopatienten gelten.

Logette, E. et al: "A Machine-Generated View of the Role of Blood Glucose Levels in the Severity of COVID-19", Front. Public Health, July 28, 2021. https://doi.org/10.3389/fpubh.2021.695139

30. September

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Rauchen erhöht COVID-Risiken deutlich

Von wegen "Qualmen beugt Corona vor": Eine Studie der Oxford University mit mehr als 400.000 Probanden zeigt: Raucher haben ein stark erhöhtes Risiko, wegen COVID ins Krankenhaus zu kommen oder zu sterben.

Die im British Medical Journal erschienene Studie, die Beobachtungs- und genetische Daten zum Rauchen und COVID-19 zusammenführte, widerspricht damit frühere Untersuchungen,wonach Rauchen ein Schutz vor dem Virus sein könnte. Diese Studien wurde später jedoch zurückgezogen, nachdem festgestellt wurde, dass einige der Autoren finanzielle Verbindungen zur Tabakindustrie hatten.

Die Frage, ob Rauchen die Wahrscheinlichkeit für schwerere Verläufe erhöht, wird in Studien bislang kontrovers beantwortet. Eine neuere japanische Untersuchung hatte in vitro in Säugetierzellen gezeigt, dass Zigarettenrauchbestandteile den Zelleintritt des SARS-CoV-2-Virus über den ACE2-Rezeptor hemmen können.
Die Forschenden der Oxford University führten jetzt Beobachtungs- und Mendelsche Randomisierungsanalysen mit Daten der UK Biobank durch.

Mendelsche Randomisierung
Die Mendelsche Randomisierung bezeichnet eine Methode der Epidemiologie und Biostatistik für nicht-experimentelle Studien zur Bestimmung des Einflusses veränderlicher Risikofaktoren auf Krankheiten unter Verwendung der Variation von Genen bekannter Funktion. Dabei können ein falscher umgekehrter kausaler Zusammenhang und Störfaktoren ohne eine epidemiologische Studie kontrolliert werden.
Quelle: Wikipedia

Ergebnisse: Es gab 421.469 Probanden, 1.649 bestätigte Infektionen, 968 COVID-19-bedingte Krankenhauseinweisungen und 444 COVID-19-bedingte Todesfälle. Die Wahrscheinlichkeit, wegen Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert zu werden, könnte den Ergebnissen zufolge bei Menschen, die aktuell Raucher sind, fast doppelt so groß (1,8-fach) sein wie bei lebenslangen Nichtrauchern. Auch das Sterberisiko ist stark erhöht (2- bis 6-fach)

Risiko für Krankenhauseinweisungen

  • Odds Ratio (OR) 1,80, Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 1,26 bis 2,29

Risiko für Mortalität

  • bei 1-9 Zigaretten/Tag: OR 2,14, Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 0,87 bis 5,24;
  • bei 10-19 Zigaretten/Tag: OR 5,91, Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 3,66 bis 9,54;
  • bei 20+ Zigaretten/Tag: OR 6,11, Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 3,59 bis 10,42.

In Mendelsche Randomisierungsanalysen von 281.105 weißen britischen Teilnehmern war die genetisch vorhergesagte Neigung, mit dem Rauchen zu beginnen, mit einem höheren Risiko für Infektion (OR 1,45, 95 Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 1,10 bis 1,91) und Krankenhausaufenthalt (OR 1,60, Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 1,13 bis 2,27) verbunden. Eine genetisch vorhergesagte höhere Anzahl gerauchter Zigaretten (>6,6 pro Tag) war mit einem höheren Risiko für alle Endpunkte verbunden:

  • Infektion OR 2,51, Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 1,20 bis 5,24;
  • Krankenhausaufenthalt OR 5,08, Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 2,04 bis 12,66; und
  • Tod OR 10,02, Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 2,53 bis 39,72.


Fazit der Autoren: Kongruente Ergebnisse aus zwei analytischen Ansätzen unterstützen die Thesen eines kausalen Effekts des Rauchens auf das Risiko einer schweren COVID-19-Erkrankung.

Ashley K. Clift et al., "Smoking and COVID-19 outcomes: an observational and Mendelian randomisation study using the UK Biobank cohort", Thorax Published Online First: 27 September 2021. doi: 10.1136/thoraxjnl-2021-217080

27. September

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Selbst leichtes COVID führt zu vorzeitiger Alterung des Hirns

COVID führt bei 16 Prozent der Patienten zu vorzeitigen Alterungsprozessen im Hirn: Die graue Substanz und die Hirngröße nehmen ab, gleichzeitig zeigen sich Marker für Gewebeschäden.

Es gibt starke Hinweise auf hirnbedingte Pathologien bei COVID-19, von denen einige eine Folge von viralem Neurotropismus oder von Neuroinflammation nach Virusinfektion sein könnten. Zu dem Ergebnis kommt ein britisches Preprint.

Die Forschenden nutzten Daten von mehr als 40.000 Patienten, bei denen schon vor Beginn der Pandemie Hirnscans durchgeführt worden waren, und luden 785 von ihnen zu einem zweiten Scan ein. Dabei wurden die 51- bis 81-jährigen Probanden anhand multimodaler MRT-Daten auf mögliche Gehirnveränderungen im Zusammenhang mit einer COVID-Erkrankung untersucht.

401 Teilnehmer waren zwischen ihren beiden Scans positiv auf eine SARS-CoV-2-Infektion getestet worden. Die 384 Kontrollpersonen waren entweder negativ auf Antikörper getestet oder hatten keine COVID-19-Kranken- und Gesundheitsakte.

Verwendet wurden strukturelle, diffusions- und funktionelle Gehirnscans vor und nach der Infektion, um longitudinale Veränderungen zwischen den 401 SARS-CoV-2-Fällen und der Kontrollgruppe zu vergleichen. Die Kontrollen und Fälle unterschieden sich nicht in Blutdruck, Body-Mass-Index, Diabetes-Diagnose, Rauchen, Alkoholkonsum oder sozioökonomischem Status.

Ergebnis: Die Forschenden identifizierten 68 signifikante Längswirkungen im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion im Gehirn, darunter:

  • eine ausgeprägtere Verringerung der Dicke und des Kontrasts der grauen Substanz im lateralen orbitofrontalen Kortex und Gyrus parahippocampalis,
  • ein relativer Anstieg der Diffusionsindizes, ein Marker für Gewebeschäden, in den Regionen des Gehirns, die funktionell mit dem piriformen Kortex, dem vorderen olfaktorischen Kern und dem olfaktorischen Tuberkel verbunden sind, sowie
  • eine stärkere Verringerung der globalen Messungen der Gehirngröße und der Zunahme des Liquorvolumens der Zerebrospinalis, was auf eine zusätzliche diffuse Atrophie bei den infizierten Teilnehmern hindeutet.

Das Ergebnis fiel nicht anders aus, nachdem hospitalisierte Fälle ausgeschlossen wurden. Der Vergleich hospitalisierter (n=15) und nicht hospitalisierter (n=386) infizierter Teilnehmer führte zu ähnlichen Befunden, schreiben die Autoren.

"Diese Bildgebungsergebnisse des Gehirns können die In-vivo-Kennzeichen einer degenerativen Ausbreitung der Krankheit - oder des Virus selbst - über olfaktorische Wege sein. Ein möglicher Eintrittspunkt des Virus in das zentrale Nervensystem ist über die Riechschleimhaut", bilanzieren die Autoren.

Ebenso sei denkbar, dass es sich um Kennzeichen neuroinflammatorischer Ereignisse aufgrund der Infektion oder des Verlusts des sensorischen Inputs aufgrund von Anosmie handelt. Ob diese Schäden teilweise reparabel sind oder ob es sich um langfristig anhaltende Effekte handelt, müsse nun mit zusätzlicher Nachsorge untersucht werden.

Gwenaëlle Douaud et al., "Brain imaging before and after COVID-19 in UK Biobank", medRxiv 2021.06.11.21258690; doi: https://doi.org/10.1101/2021.06.11.2125869

23. September

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COVID-Impfung schützt auch Krebspatienten wirksam

COVID-Impfungen - und womöglich auch Booster - sind bei Krebspatienten wirksam. Entsprechende Studien wurden jetzt auf dem Jahreskongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) vorgestellt.

Da krebskranke Patienten von den klinischen Studien zu den Impfstoffen ausgeschlossen wurden, war zunächst offen, ob die Vakzine für diese gefährdete Bevölkerungsgruppe sicher sind und ob sie Personen, deren Immunsystem durch Krebsmedikamente geschwächt sein könnte, einen angemessenen Schutz vor schweres COVID bieten, informiert ESMO.

Mehr als 90 Abstracts mit exzellenten Daten habe die ESMO erhalten, fünf und eine Studie wurden auf dem Kongress vorgestellt, sagte der medizinische Leiter George Pentheroudakis.

Um die potenziellen Auswirkungen von Chemotherapie und Immuntherapie auf den Impfschutz zu untersuchen, umfasste die VOICE-Studie1 mehr als 700 Patienten aus mehreren Krankenhäusern in den Niederlanden. 28 Tage nach Verabreichung der zweiten Dosis des mRNA-1273-Impfstoffs von Moderna wurden bei 84 Prozent der Chemo-Patienten, bei 89 Prozent der Patienten mit Chemo-Immuntherapie in Kombination und bei 93 Prozent der Patienten mit Immuntherapie eine ausreichende Konzentration von Antikörpern gegen das Virus im Blut gefunden.

Zum Vergleich: In der Kontrollgruppe von Personen ohne Krebs wurde bei fast allen (99,6 Prozent) eine Antikörperreaktion beobachtet. Weiteres Ergebnis: Eine vollständige Zwei-Dosen-Impfung ist für Krebspatienten wichtig, um genügend schützende Antikörper gegen das Virus zu entwickeln. Denn die Studiendaten zeigten, dass nur etwa jeder Dritte, der eine Chemotherapie allein oder in Kombination mit einer Immuntherapie erhielt, nach der ersten Dosis ausreichend angesprochen war - halb so viele wie in der Gruppe der Personen ohne Krebs.

Diese Beobachtung wurde in einer Studie2 über die Auswirkungen des BioNTech/Pfizer-Vakzins bei 232 krebskranken Patienten und 261 Kontrollpersonen in Israel wiederholt: Während weniger als ein Drittel der Krebskranken (29 Prozent) nach Erhalt der ersten Dosis Antikörper entwickelten, verglichen mit 84 Prozent in der Kontrollgruppe, stieg dieser Anteil nach Verabreichung der zweiten Dosis auf 86 Prozent.

Die Wirksamkeit des Impfstoffs demonstrierte laut ESMO außerdem, dass während des Studienzeitraums nur zwei COVID-19-Fälle unter den Probanden gemeldet wurden, die beide ihre zweite Impfung noch nicht erhalten hatten.

Indirekte Hinweise für Wirksamkeit der Booster-Impfung

Daten einer weiteren Studie3 zeigen, dass von 585 krebskranken Patienten, die in Großbritannien zwei Dosen des BioNTech- oder AstraZeneca-Vakzins erhalten hatten, diejenigen, die zuvor an COVID-19 erkrankt waren (31 Prozent), höhere Konzentrationen von virusneutralisierenden Antikörpern aufwiesen.

Aus Sicht von ESMO-Experten stützen diese Ergebnisse sowie ähnliche Erkenntnisse einer weiteren Untersuchung4 die These, dass auch Booster-Impfungen für Krebspatienten sinnvoll sind. Und eine bereits publizierte Studie5 zeigte, dass eine Auffrischimpfung bei Menschen ab 60 Jahren fünf Monate nach Gabe der zweiten Dosis die Inzidenz von COVID-19 und schweren Krankheitsverläufen reduziert.

Noch würden mehr Daten benötigt, um besser zu verstehen, für wen und wann Booster-Impfungen in Betracht gezogen werden sollten, lautet das Fazit der ESMO, "aber im Allgemeinen wäre es sinnvoll, alle Patienten mit beeinträchtigter Immunfunktion, einschließlich Patienten mit Krebs, zu priorisieren."

Eine Subgruppenanalyse6 von 3.813 Teilnehmern mit einer Vorgeschichte von früherem oder aktivem Krebs in der randomisierten kontrollierten Phase-III-Studie mit dem Vakzin von BioNTech zeigte, dass die häufigsten Nebenwirkungen der Impfung die gleichen waren - Schmerzen an der Injektionsstelle, Müdigkeit, Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen - überwiegend mild und in einer ähnlichen Häufigkeit wie in der gesamten Studienpopulation (44.047 Teilnehmer) auftraten.

1 Abstract "Vaccination against SARS-CoV-2 in patients receiving chemotherapy, immunotherapy, or chemo-immunotherapy for solid tumours" von Sjoukje Oosting vorgestellt.

2 Abstract "Efficacy and toxicity of BNT162b2 vaccine in cancer patients" von Ithai Waldhorn vorgestellt.

3 Abstract "Adaptive immunity to SARS-CoV-2 infection and vaccination in cancer patients: The CAPTURE Study" von Scott Shepherd vorgestellt.

4 Abstract "CoVigi phase IV multicentric trial evaluating COVID-19 vaccination adverse events and immune response dynamics in cancer patients: First results on antibody and cellular immunity" von Radka Obermannova vorgestellt

5 Yinon M. Bar-On et al., "Protection of BNT162b2 Vaccine Booster against Covid-19 in Israel", NEJM, September 15, 2021, DOI: 10.1056/NEJMoa2114255

6 Abstract "COVID-19 vaccine in participants (ptcpts) with cancer: Subgroup analysis of efficacy/safety from a global phase III randomised trial of the BNT162b2 (tozinameran) mRNA vaccine" von Stephen J. Thomas vorgestellt.

20. September

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Long COVID verändert auch bei Kindern den Hirnstoffwechsel

Pädiatrische Long COVID-Patienten weisen dieselben Stoffwechselmuster im Gehirn wie erwachsene Patienten auf. Das zeigt eine neue Studie - und sieht Folgen für die Forschung.

Mehrere Wochen nach einer SARS-CoV-2-Infektion berichten auch Kinder über das Fortbestehen oder Wiederauftreten von funktionellen Störungen, die bei der erwachsenen Bevölkerung als Long-COVID bezeichnet werden. Das hypometabolische Muster wurde kürzlich als Biomarker vorgeschlagen.

In einer retrospektiven Analyse untersuchten Forschende 7 pädiatrische Patienten mit Verdacht auf Long-COVID durch eine FDG-Gehirn-PET-Untersuchung und verglichen die Ergebnisse mit denen von 21 pädiatrischen Kontrollpersonen sowie 35 erwachsenen Long-COVID-Patienten und 44 gesunden erwachsenen Probanden. Die 7 Kinder hatten anhaltende Symptome für mehr als vier Wochen nach den ersten akuten COVID-19-Symptomen, ohne symptomfreies Intervall. Die wichtigsten berichteten Symptome waren Fatigue und kognitive Beeinträchtigungen wie Gedächtnis- und Konzentrationsschwächen.

Ergebnisse: Trotz geringerer Anfangsschwere im akuten Stadium der Infektion zeigten die Kinder im Durchschnitt fünf Monate später ein ähnliches hypometabolisches Muster des Gehirns wie erwachsene Long-COVID-Patienten. Im Vergleich zu pädiatrischen Kontrollpatienten wiesen Kinder mit Long-COVID einen Hypometabolismus in den bilateralen Mittellappen (Amygdala, Uncus, Parahippocampus-Gyrus), der Pons und dem Kleinhirn auf. Außerdem wurde Hypometabolismus der rechten sowie der olfaktorische Gyrus bestätigt.

Fazit der Forschenden: Diese Ergebnisse liefern Argumente für die Möglichkeit von Lon- COVID bei Kindern, die auf funktionelle Gehirnmetabolismusmuster zurückzuführen sind, die denen erwachsener Patienten ähneln, unabhängig vom Alter und der anfänglichen Schwere der Infektion.

Weitere Studien seien erforderlich, um das Verständnis dieser Krankheit bei Kindern zu verbessern, vor allem ihre genaue Pathophysiologie, die mögliche Erholung bei der Nachuntersuchung und die allgemeine Epidemiologie, einschließlich der tatsächlichen Häufigkeit einer solchen Präsentation bei Kindern.

Die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) dient als Glukose-(FDG-)PET zum Nachweis eines funktionellen Defizits (Hypometabolismus) vor allem in der Epilepsie-Diagnostik. Ein Hypermetabolismus kann dagegen auch auf eine lokalisierte aktive Entzündung hinweisen.

Quelle: www.sciencedirect.com

Morand, A. et al., "Similar patterns of [18F]-FDG brain PET hypometabolism in paediatric and adult patients with long COVID: a paediatric case series". Eur J Nucl Med Mol Imaging (2021). https://doi.org/10.1007/s00259-021-05528-4

16. September

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Booster-Dosis erhöht Schutzwirkung gegen Deltavariante auf das Elffache

Seit Ende Juli bekommen in Israel Menschen über 60 Jahre eine dritte Dosis des BioNTech/Pfizer-Vakzins als Auffrischimpfung verabreicht. Jetzt zeigt eine Studie, dass diese sehr wirksam ist.

Forschende extrahierten Daten von 1,1 Millionen Personen, die mindestens 60 Jahre alt und seit mindestens 5 Monaten mit BioNTech vollständig geimpft waren aus der Datenbank des israelischen Gesundheitsministeriums.  Sie verglichen die Rate der bestätigten COVID-19-Fälle und die der schweren Krankheitsverläufe zwischen denen, die mindestens 12 Tage zuvor eine Auffrischungsinjektion erhalten hatten (Booster-Gruppe) und denen, die keine Booster-Injektion erhalten hatten (Nonbooster-Gruppe). Dann bewerteten sie die Infektionsrate 4 bis 6 Tage nach der Auffrischimpfung im Vergleich zu der Rate mindestens 12 Tage nach der Auffrischimpfung.

Ergebnis: Mindestens 12 Tage nach der Auffrischimpfung war die Rate der bestätigten Infektionen in der Booster-Gruppe um den Faktor 11,3 niedriger als in der Nonbooster-Gruppe (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 10,4 bis 12,3).

Die Rate schwerer Krankheitsverläufe war um den Faktor 19,5 niedriger (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 12,9 bis 29,5). In der Sekundäranalyse war die Rate der bestätigten Infektionen mindestens 12 Tage nach der Impfung um den Faktor 5,4 (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 4,8 bis 6,1) niedriger als die Rate nach 4 bis 6 Tagen.

Fazit der Autoren: Die Ergebnisse geben klare Hinweise auf die Wirksamkeit einer Auffrischungsdosis auch gegen die derzeit dominierende Delta-Variante. Zukünftige Studien müssten nun überprüfen, wie die lange die Auffrischungsdosis gegen aktuelle und aufkommende Varianten wirkt.

Yinon M. Bar-On et al. "Protection of BNT162b2 Vaccine Booster against Covid-19 in Israel", The New England Journal of Medicine, Published September 15, 2021, at NEJM.org. DOI: 10.1056/NEJMoa2114255

14. September

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Charité: Seneszenz eröffnet neuen Therapieansatz

Ein schwerer Verlauf geht nicht allein auf die Infektion durch SARS-CoV-2 zurück, sondern vor allem auf eine entgleiste Immunreaktion. Ein Forschungsteam, zu dem unter anderem die Charité zählt, hat nun Wirkstoffe geprüft, die seneszente Zellen gezielt entfernen.

Bislang konnte eine zelluläre Stressreaktion identifiziert werden, die zur Immun-Entgleisung maßgeblich beiträgt: die Seneszenz. Nun werden Wirkstoffe gesucht, die seneszente Zellen gezielt entfernen und damit durch COVID-19 entstandene Lungenschäden einzudämmen. Im Tiermodell gelang es den Forschenden der Berliner Charité, das Ausmaß der Entzündung signifikant abzumildern. Damit könnten sich auch einen neuen Therapieansatz für den Menschen eröffnen.

Untersucht wurde der Effekt von vier Wirkstoffen

Untersucht wurde der Effekt von vier Wirkstoffen, die gezielt seneszente Zellen angreifen: Navitoclax, Fisetin, Quercetin und Dasatinib. Zwei dieser Senolytika sind pflanzliche Wirkstoffe, zwei werden in der Krebstherapie genutzt. Alle vier Substanzen - zum Teil allein, zum Teil in Kombination - waren bei Hamstern und Mäusen in unterschiedlichem Maße in der Lage, den Entzündungssturm zu normalisieren und die Lungenschädigung abzuschwächen.

Die covid-19-impfung erhöht die sterblichkeit von ungeimpften kindern in europa

In einer präklinischen Studie konnte die Sterblichkeit bei COVID-infizierten Mäusen durch die Gabe von Senolytika um die Hälfte gesenkt werden.

Was aber sit die zelluläre Seneszenz? Sie ist ein Gewebe-Schutzprogramm bei Stress und drohender Schädigung. Als programmierter Zellteilungsstopp bewahrt sie den menschlichen Körper davor, dass Krebs entsteht. Seneszente Zellen sondern außerdem entzündungsfördernde Botenstoffe ab, die für Prozesse wie die Wundheilung wichtig sind. Im Übermaß oder dauerhaft produziert, fördern diese Entzündungsvermittler allerdings altersbedingte Krankheiten wie Diabetes oder Gefäßverkalkung.

Es geht darum die entzündliche Überreaktion zu unterbrechen

Wenig beachtet wurden bisher einzelne Hinweise, dass auch eine virale Infektion Seneszenz auslösen kann. Der Onkologe Prof. Dr. Clemens Schmitt zur den aktuellen Studienergebnissen: "Die entzündliche Überreaktion frühzeitig mit spezifischen Wirkstoffen zu unterbrechen, hat in unseren Augen großes Potenzial, eine neue Strategie zur Behandlung von COVID-19 zu werden."
Die Ergebnisse seien sehr ermutigend, allerdings können die Senolytika auch Nebenwirkungen haben, schreiben die Studienautoren. Bevor man sie für eine Behandlung von COVID-19 in Betracht ziehen kann, sei zu klären: Welche Dosis ist wirksam? Wann und für wie lange müssten die Substanzen verabreicht werden? Welche Nebenwirkungen sind damit verbunden?
Lee S, Yong Y et al., "Virus-induced senescence is driver and therapeutic target in COVID-19." Nature (2021), doi: 10.1038/s41586-021-03995-1

9. September

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Asthma-Patienten: Kein erhöhtes Risiko für schweren Verlauf

Asthma und COPD, also chronisch obstruktive Lungenerkrankungen, gelten als Risikofaktoren für schwere COVID-19-Verläufe. Eine Meta-Analyse aus England brachte nun jedoch eine neue Erkenntnis dazu.
Da SARS-CoV-2 vor allem schwere Lungenentzündungen verursachen kann, liegt der Verdacht nahe, dass Menschen mit Lungenerkrankungen wie Asthma und COPD (engl: Chronic Obstructive Pulmonary Disease) eine Risikogruppe darstellen. Ob die bislang gewonnenen wissenschaftlichen Studiendaten diese Annahme bestätigen, untersuchten englische Wissenschaftler der Cambridge University in einem systematischen Review.
Analysiert wurden Publikationen, die sich mit dem assoziierten Risiko für Krankenhausaufenthalte, Aufnahme auf die Intensivstation oder dem Sterberisiko von COVID-Patienten mit Asthma oder COPD befassten. Die Studien dazu wurden zwischen dem 01.12.2019 und dem 19.04.2021 veröffentlicht und umfassen die Daten von insgesamt 1 678 992 Personen.

Das Ergebnis: Die Meta-Analyse zeigt, dass COPD-Patienten im Vergleich zu Personen ohne COPD ein höheres Risiko für einen schweren COVID-Verlauf aufwiesen. So hatten sie ein höheres Risiko für Krankenhausaufenthalte (OR: 1,37; 95 % KI: 1,29 - 1,46), Aufnahmen auf die Intensivstation (OR: 1,22; 95 % KI: 1,04 - 1,42) sowie eine erhöhte Mortalität (OR: 1,25; 95 % KI: 1,08 - 1,34).

Neu hingegen war die Erkenntnis, dass Patienten mit Asthma der Datenauswertung nach kein erhöhtes Risiko aufzuweisen. Weder für Krankenhausaufenthalte (0,91; 95 % KI: 0,76 - 1,09) noch für die Aufnahmen auf die Intensivstation (OR: 0,89; 95 % KI: 0,74 - 1,07) oder eine erhöhte Mortalität (OR: 0,88; 95 % KI: 0,77 - 1,01). Asthma war nicht demnach mit negativen COVID-bedingten Gesundheitsergebnissen assoziiert.

Das Fazit: Patienten, die an COPD leiden, müssen besonders gut vor einer Infektion mit dem Coronavirus geschützt werden. Ärzte sollten diese Ergebnisse bei der Behandlung von Patienten mit diesen Komorbiditäten beachten.

Ruskin, A. et al: "The Risk of COVID-19 Related Hospitalsation, Intensive Care Unit Admission and Mortality in People With Underlying Asthma or COPD: A Systematic Review and Meta-Analysis" published in Frontiers on June, 16, 2021. DOI: https://doi.org/10.3389/fmed.2021.668808

6. September

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COVID kann nachträglich schwere Nierenschäden auslösen

Offensichtlich können Genese nachträglich schwere Nierenschäden erleiden. Eine Studie zeigt, dass fünf Prozent von ihnen im Jahr nach ihrer Infektion mindestens 30 Prozent der Nierenfunktion einbüßen.

Die Forschenden untersuchten eine Kohorte von 1.726.683 US-Veteranen, die vom 01. März 2020 bis zum 15. März 2021 identifiziert waren, darunter 89.216 COVID-19-Patienten und 1.637.467 nicht infizierte Personen in einer Kontrollgruppe. Sie untersuchten die Risiken von akuter Nierenschädigung (AKI), den Rückgang der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR), die End-Stage-Kidney-Disease (Niereninsuffizienz, kurz ESKD) und die wichtigen unerwünschten Nierenereignissen (MAKE), definiert als eGFR-Rückgang ≥50%, ESKD oder die Gesamtmortalität.

Das Ergebnisse: Über die akute Erkrankung hinaus stiegen die Risiken für COVID-19-Patienten Nierenereignisse zu erleiden wie folgt

  • +94 Prozent für AKI (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung +86 bis +104 Prozent),
  • +25 Prozent für einen eGFR-Rückgang ≥30 Prozent (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung +14 bis +37 Prozent),
  • +44 Prozent für einen eGFR-Rückgang ≥40% (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung +37 bis +51 Prozent),
  • +62 Prozent für einen eGFR-Rückgang ≥50% (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung +51 bis +74 Prozent),
  • +196 Prozent für ESKD (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung +149 bis +251 Prozent) und
  • + 66 Prozent für MAKE (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung +58 bis +74 Prozent) auf.

"Zwischen einem und sechs Monaten nach der Infektion hatten COVID-Überlebende eine um 35 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit als Nicht-COVID-Patienten, Nierenschäden oder einen erheblichen Rückgang der Nierenfunktion zu erleiden", kommentierte Dr. Ziyad Al-Aly, leitender Autor der Studie, gegenüber der New York Times die Ergebnisse. Seine Botschaft: Da eine reduzierte Nierenfunktion zunächst keine Schmerzen oder andere Symptome verursacht, sei es besonders wichtig, dass Behandler von ehemaligen COVID-Patienten auf mögliche Indizien achten.

Langfristige Nierenschäden doppelt so häufig wie bei Kontrollgruppe

Bei 220 COVID-Patienten wurde eine Nierenerkrankung im Endstadium festgestellt, die auftritt, wenn mindestens 85 Prozent der Nierenfunktion verloren gehen - damit war das beobachtete Ereignis fast dreimal so häufig wie bei Patienten ohne COVID, so die Autoren.

Andere Studien hatten bereits das Problem akuter Nierenschädigung beschrieben, das bei bis zu der Hälfte der hospitalisierten COVID-Patienten nachgewiesen wurde. Der Zustand könne heilen, ohne einen langfristigen Verlust der Nierenfunktion zu verursachen, hieß es dazu damals. Die jetzt erschienene Studie aber ergab, dass 2.812 untersuchte COVID-Patienten erst Monate nach ihrer Infektion die Komplikation erlitten, die damit fast doppelt so häufig auftrat wie bei Nicht-COVID-Patienten, erläuterte Dr. Al-Aly.

Das Fazit der Autoren: COVID-19-Überlebende zeigten ein erhöhtes Risiko für Nierenerkrankungen in der postakuten Phase der Krankheit. Darum sollte bei deren Versorgung Aufmerksamkeit auf mögliche Nierenerkrankungen gelegt werden.

Benjamin Bowe et al., "Kidney Outcomes in Long COVID", JASN Sep 2021, ASN.2021060734; DOI: 10.1681/ASN.2021060734

3. September

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Autoantikörper begünstigen schwere und tödliche COVID-Verläufe

Bösartige Antikörper, die sich gegen Teile der Immunabwehr wenden, sind bei einigen COVID-Patienten offensichtlich mitverantwortlich für schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle, zeigt eine Studie.

Die Forschenden analysierten Blutserumproben von 3.595 Patienten, die mit kritischer COVID-19-Pneumonie ins Krankenhaus eingeliefert wurden sowie von 1.639 Personen mit asymptomatischen oder milden Krankheitsverläufen aus 38 Ländern auf jene Autoantikörper, die Typ-1-Interferone angreifen und blockieren. Typ-1-Interferone spielen eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Virusinfektionen.

Das Ergebnisse: Zirkulierende Autoantikörper, die hohe Konzentrationen dieser Interferone neutralisieren, wurden bei etwa zehn Prozent der Patienten mit kritischer COVID-19-Pneumonie gefunden, jedoch nicht bei Patienten mit asymptomatischen Infektionen. Autoantikörper, die niedrigere Konzentrationen von Interferonen neutralisieren, wurden bei 13,6 Prozent der Patienten mit kritischem COVID-19 gefunden, in der Teilgruppe der Patienten über 80 Jahre lag der Wert bei 21 Prozent. Außerdem wurden diese Antikörper auch bei 18 Prozent der 1.124 verstorbenen Patienten im Alter von 20 Tagen bis 99 Jahren (Mittelwert: 70 Jahre) nachgewiesen.

Zum Vergleich testeten die Forschenden eine Stichprobe von 34.159 nicht infizierten Probanden aus der Allgemeinbevölkerung. Ergebnis: Autoantikörper, die hohe Konzentrationen von Interferonen neutralisieren, wurden bei

  • 0,18 Prozent der Personen zwischen 18 und 69 Jahren,
  • 1,10 Prozent der Personen zwischen 70 und 79 Jahren und
  • 3,40 Prozent der über 80-Jährigen gefunden.

Der Anteil der Probanden, die Autoantikörper aufwiesen, die niedrigere Konzentrationen von Interferonen neutralisieren, war in einer Teilstichprobe von 10.778 nicht infizierten Personen größer:

  • 1,0 Prozent bei Personen unter 70 Jahre,
  • 2,3 Prozent bei Personen zwischen 70 und 80 Jahren und
  • 6,3 Prozent bei Personen über 80 Jahre.

Fazit: Die Forschenden vermuteten, dass die nachgewiesenen Autoantikörper eher eine Ursache als eine Folge von kritischem COVID-19 sind. Die Erkenntnis der Studie: Personen mit genetischen Mutationen, die die Aktivität von Typ-1-Interferonen stören, haben ein höheres Risiko für lebensbedrohliche Krankheiten. Aus ihren Ergebnissen leiten die Autoren konkrete Handlungsempfehlungen ab:

  • SARS-CoV-2-Infizierte sollten auf Autoantikörper getestet werden. Ein Screening auf diese Antikörper sei sogar in der Allgemeinbevölkerung vor einer Infektion möglich. Besondere Aufmerksamkeit sollte älteren Personen und Patienten mit bekannten Autoimmun- oder genetischen Erkrankungen gewidmet werden, die mit Autoantikörpern gegen Typ-I-Interferone assoziiert sind.
  • Patienten mit Autoantikörpern sollten vorrangig gegen COVID-19 geimpft werden.
  • Ungeimpfte Patienten mit Autoantikörpern sollten im Falle einer SARS-CoV-2-Infektion zur sofortigen Behandlung ins Krankenhaus eingeliefert werden.
  • Blutprodukte, insbesondere Plasma, sollten auf diese Autoantikörper untersucht werden, und alle Produkte, die solche Antikörper enthalten, sollten von der Spende ausgeschlossen werden.

Bastard, P. et al.: "Autoantibodies neutralizing type I IFNs are present in ~4% of uninfected individuals over 70 years old and account for ~20% of COVID-19 deaths", Science Immunology, Vol 6, Issue 62 DOI: 10.1126/sciimmunol.abl4340

31. August

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Haushalt bleibt wichtiger Ort für SARS-CoV-2-Übertragungen

Für die Frage, ob sich die Übertragungsrate von SARS-CoV-2 in Privathaushalten während der Pandemie verändert hat, haben US-Wissenschaftler knapp 90 internationale Studien untersucht.

Ein Team aus Wissenschaftlern der Universität Florida hat 87 internationale Studien hinsichtlich der Infektionsrate in Haushalten von Infizierten ausgewertet. Die Daten umfassten mehr als 1,2 Millionen enge Kontaktpersonen von Indexpatienten aus 30 Ländern. Der Auswertung nach stieg das Infektionsrisiko im Verlauf der Pandemie im Zeitraum von Januar 2020 bis März 2021 in den Haushalten. Personen mit Vorerkrankungen und Komorbiditäten hatten dabei ein 50 Prozent höheres Risiko, sich mit COVID-19 in Form einer Sekundärinfektion anzustecken.

Eine frühere Studie derselben Autoren (veröffentlicht im Oktober 2020) hatte eine sekundäre Befallsrate von 16,6 Prozent ermittelt. Die aktuelle Metaanalyse kam nun zu dem Ergebnis, dass die Infektionsrate in den Haushalten mit einer Indexperson im Durchschnitt bei 18,9 Prozent lag. Im Verlauf der Pandemie kam es also zu einer Zunahme von Haushaltsinfektionen. Lagen die Infektionsraten im Januar bis Februar 2020 im Durchschnitt noch bei etwa 13,4 Prozent, stiegen sie im Zeitraum Juli 2020 bis März 2021 auf durchschnittlich 30,1 Prozent an.

Den Anstieg dieser Ansteckungen führen die Studienautoren neben der exponentiellen Pandemie-Entwicklung unter anderem auf die längere Nachbeobachtungszeit von Patienten, eine ausgereiftere Diagnostik sowie die Virusvarianten zurück, die mitunter infektiöser und damit ansteckender sind. Beispielsweise erhöhte sich die Infektionsrate bei der Alpha-Variante B.1.1.7 in den Haushalten auf 24 Prozent.

Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass der Haushalt nach wie vor ein zentraler Ort für die Übertragung von SARS-CoV-2 ist. Neuere Studien dokumentieren im Vergleich zu vorangegangenen Berichten eine höhere Ansteckungsrate. Neue Varianten und die Impfkampagne könnten mit weiteren Veränderungen verbunden sein, schließen die Autoren.

Madewell, Z. J. et al: "Factors Associated With Household Transmission of SARS-CoV-2: An Updated Systematic Review and Meta-analysis" published in JAMA Network on Aug. 27, 2021. doi:10.1001/jamanetworkopen.2021.22240

26. August

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Genesene haben 6-mal besseren Infektionsschutz als Geimpfte

Genesene haben einen bis zu 13-mal besseren Schutz gegen SARS-CoV-2 als vollständig Geimpfte. Noch besser ist die Prognose für Genesene, die geimpft sind. Das zeigt eine Studie aus Israel.

Die retrospektive Beobachtungsstudie verglich vom 1. Juni bis 14. August 2021 das Infektionsrisiko von 673.676 doppelt Geimpften ohne vorherige Infektion, von 62.883 Genesenen und von 42.099 genesenen Geimpften über 16 Jahre. Drei Konstellationen wurden gegenübergestellt:

  • Genesene versus doppelt mit BioNTech Geimpfte mit Erkrankungsbeginn oder Erstimpfung im Januar oder Februar 2021
  • Genesene versus doppelt mit BioNTech Geimpfte ohne zeitliche Einschränkung (n=673.676)
  • Genesene versus  Genesene, die anschließend eine Booster-Dosis BioNTech erhielten

Doppelt Geimpfte (ohne Infektion vor der Impfung) hatten ein 13,06-fach (Konfidenzintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 8,08 bis 21,11-fach) erhöhtes Risiko für eine Durchbruchsinfektion mit der Delta-Variante im Vergleich zu denen, die zuvor infiziert waren, wenn das erste Ereignis (Infektion oder Impfung) im Januar und Februar 2021 auftrat. Das erhöhte Risiko war auch signifikant für symptomatische Erkrankungen.

Bei der Betrachtung ohne zeitliche Einschränkung fiel der Unterschied aufgrund der abnehmenden natürlichen Immunität nicht so groß aus, das Risiko SARS-CoV-2-naiver Impflinge war 5,96-fach (Konfidenzintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 4,85 bis 7,33-fach) erhöht für eine Durchbruchsinfektion und 7,13-fach (Konfidenzintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 5,51 bis 9,21-fach) erhöht für symptomatisches COVID-19.

Genesene, die eine Booster-Impfdosis BioNTech erhielten, hatten einen noch besseren Infektionsschutz als Genesene ohne Impfung: Ihr Risiko sank auf das 0,53-Fache (Konfidenzintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 0,3 bis 0,92-fach).

Fazit der Autoren: Die natürliche Immunität bietet im Vergleich zu einer doppelten Impfung mit BioNTech gegenüber derDelta-Variante einen länger anhaltenden und stärkeren Schutz vor Infektionen, symptomatischen Erkrankungen und Krankenhausaufenthalten. Personen, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren und eine Booster-Dosis BioNTech erhielten, haben einen noch besseren Schutz gegen die Delta-Variante.

Sivan Gazit et al. "Comparing SARS-CoV-2 natural immunity to vaccine-induced immunity: reinfections versus breakthrough infections", medRxiv 2021.08.24.21262415; doi: https://doi.org/10.1101/2021.08.24.21262415

20. August

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Infiziert? Geimpfte haben eine Viruslast wie Ungeimpfte

Die COVID-19-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und AstraZeneca schützen gut gegen die Delta-Variante, zeigt eine Studie. Anders als bei der Alpha-Variante reduzieren sie aber nicht die Viruslast von Infizierten.

Forschende der University of Oxford und des Office for National Statistics in Großbritannien haben für eine als Preprint erschienene Studie einen umfangreichen Datensatz mit rund 3,3 Millionen PCR-Tests von mehr als 730.000 britischen Erwachsenen ausgewertet. 2,5 Millionen Tests von 380.000 Personen wurden zwischen dem 1. Dezember 2020 und 16. Mai 2021 durchgeführt, als die Alpha-Variante vorherrschend war - und mehr als 810.000 Tests bei 350.000 Personen zwischen dem 17. Mai und 1. August 2021, als die Delta-Variante das Infektionsgeschehen in Großbritannien dominierte.

Ergebnisse: Die Schutzwirkung beider Impfstoffe nimmt über die Zeit ab. Der Impfstoff von BioNTech/Pfizer schützte 14 Tage nach der zweiten Dosis zu 92 Prozent vor einer Infektion, aber diese Wirksamkeit sank nach 30, 60 und 90 Tagen auf 90, 85 und 78 Prozent. Bei AstraZeneca lag der Wert 14 Tage nach der zweiten Dosis bei 69 Prozent und fiel innerhalb von 90 Tagen auf 61 Prozent.

Ungeimpfte sind womöglich nicht passiv geschützt

Die Studie zeigt außerdem, dass geimpfte Menschen, die sich mit der jetzt vorherrschenden Delta-Variante infizieren, hohe Spitzenwerte des Virus tragen, die sich nicht von denen Ungeimpfter unterscheiden. Ganz anders war die Situation in der Teilstichprobe aus dem Winter/Frühjahr 2020/21: Geimpfte, die sich damals mit der Alpha-Variante infizierten, hatten viel niedrigere Spitzenvirenlasten als ungeimpfte Infizierte.

Infektiosität der Delta-Variante zwei Tage vor Krankheitsausbruch am höchsten

Eine als Preprint veröffentlichte Datenauswertung des Delta-Ausbruchs in Guangdong, China im Mai/Juni 2021 zeigt, dass die Infektiosität von Delta-Infizierten 2,1 Tage vor Symptombeginn (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 1,5 bis 2,7 Tage) am größten ist. Ihrer Berechnung zufolge fanden fast drei Viertel (73,9 Prozent, Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 67.2 bis 81.3 Prozent) aller Übertragungen vor Symptombeginn statt.

Min Kang et al. "Transmission dynamics and epidemiological characteristics of Delta variant infections in China"", medRxiv 2021.08.12.21261991; doi: https://doi.org/10.1101/2021.08.12.21261991

Fazit der Autoren: Wie sich die Infektiosität geimpfter Infizierter auswirkt, sollte dringend untersucht werden. Bis dahin sei es wichtig, so viele Menschen wie möglich zu impfen, da diejenigen, die nicht geimpft sind, womöglich nicht passiv geschützt werden durch eine geringere Infektiosität infizierter Geimpfter.

Pouwels, K. B. et al. "Impact of Delta on viral burden and vaccine effectiveness against new SARS-CoV-2 infections in the UK", https://www.ndm.ox.ac.uk/files/coronavirus/covid-19-infection-survey/finalfinalcombinedve20210816.pdf

16. August

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Auch doppelt Geimpfte sind als Infizierte hochansteckend

Kommt es trotz Impfung zu einer SARS-CoV-2-Infektion, weisen Infizierte eine identische Viruslast auf. Auch geimpfte Personen sollten in Innenräumen und bei Menschenansammlungen weiterhin eine Maske tragen.

Forschende der Universität Wisconsin, USA, analysierten die Atemwegsproben von 719 Personen, die zwischen dem 29. Juni 2021 und dem 31. Juli 2021 genommen wurden. Die Delta-Variante und seine Unterlinien machten anfangs 69 Prozent aller sequenzierten Proben aus. Dieser Wert erhöhte sich zum Ende des Entnahmezeitraums auf 95 Prozent.

Ergebnis: Von den 311 geimpften Personen, die in dieser Gruppe positiv auf SAR-CoV-2 getestet wurden, hatten die meisten Ct-Werte von weniger als 25, ein Niveau, bei dem Forscher von einer hohen Infektiosität ausgehen. Um dies zu bestätigen, kultivierte das Team 55 Proben mit Ct-Werten von weniger als 25 von geimpften und ungeimpften Personen und entdeckte in fast jedem Fall - bei 95 Prozent der Geimpften und 88 Prozent der Ungeimpften - infektiöse Viren.

Jeder zweite asymptomatisch Infizierte Geimpfte ist ansteckend

Für jene 516 von 719 Fällen, in denen Daten zum Symptomstatus vorlagen, verglichen die Autoren außerdem die Ct-Werte in testpositiven Proben nach Impf- und Symptomstatus. Ergebnis: Eine vollständige Impfung hatte keinen Einfluss auf die Ct-Werte. Diese waren auch unabhängig davon, ob zum Zeitpunkt des Tests Symptome vorlagen oder nicht. In der Teilgruppe dieser 516 Fälle berichteten 91 Prozent (252 von 276) Ungeimpfte zum Zeitpunkt des Tests von Symptomen, bei den vollständig Geimpften waren es 95 Prozent (228 von 240 Personen).

Bei den zum Testzeitpunkt asymptomatischen Ungeimpften wurden in 29 Prozent der Fälle (7 von 24) Ct-Werte unter 25 festgestellt - bei den asymptomatischen Geimpften war dies in 66 Prozent der Fälle (8 von 12) der Fall.

Fazit der Autoren: Die Daten untermauern die These, dass geimpfte, mit SARS-CoV-2 infizierte Personen infektiös sein können. Ihre Empfehlung lautet daher, auch geimpfte Personen sollten in Innenräumen und bei Menschenansammlungen weiterhin Masken tragen und auf SARS-CoV-2 getestet werden, wenn sie in Kontakt mit Infizierten waren oder COVID-ähnliche Symptome aufweisen.

Kasen K. Riemersma et al. "Shedding of Infectious SARS-CoV-2 Despite Vaccination when the Delta Variant is Prevalent - Wisconsin, July 2021", medRxiv 2021.07.31.21261387; doi: https://doi.org/10.1101/2021.07.31.21261387

11. August

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SARS-CoV-2: Schwachstelle Spike-Protein

Österreichische Forschende haben möglicherweise eine Schwachstelle des SARS-CoV-2-Virus gefunden: Zwei kohlenhydratbindende Proteine könnten das Eindringen des Virus in die Wirtszelle verhindern.

Bei der Bekämpfung der Pandemie wird intensiv nach Möglichkeiten zur Eindämmung von SARS-CoV-2 geforscht. In diesem Zusammenhang ist das Spike-Protein von besonderem Interesse, da es der Haupteintrittsmechanismus des Virus in die Wirtszellen darstellt. So bestimmt die Interaktion des SARS-CoV-2-Spike-Proteins mit dem Angiotensin Converting Enzyme 2 (ACE2) der Wirtszellen die Infektiosität des Virus.

Österreichische Wissenschaftler identifizierten zwei Säugetier-Lektine, die in Versuchen an das Spike-Protein von SARS-CoV-2 binden und so deren Funktionsfähigkeit einschränken konnten. Die Studienergebnisse wurden kürzlich im EMBO Journal veröffentlicht.

Über das Spike-Protein tarnt sich das Virus

Um zu überleben und sich ausbreiten zu können braucht das Virus einen Tarnmechanismus, um es vor der Immunantwort des Wirts zu verbergen. Dabei nutzt das Virus einen sogenannten Glykosylierungsmechanismus an bestimmten Stellen des Spike-Proteins, um eine Zuckerhülle zu bilden, die das antigene Protein vor der Immunreaktion des Wirts verbirgt. Die Glykosylierungsstellen des SARS-CoV-2-Spike-Proteins sind bei allen zirkulierenden Varianten hoch konserviert.

Das beobachteten die Forschenden im Video

Die Forschenden stießen auf ihrer Suche nach einem Interaktionspartner für diese Glykolisierungsstellen auf Lektine. Lektine sind kohlenhydratbindende Proteine, dessen Bindung an das Spike-Protein dazu führt, dass das Virus nicht mehr in die Wirtszelle eindringen kann.

Eine Stelle ist so esenziell für das Virus, dass alle Varianten sie aufweisen

Das Team testete mehr als 140 Säugetier-Lektine und identifizierte zwei, die stark an die N-Glykanstelle N343 des Spike-Proteins binden: Clec4g und CD209c. Diese spezifische Stelle ist so essenziell für das Spike-Protein, dass sie bei keiner infektiösen Variante verloren gehen kann. Tatsächlich macht eine Deletion dieser Glykosylierungsstelle das Spike-Protein instabil. Darüber hinaus haben andere Gruppen gezeigt, dass Viren mit mutiertem N343 nicht infektiös sind.

"Das bedeutet, dass unsere Lektine an eine Glykanstelle binden, die für die Funktion von Spike essenziell ist - es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass jemals eine Mutante entstehen könnte, der dieses Glykan fehlt", erklärt Co-Erstautor Stefan Mereiter.

Das österreichische Forschungsteam konnte zeigen, dass mithilfe der zwei identifizierten Lektine die SARS-CoV-2-Infektiosität von menschlichen Lungenzellen verringert werden konnte.

"Der Ansatz ist vergleichbar mit dem Mechanismus des Medikamentenkandidaten 'APN01' [Apeiron Biologics], der sich in fortgeschrittenen klinischen Studien befindet. Dabei handelt es sich um ein biotechnologisch hergestelltes menschliches ACE2, das ebenfalls an das Spike-Protein bindet. Wenn das Spike-Protein von dem Medikament besetzt ist, wird der Zugang zur Zelle blockiert. Jetzt haben wir natürlich vorkommende Lektine von Säugetieren identifiziert, die genau das tun können", sagt Prof. Josef Penninger, Gruppenleiter der Studie.

Aus Sicht des Forschungsteams sind diese Ergebnisse vielversprechend für variantenreiche therapeutische Interventionen gegen SARS-CoV-2. Mereiter: "Dieser Mechanismus könnte in der Tat die Achillesferse sein, auf die die Wissenschaft schon lange gewartet hat."

Hoffmann D, Mereiter S, Jin Oh Y, et al. "Identification of lectin receptors for conserved SARS-CoV-2 glycosylation sites". EMBO J. 2021 Aug 10:e108375. doi: 10.15252/embj.2021108375. Epub ahead of print. PMID: 34375000.

6. August

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Infektion erhöht Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall immens

Eine SARS-CoV-2-Infektion steigert das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko temporär auf das mehr als Sechsfache, zeigt eine schwedische Studie. In Einzelfällen ist es sogar zwölffach erhöht.

Die Studie analysierte Daten von 86.742 schwedischen COVID-Patienten zwischen Februar und September 2020 und verglich diese mit Daten von 348.481 Kontrollpersonen. Die Forschenden untersuchten, welche Personen aufgrund von Herzinfarkten oder Schlaganfällen im Krankenhaus behandelt wurden. Andere Studien kamen bereits zu dem Ergebnis, dass COVID-19 wahrscheinlich ein Risikofaktor für akute kardiovaskuläre Komplikationen darstellt.

Ergebnis: Ohne Tag 0 betrug das Odds Ratio (OR) für einen akuten Myokardinfarkt 3,41 (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 1,58 bis 7,36) und für einen Schlaganfall 3,63 (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 1,69 bis 7,80) in den ersten zwei Wochen der Infektion. Als Tag 0 in die Auswertung eingeschlossen wurde, betrug das OR für akuten Myokardinfarkt 6,61 (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 3,56 bis 12,20) und für ischämischen Schlaganfall 6,74 (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 3,71 bis 12,20) in den ersten zwei Wochen der Infektion.

Die Ergebnisse deuten nach Ansicht der Autoren darauf hin, dass akuter Myokardinfarkt und ischämischer Schlaganfall einen Teil des klinischen Bildes von COVID-19 darstellen, und unterstreicht die Notwendigkeit einer Impfung gegen COVID-19.

Katsoularis, I. et al. "Risk of acute myocardial infarction and ischaemic stroke following COVID-19 in Sweden: a self-controlled case series and matched cohort study" published in The Lancet on July 29, 2021. DOI:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)00896-5

2. August

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Mundspülung reduziert Krankenhausaufenthalt

Antivirale Mundspülungen können auch als Therapeutikum verwendet werden. Eine Preprint-Studie zeigt, dass so die Schwere der COVID-Symptome und die Hospitalisierungsdauer gesenkt werden können.

Die bisher nur als Preprint erschienene Dreifachblind-Studie wurde vom 10. August bis 4. November 2020 in einer brasilianischen Klinik nahe Sao Paolo durchgeführt. Nachdem ein anionisches Phthalocyanin-Derivat (APD) in-vitro vielversprechende Wirkung zeigte, ließen die Forschenden 41 hospitalisierte, nicht intensivpflichtige COVID-Patienten zwischen 27 und 78 Jahre fünfmal am Tag (nach dem Aufwachen, Frühstück, Mittag- und Abendessen sowie vor dem Zubettgehen) für eine Minute mit 5 Millilitern APD-haltiger Mundspülung oder einem Placebo spülen und gurgeln.

Nach dem Zufallsprinzip waren dabei 20 Personen ausgewählt worden, die die eine Spülung mit Wirkstoff (active mouthwash, kurz "AM") und 21, die eine ansonsten identische, aber wirkstofffreie Spülung (nonactive mouthwash, kurz "NAM") erhielten.

Der Krankenhausaufenthalt sank auf fünf Tage

Ergebnis: Während die Dauer des Krankenhausaufenthalts für die NAM-Gruppe im Median 7 Tage betrug, lag der Vergleichswert der AM-Gruppe bei 4 Tagen. Die Autoren weisen zudem darauf hin, dass 75 Prozent der NAM-Patienten 12 Tagen im Krankenhaus verbleiben mussten, während der Wert in der AM-Gruppe bei 5 Tagen lag.

Weitere Ergebnisse: Sechs Probanden (26,8 Prozent) der NAM-Gruppe waren im weiteren Krankheitsverkauf auf Beatmung angewiesen und drei (14,3 Prozent) verstarben, in der AM-Gruppe gab es hingegen keine besonders schweren Verläufe.

Paulo Sérgio da Silva Santos et al. "Benefical effects of a mouthwash containing an antiviral phthalocyanine derivative on the length of hospital stay for COVID-19", researchsquare.com, DOI: https://doi.org/10.21203/rs.3.rs-330173/v1

27. JULI

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Wie geht es schwer Erkrankten nach einem Jahr?

Wie geht es schwer an COVID-19 erkrankten Patienten nach einem Jahr? Chinesische Wissenschaftler untersuchten Lunge, Herz und Antikörper-Konzentration der mittlerweile Genesenen.

Von 56 zuvor schwer erkrankten COVID-Patienten zeigte ein Großteil auch ein Jahr nach der Infektion signifikante Einschränkungen beim Lungenfunktionstest. Geprüft wurden am Hospital of Chongqing Medical University unter anderem das Ausatemvolumen pro Sekunde sowie die Vitalkapazität, also die maximale Luftmenge, die nach tiefstmöglichem Einatmen ausgeatmet wird. Die CT-Aufnahmen des Brustkorbs zeigten, dass die Lungentrübung 3 und 10 Monate nach der Entlassung um 91,9 beziehungsweise 95,5 Prozent zurückgegangen war. Doch obwohl das Lungengewebe auf den CT-Bildern wieder merklich klarer erschien, war die Belastbarkeit des Organs weiterhin eingeschränkt.

Die durch die Infektion verursachten Lungenschäden hatten die meisten Patienten ohne Folgeschäden überstanden. Knapp 19 Prozent der Patienten hatte sich jedoch eine Lungenfibrose entwickelt, mehrheitlich bei den schwer erkrankten. Jeder fünfte hatte noch ein halbes Jahr nach Ende der Behandlung im Krankenhaus mit einer kardiopulmonaren Dysfunktion zu kämpfen, also mit Funktionsstörungen von Herz und Lunge. Etwa ein Fünftel der Patienten hatte 6 Monate nach der Entlassung eine kardiopulmonale Dysfunktion.

Die getesteten IgG-Antikörper waren bei allen Genesenen auch nach einem Jahr noch vorhanden. Zwar nahm die Konzentration im ersten halben Jahr um fast 69 Prozent ab, blieb aber die nächsten sechs Monate auf einem stabilen Niveau. Schwer Erkrankte hatten einen leicht höheren Antikörper-Titer als leichter Erkrankte. Bei zehn Patienten wurden nach zwölf Monaten keine Antikörper mehr festgestellt.

Xiao, K. et al: "Antibodies Can Last for More Than 1 Year After SARS-CoV-2 Infection: A Follow-Up Study From Survivors of COVID-19" published in Front. Med. on July 16, 2021 DOI: https://doi.org/10.3389/fmed.2021.684864

22. JULI

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Delta-Variante erzeugt 1.260-mal höhere Viruslast

Eine Preprint-Studie liefert Hinweise, warum sich die Delta-Variante von SARS-CoV-2 so schnell verbreitet. Die Inkubationszeit ist 50 Prozent kürzer und die Viruslast Infizierter 1.260-mal höher.

Um herauszufinden, warum sich die Delta-Variante etwa doppelt so schnell überträgt wie der ursprüngliche Stamm von SARS-CoV-2, untersuchten chinesische Forschende 62 Probanden, die zu den ersten mit der Variante Infizierten auf dem chinesischen Festland gehörten. Sie wurden nach Kontakt mit dem Indexpatienten unter Quarantäne gestellt und anschließend kontinuierlich überwacht.

Das Team testete die Viruslast der Studienteilnehmer jeden Tag während des Infektionsverlaufs, um zu sehen, wie sie sich im Laufe der Zeit verändert. Die Forscher verglichen dann die Infektionsmuster mit denen von 63 Probanden, die sich 2020 mit dem ursprünglichen SARS-CoV-2-Stamm infiziert hatten.

Ergebnisse: Die durchschnittliche Inkubationszeit betrug bei der Deltavariante 4 Tage und war damit 50 Prozent kürzer als bei der Probandenstichprobe aus 2020 (6 Tage). Die Viruslast der Probanden war am ersten Tag mit einem positiven Testergebnis 1.260-mal höher.

Die Autoren schließen daraus, dass die Deltavariante des Virus im Wirt deutlich schneller repliziert als das Wildvirus. Die Annahme, dass die Variante damit auch in der präsymptomatischen Phase deutlich ansteckender sein könnte, unterstreicht nach Ansicht der Forschenden die Notwendigkeit einer rechtzeitigen Quarantäne für verdächtige Infektionsfälle oder enge Kontakte eines Infizierten - vor dem klinischen Beginn oder einem PCR-Screening.

Baisheng Li et al. "Viral infection and transmission in a large well-traced outbreak caused by the Delta SARS-CoV-2 variant", medRxiv 2021.07.07.21260122; doi: https://doi.org/10.1101/2021.07.07.21260122

Vakzin von Johnson & Johnson zeigt geringere Wirkung gegen Delta

An der Grossman School of Medicine in New York haben Forschende in Laborexperimenten analysiert, inwieweit die Seren von geimpften beziehungsweise rekonvaleszenten Personen fähig sind, der Bindung an SARS-CoV-2 zu widerstehen. Die Laborviren wiesen bei den Versuchen die Spike-Proteine verschiedener Virusvarianten auf - neben dem Wildtyp auch die Delta-Variante.

Dabei fiel auf, dass die mRNA-basierten Impfstoffe höhere Antikörper-Titer erzeugten als das Vakzin des US-Herstellers Johnson&Johnson. Das erzeugte im Laborversuch mit 220 eine ähnliche Titer-Höhe gegen den Wildtyp wie eigene Studiendaten bereits belegt hatten. Bei der Delta-Variante fiel der Titer bei geimpften Testpersonen jedoch signifikant ab und betrug nur 30. Zum Vergleich: Bei einer doppelten Impfung mit den mRNA-Vakzinen wurde ein Antikörper-Titer von rund 200 bei Delta festgestellt.

Sollten sich Durchbruchsinfektionen häufen, könnten die mit Johnson&Johnson geimpften Personen mit einem anderen Vakzin ein weiteres Mal geimpft werden.

Impfungen mit J&J in Deutschland

Bis zum 18. Juli 2021 wurden 3.957.030 Dosen des Impfstoffs von Johnson&Johnson nach Deutschland geliefert. Das entspricht 3,8 Prozent der mehr als 102 Millionen gelieferten COVID-Impfdosen. Zum Vergleich: Der Anteil des Herstellers BioNTech/Pfizer beträgt 68,6 Prozent, der von Moderna 9,6 Prozent und der von AstraZeneca 17,9 Prozent.

Landau, N. R. et al: "Comparison of Neutralizing Antibody Titers Elicited by mRNA and Adenoviral Vector Vaccine against SARS-CoV-2 Variants" published in bioRXiv on July 19, 2021. doi: https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2021.07.19.452771v1

 20. JULI

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Orale Ulzeration kann Frühwarnmarker für COVID 19 sein

In vielen Fallberichten werden orale Manifestationen von COVID-19 beschrieben. Ulzerationen gehören zu den häufigsten Befunden - sie könnten laut einer Meta-Analyse ein möglicher Frühwarnmarker bei asymptomatischen Patienten sein.

Forschende aus Taiwan sichteten für ihre Untersuchung die Fallberichte von 51 COVID 19-Patienten mit oralen ulzerierenden Läsionen. Das Alter der Patienten (28 Frauen, 23 Männer) reichte von 16 bis 83 Jahren, das Durchschnittsalter betrug 41,4 Jahre.

Ergebnis: Es gab 43 Fälle mit einer einzigen beteiligten Läsion und sechs Fälle mit mehr als einer Läsion in der Mundhöhle des Patienten (in zwei Fällen wurde die Anzahl der Läsionen nicht gemeldet). Die Läsionen zeigten sich am häufigsten an der Lippen- und Labialschleimhaut (28,6 Prozent), Zunge (25 Prozent), Gaumen- oder Wangenschleimhaut (jeweils 16,4 Prozent), Gingiva (8,9) oder den Mandeln (3,6 Prozent). Die Läsionsgrößen maßen zwischen 1 und 17 Millimetern, wobei der Großteil (88,9 Prozent) unter 10 Millimetern lag. Schmerzen beschrieben 40 Patienten.

Die Läsionen reichten von aphthösen Stomatitis-ähnlichen Läsionen bis hin zu weit verbreiteten Ulzerationen mit Nekrose oder Krusten. Wie bei der aphthösen Stomatitis zeigten die meisten Läsionen dabei solitäre oder mehrfach ausgestanzte Ulzerationen, die von einer gelblichen Membran bedeckt und von einem erythematösen Halo umgeben waren.

Andere der Läsionen zeigten ein herpetiformes Muster ähnlich einer Herpesinfektion, lieferten jedoch ein negatives Ergebnis für den Test auf Herpes-simplex-Virus. Manche ähnelten wiederkehrenden Herpesinfektionen, ohne dass die Patienten eine entsprechende Vorgeschichte hatten. Läsionen wie aphthöse Ulzerationen traten ebenfalls auf, ohne dass die Patienten eine Vorgeschichte wiederkehrender aphthösen Stomatitis (RAS), oral entzündlicher Erkrankungen oder Allergien hatten.

Die Schlussfolgerung der Autoren: Da die Latenz vom Beginn erster systemischer Infektionssymptome bis hin zu oralen Läsionen im Mittel 3,2 Tage betrug und damit deutlich unter der Inkubationszeit von COVID-19 liegt, könnte ihr  Vorhandensein für eine frühzeitige Diagnose der zugrundeliegenden COVID 19-Infektion vor allem bei asymptomatischen Patienten hilfreich sein.

Yu-Hsueh Wu et al., "Review of oral ulcerative lesions in COVID-19 patients: a comprehensive study of 51 cases", Journal of Dental Sciences, 2021, ISSN 1991-7902, https://doi.org/10.1016/j.jds.2021.07.001.

14. JULI

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Genschere stoppt Virus-Replikation

Australische Forscher haben herausgefunden, dass sich das Virus mittels Genschere Crispr in einer infizieren Zelle aufhalten lässt. 

Wissenschaftler des australischen Peter Doherty Institute for Infection and Immunity (Doherty Institute) und des Peter MacCallum Cancer Centre in Melbourne haben eine Möglichkeit gefunden, die Vermehrung des SARS-CoV-2-Virus in infizierten menschlichen Zellen zu stoppen. Die Entdeckung baut auf Forschungen aus dem Jahr 2019 auf: Damals konnten Forscher zeigen, dass man mithilfe eines CRISPR-Gen-Editing-Tools abnormale RNAs, welche Krebs bei Kindern verursachen, eliminieren kann.

Nun fanden sie heraus: Derselbe Ansatz funktioniert auch bei SARS-CoV-2 und vor allem bei den bersorgniserregenden Varianten, um die Replikation zu stoppen.

Dabei setzten sie das Enzym Crispr/Cas13b ein. Es bindet bestimmte RNA-Sequenzen des Virus und schaltet denjenigen Teil aus, den es braucht, um sich in der infizierten Zelle zu vermehren.

Eine Replikation konnte zu über 98 Prozent verhindert werden

"Sobald das Virus erkannt wird, wird das Crispr-Enzym aktiviert und zerschneidet das Virus", berichtete Prof. Sharon Lewin, Direktorin vom Doherty Institute. Eine Replikation von SARS-CoV-2 konnte demnach zu mehr als 98 Prozent verhindert werden. "Die Flexibilität von CRISPR-Cas13b - das nur die virale Sequenz benötigt - impliziert, dass wir schnell antivirale Mittel für COVID-19 und alle neu auftretenden Viren entwickeln können", sagte Lewin.

Die Methode erwies sich auch bei Virusvarianten wie Alpha als wirksam. Bislang wurde sie jedoch nur unter Laborbedingungen getestet. Das Forscherteam will sie nun auch an Tieren erproben. Erst danach wären klinische Studien möglich. Bis die Geneschere bei der Behandlung von Menschen zum Einsatz kommen könnte, wird es daher wohl noch einige Jahre dauern.

Fareh, M., Zhao, W., Hu, W. et al. Reprogrammed CRISPR-Cas13b suppresses SARS-CoV-2 replication and circumvents its mutational escape through mismatch tolerance. Published in Nature Communications on 13. Juli 2021. DOI: doi.org/10.1038/s41467-021-24577-9

9. JULI

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Long-COVID: 77 Prozent hatten nach einem Jahr noch Symptome

Wissenschaftler vom Universitätsklinikum Heidelberg haben 96 Long-COVID-Patienten für ein Jahr lang begleitet, nur 23 Prozent von ihnen waren am Ende symptomfrei.

Nur 23 Prozent der Long-COVID-Patienten hatten zwölf Monate nach ihrer Erkrankung keine Symptome mehr. Die häufigsten Symptome waren verminderte körperliche Leistungsfähigkeit (56,3 Prozent), Müdigkeit (53,1 Prozent), Dyspnoe (37,5 Prozent), Konzentrationsprobleme (39,6 Prozent), Wortfindungsprobleme (32,3 Prozent) und Schlafprobleme (26,0 Prozent). Frauen zeigten signifikant mehr neurokognitive Symptome als Männer.

Alle Probanden waren vor mindestens fünf Monaten an COVID-19 erkrankt. 32,3 Prozent der Teilnehmenden waren hospitalisiert und mehr als 55 Prozent Frauen. Die Forscher untersuchten die antinukleären Antikörper (ANA), den Sars-CoV-2-Antikörperspiegel und die allgemeine Lebensqualität der Patienten. Bei ANA handelt es ich um Autoantikörper, die das Immunsystem gegen Kernbestandteile der eigenen Körperzelle bildet.

Im Vergleich zu symtomfreien Patienten unterschieden sich Patienten mit mindestens einem Long-COVID-Symptom nach zwölf Monaten nicht signifikant in Bezug auf ihre SARS-CoV-2-Antikörperspiegel, hatten aber eine signifikant reduzierte physische und psychische Lebensqualität.

Daher schlussfolgert das Forscherteam, dass neurokognitive Long-COVID-Symptome mindestens ein Jahr nach Beginn der COVID-19-Symptome andauern können und die Lebensqualität signifikant reduzieren. Mehrere neurokognitive Symptome waren mit ANA-Titererhöhungen assoziiert. Dies könnte auf Autoimmunität als Kofaktor in der Ätiologie von Long-COVID hinweisen.
Seeßle, Jessica. et al: "Persistent symptoms in adult patients one year after COVID-19: a prospective cohorte Study" published in Oxford University Presse on Juli 2021: DOI: doi.org/10.1093/cid/ciab611

29. Juni 2021

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Ultraschall-Frequenz zerstört Coronaviren

Forschende aus den USA haben die mechanische Reaktion des Virus SARS-CoV-2 auf Ultraschall-Vibrationen geprüft und dabei die schädigende Wirkung auf dessen Hülle und Spike-Proteine entdeckt.
Eine Studie am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, USA, hat belegt, dass Ultraschallwellen das Coronavirus schädigen und zerstören können. Mithilfe von Computersimulationen haben die Forschenden die mechanische Reaktion des Virus auf Ultraschall-Vibrationen im Frequenzbereich medizinischer Bildgebung getestet. Innerhalb von Sekundenbruchteilen zerstörten die Vibrationen sowohl die Hülle als auch die charakteristischen Spike-Proteine des Coronavirus.
Das Team des MIT fand heraus, dass das Virus bei Vibrationen zwischen 25 und 100 Megahertz innerhalb eines Bruchteils einer Millisekunde kollabiert und sich brechen lässt. Der Effekt wurde in Simulationen des Virus in Luft und in Wasser beobachtet.

"Die Ergebnisse sind vorläufig und basieren auf begrenzten Daten bezüglich der physikalischen Eigenschaften des Virus", schreiben die Autoren in ihrer Stellungnahme zur Studie. Dennoch seien die Ergebnisse ein erster Hinweis auf eine mögliche ultraschallbasierte Behandlung von Coronaviren, einschließlich des neuen SARS-CoV-2-Virus und dessen Varianten. Sie beschreiben außerdem die Vision, dass Miniatur-Ultraschallwandler, die in Telefone und andere tragbare Geräte eingebaut werden, Menschen vor dem Virus schützen könnten.

Bislang wurde Ultraschall in der Diagnostik bei COVID-Patienten eingesetzt. Zum Beispiel, um die Schädigungen des Lungengewebes zu erkennen. Außerdem soll ein Ultraschallbad mit der richtigen Reinigungssubstanz gegen Coronaviren wirksam sein.

Wierzbicki, T. et al: "Effect of receptors on the resonant and transient harmonic vibrations of Coronavirus" published in Journal of the Mechanics and Physics of Solids on May 2021: DOI: doi.org/10.1016/j.jmps.2021.104369


23. Juni 2021

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Sommer senkt Ansteckungsrisiko um 40 Prozent

Im Sommer ist Sars-CoV-2 bis zu 40 Prozent weniger ansteckend als im Winter. Zu diesem Ergebnis kommt ein Team der University of Oxford.

Um den Einfluss der Jahreszeiten auf das Infektionsgeschehen zu bestimmen, werteten die Forscher der University of Oxford in dem Projekt "EpidemicForecasting.org" Daten aus 143 gemäßigten Regionen in Europa aus und ließen dabei Faktoren wie Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen außen vor.

Im Ergebnis liegt das Risiko einer Ansteckung im Winter um 40 Prozent höher als im Sommer. Das ist den Wissenschaftlern nach auch eine Erklärung für die heftige zweite Welle in Europa. Der saisonale Effekt ist demnach doppelt so stark zu bewerten, wie bislang angenommen; er ist vergleichbar mit den effektivsten Maßnahmen gegen die Virusausbreitung. Miteinander kombiniert haben die Maßnahmen allerdings einen größeren Effekt als die Jahreszeit.

Die Forscher weisen außerdem darauf hin, dass der Sommer allein nicht ausreiche, um die Pandemie in Schach zu halten. Vielmehr brauche es weiter die Kombination von Schutzmaßnahmen und Impfungen, um die Infektionszahlen einzudämmen. Andernfalls werde es auch weiter zu Ausbrüchen kommen, wie sie auch in wärmeren Region bis zu den Tropen stattfinden. Die Analyse umfasse jedoch ausschließlich europäische Daten und zeige nicht den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Virusverbreitung und dem Wetter.

Gavenčiak, T. et al: "Seasonal variation in SARS-CoV-2 transmission in temperate climates" as Preprint on MedRxiv on June 13, 2021. https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.06.10.21258647v1

22. Juni 2021

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Bandwurmmittel gegen SARS-CoV-2?

Die Berliner Charité untersucht die Wirksamkeit des Bandwurmmittels Niclosamid bei Menschen. Die Wissenschaftler hatten zuvor entdeckt, dass der Wirkstoff die Vermehrung des Virus in den Zellen hemmt.

Am Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) an der Universitätsmedizin Berlin und der Universität Bonn haben Forschende den Stoffwechsel von SARS-CoV-2 in infizierten Zellen und im Lungengewebe von COVID-19-Patienten analysiert. Hierbei stellten sie fest, wie das Virus die Zellen zu seinem Vorteil umprogrammiert und sich so einfach vermehren kann.

Das neue Coronavirus drosselt das zelleigene Recycling

Für ihre Vermehrung sind Viren von der Maschinerie der Wirtszelle abhängig und nutzen deren molekulare Bausteine. Gleichzeitig müssen sie es schaffen, den zellurären Überwachungssensoren des Immunsystems zu entgehen, um nicht aufzufallen und sich ungehindert vervielfältigen zu können. Dafür manipulieren die Viren die Wirtszellen. Das neue Coronavirus drosselt dabei den zelleigenen Recycling-Mechanismus - die sogenannte Autophagie. Dieser Prozess der "Selbstverdauung" dient dazu, molekulare Bausteine für neue Zellstrukturen zu produzieren, indem beschädigtes Zellmaterial und Abfallprodukte abgebaut werden.

Niclosamid zeigte den größten antiviralen Effekt

Im weiteren Schritt prüften die Forschenden daher, ob Substanzen, die das Zell-Recycling ankurbeln, die Vermehrung von SARS-CoV-2 in Wirtszellen bremsen können. Sie identifizierten vier Wirkstoffe: die körpereigenen Stoffe Spermin und Spermidin, das experimentelle Krebsmedikament MK-2206 und das Bandwurmmittel Niclosamid. Niclosamid zeigte den größten antiviralen Effekt und senkte die Produktion infektiöser Partikel um mehr als 99 Prozent. Das zugelassene Mittel gilt als gut verträglich.

Nun soll in der Phase II-Studie geprüft werden, ob das Präparat auch bei Menschen gegen das Virus wirkt. "Wir konnten in unserer Studie zeigen, dass SARS-CoV-2 zwar die Bausteine der Zellen für seine eigenen Zwecke nutzt, ihnen gleichzeitig aber auch Nahrungsreichtum vortäuscht und damit das zelluläre Recycling bremst", berichtet der Erstautor der Studie Dr. Nils Gassen.

Gassen NC et al. "SARS-CoV-2-mediated dysregulation of metabolism and autophagy uncovers host-targeting antivirals" published in Nature Communications on June 21, 2021. doi: 10.1038/s41467-021-24007-w

16. Juni 2021

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SARS-CoV-2 schädigt körpereigene Bakterien in Darm und Lunge

Eine schwere COVID-Erkrankung kann zu einer Veränderung des Mikrobioms führen und die Darmflora so aus dem Gleichgewicht bringen. Welche Faktoren das begünstigen und welche Auswirkungen das auf die Immunabwehr der Patienten hat, erklären Wissenschaftler in einem Review aus der Intensivmedizin.

Bei rund einem Drittel der an COVID-19 erkrankten Patienten ist eine intensivmedizinische Behandlung notwendig. Sie weisen häufig eine durch den hyperinflammatorischen Zustand gesteigerte Immunreaktion auf, welche im Zusammenhang mit dem stark veränderten Mikrobiom, der sogenannten Dysbiose, stehen kann. Da der Darm mit der Lunge in einer bidirektionalen Verbindung steht, können sich die Stoffwechselprodukte hier gegenseitig beeinflussen. Die Bakterien im Darm regulieren dabei sowohl das hier ansässige Immunsystem als auch das im Lungengewebe. Intakt fungiert das Mikrobiom somit als direkte Abwehr von SARS-CoV-2.

Bei einer schweren COVID-Erkrankung kann die Darmflora jedoch empfindlich aus dem Gleichgewicht geraten und das bereits nach wenigen Tagen der Infektion, stellten Studien zuvor fest. Kommen Medikamente wie Antibiotika oder Sedativa hinzu, kann dies noch verstärkt werden. Nun veröffentlichten Forschende aus Brasilien ihre Erkenntnisse zur Schädigung der körpereigenen Bakterien durch das Virus aus einer Literaturstudie. Als Intensiv- und Ernährungsmediziner empfehlen sie im Anschluss an eine schwere Infektion eine Mikrobiom-fokussierte Ernährung sowie Prä- und Probiotika.

Die covid-19-impfung erhöht die sterblichkeit von ungeimpften kindern in europa

Eine vorwiegend pflanzenbasierte Ernährung kann vor einem schweren Verlauf einer COVID-19-Infektion schützen, fanden US-amerikanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus.

Weitere Aspekte, die zur Veränderung des Mikrobioms bei schweren COVID-Erkrankungen führen, sehen die Autoren in der Medikamenteneinnahme, der Körperposition während einer intensivmedizinischen Behandlung sowie der invasiven mechanischen Beatmung und der künstlichen Ernährung der Patienten im Krankenhaus. Hinzu kommen die häufig vorliegenden Vorerkrankungen wie Diabetes und starkes Übergewicht, die selbst bereits eine Veränderung des Mikrobioms mit sich bringen. Ist das Gleichgewicht gestört, ist auch die Immunabwehr beeinträchtig, warnen die Autoren.

Battaglini, D. et al.: "The Role of Dysbiosis in Critically Ill Patients With COVID-19 and Acute Respiratory Distress Syndrome" published in Front. Med. on June 4, 2021. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fmed.2021.671714/full

14. Juni 2021

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Profitieren Kinder von den Impfungen der Erwachsenen?

Aktuelle Daten aus mehreren Ländern zeigen, dass der Impfeffekt der Erwachsenen auch Kindern nutzen kann. Denn die Infektionen unter der jungen Bevölkerungsgruppe gehen ebenfalls signifikant zurück, auch wenn diese selbst noch nicht geimpft ist.
Da Kinder und Jugendliche bislang noch nicht Teil der weltweiten Impfkampagne sind, schauen Wissenschaftler gespannt auf das Ansteckungsgeschehen bei ihnen. Trifft sie nun häufiger eine Infektion, weil sie anders als viele Erwachsene noch nicht immunisiert sind? Oder haben auch sie einen Vorteil von der entstehenden Herdenimmunität? Erste Datenauswertungen dazu haben Epidemiologen im Fachmagazin Nature zusammengetragen. Doch die Schlussfolgerungen fallen unterschiedlich aus.
In der brasilianischen Kleinstadt Serrana im Bundesstaat São Paulo, in der 98 Prozent der Erwachsenen mit CoronaVac von Sinovac geimpft wurden, sahen die Forschenden auch bei ungeimpften Kindern einen auffälligen Rückgang der symptomatischen Infektionen. Ähnlich verhält sich das Infektionsgeschehen unter Kindern und Jugendlichen in Ländern wie Israel und den USA, wo die Impfquote unter den Erwachsenen hoch ist. In den USA ging die Infektionsquote bei unter 18-Jährigen zwischen den Monaten Januar und Mai 2021 um 84 Prozent zurück. Rund 50 Prozent der erwachsenen US-Amerikaner sind geimpft.

"Eine unserer Befürchtungen war, dass, wenn man alle anderen impft, sich die Krankheit wahrscheinlich auf die Kinder und Jugendlichen konzentrieren wird", erklärt der Epidemiologe Ricardo Palacios im Beitrag. Aber diese bestätigte sich bislang nicht. Der Effekt der Herdenimmunität könnte also auch für nicht geimpfte Kinder von Bedeutung sein - und könnte darauf hindeuten, dass Kinder meistens von Erwachsenen angesteckt werden, schreiben die Experten.

Anderes zeigen allerdings die Auswertungen von Daten aus Großbritannien. Dort liegt die Impfrate bei rund 60 Prozent unter den Erwachsenen. Kinder spielen hier als Verteiler des Virus jedoch weiterhin eine Rolle. So gab es im Mai 2021 erneut 100 Infektionsausbrüche in den 25.000 Grund- und Sekundarschulen in England, nachdem die Infektionen zuvor stark zurückgegangen waren. Allerdings sind auch die Daten nicht vollumfänglich repräsentativ und beleuchten nur einen Teil der Bevölkerungsgruppe. In jedem Fall spielen die Erkenntnisse eine Rolle bei der Entwicklung der Pandemie und der Entscheidung, ob Kinder auch zügig gegen COVID-19 geimpft werden sollten.

"Does vaccinating adults stop kids from spreading COVID too?" published in Nature on June 10, 2021. doi: https://doi.org/10.1038/d41586-021-01549-z

11. Juni 2021

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Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und COVID-19

Hat die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) Einfluss auf die Mortalität von COVID-Patienten und begünstigt das Homeoffice die Erkrankung? In zwei Studien wurde das untersucht.

Für eine retrospektive Vergleichsstudie analysierten Wissenschaftler aus der Türkei die Daten von rund 1.000 Patienten mit einer gesicherten SARS-CoV-2-Infektion und untersuchten, wie viele davon zusätzlich an der chronischen obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) litten. Die knapp fünf Prozent der COVID-19-Patienten, die auch eine COPD aufwiesen, zeigten einige prognostisch ungünstige Faktoren, jedoch war die Mortalität unter ihnen nicht signifikant erhöht. Weitere signifikante Vohersagefaktoren für die Mortalität von COVID-19-Patienten waren der Studie nach ein höheres Alter, Lymphopenie, Hypoxämie und Lungenentzündung.
Ob die Heimarbeit, die viele Arbeitnehmer während der Pandemie aufnahmen, einen Einfluss auf COPD hat, untersuchten Wissenschaftler anhand von Daten einer umfangreichen Querschnittsstudie aus der chinesischen Provinz Sichuan. Darin gaben die Teilnehmer Auskunft über ihr sitzendes Verhalten und ihre chronischen Erkrankungen. Die Forschenden interessierten sich für einen möglichen Zusammenhang zwischen der chronischen Erkrankung und dem zunehmenden Sitzen. Dabei fanden sie heraus, dass Personen, die länger als sieben Stunden am Tag saßen, ein etwa doppelt so hohes Risiko hatten, an COPD zu erkranken, als Personen, die weniger als drei Stunden am Tag im Sitzen verbrachten.

Turan, O. et al: "Clinical characteristics and outcomes of hospitalized COVID-19 patients with COPD". Expert Rev Respir Med. 2021 May 4. doi: 10.1080/17476348.2021.1923484

Lei Y, Z. et al.: "Sedentary behavior is associated with chronic obstructive pulmonary disease: A generalized propensity score-weighted analysis". Medicine (Baltimore). 2021 May 7. doi: 10.1097/MD.0000000000025336. PMID: 33950922.

8. Juni 2021

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Kinder und Jugendliche mit Grunderkrankungen neigen zu schwerem Verlauf

Eine aktuelle US-Studie zeigt, dass Kinder mit Typ-1-Diabetes, angeborenen Herz- und Kreislaufanomalien, Adipositas, Bluthochdruck, Epilepsie, neuropsychiatrischen Störungen und Asthma sowie chronischen Erkrankungen ein erhöhtes Risiko für eine Hospitalisierung oder einen schwere Verlauf bei COVID-19 haben.

Forschende des US-amerikanischen Centers for Disease Control (CDC) haben mittels einer Querschnittstudie die Daten von etwa 43.465 COVID-Patienten im Alter von 18 Jahren oder jünger analysiert, die während März 2020 und Januar 2021 in die Notaufnahme von US-Kliniken eingeliefert wurden. Die Daten stammen aus der Premier Healthcare-Datenbank (PHD) von mehr als 800 US-Krankenhäusern.
28,7 Prozent der Kinder und Jugendlichen wiesen eine Grunderkrankung auf. Zu den am häufigsten diagnostizierten Erkrankungen gehörte hierbei Asthma mit 10,2 Prozent gefolgt von neurologischen Entwicklungsstörungen bei 3,9 Prozent sowie Angststörungen bei 3,2 Prozent. Bei weiteren 2,8 Prozent lang eine diagnostizierte depressive Störungen vor, bei 2,5 Prozent Adipositas.
Die bedeutendsten Risikofaktoren für einen Krankenhausaufenthalt waren laut der Datenauswertung ein Diabetes Typ 1 (bereinigtes Risikoverhältnis [aRR]: 4,60) und Adipositas (aRR: 3,07). Weiter zählen zu den Risikofaktoren für eine schwere COVID-Erkrankung angeborene Herz- und Kreislaufanomalien (aRR: 1,72). Unter Kindern, die jünger als zwei Jahre waren, hatten Frühgeburten ein höheres Risiko für COVID-19 (aRR: 1,83).
Vor allem Kinder mit chronischen und komplexen chronischen Erkrankungen hatten ein 2,91- beziehungsweise 7,86-faches erhöhtes Risiko für einen Krankenhausaufenthalt. Bereits hospitalisierte Kinder mit chronischen Erkrankungen hatten eine bis zu 2,86-fache höhere Wahrscheinlichkeit für einen schweren COVID-19-Verlauf im Vergleich zu Kindern und Jugendlichen ohne Vorerkrankungen.
Die Studie fand im Ergebnis ein höheres Risiko für eine schwere COVID-Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen mit bestimmten Grunderkrankungen zu denen beispielsweise Diabetes Typ 1, angeborenen Herz- und Kreislaufanomalien und Adipositas zählen. Diese Erkenntnisse können Ärzte für das klinische Management von Kindern mit COVID-19 in Betracht ziehen.

Kompaniyets, L. et al. "Underlying Medical Conditions Associated With Severe CO-VID-19 Illness Among Children." published in Jama Network Open on June 7, 2021. doi:10.1001/jamanetworkopen.2021.11182

7. Juni 2021

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Antikörper-Nasenspray schützt im Mäuseversuch gegen COVID-19

US-Wissenschaftler entwickelten einen hybriden Antikörper, der per Nasenspray verabreicht in der Lunge von Mäusen wirksam SARS-CoV-2 bekämpfen kann.

Das Forscherteam kombinierte Fragmente von IgG- und IgM-Antikörpern, die als schnelle Ersthelfer für eine breite Palette von Infektionen fungieren. Die entwickelten IgMs hatten gegenüber mehr als 20 Varianten von SARS-CoV-2 eine viel stärkere "neutralisierende" Wirkung als die IgGs allein.

Das Nasenspray wurde den Mäusen sechs Stunden vor der Infektion in fünf unterschiedlichen Dosierungen (3,5; 1,2; 0,4; 0,13 und 0,044 mg/kg) oder sechs Stunden nach der Infektion in drei Dosierungen  (3,5; 1,2 und 0,4 mg/kg) verabreicht. Zwei Tage nach der Infektion wurde dann die Virusmenge in der Lunge der Nagetiere untersucht.
Ergebnis: Bei den Tests zur prophylaktischen Behandlung wurde die Viruslast in der Lunge in den Gruppen

  • 3,5mg/kg bei 90 Prozent der Mäuse auf ein nicht nachweisbares Maß reduziert.
  • 1,2 mg/kg bei 70 Prozent der Mäuse auf ein nicht nachweisbares Maß reduziert.
  • 0,4 mg/kg bei 90 Prozent der Mäuse auf ein nicht nachweisbares Maß reduziert.
  • 0,13 mg/kg bei 60 Prozent der Mäuse auf ein nicht nachweisbares Maß reduziert.

Bei der Dosis von 0,044 mg/kg war die mediane Viruslast noch signifikant (etwa fünffach) gegenüber der Vergleichsgruppe reduziert.
Bei den Tests der therapeutischen Leistungsfähigkeit des Sprays war die mediane Viruslast um das 13.6-fache (Dosen 3,5 mg/kg und 1,2 mg/kg) beziehungsweise um das 56-fache (0,4 mg/kg) gegenüber der Vergleichsgruppe reduziert.
Fazit der Autoren: Die Daten zeigen, dass das Nasenspray bereits bei Dosen von nur 0,044 mg/kg zur prophylaktischen und 0,4 mg/kg zur therapeutischen Behandlung von COVID-19 geeignet sei.
Ku, Z., Xie, X., Hinton, P.R. et al. "Nasal delivery of an IgM offers broad protection from SARS-CoV-2 variants." Nature (2021). https://doi.org/10.1038/s41586-021-03673-2

3. Juni 2021

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Vitamin C könnte bei COVID-Fatique helfen

Eine Studie zeigt, dass hochdosiertes Vitamin C bei Krebs-, Allergie- und OP-Patienten chronische Müdigkeit reduziert - und legt nahe, dass es auch bei Long COVID-Patienten hilft.

Mit einer systematischen Literaturrecherche untersuchten Forschende der Universität Rostock die Wirksamkeit von hochdosiertem Vitamin C bei postviraler Fatigue, insbesondere als Symptom von Long COVID. Ausgewertet wurden neun klinische Studien mit insgesamt 720 Teilnehmern.

In den meisten Studien wurde der Effekt von Vitamin C auf Fatigue bei Krebspatienten beobachtet. Eine Studie untersuchte den Effekt auf Fatigue nach einer Herpes zoster-Infektion, eine bei Allergie, eine nach Operationen und eine bei gesunden Angestellten. Dabei wurde Vitamin C jeweils intravenös in Dosierungen von 3,5 g bis zu mehr als 75 g pro Tag verabreicht.

Ergebnis: Drei der vier kontrollierten Studien beobachteten eine signifikante Abnahme der Ermüdungswerte in der Vitamin-C-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe. Vier der fünf Beobachtungs- oder Vorher-Nachher-Studien belegen eine signifikante Verringerung der Ermüdungserscheinungen. Auch Begleiterscheinungen der Müdigkeit wie Schlafstörungen, Konzentrationsmangel, Depressionen und Schmerzen wurden häufig gelindert.

Schlussfolgerung der Autoren: Da oxidativer Stress, Entzündungen und Durchblutungsstörungen - die wichtige Faktoren für Müdigkeit sind - ebenfalls mit Fatigue als Long COVID-Symptom in Verbindung gebracht werden, könnte eine hochdosierte Vitamin C-Gabe eine geeignete Behandlungsoption sein. Ihre Empfehlung: Klinischen Studien sollten die Auswirkungen von hochdosiertem IV-Vitamin C auf mit Long COVID assoziierte Müdigkeit untersuchen.

Vollbracht C, Kraft K. Feasibility of Vitamin C in the Treatment of Post Viral Fatigue with Focus on Long COVID, Based on a Systematic Review of IV Vitamin C on Fatigue. Nutrients. 2021;13(4):1154. Published 2021 Mar 31. doi:10.3390/nu13041154

2. Juni 2021

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Covid-19 kann Diabetes auslösen

Diabetes gilt als Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf. Dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 umgekehrt auch Diabetes auslösen kann, zeigt eine Studie der Stanford University School of Medicine.

Etwa 15 Prozent Covid-19-Patienten entwickeln im Zuge der Infektion einen Diabetes. Eine internationale Studie der Stanford University School of Medicine mit Beteiligung der Universität Basel hat entschlüsselt, wie das Coronavirus die insulinproduzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse befällt und zerstört. Beta-Zellen produzieren das Hormon Insulin, das Gewebezellen dazu anregt, Zucker aus dem Blut aufzunehmen - und dadurch den Blutzucker zu senken.

Das Virus wählt eine alternative Eintrittspforte

Im Lungengewebe nutzt Coronavirus vor allem das Protein ACE2 als Eintrittspforte in die Zellen. Da die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse aber nur geringe Mengen an ACE2 aufweisen, war bisher unklar, ob und wie das Virus in diese Zellen eindringt.

Die Forscher untersuchten deshalb Gewebeproben sieben verstorbener Covid-19-Patientinnen und -Patienten aus Basel - und konnten in den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse der Verstorbenen SARS-CoV-2 nachweisen. Sie entdeckten dabei, dass diese Zellen große Mengen eines Proteins enthielten, das das Virus alternativ zu ACE2 als Eintrittspforte nutzen kann: Neuropilin 1 (NRP1).

Wird das Protein blockiert, hat es das Virus schwerer

Laborversuche mit kultivierten Beta-Zellen zeigten zudem, dass infizierte Zellen weniger Insulin produzierten und Zeichen des Absterbens aufwiesen. Wurde Neuropilin 1 mit einem Hemmstoff blockiert, gelang es dem Virus viel schlechter, in die Zellen einzudringen.

Da sich die Infektion der Beta-Zellen zumindest im Laborversuch so reduzieren ließ, könnte man diese Zellen womöglich auch bei Patienten mit schwerem Covid-19-Verlauf schützen, folgern die Autoren.

Ob sich der Zuckerstoffwechsel wieder normalisiert, ist offen

"Ob sich der Zuckerstoffwechsel nach einer überstandenen Infektion bei allen Covid-19-Patientinnen und -Patienten wieder normalisiert und ob und wie häufig ein bleibender Diabetes entstehen kann, lässt sich nach derzeitiger Studienlage nicht mit Sicherheit sagen", erklärt Pathologe PD Dr. Matthias Matter von der Universität Basel und vom Universitätsspital Basel, Leiter der Anteile der Studie, die in Basel durchgeführt wurden.

Es gebe Hinweise, dass bei Betroffenen mit Long-Covid auch mehrere Wochen bis Monate danach noch ein Diabetes feststellbar sei. Eine Möglichkeit zu entwickeln, bleibende Schäden der Bauchspeicheldrüse zu verhindern, sei daher sinnvoll.

Chien Ting-Wu et al., SARS-CoV-2 infects human pancreatic β-cells and elicits β-cell impairment, Cell Metabolism (2021), doi: 10.1016/j.cmet.2021.05.013

1. Juni 2021

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Indische Umfrage mit 4.400 Zahnärzten zeigt: Die Impfung schützt

Einer Studie zufolge infizierten sich 9 Prozent aller geimpften indischen Zahnärzte in der zweiten Infektionswelle mit SARS-CoV-2. Der Schutz war unabhängig vom Vakzin und von der Anzahl der Impfdosen.

An der bisher nur als Preprint erschienenen Studie beteiligten sich vom 29. April bis 2. Mai 2021 insgesamt 4.493 indische Zahnärzte. 74,4 Prozent der Befragten waren unter 45 Jahre alt, 51,5 Prozent Frauen. Im Befragungsraum waren 88,1 Prozent der Probanden mindestens einmal mit "Covishield"(Vektorimpfstoff von AstraZeneca) oder "Covaxin" (Todimpfstoff von Bharat Biotech) geimpft. 92,4 Prozent hatten den Impfstoff von AstraZeneca erhalten, während 7,5 Prozent das Vakzin von Bharat Biotech verimpft bekamen.

Ergebnis: Von den Befragten hatten sich 9,1 Prozent (n=364) der Geimpften und 14,6 Prozent (n = 78) der Ungeimpften in der zweiten Infektionswelle in Indien mit SARS-CoV-2 angesteckt. Zum Umfragezeitpunkt hatten 60,2 Prozent der Befragten beide Impfstoffdosen erhalten. Von Ihnen infizierten sich 9,2 Prozent derjenigen, die Covishield und 8,3 Prozent, die Covaxin erhalten hatten. Der Unterschied zwischen der Schutzfähigkeit war statistisch nicht signifikant.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Impfungen in der zweiten indischen Infektionswelle über alle Altersgruppen hinweg eine entscheidende Rolle bei der Verringerung der Positivitätsrate in der Zahnärzteschaft spielten.

Sie schreiben: "Eine einzelne Impfdosis scheint hinsichtlich der Infektionvorbeugung mit SARS-CoV-2 genauso wirksam zu sein wie zwei Impfdosen." Weiteres Detail: Mit ihrer Impfquote von mehr als 88 Prozent (bei den über 45-Jährigen mehr als 95 Prozent) seien indische Zahnärzte außergewöhnlich starke Impfbefürworter. Bis zum 19. April 2021 waren dagegen weniger als 50 Prozent aller besonders exponierten Mitarbeiter des indischen Gesundheitswesens geimpft.

Sanjeev Kumar et al. "Effectiveness of the Covid-19 vaccine in preventing infection in dental practitioners - results of a cross-sectional 'questionnaire-based' survey" medRxiv 2021.05.28.21257967; doi: https://doi.org/10.1101/2021.05.28.21257967

26. Mai 2021

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Kinder weisen eine ähnlich hohe Viruslast im Rachen wie Erwachsene und sind somit genauso ansteckend. Die überarbeitete Studie von Prof. Christian Drosten bestätigt seine Ergebnisse von 2020 zur Infektiosität von Kindern.

Im vergangenen Frühjahr löste die Studie unter der Leitung von Drosten, Direktor des Instituts für Virologie der Charité, eine Kontroverse aus. Sie hatte offengelegt, dass Kinder ähnlich ansteckend sind wie Erwachsene und wurde als Entscheidungshilfe für die Schul- und Kitaschließungen verwendet. Kritisiert wurde damals, dass wegen einer zu groben statistischen Methodik die Studie nicht vollständig repräsentativ sei.

Die Jüngsten sind nicht so ansteckend

Nun erschien die Studie überarbeitet und deutlich umfangreicher im Fachmagazin Science. Drosten und sein Team bleiben darin bei ihren bisherigen Ergebnissen. Zur Infektiosität von Kindern heißt es: "Die am wenigsten infektiösen, jüngsten Kinder im Alter von 0 bis fünf Jahren haben 78 Prozent der Spitzenkulturwahrscheinlichkeit von Erwachsenen im Alter von 45 bis 55 Jahren. Die Jüngsten weisen im Durchschnitt mit 800.000 Erbgutkopien eine geringere Viruslast auf. Kinder im Schulalter und Jugendliche weisen Werte auf, die mit denen der Erwachsenen vergleichbar sind."

In den Altersgruppen zwischen 20 und 65 Jahren gibt es demnach keinen signifikanten Unterschied bei der festgestellten Viruslast. Den höchsten Wert  weisen im Durchschnitt Infizierte der Altersgruppe ab 65 Jahren auf. Die Viruslast liegt hier bei etwa 2,5 Millionen Kopien.

Alle Altersgruppen sind gleich infektiös

Um festzustellen, ob es einen Zusammenhang zwischen der Viruslast in Proben und damit eine mögliche Varianz in der Infektiosität gibt, werteten die Wissenschaftler am Virologischen Institut der Charité 25.000 positive PCR-Proben aus. Hierbei wurden die Erbgutkopien gezählt, die näherungsweise die Virusmenge im Rachen der Patienten repräsentieren und somit Voraussagen über deren potenzielle Infektiosität zulassen. "Mein anfänglicher Eindruck einer ungefähr gleich großen Infektiosität aller Altersgruppen hat sich bestätigt, nicht nur hier, sondern auch in anderen Studien", teilte Drosten mit.

Der Virologe weist aber auch drauf hin, dass die Proben von Kindern nicht vollständig mit denen von Erwachsenen vergleichbar sind. Die Stäbchen für die Abstriche sind oft kleiner und werden eher im Rachen denn über den unangenehmeren Weg durch die Nase eingeführt. Deshalb enthalten sie von vornherein weniger Probenmaterial und damit auch weniger Viruslast. Vergleiche zwischen den Viruslasten von Erwachsenen und Kindern und den relativen Infektionsrisiken, die sie darstellen, sind aufgrund nicht-viraler Faktoren schwierig, schreiben die Studienautoren.

Eine Minderheit verursacht größtenteils die Übertragungen

In rund 9 Prozent der untersuchten Proben fiel eine außergewöhnlich hohe Viruslast von einer Milliarde Erbgutkopien oder mehr auf. Dabei zeigten mehr als ein Drittel dieser potenziell hochinfektiösen Personen keine oder nur leichte Symptome. "Diese Daten liefern eine virologische Grundlage für die Beobachtung, dass nur eine Minderheit der Infizierten den größten Teil aller Übertragungen verursacht", erklärt Drosten.

Unter den Proben befanden sich auch 1.500 Fälle, die die neue Mutation B.1.1.7 aufwiesen. Diese hatten eine zehnfach höhere Viruslast und gelten daher als 2,6-Fach so ansteckend.

Jones, T. C. et al. "Estimating infectiousness throughout SARS-CoV-2 infection course." Published in Science on May 25, 2021. doi: 10.1126/science.abi5273

20. Mai 2021

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BioNTech: Längeres Impfintervall stärkt Antikörperreaktion

Hat die Streckung des Impfintervalls beim Impfstoff von BioNTech/Pfizer Einfluss auf die Qualität der Immunantwort? Eine britische Studie zeigt in ersten Ergebnissen: ja, und zwar einen positiven.

Weil der Impfstoff knapp ist, wurde hat man den Zeitraum zwischen der ersten und der zweiten Dosis des BioNTech/Pfizer-Impfstoffs gestreckt. Der Aufbau der Schutzwirkung wurde davon nicht weiter beeinträchtigt. Doch wie steht es um die Qualität der Immunantwort? Eine Kohorten-Studie aus Birmingham legt nun Ergebnisse vor. Sie zeigen, das längere Dosierungsintervall verstärkt die Antikörperreaktion auf den Impfstoff sogar.

Dafür verglichen die Wissenschaftler des "UK Coronavirus Immunology Consortium" an der Universität Birmingham die Immunantworten von 172 Probanden über 80 Jahren: Die eine Gruppe mit 99 Personen erhielt die zweite Impfdosis in einem Abstand von drei Wochen, die andere mit 73 Teilnehmer nach elf bis zwölf Wochen. Allen Testpersonen wurden zwei Blutproben jeweils nach fünf bis sechs Wochen und noch einmal nach 13 bis 14 Wochen genommen. DAnn lag der Zeitpunkt der zweiten Impfung entweder bereits zehn bis elf Wochen oder erst zwei Wochen zurück.

Kommt der Boost nach 13 Wochen, fällt er stärker aus

Überraschende Feststellung der Untersuchung: Der Antikörper-Titer der später geimpften Probanden stieg stärkeran (4.030 U/ml), als der der zügig Nachgeimpften (1.138 U/ml). Dieser stärkere Boost könnte die Schutzwirkung zusätzlich verlängern, so die Einschätzung der Wissenschaftler. Denn bei den früher Geimpften sank der Antikörper-Titer bereits wieder um den Faktor 2,6.

Nachteil eines gestreckten Impfintervalls ist allerdings, dass sich der vollständige Impfschutz erst später ausbildet. Die Antikörper-Titer war bei allen Senioren nach der ersten Impfung noch relativ niedrig, ebenso die T-Zellen-Antwort, die mit dem ELISpot-Assay gemessen wurde. Insgesamt war sie nicht deutlich ausgeprägter nach dem längeren Impfintervall.

Die Ergebnisse entkräften die Befürchtung, dass eine späte zweite Dosis den Anstieg der Antikörper-Titer verringern könnte und der gewünschte Boost ausbleibt. Sie stützen Erkenntnisse von Forschern der Universität Oxford einher, die auch einen stärkeren Anstieg der Antikörperreaktion beim Impfstoff von AstraZeneca festgestellt hatten.

Die Aussagekraft der Studie ist dahingehend eingeschränkt, dass bisher noch nicht klar ist, wie viele Antikörper ein Infizierter benö­tigt, um eine SARS-CoV-2-Infektion abzuwehren beziehungsweise nicht an COVID-19 zu erkranken.

Helen M Parry, H. M. et al: "Extended interval BNT162b2 vaccination enhances peak antibody generation in older people" published on medRxiv on May 71, 2021. DOI: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.05.15.21257017v1

19. Mai 2021

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Antivirale Nasentropfen können COVID-19-Schutz erhöhen

Interferon-Alpha-Nasentropfen können zusätzlich zu Schutzausrüstung und Hygienevorkehrungen effektiv den COVID-19-Schutz für medizinisches Personal erhöhen. Dazu genügen zwei bis drei Tropfen 4-mal täglich.

Die prospektive klinische Studie mit paralleler Interventionszuweisung wurde in einer frühen Phase der Pandemie (21. Januar 2020 bis 30. Juli 2020) mit Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegepersonal des Taihe Hospital, Provinz Hubei, China, durchgeführt. Die 2.944 Probanden wurden in zwei Gruppen mit geringem (n=2.415) und hohem Infektionsrisiko (n=529) entsprechend ihrem Grad der direkten Exposition gegenüber COVID-19-Patienten einteilt.

Die Personen der Niedrigrisiko-Gruppe erhielten 4-mal täglich Nasentropfen (zwei bis drei Tropfen pro Nasenloch) mit antiviral wirksamen, körpereigenen Interferon-Alpha (IFN-α) zusätzlich zu OP-Masken und Handhygiene. Die Hochrisiko-Gruppe erhielt eine Kombination von IFN-α-Nasentropfen mit wöchentlich einer subkutanen Injektion von Thymosin-α1 (1,6 mg) zusätzlich zu Schutzkleidung mit Sicherheitsbrille oder Gesichtsschild, Atemschutzmaske und Handschuhen.

Alle Teilnehmer wurden 30 Tage beobachtet und nach Abschluss der Testphase mittels Computertomografie (CT) auf Anzeichen einer COVID-19-Pneumonie untersucht. Außerdem dokumentierten die Forscher mögliche Nebenwirkungen.

Die covid-19-impfung erhöht die sterblichkeit von ungeimpften kindern in europa

Für ausgewählte Mundwasser ist erwiesen, dass sie temporär die Viruslast im Mund-Rachen-Raum wirksam reduzieren können. Nun rückt das Potenzial von Nasensprays verstärkt in den Fokus.

Ergebnis: Im Beobachtungszeitraum trat in keiner Gruppe eine COVID-19-Pneumonie auf, die Lungen-CT-Scans waren negativ. Sämtliche Probanden blieben ohne klinische Symptome. Es wurde kein schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis beobachtet.

Schlussfolgerung: Zusammen mit den Standard-Schutzmaßnahmen können rhIFN-α Nasentropfen auch stark exponiertes medizinische Personal effektiv vor COVID-19-Lungenentzündung schützen. Die Studie hatte keine Kontrollgruppe, konnte also keinen direkten Wirksamkeitsnachweis erbringen. Die Autoren verweisen jedoch darauf, dass im Beobachtungszeitraum in derselben Region insgesamt 2.035 medizinische Angestellte an COVID-19 erkrankten, die keine zusätzlichen Nasentropfen oder Nasentropfen plus Injektion erhielten.

Zhongji Meng et al. "The effect of recombinant human interferon alpha nasal drops to prevent COVID-19 pneumonia for medical staff in an epidemic area". Curr Top Med Chem. 2021 Apr 28. doi: 10.2174/1568026621666210429083050.

17. Mai 2021

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Kombination von zwei Impfstoffen erhöht Impfreaktionen

Fieber, Schüttelfrost, Müdigkeit - wer bei Erst- und Zweitimpfung verschiedene Vakzine bekommt, erleidet verstärkt Impfreaktionen. Das zeigt eine multizentrische Studie aus Großbritannien.

Die Prime-Boost COVID-19-Impfstudie vergleicht alle vier Impfstoff-Kombinationen von Vaxzevria (AstraZeneca) und Comirnaty (BioNTech/Pfizer) in Impfabständen von 28 und 84 Tagen. Die 830 Probanden waren 50 Jahre und älter ohne oder leicht bis mäßig, gut kontrollierte Komorbiditäten. Sie wurden von Mitte bis Ende Februar 2021 an acht Standorten in Großbritannien rekrutiert.

Kombination aus AstraZeneca und BioNTtech/Pfizer erzielt höhere Wirksamkeit

Erste Zwischenergebnisse einer klinischen Phase-II-Studie zu kombinierten Impfungen des spanischen Gesundheitsministeriums zufolge soll die Kombination aus Erstimpfung mit AstraZeneca und Zweitimpfung mit BioNTech/Pfizer eine höhere Wirksamkeit aufweisen. Bisher gibt es kaum ausreichend Daten zur Wirksamkeit dieser Kombination.

An dieser Studie haben 679 Freiwilligen im Alter von 18 bis 59 Jahren teilgenommen, die als Erstimpfung AstraZeneca erhielten. Etwa 450 Personen davon bekamen als zweite Dosis BioNTtech/Pfizer geimpft. Laut den Zwischenergebnissen, war das Antikörperniveau bei der zweiten Dosis mit dem Biontech-Impfstoff zwischen 30- und 40-mal höher war als bei einer Kontrollgruppe, der nur mit einer Dosis von AstraZeneca geimpft wurde. Infolge der Kombination der beiden Impfstoffe stiege laut dem spanischen Gesundheitsministerium nicht nur die Wirksamkeit, sondern auch das Niveau neutralisierender Antikörper.

Nach der zweiten Dosis mit dem BioNTech/Pfizer-Impfstoff war es um mehr als das Siebenfache angestiegen. Nach der zweiten Impfdosis mit AstraZeneca lag nur eine Verdoppelung vor. Nur 1,7 Prozent der Probanden berichteten von Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit den Impfungen auftraten. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen, Unwohlsein, Schüttelfrost, leichte Übelkeit und Fieber.

In die Zwischenaus­wertung flossen nur Daten nach 28-tägigem Impfintervall ein: In Gruppen mit homologen Impfplänen war die Reaktogenität in der AstraZeneca-Gruppe nach der ersten Dosis größer, in der BioNTech-Gruppe nach der Boost-Dosis. Beide heterologen Impfpläne induzierten eine größere Reaktogenität nach der Boost-Dosis als ihre homologen Pendants. So wurde etwa Fieber berichtet von:

  • 41 Prozent der BioNTech/AstraZeneca-Gruppe,
  • 21 Prozent der BioNTech/BioNTech-Gruppe,
  • 34 Prozent der AstraZeneca/BioNTech-Gruppe,
  • 10 Prozent der AstraZeneca/AstraZeneca-Gruppe.

Ähnliche Zunahmen wurden bei Schüttelfrost, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, Unwohlsein und Muskelschmerzen beobachtet, schreiben die Autoren. Der größte Teil der Impfreaktionen trat in den ersten 48 Stunden nach der Verabreichung der Vakzine auf.

Robert H Shaw et al., "Heterologous prime-boost COVID-19 vaccination: initial reactogenicity data", The Lancet, online first, May 12, 2021, DOI:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)01115-6 a

STIKO: Auffrischimpfung für COVID-19 spätestens 2022 notwendig

Der Ständigen Impfkommission (STIKO) zufolge müssen sich die Deutschen spätestens im nächsten Jahr erneut gegen COVID-19 impfen lassen. "Das Virus wird uns nicht wieder verlassen. Die aktuellen Corona-Impfungen werden deswegen nicht die letzten sein", prognostiziert Thomas Mertens, Vorsitzender der STIKO. "Grundsätzlich müssen wir uns darauf einstellen, dass möglicherweise im nächsten Jahr alle ihren Impfschutz auffrischen müssen."

Noch sei anhand der aktuellen Datenlage unklar, wann genau eine Auffrischung des Impfschutzes nötig sei. "Wir müssen sicherlich noch einige Monate warten, um zu sehen, ob möglicherweise bei einzelnen Gruppen der Impfschutz bereits wieder nachlässt oder generell zu schwach war", betont Mertens.

14. Mai 2021

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Warum bei Genesenen der Test weiterhin positiv ausfällt

Forschende vermuten, dass sich einzelne Virusgene in die menschliche DNA eingefügt haben können und es deshalb nach einer überstandenen Infektion weiter zu einem positiven Testergebnis kommt.

Es gibt Fälle von ehemals mit SARS-CoV-2 infizierten Personen, deren PCR-Tests lange nach der Genesung weiter positiv ausfallen. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Virusgene ins menschliche Erbgut übergehen, wodurch das Virus bei PCR-Tests nachweisbar bleibt. Diese Personen fallen damit durchs Raster: Sie sind weder akut infiziert oder erkrankt, noch können sie als Genesene sicher ein negatives Ergebnis vorweisen. Den Vorgang haben Wissenschaftler in den USA im Experiment bestätigt.

Konkret sind einige Viren fähig, nach der Infektion des Menschen in dessen DNA überzugehen. Im Laufe der Zeit können sich so Fremdkörper im menschlichen Genom ansammeln. Dazu gehören auch die sogenannten LINE-1-Elemente (Long Interspersed Nuclear Elements), die als Transposone ihre Position im Genom verändern können (daher werden sie auch springende Gene genannt). Die meisten davon sind stumm, andere können allerdings aktiviert werden.

Wird bei der Aktivierung auch das Gen für die reverse Transkriptase produziert, können RNA-Viren, die gerade zufällig die Zellen infiziert haben, ins menschliche Erbgut eingebaut werden. Passiert dieser Vorgang zufällig an der Stelle, die registriert wird, so können auch nach einer überstandenen Infektion einzelne Virusgene gebildet werden. Diese sind dann für das positive PCR-Testergebnis verantwortlich.

Das vermuten auch Molekularbiologen vom Whitehead Institute in Cambridge, Massa­chusetts, und greifen das seltene, aber mögliche Phänomen für SARS-CoV-2 auf. Sie konnten Spuren des Virusgens in der DNA nachweisen - und zwar laut Studienbericht mit drei verschiedenen Techniken der DNA-Sequenzierung.

Als die Ergebnisse der Studie im Dezember veröffentlich wurden, kritisierten einige Wissenschaftler diese besorgt. Sie fürchteten, die Annahme, dass RNA-basierte Impfstoffe das menschliche Erbgut verändern könnten, werde damit untermauert. Inzwischen ist diese Kritik aber mit einem weiteren Experiment entkräftet worden: Die Gene bauen sich nach dem Zufallsprinzip nur zu 50 Prozent in die richtige Richtung ablesbar ein.

Zhang, L. et al., "Reverse-transcribed SARS-CoV-2 RNA can integrate into the genome of cultured human cells and can be expressed in patient-derived tissues." on Proceedings of the National Academy of Sciences on May 2021. DOI: 10.1073/pnas.2105968118.

COVID-19-Patienten weisen auch nach acht Monaten noch Antikörper auf

Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle italienische Studie der Mailänder Forschungsklinik San Raffaele und des obersten italienischen Gesundheitsinstituts (ISS). Die Antikörper seien unabhängig von der Schwere der Erkrankung, vom Alter der Patienten oder von Vorerkrankungen im Blut nachweisbar.

Die Forscher untersuchten 162 Patienten mit symptomatischer SARS-CoV-2-Infektion, die während der ersten Infektionswelle in Italien im vergangenen Jahr in die Notaufnahme eingeliefert wurden. Denjenigen, die die Erkrankung überstanden haben, wurden im März und im April 2020 und erneut Ende November vergangenen Jahres Blutproben entnommen. Etwa 29 Patienten starben. Zwei Drittel der untersuchten Patienten waren Männer, das Durchschnittsalter lag bei 63 Jahren. Etwa 57 Prozent von ihnen hatten eine Vorerkrankung, Bluthochdruck und Diabetes waren am häufigsten vertreten.

"Das Vorhandensein von neutralisierenden Antikörpern nahm zwar im Laufe der Zeit ab, war aber sehr hartnäckig - acht Monate nach der Diagnose gab es nur drei Patienten, die nicht mehr positiv auf den Test reagierten", berichtet das ISS in einer gemeinsamen Erklärung mit der Mailänder Forschungsklinik. Diejenigen, die es nicht geschafft haben, Antikörper innerhalb der ersten 15 Tage nach der Infektion zu produzieren, haben ein größeres Risiko, schwere Formen von COVID-19 zu entwickeln und sollten frühzeitig identifiziert und behandelt werden, resümieren die Forscher.   

Stefania Dispinseri et. al. "Neutralizing antibody responses to SARS-CoV-2 in symptomatic COVID-19 is persistent and critical for survival" Nature Communications. Published on May, 11 2021. Doi: https://www.nature.com/articles/s41467-021-22958-8

12. Mai 2021

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Teilpopulation hat geringes Risiko für Herzschäden nach mildem COVID

Studien aus Großbritannien untersuchten, ob Mitarbeiter des Nationalen Gesundheitsdienstes 6 Monate nach milden COVID-Verläufen signifikante Unterschiede in der Herzstruktur zeigen. Mit überraschendem Ergebnis.

Seit Pandemiebeginn gibt es Hinweise auf eine Multiorganbeteiligung bei COVID. Zu den beobachteten Auswirkungen auf das Herz gehören akutes koronares Syndrom, Verschlimmerung bereits bestehender Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Arrhythmie, Myokarditis und mikroangiopathische Thrombose. Jüngste CMR-Studien haben sogar über Herzanomalien nach COVID-19 bei bis zu 78 Prozent der Patienten berichtet, mit Hinweisen auf eine anhaltende Myokardentzündung bei 60 Prozent auch nach einer leichten, nicht hospitalisierungspflichtigen Erkrankung.

Zwei britische Studien kommen zu anderen Ergebnisse. Aus 731 Mitarbeitern dreier Londoner Krankenhäuser, die 16 Wochen lang einer wöchentlichen Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und Serologietests unterzogen wurden, rekrutierten sie dazu 149 Probanden: 74 seropositive und 75 seronegative.

Die Stichprobe

Die Komorbiditäten der Stichprobe waren relativ gering (18 Prozent Raucher, 13 Prozent Body-Mass-Index >30 kg/m2, 11 Prozent Asthma, 7 Prozent Bluthochdruck, 2 Prozent Diabetes, 1 Prozent rheumatologische Erkrankung, 1 Prozent Krebs). Das Medianalter betrug 37 Jahre [Bereich 18 bis 63 Jahre], insgesamt waren 42 Prozent Männer, 38 Prozent nicht weiß, darunter 6 Prozent der schwarzen Ethnien. Die Krankheit war bei 99 Prozent mild, bei 25 Prozent mit asymptomatischen Verläufen, nur zwei Probanden mussten jeweils für zwei Tage im Krankenhaus behandelt werden. Alle Infektionen traten vor dem 1. Mai 2020 auf.

Ergebnis: Kardiovaskuläre Phänotypisierungen zeigten 6 Monate nach Infektionsbeginn zwar Anomalien, jedoch bei Seropositiven nicht häufiger als bei Seronegativen. Der milde COVID-19-Verlauf hatte also keine messbaren kardiovaskulären Auswirkungen auf Struktur, Funktion und Narbenbelastung des Herzens sowie Aortensteifigkeit oder Serum-Biomarker, führen die Autoren aus. Ein Screening bei asymptomatischen Patienten nach nicht hospitalisiertem COVID-19 - wie es zwischenzeitlich diskutiert wurden - halten sie deshalb für nicht indiziert.

Auch bei der kardiovaskulären Magnetresonanztomografie (CMR) der Probanden gab es keine klinisch bedeutsamen Unterschiede in den Befunden zwischen Seropositiven und Seronegativen. Insgesamt waren beobachtete Anomalien sehr selten und gleichmäßig in beiden Probandengruppen verteilt, schreiben die Autoren.

Auch wenn die Ergebnisse für Beschäftigte des Gesundheitswesens Entwarnung geben, weisen die Autoren darauf hin, dass die Studienpopulation nicht repräsentativ für die Allgemeinbevölkerung ist.

Berry C, Mangion K, Cardiovascular complications are very uncommon in healthcare workers with mild or asymptomatic COVID-19 infection, JACC: Cardiovascular Imaging (2021), doi: https://doi.org/10.1016/j.jcmg.2021.04.022.

George Joy et al. "Prospective Case-Control Study of Cardiovascular Abnormalities 6 Months Following Mild COVID-19 in Healthcare Workers, JACC: Cardiovascular Imaging", 2021, ISSN 1936-878X, https://doi.org/10.1016/j.jcmg.2021.04.011.

10. Mai 2021

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Warum schützt die Grippe-Impfung vor COVID?

Wer gegen Grippe geimpft ist, ist weniger anfällig für COVID und hat, wenn doch, einen viel milderen Verlauf. Das belegen Studien schon länger. Woran das liegt, ist aber nach wie vor nicht geklärt.

Kann eine Grippeschutzimpfung vor COVID-19 schützen? Eine Studie aus Michigan bündelt die Ergebnisse zweier Analysen: Die eine umfasst die Krankendaten von mehr als 92.000 Probanden aus Brasilien. Sie belegt: Bei Personen, die gegen das saisonale Influenza-Virus geimpft waren, sank das Risiko an COVID zu erkranken erheblich, die Todesrate fiel um 17 Prozent. Die Patienten benötigten in 8 Prozent der Fälle weniger Intensivpflege und in 18 Prozent weniger invasive Beatmung als nicht gegen Grippe geimpfte Patienten. Diese Ergebnisse stützen andere epidemiologische Studien.

Die zweite Analyse mit 27.000 Patienten brachte hervor, dass sich die Grippe-Geimpften knapp um 24 Prozent weniger häufig mit SARS-CoV-2 infizierten. Die positiv getesteten Geimpften wurden dabei seltener in die Klinik eingewiesen (32 zu 46 Prozent) und mussten nur halb so häufig beatmet werden (10 Prozent zu 20 Prozent). Ihr stationärer Aufenthalt war kürzer (12 zu 16 Tage) und sie mussten seltener intensiv gepflegt werden (19 zu 25 Prozent).

Kreuzreaktion oder Healthy User-Effekt?

Noch wird derzeit allerdings diskutiert, womit das reduzierte Risiko für einen schweren COVID-Verlauf durch eine Grippeschutzimpfung konkret zusammenhängt. Es gibt die Annahme, dass eine unspezifische Kreuzreaktion dafür verantwortlich sein kann. Danach würden bei der Impfung biologische Mechanismen angeregt, die nicht nur die eigentlichen Krankheitserreger bekämpfen, sondern auch andere.

"Der Schutzeffekt lässt sich durchaus mit Eigenschaften, Verhalten und Lebensumständen jener Menschen erklären, die sich um Prävention bemühen. Zum Beispiel wäre möglich, dass sie sozioökonomisch begünstigt sind", widerspricht Prof. Dr. Thomas Mertens, Vorsitzender der STIKO und Sprecher der Arbeitsgruppe Influenza am Robert Koch-Institut (RKI).

Diese Personengruppe habe besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung und lebe in großzügigeren Wohnungen, könne häufiger im Homeoffice arbeiten. Wer sich gegen die Grippe impfen lässt, achte also mehr auf seine Gesundheit und die Hygienevorschriften und in der Folge zeige sich die Gesundheit als widerstandsfähiger ("Healthy User-Effekt").

Die Daten der Analyse wurden retrospektiv ausgewertet. Somit ist nicht klar, ob die Gruppen der Geimpften und Nicht-Geimpften vergleichbar sind. Nichtsdestotrotz bietet die Studie nennenswerte Anhaltspunket, die für den positiven Effekt sprechen. Als Durchbruch wird sie von der STIKO jedoch nicht bewertet. Es sei nicht eindeutig klar, ob der Schutz auf die Grippeschutzimpfung selbst oder auf dden "Healthy User-Effekt" (siehe Kasten)  zurückzuführen sind. Weitere prospektive Studien müssten das untersuchen - dann könne auch die Empfehlung zur Grippeschutzimpfung, wie sie die STIKO ausspricht, auch weiter unterfüttert werden.

Conlon, A. et al.: "Impact of the influenza vaccine on COVID-19 infection rates and severity" published in American Journal of Infection Control on Feb, 21, 2021. DOI:https://doi.org/10.1016/j.ajic.2021.02.012

7. Mai 2021

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BioNTech-Impfstoff auch gegen Virusvariante B.1.351 wirksam

Forscher aus Katar liefern erste Beweise dafür, dass der Impfstoff von BioNTech/Pfizer auch vor Virusvarianten wie B.1.1.7 und B.1.351 schützt.

Am 21. Dezember 2020 startete Katar seine Impfkampagne mit dem Vakzin von BioNTech/Pfizer. Bis zum 31. März 2021 haben insgesamt 385.853 Personen mindestens eine Impfstoffdosis und 265.410 beide Dosen erhalten.

Ab Mitte Januar 2021 wurde die Verbreitung der Virus-Variante B.1.1.7 beobachtet, ab Mitte Februar 2021 die der Variante B.1.351. Eine vom 23. Februar bis zum 18. März durchgeführte Genomsequenzierung ergab, dass 50,0 Prozent der COVID-Fälle in Katar durch B.1.351 und 44,5 Prozent durch B.1.1.7 verursacht wurden. Fast alle Fälle, in denen das Virus nach dem 7. März sequenziert wurde, wurden entweder durch B.1.351 oder B.1.1.7 verursacht.

Für die Arbeit wurden Daten über Impfungen, Polymerase-Kettenreaktionstests und klinische Merkmale aus den nationalen COVID-Datenbanken ausgewertet, die alle SARS-CoV-2-bezogenen Daten seit Beginn der Epidemie erfassen. Die Wirksamkeit des Impfstoffs wurde anschließend mit einem testnegativen Fall-Kontroll-Studiendesign geschätzt, einem bevorzugten Entwurf zur Bewertung der Wirksamkeit von Impfstoffen gegen Influenza.

Die geschätzte Wirksamkeit des Impfstoffs (14 oder mehr Tage nach der zweiten Dosis) gegen jede dokumentierte Infektion betrug 

  • mit der Variante B.1.1.7 89,5 Prozent (95 Prozent Konfidenzintervall, Schwankungsbreite 85,9 bis 92,3 Prozent).
  • mit der Variante B.1.351 75,0 Prozent (95 Prozent Konfidenzintervall, Schwankungsbreite 70,5 bis 78,9 Prozent).

Die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen schwere, kritische oder tödliche Krankheitsverläufe aufgrund einer Infektion mit SARS-CoV-2 (wobei die Varianten B.1.1.7 und B.1.351 in Katar vorherrschen) betrug 97,4 Prozent (95 Prozent Konfidenzintervall, Schwankungsbreite 92,2 bis 99,5 Prozent).

Sensitivitätsanalysen bestätigten diese Ergebnisse. Die Wirksamkeit des Impfstoffs wurde auch mithilfe einer Kohortenstudie bewertet, indem die Inzidenz von Infektionen bei geimpften Personen mit der Inzidenz von Antikörper-negativen Personen in der nationalen Kohorte verglichen wurde. Die Wirksamkeit wurde auf 87,0 Prozent (95 Prozent Konfidenzintervall, Schwankungsbreite 81,8 bis 90,7 Prozent) gegenüber der Variante B.1.1.7 und auf 72,1% (95 Prozent Konfidenzintervall, Schwankungsbreite 66,4 bis 76,8 Prozent) gegenüber der Variante B.1.351 geschätzt - Ergebnisse, die die oben genannten Ergebnisse bestätigen, schreiben die Autoren.

Bis zum Ende des Beobachtungszeitraums wurden bei 6.689 Personen, die eine Dosis des Impfstoffs erhalten hatten, und bei 1.616 Personen, die zwei Dosen erhalten hatten, Infektionen festgestellt. Sieben COVID-bedingte Todesfälle wurden bei geimpften Personen registriert: fünf nach der ersten Dosis und zwei nach der zweiten Dosis.

Laith J Abu-Raddad et al. "Effectiveness of the BNT162b2 Covid-19 Vaccine against the B.1.1.7 and B.1.351 Variants.", N Engl J Med. 2021 May 5. doi: 10.1056/NEJMc2104974. Epub ahead of print. PMID: 33951357.

6. Mai 2021

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So gut schützt der BioNTech-Impfstoff

Eine Beobachtungsstudie aus Israel zeigt: Mit BNT162b2 vollständig Geimpfte sind zu mehr als 95 Prozent vor einer Infektion und einem schwerem Verlauf geschützt. Das gilt auch für die Virusvariante B.1.1.7.

Im Analysezeitraum vom 24. Januar bis 3. April 2021 gab es in Israel 232.268 SARS-CoV-2-Infektionen, 7.694 COVID-19-Krankenhausaufenthalte, 4.481 schwere oder kritische COVID-19-Krankenhausaufenthalte und 1.113 COVID-19-Todesfälle bei Menschen ab 16 Jahren. Bis zum 3. April  waren in Israel 4,7 Millionen (72,1 Prozent) der rund 6,5 Millionen Einwohner im Alter ab 16 Jahren mit zwei Dosen BNT162b2 vollständig geimpft.

Die in der Studie beobachtete Wirksamkeit des Impfstoffs 7 Tage oder länger nach der zweiten Dosis lag bei 95 Prozent. Die Inzidenzrate für Ungeimpfte lag bei 91,5 pro 100.000 Personentage verglichen mit 3,1 pro 100.000 Personentage bei vollständig geimpften Personen.

Laut Studie schützt die Impfung zu

  • 97 Prozent gegen symptomatische COVID-Verläufe,
  • 91,5 Prozent gegen asymptomatische Verläufe,
  • 97,2 Prozent gegen COVID-19-bezogene Krankenhausaufenthalte,
  • 97,5 Prozent gegen schwere oder kritische COVID-19-Verläufe und
  • 96,7 Prozent gegen den COVID-19-bedingten Tod.

Fazit der Autoren: Nach der Zweitimpfung ist der COVID-Impfstoff von BioNTech/Pfizer in allen Altersgruppen (≥16 Jahre bis ≥ 85 Jahre) hochwirksam bei der Prävention symptomatischer und asymptomatischer SARS-CoV-2-Infektionen und COVID-19-bedingter Krankenhausaufenthalte, schwerer Krankheitsverläufe und Todesfälle. Das gilt auch für die Virusvariante B.1.1.7.

Eric J. Haas et al. "Impact and effectiveness of mRNA BNT162b2 vaccine against SARS-CoV-2 infections and COVID-19 cases, hospitalisations, and deaths following a nationwide vaccination campaign in Israel: an observational study using national surveillance data", The Lancet, Published:May 05, 2021, DOI:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)00947-8

5. Mai 2021

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Schutzmaßnahmen in Pflegeheimen bleiben trotz Impfung zwingend

Eine Studie zeigt für einen COVID-19-Ausbruch in einem US-Pflegeheim, dass der mRNA-Impfstoff von BioNTech/Pfizer zu 87 Prozent vor symptomatischen Verläufen schützt. Insgesamt kam es zu vier Reinfektionen.

Bislang liegen nur begrenzte Daten zur Wirksamkeit der gängigen Impfstoffe in Pflegeeinrichtungen sowie gegenüber neuen Virusvarianten vor. Das Kentucky Department for Public Health (KDPH) und ein lokales Gesundheitsministerium untersuchten darum einen COVID-19-Ausbruch in einem US-Pflegeheim, der auftrat, nachdem allen Bewohnern und dem Gesundheitspersonal eine Impfung angeboten worden war.

Von den 83 Einwohnern erhielten bis zum Ausbruch 75 (90,4 Prozent), von 116 Mitarbeitern 61 (52,6 Prozent) zwei Dosen des mRNA-Impfstoffs von BioNTech/Pfizer. 26 Bewohner und 20 Mitarbeiter erhielten positive Testergebnisse für SARS-CoV-2, darunter auch 18 Bewohner und 4 Mitarbeiter, die ihre zweite Impfstoffdosis mehr als 14 Tage vor dem Ausbruch bekommen hatten.

Die Genomsequenzierung wies eine R.1-Virusvariante mit mehreren Mutationen des Spike-Proteins nach. Trotzdem war es für die geimpften Bewohner und Mitarbeiter 87 Prozent weniger wahrscheinlich als für Ungeimpfte, einen symptomatischen COVID-Verlauf zu erleiden. Während sich 75 Prozent der ungeimpften Bewohner infizierten, waren es bei den geimpften Bewohnern nur 25,4 Prozent - bei den Mitarbeitern infizierten sich 29,6 Prozent der ungeimpften und nur 7,1 Prozent der Geimpften.

Der geschätzte Schutz gegen eine SARS-CoV-2-Infektion betrug

  • unter den geimpften Bewohnern 66,2 Prozent (95 Prozent Konfidenzintervall, Spreizung 40,5 bis 80,8 Prozent)
  • und unter geimpften Mitarbeitern 75,9 Prozent (95 Prozent Konfidenzintervall, Spreizung 32,5 bis 91,4 Prozent).

Der geschätzte Schutz gegen einen symptomatischen COVID-Verlauf betrug

  • unter den geimpften Bewohnern 86,5 Prozent (95 Prozent Konfidenzintervall, Spreizung 65,6 bis 94,7 Prozent)
  • und unter geimpften Mitarbeitern 87,1 Prozent (95 Prozent Konfidenzintervall, Spreizung 46,4 bis 96,9 Prozent)

Es wurden vier Reinfektionen bei einem Bewohner und drei Mitarbeitern festgestellt, wobei einer der Mitarbeiter geimpft war. Alle vier Personen erlitten eine symptomatische Erkrankung. Ein Bewohner war 300 Tage zuvor infiziert gewesen, musste ins Krankenhaus eingeliefert werden und verstarb dort. 

Die Autoren betonen, dass die Impfung zwar mit einer verminderten Infektionswahrscheinlichkeit und einem geringeren Risiko für einen symptomatischen Verlauf verbunden war, es aber bei 25,4 Prozent der geimpften Bewohner und 7,1 Prozent der geimpften Mitarbeiter zu Infektionen kam. Deshalb müsste von einer verringerten Wirksamkeit gegenüber der der R1-Virusvariante ausgegangen werden. Auch schütze eine natürliche Immunität offensichtlich nicht vor einer Reinfektion.

Fazit der Autoren: Die Impfung von Pflegeheimbewohnern und -mitarbeitern ist entscheidend, um das Risiko für die Übertragung von SARS-CoV-2 und schwere COVID-Verläufe in Einrichtungen zu verringern. Trotz Impfung bleibt ein kontinuierlicher Fokus auf Infektionspräventions- und -kontrollpraktiken ebenfalls von wesentlicher Bedeutung.

Alyson M. Cavanaugh et al. "COVID-19 Outbreak Associated with a SARS-CoV-2 R.1 Lineage Variant in a Skilled Nursing Facility After Vaccination Program - Kentucky", March 2021. MMWR Morb Mortal Wkly Rep. 2021 Apr 30;70(17):639-643. doi: 10.15585/mmwr.mm7017e2

3. Mai 2021

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An Tag eins kommt die große Müdigkeit

Müdigkeit, Husten, Kopfschmerzen: Eine neue Studie hat die tägliche Prävalenz der Symptome von 313 ambulanten COVID-Patienten für die ersten 20 Krankheitstage retrospektiv bewertet - und gibt eine dringende Empfehlung.

Bereits im März 2020 startete das Universitätsklinikum Münster einen Aufruf, um Personen zu identifizieren, die sich von einer SARS-CoV-2-Infektion erholt und während der Erkrankung ein Symptomtagebuch geführt hatten. 736 Teilnehmende erhielten daraufhin einen detaillierten Online-Bogen, der die Prävalenz, Schwere, Dauer und den Zeitpunkt von COVID-19-Symptomen abfragte. 313 Teilnehmer füllten den Online-Fragebogen vollständig aus.

Ergebnisse der Statistischen Auswertung: Müdigkeit (91,1 Prozent), Husten (85,0 Prozent) und Kopfschmerzen (78,0 Prozent) waren die häufigsten Symptome und traten innerhalb eines Medians von einem Tag nach Symptombeginn auf. Weitere häufige allgemeine Symptome waren Myalgie (73,2 Prozent), Rhinitis (70,3 Prozent) und Halsschmerzen (65,2 Prozent), die innerhalb eines Medians von einem Tag auftraten. Fieber wurde von 61 Prozent der Studienteilnehmer innerhalb eines Medians von zwei Tagen nach Symptombeginn berichtet.

Neurologische Symptome stellen sich meist erst an Tag drei ein

Symptome der unteren Atemwege (Dyspnoe) wurden von 51,1 Prozent aller Teilnehmer berichtet und traten innerhalb eines Medians von drei Tagen nach Symptombeginn auf. Das erste Auftreten neurologischer Symptome wie Geschmacksverlust (66,5 Prozent), Dysgeusie (51,8 Prozent) und Geruchsverlust (62,3 Prozent) wurde innerhalb eines Medians von drei bis vier Tagen nach Symptombeginn berichtet, auch deutlich später als die meisten anderen Symptome. Magen-Darm-Symptome wie Übelkeit (31,9 Prozent), Erbrechen (3,2 Prozent) und Durchfall (32,6 Prozent) traten ebenfalls deutlich später auf, innerhalb eines Medians von drei bis fünf Tagen.

Außerdem wurde die Symptomintensität in Schweregraden 0 bis 4 abgefragt. Müdigkeit (57,2 Prozent), Kopfschmerzen (54,0 Prozent), Geschmacksverlust (45,3 Prozent), Geruchsverlust (41,9 Prozent) und Myalgie (41,9 Prozent) wurden am häufigsten mit den Schweregraden 3 und 4 gemeldet.

Fazit: Um Infizierte früh im Krankheitsverlauf zu identifizieren, ist genaue Kenntnis der Symptomprävalenz sehr wichtig, schreiben die Autoren und sehen in ihren Ergebnissen wichtige Hinweise, die die Frühdiagnose von COVID-19 wesentlich verbessern könnten.

Besonders in Zeiträumen saisonaler Erkältungskrankheiten sei bei der Früherkennung von Patienten, die mit SARS-CoV-2 infiziert sind, äußerste Vorsicht und damit auch verstärkte Testungen geboten, da die Symptome einer milden COVID-Erkrankung stark denen von gewöhnlichen Atemwegsinfekten ähneln. 

Patricia Nicole Wiegele et al., "Symptom Diary-Based Analysis of Disease Course among Patients with Mild Coronavirus Disease, Germany, 2020", Emerg Infect Dis. 2021;27(5):1353-1361. https://doi.org/10.3201/eid2705.204507

29. April 2021

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Schon eine Impfung kann das Risiko, Personen im eigenen Haushalt anzustecken, halbieren. Das geht aus einer umfangreichen Datenauswertung der Gesundheitsbehörde Public Health England hervor.
Eine Impfung gegen COVID-10 verhindert mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf. Noch immer ist aber nicht ganz klar, ob geimpfte Personen sich weiterhin mit dem Virus infizieren und so möglicherweise durch einen nur noch milden und asymptomatischen Verlauf die Infektion unbemerkt weitertragen können. Dabei ist diese Frage zentral für die weitere Pandemie-Entwicklung.

Britische Wissenschaftler analysierten nun Daten der Gesundheitsbehörde aus 365.447 Haushalten und stellten einen Vergleich auf: Wie häufig kam es zu gesicherten Infektionen in den Familien und Haushalten von nicht geimpften Personen in Relation zu denen, die in Haushalten von bereits einmal geimpften Personen stattfanden. Im Ergebnis zeigte sich, das bereits die erste Impfung das Risiko einer Ansteckung in den privaten Haushalten um bis zu 50 Prozent reduzierte.
Von 960.765 Haushaltsmitgliedern der nicht-geimpften Indexfälle erkrankten 10,1 Prozent, also 96.898 Personen an COVID-19. In Haushalten hingegen, in denen der Indexpatient bereits die erste Dosis des Impfstoffs Vaxzevria von AstraZeneca erhalten hatte, erkrankten mit 196 von 3.424 Mitbewohnern nur 5,72 Prozent. In den Haushalten mit einem Indexfall nach der ersten Dosis Tozinameran von BioNTech/Pfizer kam es unter 5.939 Mitgliedern zu 371 Erkrankungen und somit zu 6,25 Prozent der Ansteckungen.
Somit hat die erste Impfung das Übertragungsrisiko in den Haushalten um 38 bis 49 Prozent gesenkt und somit nahezu halbiert.
Harris, Ross J. et al: "Impact of vaccination on household transmission of SARS-COV-2 in England" published in khub.net on Arpil 28, 2021. Server-PDF.

28. April 2021

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Nasenspray mit Carragelose senkt Infektionsrisiko um 80 Prozent

Nasensprays mit dem Wirkstoff Carragelose aus der Rotalge weisen eine effektive Schutzwirkung gegen SARS-CoV-2 auf - sowohl bei in vitro-Tests als auch bei Probanden.

Der natürliche Wirkstoff Carragelose aus der Rotalgenträgt zur Bildung eines Schutzfilms als physikalische Barriere der Nasenschleimhaut bei und verhindert so, dass die Viren ihre Erbinformationen in die Zellen einschleusen und sich dort replizieren. Der Mechanismus war zuvor auch schon bei anderen Erkältungsviren erfolgreich.
 Untersuchungen an verschiedenen humanen Zellsystemen im Labor am Universitätsklinikum Erlangen belegen die antivirale Wirkung des Carragelose-Sprays. Klinische Studien bestätigten zuvor die gute Verträglichkeit hinsichtlich anderer Erkältungsviren. Ergänzt werden die Erkenntnisse nun durch Studiendaten aus Argentinien.
Dort wurden 400 Krankenhausmitarbeiter, die regelmäßigen direkten Kontakt zu infizierten Patienten hatten, in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe wurde um die Anwendung des Nasensprays 4-mal pro Tag gebeten, die andere erhielt ein Placebo. Der Test dauerte drei Wochen. Der Einsatz des Sprays erwies sich als effektiv und konnte das Infektionsrisiko bei der regelmäßigen Verwendung deutlich verringern.
"Ein Carragelose-haltiges Nasenspray bewirkt eine 80-prozentige relative Risikoreduktion für eine Infektion mit SARS CoV-2", ordnet Prof. Dr. Ulrich Schubert, Forscher am Virologischen Institut für Klinische und Molekulare Virologie des UK Erlangen die neuen Studienergebnisse ein. Das Spray könnte seiner Einschätzung nach als präventive Maßnahme eingesetzt werden.
Seit Dezember 2020 empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene bereits den Mitarbeitern auf COVID-Stationen die Anwendung von Carragelose-Nasensprays. "Aber auch die Allgemeinbevölkerung kann damit ihre persönlichen Schutzmaßnahmen zur Vorbeugung erweitern", betont Schubert.
Das gelte auch für Virusmutanten: "Carragelose ist ein Polymer, das das Virus durch eine elektrostatische Wechselwirkung umhüllt und es dabei neutralisiert. Deshalb sollte es für die Wirksamkeit auch keinen Unterschied machen, welche Virusvariante vorliegt", so der Virologe.
Wirksamkeit und Verträglichkeit von Carragelose-Nasenspray, -Inhalationslösung und -Lutschpastillen in Bezug auf die Vorbeugung und Therapie von SARS-CoV-2-Infektionen werden derzeit in drei weiteren klinischen Studien in Erlangen untersucht.
Figueroa, Juan M. et al: "Efficacy of a nasal spray containing Iota-Carrageenan in the prophylaxis of COVID-19 in hospital personnel dedicated to patients care with COVID-19 disease A pragmatic multicenter, randomized, double-blind, placebo-controlled trial (CARR-COV-02)" published in medRxiv on April 15, 2021. doi: https://doi.org/10.1101/2021.04.13.21255409

26. April 2021

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Bisher gab es noch wenige Erkenntnisse über die Folgen einer Infektion mit SARS-CoV-2 für schwangere Frauen und deren ungeborene Kinder. Eine internationale Studie legt nun Ergebnisse vor.

Die Vermutung, Schwangere würden vor einer Infektion eher verschont, weil sie zur jüngeren Bevölkerungsgruppe gehören, konnte bereits eine US-Studie aus dem vergangenen Jahr nicht bestätigen. Ähnlich wie bei der saisonalen Influenza, der Spanischen Grippe und der Schweinegrippe waren Morbidität und Mortalität bei Schwangeren erhöht.

Während der Coronavirus-Pandemie mussten diese Patientinnen drei Mal häufiger auf der Intensivstation behandelt und beatmet werden, teilten die US-Centers for Disease Control and Prevention (CDC) im vergangenen Jahr mit.

Nun legen Forscher der Universität Oxford Ergebnisse vor, die im Rahmen der INTERCOVID-Studie mit 43 teilnehmenden Gesundheitszentren aus 18 Ländern erlangt wurden. Die Studie untersucht die Entwicklung von Kindern während der Schwangerschaft und den ersten zwei Lebensjahren. Dabei wurden rund 700 an COVID-19 erkrankte schwangere Frauen zwei möglichst vergleichbaren Schwangeren gegenübergestellt, die nicht infiziert waren.

Dabei stellte sich heraus, dass 40 Prozent der erkrankten Schwangeren ohne Symptome dennoch eine erhöhte Morbidität und Mortalität aufwiesen. Sie erkrankten zu 76 Prozent häufiger an einer Präeklampsie oder Eklampsie - dem sogenannten Schwangerschaftskrampf (relatives Risiko hier: RR 1,76; 95-Konfidenzintervall 1,27 bis 2,43). Insgesamt kam es 3-mal häufiger zu einer schwe­ren Infektion (RR hier: 3,38; 1,63 bis 7,01). Zudem mussten die Patientinnen 5-mal häufiger auf Intensiv­station versorgt (RR hier: 5,04; 3,13 bis 8,10).

Elf Schwangere aus der Untersuchungsgruppe der Infizierten starben. Die relative Müttersterblichkeit von 1,6 war somit deutlich höher, trat jedoch zum Großteil in ärmeren Ländern auf, wo die Möglichkeiten einer intensivmedizinischen Behandlung schlechter waren.

Weiter zeigte die internationale Vergleichsstudie, dass die Infektion der Schwangeren auch Auswirkungen auf die Gesundheit des ungeborenen Kindes hatte. Die Quote der Frühgeburten (RR hier 1,59; 1,30 bis 1,94) und der künstlich eingeleiteten Frühgeburten (RR hier 1,97; 1,56 bis 2,51) war höher als bei den gesunden Müttern. Und auch der "severe neonatal morbidity index" (SNMI), der die häufigsten neonatalen Komplikationen umfasst, war erhöht (RR hier 2,66; 1,69-4,18). Das gilt auch für den Morbi­ditäts- und Mortalitätsindex (RR hier 2,14; 1,66 bis 2,75).

Hatten die Mütter Symptome wie Fieber und Atemnot, begünstigten diese ihr Komplikationsrisiko und auch das der Kinder. Mit 13 Prozent steckten sich 54 Neugeborene perinatal mit dem Virus an. Beim Stillen wurden hingegen keine Übertragungen festgestellt.

Warum die Morbidität und Mortalität während der Schwangerschaft erhöht ist, ist bislang nicht geklärt. Die Forscher vermuten, dass diese Risiken mit der physiologischen Veränderung des Körpers wie der gestiegenen Herzfrequenz und dem höheren Sauerstoffgebrauch sowie der verminderten Lungenkapazität und dem höheren Thromboserisiko einhergehen könnten. Zum anderen könnte die natürliche Immunsuppression, die das Ungeborene eigentlich schützen soll, eine Infektion begünstigen.

Deutschland war nicht an der Studie beteiligt.
Villar J. et al. "Maternal and Neonatal Morbidity and Mortality Among Pregnant Women With and Without COVID-19 Infection: The INTERCOVID Multinational Cohort Study." JAMA Pediatr. Published online April 22, 2021. doi:10.1001/jamapediatrics.2021.1050

23. April 2021

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Nachdem frühe Studien Korrelationen zwischen schweren COVID-Verläufen und Asthma beobachteten, gibt eine chinesische Meta-Studie mehr als ein Jahr nach Pandemiebeginn jetzt Entwarnung.

Für die Meta-Studie werteten die Forschenden die Rohdaten aus insgesamt 18 Arbeiten aus. Diese berichteten über die epidemiologischen und klinischen Merkmale von COVID-19 und seine Prävalenz bei Asthmapatienten berichteten, wurden eingeschlossen.  Im Ergebnis zeigten die ausgewerteten Daten, dass Asthma das Risiko eines schweren COVID-Verlaufs nicht statistisch signifikant erhöht (Odds Ratio [OR] 1,04 (Konfidenzintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 0,75 bis 1,46)).

Die Erkrankung sei also doch kein eindeutiger Risikofaktor für die Entwicklung von schwerem COVID-19, schlussfolgern die Autoren. In der Studie wurden PubMed-, Embase- und Web of Science-Datenbanken systematisch nach Studien durchsucht, die zwischen dem 1. Januar und dem 28. August 2020 veröffentlicht wurden.

Eine dänische Studie hingegen untersuchte den Effekt von anderen chronisch entzündlichen Erkrankungen, wie entzündliche Darmerkrankungen, Psoriasis-Arthritis, rheumatoide Arthritis und Spondylarthropathie.

Mithilfe der Daten von Patientenfällen aus dem Zeitraum des 1. März 2020 bis 31. Oktober 2020 wurden eine Kohorte von stationären Patienten mit COVID-19 und entzündlichen Darmerkrankungen (IBD), rheumatoider Arthritis (RA), Spondyloarthropathie (SpA) oder Psoriasis-Arthritis (PsA) (n= 132) sowie eine Kontrollkohorte ohne diese Krankheiten (n=2.811) gebildet. Die Forschenden verglichen anschließend die mediane Dauer des Krankenhausaufenthalts, die Beatmungsnotwendigkeit sowie die 14-Tage- und 30 Tage-Sterblichkeit.

Das Ergebnis hier: Es gab keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den exponierten Patienten und der Kontrollgruppe - sowohl in Bezug auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts (6,8 Tage vs. 5,5 Tage), dem Bedarf an mechanischer Beatmung (7,6 Prozent vs. 9,4 Prozent), als auch der Sterblichkeit. Diese lag in beiden Gruppen ähnlich hoch (Odds Ratio [OR] 0,71; Konfidenzintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 0,42-1,22).

Ting Wu et al., "Asthma does not influence the severity of COVID-19: a Meta-analysis", Journal of Asthma, Published online: 16. April 2021, DOI: 10.1080/02770903.2021.1917603

Jens Kjeldsen et al., "Outcome of COVID-19 in hospitalized patients with chronic inflammatory diseases. A population based national register study in Denmark." J Autoimmun. 2021 Mar 26;120:102632. DOI: 10.1016/j.jaut.2021.102632.

21. April 2021

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Junge Menschen sind anfällig für asymptomatische Reinfektionen

Eine frühere COVID-19-Infektion schützt  jungen Menschen nicht vollständig vor einer Reinfektion. Dies ergab eine Beobachtungsstudie mit mehr als 3.000 gesunden US-amerikanischen Rekruten.

Reinfektionen sind trotz überstandener Erstinfektion möglich. Das zeigt eine Studie an US-amerikanischen Rekruten, die während ihrer Grundausbildung in einem zentralen Lager engen Kontakt hatten. Obwohl strenge Test- und Quarantänemaßnahmen durchgeführt wurden, kam es zu einem Ausbruchsgeschehen vor Ort. Dabei wurde jeder zweite Rekrut bei der regelmäßigen PCR-Kontrolle positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Einige davon waren bereits zu einem früheren Zeitpunkt infiziert.

In Lancet Respiratory Medicine wurden nun die Ergebnisse dieser Kohorten-Studie veröffentlicht. Vor Beginn der Ausbildung vor Ort wurden alle Teilnehmer auf Antikörper getestet. Nur 1.079 der 2.247 Rekruten hatten zu diesem Zeitpunkt keine Antikörper im Blut. Die meisten vorherigen Infektionen mussten asymptomatisch verlaufen sein, vermuten die Studienleiter.

In der Studie wurden zwischen Mai und November 2020 etwa 10 Prozent (19 von 189) der Teilnehmer, die zuvor mit SARS-CoV-2 infiziert waren (seropositiv), erneut infiziert, verglichen mit Neuinfektionen bei 50 Prozent (1.079 von 2.247) der Teilnehmer, die zuvor nicht infiziert waren (seronegativ).

Die relative Inzidenzrate (IRR) betrug 0,18 Prozent, abgeleitet aus dem 95-prozentigen Konfidenzintervall von 0,11 bis 20,8. Somit hinterlässt eine frühere SARS-CoV-2-Infektion einen 82-prozentigen Schutz vor einer erneuten Ansteckung. Die Ergebnisse decken sich mit anderen Studien. Sie sind ein Beleg dafür, dass auch junge Personen keine sichere Immunität ausbilden. Zu einer erneuten Infektion kann es aufgrund einer nur schwach ausgebildeten Immunantwort beim ersten Viruskontakt gekommen sein.

Allerdings vielen die Reinfektionen kürzer aus und gingen mit weniger schweren Symptomen einher. Auch deswegen werden Reinfektionen bei jüngeren Menschen oftmals übersehen, schreiben die Autoren. Die festgestellte Viruslast war bei der Zweitinfektion 10-mal geringer als bei den Erstinfektionen.

Obwohl die Studie an jungen, fitten, meist männlichen Marinerekruten durchgeführt wurde, gehen die Autoren davon aus, dass das in ihrer Studie gefundene Risiko einer Reinfektion auf viele junge Menschen zutrifft.

Hansen, C. H. et al.: "Assessment of protection against reinfection with SARS-CoV-2 among 4 million PCR-tested individuals in Denmark in 2020: a population-level observational study" published on March, 17, 2021 in Lancet Respiratory Medicine https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)00575-4

19. April 2021

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SARS-CoV-2 befällt orale Zellen

SARS-CoV-2 infiziert auch die Zellen im Mundraum. Hier könnte es sich sogar replizieren und damit einen unterschätzten Ansteckungsort darstellen. Die Erkenntnisse unterstützen außerdem die alternative Testmethode mittels Speichel.

SARS-CoV-2 ist bereits im Speichel von infizierten Personen nachgewiesen worden - auch in hoher Konzentration. Unklar war bislang, woher die Viren stammen. Bislang wird angenommen, dass sie gegebenenfalls aus dem Nasensekret oder dem Sputum aus dem Rachen der Erkrankten in den Mundraum gelangen. Aber woher kommen die Viren im Speichel von Infizierten ohne Atemwegsbeschwerden?

Dass das Virus neben dem Rachenraum und der Nase auch die Zellen der Mundhöhle befällt und sich hier replizieren kann, fanden Forschende der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde National Institutes of Health (NIH) und der University of North Carolina heraus. Sie vermuten, dass die Übertragung über den Mund möglich sein könnte.

ACE 2-Rezeptor für den Zelleintritt in Mundraum gesichert

In ihrer Studie verglichen sie das Gewebe im Mund von gesunden Personen mit dem von infizierten. Dabei entdeckten sie die beiden Proteine, die das Virus zum Eintritt in die Zellen benötigt. Sowohl der ACE2-Rezeptor als auch das TMPRSS2-Enzym wurden in der Mundschleimhaut, dem Zahnfleisch und der Speicheldrüse identifiziert. Dabei waren Zellen zum Teil mit beiden Proteinen ausgestattet, was auf eine erhöhte Anfälligkeit dieser Bereiche hinweist.

In der Hälfte der Gewebeproben aus der Speicheldrüse von verstorbenen COVID-Patienten stellten die Forschenden mittels orthogonale RNA- und Protein-Expressionsuntersuchungen die RNA des Erregers tatsächlich fest. Bei akut infizierten Personen gelang die Entdeckung von spezifische Sequenzen viraler RNA, die darauf hinweisen, dass in den Zellen neue Virenkopien produziert werden. Die Forschenden halten die Replikation von SARS-CoV-2 in den Zellen der Mundhöhle daher für möglich.

Bei einem weiteren Test infizierte der Speichel von asymptomatischen Patienten gesunde Zellen in einer Versuchsschale im Labor. Somit wäre eine Übertragung durch den Speichel auch bei asymptomatischen Infektionen möglich. Die Ergebnisse könnten den alternativen Speicheltest auf SARS-CoV-2 unterstützen.

Das Virus befällt zahlreiche Bereiche im Organismus, wie das Gewebe der Lunge, der Nieren, des Verdauungstrakts sowie die Gewebewand der Blutgefäße. Die verschiedenen Infektionsorte können auch eine Erklärung für die unterschiedlichen Manifestationen der zahlreichen Symptome sein. Zu den oralen Symptomen zählen neben dem Verlust des Geschmacksinns auch eine Mundtrockenheit und Schleimhautläsionen, wie die Bildung von Bläschen.

Die Autoren erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit im Ergebnis, geben aber zu bedenken, dass das Übertragungsrisiko der Mundhöhle bislang unterschätzt wird. Weitere Untersuchungen sollen die Erkenntnisse verifizieren.

Huang, N. et al. "SARS-CoV-2 infection of the oral cavity and saliva". Published on March 26, 2021 in Nature Medicine. https://doi.org/10.1038/s41591-021-01296-8

16. April 2021

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Eine Studie aus Oxford hat untersucht, wie hoch das Risiko einer Sinusvenenthrombose nach einer COVID-Erkrankung, nach einer Impfung mit den Vakzinen von BioNTech oder Moderna oder nach einer Grippeinfektion ist im Vergleich zur Fallhäufigkeit in der Allgemeinbevölkerung.

Das Team aus Wissenschaftlern des Department of Psychiatry der Universität Oxford und der Oxford Health NHS Foundation untersuchte die Häufigkeit auftretender Sinusvenenthrombosen (CVT) zwei Wochen nach einer festgestellten COVID-19-Erkrankung oder einer Influenza beziehungsweise der ersten Impfung. Als Vergleichswert zogen sie den CVT-Wert der Allgemeinbevölkerung heran. Daraus wurde im Anschluss die CVT-Inzidenz abgeleitet.

Im Ergebnis lag die CVT-Inzidenz nach einer COVID-Diagnose bei 39 pro eine Million und war somit deutlich höher als nach einer Grippeerkrankung mit 0 pro eine Million oder nach der Impfung mit einem mRNA-Impfstoff mit 4,1 pro einer Million. Und auch im Vergleich zur sogenannten Hintergrundrate der Allgemeinbevölkerung, die während des zwei wöchigen Testzeitraums bei 0,41 lag, war die Inzidenz der Sinusvenenthrombose nach einer COVID-Erkrankung höher.

Risiko nach COVID-Infektion 100-mal höher

Im Vergleich mit den derzeit zugelassenen Impfstoffen wardas Sinusvenenthrombose-Risiko nach einer COVID-Infektion um das Acht- bis Zehnfache erhöht, bilanzieren die Forschenden. In Relation zur Hintergrundinzidenz in der Allgemein­bevölkerung sei das CVT-Risiko nach einer COVID-Erkrankung rund 100-mal höher und berge das höchste Risiko. Die Studie belege damit auch, dass die Sinusvenenthrombose in Zusammenhang mit COVID-19 steht.

Die Studienautoren verweisen auf die unterschiedlichen Datenquellen für die Analyse und darauf, dass die Datenströme noch nicht als vollständig erachtet werden könnten. Daher liefere die Arbeit erste Anhaltspunkte für eine weitere Diskussion um den Einsatz des Impfstoffs von AstraZeneca.

Taquet, M. et al: "6-month neurological and psychiatric outcomes in 236 379 survivors of COVID-19: a retrospective cohort study using electronic health records" published in The Lancet Psychiatry on April 6, 2021. DOI:https://doi.org/10.1016/S2215-0366(21)00084-5

15. April 2021

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Rheinland-Studie: Antikörperschutz lässt schnell nach

Zwischen April und Juni 2020 wurden im Rahmen der Studie rund 5.300 erwachsene Bonner auf Antikörper gegen SARS-CoV-2 untersucht. Dafür wurden Blutproben entnommen und analysiert. Bei positivem Erstbefund in einem Immunoassay durchliefen diese Proben zusätzlich einen "Plaque-Reduktions-Neutralisationstest", um sicherzustellen, dass sich die nachgewiesenen Antikörper spezifisch gegen SARS-CoV-2 richteten - und nicht gegen andere Coronaviren, die beispielsweise normale Erkältungen auslösen können. Das Team der Rheinland Studie kooperierte für diese Analysen mit dem Institut für Virologie an der Charité - Universitätsmedizin Berlin.

Jeder Fünfte hat heute keine Antikörper mehr

Bei 22 Probanden konnten "neutralisierende" und somit besonders wirksame Antikörper, die das Eindringen von SARS-CoV-2 in Zellen unmittelbar verhindern, nachgewiesen werden - was auf einen früheren Kontakt mit dem Virus hindeutete. Die Mehrheit berichtete nur von einem milden oder gar asymptomatischen Krankheitsverlauf. Sie wurden im September 2020 - also ungefähr vier bis fünf Monate nach der ersten Blutprobe - erneut getestet. Fazit: Bei den meisten war der Antikörper-Spiegel gesunken; bei vier Personen konnten sogar keine Antikörper mehr nachgewiesen werden.

Schlussendlich hat jeder fünfte Teilnehmer, bei dem im Frühjahr letzten Jahres neutralisierende Antikörper gegen SARS-CoV-2 im Blut gefunden worden waren, mittlerweile den Schutz vor einer erneuten Infektion wieder verloren.

Die zelluläre Immunantwort kann weiterhin Bestand haben

Aus diesen Daten lässt sich allerdings nicht direkt ableiten, inwieweit die Abnahme der Antikörper die Immunantwort beeinflusst, betont Dr. Ahmad Aziz, DZNE-Wissenschaftler und Erstautor der aktuellen Veröffentlichung.

"Der Rückgang an Antikörpern scheint relativ schnell zu gehen. Das Immunsystem hat allerdings weitere Instrumente, um Krankheitserreger abzuwehren. Antikörper sind zweifelslos bedeutsam, aber nur Teil eines größeren Arsenals. Andere Studien deuten darauf hin, dass eine andere Komponente, die wir die zelluläre Immunantwort nennen, trotz fallender Antikörper-Spiegel weiterhin Bestand haben kann."

Tatsächlich weiß man noch wenig über die Dauer der Immunität gegenüber SARS-CoV-2 nach einer Infektion. Das könnte auch von der jeweiligen Virusvariante abhängen. Die Autoren der Rheinland-Studie wollen daher die Auswirkungen der Pandemie auf die geistige und körperliche Gesundheit der Bevölkerung erfassen, um die Folgen zu verstehen und Risikofaktoren zu identifizieren.

Die Rheinland-Studie

 In der Studie untersucht das DZNE, wie sich die Gesundheit von Erwachsenen bis ins hohe Alter entwickelt. An der 2016 gestarteten Untersuchung beteiligen sich aktuell rund 6.000 Bonner; langfristig soll ihre Anzahl auf bis zu 20.000 anwachsen. Die Mitwirkenden werden alle drei bis vier Jahre zu einer umfassenden Bestandsaufnahme ihrer körperlichen und geistigen Fitness eingeladen.

Aziz, N. A. et al. "Seroprevalence and correlates of SARS-CoV-2 neutralizing antibodies from a population-based study in Bonn, Germany." published on April 9, 2021 in Nat Commun 12 https://doi.org/10.1038/s41467-021-22351-5

13. April 2021

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Monoklonale Antikörper-Kombination schützt vor COVID-Infektion

In einer kürzlich durchgeführten Phase-III-Studie konnte eine Antikörperkombination effektiv vor einer Ansteckung in COVID-19-positiven Haushaltskontakten schützen. Außerdem wurde bei nachweislich positiven asymptomatischen Patienten das Fortschreiten zu symptomatischem COVID-19 signifikant reduziert.

Monoklonale Antikörper sind aus der Therapie verschiedener Krebs- und Autoimmunerkrankungen bekannt, werden aktuell aber auch für den Einsatz gegen COVID-19 erprobt.

In einer doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie wurde die präventive Wirkung der monoklonalen Antikörperkombination REGEN-COV (Casirivimab und Imdevimab) bei nicht infizierten Personen ohne Anti-SARS-CoV-2-Antikörper untersucht. Die Probanden lebten dabei im selben Haushalt mit einer Person, die innerhalb der letzten vier Tage positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden war.

An der Phase-III-Studie, die das Pharmaunternehmen Regeneron Pharmaceuticals gemeinsam mit dem National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) durchführte, nahmen insgesamt 1.505 Probanden teil. Alle wurden zu Beginn mit einem RT-PCR-Test aus Nasopharyngealabstrichen auf SARS-CoV-2 getestet. Anschließend wurde ihnen randomisiert (1:1) entweder eine Dosis REGEN-COV (1.200 mg) oder ein Placebo als subkutane Injektion verabreicht.

Ansteckungen konnten um 81 Prozent reduziert werden

Die Ergebnisse zeigen, dass durch die Antikörperinjektion das Risiko einer Infektion um durchschnittlich 81 Prozent (p<0,0001) reduziert werden konnte. In der ersten Woche nach Injektion besteht ein 72-prozentiger Schutz, der sich ab der zweiten Woche sogar auf sogar 93 Prozent erhöht.

Die Ergebnisse sind hoch-signifikant. Von 753 Probanden, die REGEN-COV erhielten, infizierten sich insgesamt nur 11 Probanden. Dies entspricht lediglich 1,5 Prozent. In der Placebo-Gruppe infizierten sich von den insgesamt 752 Teilnehmern 59 (7,8 Prozent).

Mildere und kürzere Krankheitsverläufe

Bei den elf mit REGEN-COV behandelten Personen, die eine symptomatische Infektion erlitten, verschwanden die Symptome im Durchschnitt innerhalb von einer Woche, verglichen mit drei Wochen unter Placebo. Die Verläufe unter REGEN-COV waren zudem wesentlich milder als in der Placebo-Gruppe.           

Insgesamt hatten 31 Prozent der Teilnehmer mindestens einen bekannten Faktor, der sie einem erhöhten Risiko aussetzte, einen schwereren Verlauf von COVID-19 zu erleiden - zum Beispiel Diabetes mellitus oder eine immunsuppressive Erkrankung. Das Medianalter der lag bei 44 Jahren, der jüngste Proband war 12 Jahre, der älteste 92 Jahre alt.

Therapeutische Wirkung der monoklonalen Antikörperkombination

In einer weiteren Studie wurde die therapeutische Wirkung der Antikörperkombination beleuchtet. An der Studie nahmen 204 Personen teil, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden, aber zu Studienbeginn symptomfrei waren und noch keine Antikörper aufwiesen. Sie wurden randomisiert und erhielten entweder eine subkutane Injektion mit REGEN-COV (1.200 mg) oder ein Placebo.

REGEN-COV verringerte das Gesamtrisiko einer Progression zu symptomatischem COVID-19 um 31 Prozent (primärer Endpunkt nach 29 Tagen) und um 76 Prozent nach dem dritten Tag.

Zusätzlich zur Verringerung des Risikos symptomatischer Infektionen wurde die Gesamtzahl der Wochen, in denen die Patienten Symptome hatten, in der REGEN-COV-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe fast halbiert (45 Prozent), und die Viruslast wurde um mehr als 90 Prozent reduziert.

Obwohl nicht im ursprünglichen Analyseplan enthalten, fanden die Forscher auch heraus, dass sechs der Placebo-Patienten während der 29-tägigen Wirksamkeitsbeurteilung aufgrund von COVID-19 entweder ins Krankenhaus eingeliefert wurden oder die Notaufnahme aufsuchten. Aus der REGEN-COV Gruppe wurde kein Patient im Krankenhaus vorstellig.

COVID-19 Study Assessing the Efficacy and Safety of Anti-Spike SARS CoV-2 Monoclonal Antibodies for Prevention of SARS CoV-2 Infection Asymptomatic in Healthy Adults and Adolescents Who Are Household Contacts to an Individual With a Positive SARS-CoV-2 RT-PCR Assay

9. April 2021

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Mehr als ein Drittel der an COVID-19 erkrankten US-Amerikaner leiden während des ersten halben Jahres nach der Infektion unter neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen und müssen behandelt werden.

Ein Team der Oxford Universität hat in The Lancet Psychiatry die Ergebnisse einer umfangreichen Datenauswertung vorgestellt. Aus elektronischen Krankenakten von 81 Millionen US-amerikanischen Patienten werteten sie 236.379 Fälle von erwachsenen COVID-Erkrankten aus, die die Infektion überlebt hatten. Dabei interessierte die Experten, wie oft die Genesenen in den ersten sechs Monaten nach der Erkrankung wegen neurologischer oder psychiatrischer Erkrankungen behandelt wurden. Das war bei 33,6 Prozent der Patienten der Fall.

Darunter trat mit 17,4 Prozent am häufigsten Angststörungen auf, gefolgt von Depressionen mit 13,7 Prozent. Wegen Substanzmissbrauch mussten 7,1 Prozent und aufgrund von Schlafstörungen 5,4 Prozent behandelt werden. Neurologisch tragen 2,1 Prozent aufgrund eines Schlaganfalls, 0,7 Prozent wegen Demenz und 0,6 Prozent wegen Hirnblutungen symptomatisch in Erscheinung.

Die Auswertung trennte die hospitalisierten Patienten von denen mit leichten und mittelschweren Verläufen. Insgesamt 38,7 Prozent der stationär betreuten Patienten litten unter Langzeitfolgen. Bei Patienten auf der Intensivstation waren es 46,4 Prozent. Und bei Patienten mit Enzephalopathie bei 62,3 Prozent.

Da diese Symptome auch ohne COVID-19 auftreten können, setzten die Wissenschaftler die Zahlen in  Bezug zu Influenza. Hier zeigte sich, dass das Risiko für neurologische oder psychiatrische Erkrankungen um 44 Prozent höher liegt. Abschließend reichen die Erkenntnisse aber nicht aus, um die gesamten Auswirkungen in ihrer Breite zu erfassen.

Taquet, M. et al: "6-month neurological and psychiatric outcomes in 236 379 survivors of COVID-19: a retrospective cohort study using electronic health records" published online first in The Lancet Psychiatry on April 06, 2021 DOI: https://doi.org/10.1016/S2215-0366(21)00084-5

7. April 2021

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Wenn bei einer Corona-Infektion fünf spezifische Symptomen in den ersten sieben Tagen der Infektion auftreten, erhöht sich  das Risiko für Long-COVID. Das zeigt eine Analyse internationaler Krankendaten.

Insgesamt wurden in der prospektiven, beobachtenden Kohortenstudie 4.182 Patientendaten und Symptomberichte analysiert. Von den untersuchten Patienten berichteten gut 13 Prozent von zurückbleibenden Beschwerden und Krankheitssymptomen, 4,5 Prozent hatten die Symptome länger als 8 Wochen und 2,3 Prozent länger als 12 Wochen.

Die 4.182 Probanden hatten sich bei der Anmeldung in einer Corona-App körperlich normal gefühlt, was eine genaue Bestimmung des Symptombeginns ermöglichte. Sie hatten dann angegeben, positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden zu sein.

Risiko steigt mit Symptomen, Alter und Gewicht

Die Forschenden stellten bei der Auswertung fest, dass mit zunehmendem Alter und Gewicht das Risiko hier grundsätzlich steigt. Auch waren in der Patientengruppe häufiger Frauen als Männer betroffen. Zu den prädikativen Symptomen gehören Heiserkeit, Müdigkeit, Kopf- sowie Muskelschmerzen und Atemlosigkeit in der ersten Woche der Erkrankung. Traten diese auf, war die Assoziation mit Long-COVID häufiger.

Anhand der Erkenntnisse entwickelten die Forschenden ein Modell zur Unterscheidung von kurzen COVID-Erkrankungen und Long-COVID. Es könnte in vereinfachter Form in Kliniken angewendet werden. Das Modell wurde auf Datenbasis von 2.149 Patienten erstellt und mit einer unabhängigen Gruppe von 2.472  positiv getesteten Patienten überprüft.

Erkrankte, die Symptome über 28 Tage nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 hinaus zeigen, erhalten Long-COVID als Diagnose. Zu den Beschwerden gehören vor allem Fatigue, Kopfschmerz, Atemlosigkeit und Störungen des Geruchssinns. Nach heutigem Wissensstand raten Ärzte bei Symptomen, die über zwölf Wochen hinaus anhalten, weitere Untersuchungen anzustellen und die Beschwerden abzuklären.

Sudre, C. H. et al: "Attributes and predictors of long COVID" published in Nature Med. on March 10, 2021. DOI: 10.1038/s41591-021-01292-y

 30. März 2021

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Wer eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus durchgemacht hat, besitzt den aktuellen Erkenntnissen nach einen 80-prozentigen Schutz vor einer erneuten Erkrankung - zumindest temporär. Wie sinnvoll ist also die Impfung von Infizierten?

Wissenschaftler an der Universität in Sheffield werteten die Daten von Mitarbeitern im Gesundheitswesen aus, die bereits infiziert waren und verglichen sie mit denen von nicht-infizierten Personen, die bereits zwei Mal geimpft wurden. Im Rahmen der SIREN-Studie (SARS-CoV-2 Immunity and Reinfection Evaluation) wurde in der Teilstudie PITCH (Protective Immunity from T-cells in Healthcare Workers) analysiert, inwieweit sich der Immunschutz bei Personen, die bereits eine Infektion überstanden haben, durch die einmalige Impfung mit dem BioNTech/Pfizer-Vakzin BNT162b2 verstärkt.

Impfung "boostet" auch Immunantwort von Infizierten

Für die vergleichende Untersuchung wurden zwei Tests in den beiden Gruppen durchgeführt. Zum einen wurde der Schutz durch Antikörper mittels der B-Zellen-Antwort gemessen, bei der die Viren außerhalb der menschlichen Zellen abgefangen und unschädlich gemacht werden. Zum anderen analysierten die Forscher auch die aufwendiger zu testende T-Zellen-Antwort. Die T-Zellen zerstören das in die Zellen bereits eingedrungene Virus. Diese zelluläre Immunantwort spielt eine wichtige Rolle bei der Abwehr der Coronaviren.
Im Ergebnis erhöhte sich der Schutz noch einmal deutlich. Er war nach der einmaligen Impfdosis und der bereits gebildeten körpereigenen Immunantwort sogar höher als der Immunschutz von Personen, die noch nicht infiziert, aber zweifach geimpft waren. Die Impfung kann also die Schutzwirkung durch eine frühere Infektion messbar verstärken und wird daher von den Forschern empfohlen.
Sie unterstützt eine breite Immunantwort, da T-Zellen und Antikörper mehr Stellen des Spike-Proteins erkennen als nach nur einer Impfung oder einer Infektion. Bei den Untersuchungen wurden auch Antikörper gegen die Varianten B.1.1.7 aus Großbritannien, B.1.135 aus Südafrika und P.1 aus Brasilien gefunden. Daher sollte den Forschern zufolge nicht auf eine Nachimpfung verzichtet werden.

Konkret waren die Antikörper-Titer 6,8-fach höher als bei Personen ohne Infektion nach der ersten Impfung und rund drei Mal höher als nach der zweiten Dosis. 

Angyal, A. et al: "T-Cell and Antibody Responses to First BNT162b2 Vaccine Dose in Previously SARS-CoV-2-Infected and Infection-Naive UK Healthcare Workers: A Multicentre, Prospective, Observational Cohort Study" published on March, 25, 2021 in The Lancet. DOI: http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3812375

18. März 2021

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Eine große Studie aus Dänemark zeigt, dass es selten zu einer Reinfektion mit SARS-CoV-2 kommt. Der durchschnittliche Schutz nach einer Infektion liegt bei 80 Prozent. Das Risiko haben eher Ältere.

Dänische Forscher haben umfangreich mikrobiologische Daten der kostenlosen Massentests analysiert, die 2020 allen Dänen angeboten wurden. Im vergangenen Jahr ließen sich rund 4 Millionen Dänen testen, das sind 69 Prozent der Gesamtbevölkerung. Insgesamt wurden im Rahmen des Testprojekts 10,6 Millionen PCR-Test durchgeführt. Darunter war also auch eine große Zahl von Mehrfachtestungen.  

Die Wissenschaftler analysierten die Daten von reinfizierten Patienten, die sowohl während der ersten Welle von März bis Juni 2020 als auch während der zweiten Welle der Pandemie von September bis Dezember 2020 positiv getestet wurden, und werteten sie dann hinsichtlich Alter und Geschlecht aus. Dabei konnten sie feststellen, dass eher ältere Personen über 65 Jahren ein größeres Risiko für eine zweite Infektion haben.

Weiter gab es aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die Wiederansteckungen bei einem Geschlecht häufiger auftreten als beim anderen. Auch fanden die Wissenschaftler keine Hinweise darauf, ob der Schutz in den ersten drei bis sechs Monaten einer Infektion höher war als nach sieben Monaten. Der Schutz nach einer überstandenen Infektion betrug im Durchschnitt 80 Prozent. Reinfektionen waren eher selten.

Die Studienerkenntnisse seien für die Weiterentwicklung der Impfstrategie wichtig, da die Immunabwehr bei älteren Personen eher eine Reinfektion zulässt, so das Fazit.

Hansen, C. H. et al: "Assessment of protection against reinfection with SARS-CoV-2 among 4 million PCR-tested individuals in Denmark in 2020: a population-level observational study" published on March 17, 2021. In The Lancet. doi.org/10.1016/S0140-6736(21)00575-4

16. März 2021

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Eine Studie aus Schottland erhärtet die Vermutung, dass SARS-CoV-2-Geimpfte weniger infektiös sind: Nachdem Mitarbeiter im Gesundheitswesen mit AstraZeneca und BionTech geimpft wurden, gingen auch die Ansteckungen in ihren Familien deutlich zurück.

Seit dem 8. Dezember 2020 wird in Schottland gegen SARS-CoV-2 geimpft. Den Auftakt macht dabei auch das Personal im Gesundheitswesen. Für eine Studie untersuchte ein Projekt unter der Leitung von David McAllister der Universität Glasgow, inwieweit deren Impfung sich auf die Infektionshäufigkeit von Familien- beziehungsweise Haushaltsmitgliedern auswirkt. Im Ergebnis kam es bereits nach der ersten Impfung der Mitarbeiter aus Gesundheitsberufen zu deutlich weniger Ansteckungen in deren Familien. Das unterstreicht die Hoffnung auf die sogenannte sterile Immunität, also dass geimpfte Personen das Virus nicht übertragen.

Bereits Anfang März 2021 waren 78,3 Prozent der Mitarbeiter im Gesundheitswesen mindestens ein Mal geimpft. Dafür wurden die Vakzine von AstraZeneca und BioNTech verwendet. Schon nach der ersten Impfung gingen die Erkrankungen unter den Geimpften um 55 Prozent zurück. Zudem sanken die schweren Krankheitsfälle mit einer Einlieferung ins Krankenhaus um 84 Prozent. Bei den Angehörigen ging die Zahl der Infektionen um 30 Prozent zurück.

Nach der zweiten Impfung zeigte sich die Wirkung besonders deutlich: Die Infektionen nahmen um 92 Prozent ab und es waren keine Hospitalisierungen mehr notwendig. Infektionen bei Haushaltsmitgliedern gingen um 54 Prozent zurück. Da diese Personen selbst auch Kontakt zu anderen Personen außerhalb des Haushalts hatten, sind Infektionen hier nicht vollkommen ausgeschlossen. Die Wissenschaftler gehen daher von einem Schutzeffekt über den eigenen Infektionsschutz hinaus aus.

McAllister, D. et al: "Effect of vaccination on transmission of COVID-19: an observational study in healthcare workers and their households" published as pre print on March 12, 2021.

11. März 2021

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Eine Studie auf Südkorea legt nahe, dass die Immunität bei Älteren, schwer Erkrankten und vor allem bei Patienten mit einer manifestierten Lungenentzündung länger anhält.


Eine Kohorten-Studie aus Südkorea die Antikörper von asymptomatischen Infizierten als auch von unterschiedlich schwer Erkrankten mit und ohne Lungenentzündung bestimmt. Ziel war, die Dauer der SARS-CoV-2-spezifischen humoralen und zellulären Immunität in Abhängigkeit vom klinischen Schweregrad der Erkrankung zu bewerten.

Über 85 Prozent haben Antikörper länger als sechs Monate

Bis zu sechs Monate nach der Diagnose konnten Virus-Antikörper nachgewiesen werden. So waren  spezifische Immunglobulin-G-Werte (IgG) bei 66,7 Prozent der Patienten nachweisbar und bei 86,9 Prozent neutralisierende Antikörper.

Auffällig war, dass ältere Erkrankte, Patienten mit schweren Verläufen und hierbei vor allem solche mit einer manifestierten Lungenentzündung eine längere Immunität aufwiesen. Die SARS-CoV-2-spezifische T-Zellantworten zeigten sich bei pneumonischen Patienten stark ausgeprägt.

Zusammenfassend lässt sich den Autoren zufolge sagen, dass mehr als 85 Prozent der Patienten bis sechs Monate nach der Diagnose einer SARS-CoV-2-Infektion NAb in sich tragen, was Erkenntnisse für die Etablierung von Impfstrategien gegen COVID-19 liefert.

Noh, J. et al. "Longitudinal Assessment of Anti-SARS-CoV-2 Immune Responses for Six Months Based on the Clinical Severity of COVID-19." Published in The Journal of Infectious Diseases, March 4, 2021. https://doi.org/10.1093/infdis/jiab124

10. März 2021

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Eine Impfung gegen SARS-CoV-2 kann eine symptomatische COVID-Erkrankung verhindern. Nun zeigen drei Studien erstmals, dass die Schutzwirkung der Impfungen auch asymptomatische Infektionen umfasst.

Die Erkenntnisse deuten darauf hin, dass es nicht nur Schutz vor Erkrankung, sondern auch Schutz vor einer Infektion durch eine Impfung entstehen kann. Diese Schutzwirkung würde großen Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben und den Verlauf der Pandemie empfindlich reduzieren, so die Kommentare zu den Ergebnissen.

Publikationen der Cambridge University, des Public Health England Colindale aus England und eine Daten-reiche Studie aus Israel untersuchten die Schutzwirkung der Impfstoffe von BioNTech (BNT162b2) und AstraZeneca (AZD1222). Neue Daten des Addenbrooke's Hospital in Cambridge deuten demnach darauf hin, dass eine einzige Dosis des Impfstoffs von Pfizer BioNTech die Zahl der asymptomatischen SARS-CoV-2-Infektionen um 75 Prozent reduzieren kann. Dies impliziert, dass der Impfstoff das Risiko einer Übertragung des Virus von Menschen, die asymptomatisch sind, signifikant reduzieren könnte und auch andere vor einer Erkrankung schützt. Auch die Untersuchung von Krankenhauspersonal durch das Public Health England Colindale ergab, dass der BNT162b2-Impfstoff sowohl symptomatische als auch asymptomatische Infektionen bei Erwachsenen "im arbeitsfähigen Alter" wirksam verhindert. Die Kohorte wurde geimpft, als die dominante Variante im Umlauf B1.1.7 war, und belegt demnach die Wirksamkeit gegen diese Variante.

In Tel Aviv zeigen die landesweiten Daten zur Impfung, dass geimpfte Personen eine geringere Virusmenge in sich tragen. Das belegen die PCR-Testungen anhand der für die Viruslast-Bestimmung benötigten Zyklen. Noch wissen die Forschenden hier nicht, wie lange der Schutz auch gegen die asymptomtischen Infektionen bestehen bleibt.

Die Ergebnisse der Pre-Print-Studien müssen nun weiter bewertet und verifiziert werden.

Jones, N. K. et al: "Single-dose BNT162b2 vaccine protects against asymptomatic SARS-CoV-2 infection" in Authorea. Feb, 24, 2021. DOI: 10.22541/au.161420511.12987747/v1

Hall, V. J. et al: "Effectiveness of BNT162b2 mRNA Vaccine Against Infection and COVID-19 Vaccine Coverage in Healthcare Workers in England, Multicentre Prospective Cohort Study" in The Lancet on Feb, 22, 2021. DOI: http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3790399

Dagon, N. et al: "BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine in a Nationwide Mass Vaccination Setting" in NEJM on Feb, 24, 2021. DOI: 10.1056/NEJMoa2101765

3. März 2021

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Das Hospitalisierung-Risiko von COVID-Patienten steigt mit kardiometabolischen Erkrankungen

Forschende der Friedman School of Nutrition Science and Policy, Boston (USA), werteten für ihre Studie repräsentative Daten zur Verbreitung von kardiometabolischen Erkrankungen in den USA zwischen 2015 und 2018 sowie US-Register zur Hospitalisierung von COVID-Patienten aus.

Ergebnis: Bis zum 18. November 2020 wurden in den USA mehr als 906.000 Erwachsene aufgrund einer COVID-19-Erkrankung hospitalisiert. Davon entfielen einer Studie zufolge schätzungsweise

  • 20,5 Prozent (Unsicherheitsintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 18,9 bis 22,1 Prozent) auf Diabetes mellitus,
  • 30,2 Prozent (Unsicherheitsintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 28,2 bis 32,3 Prozent) auf Adipositas,
  • 26,2 Prozent (Unsicherheitsintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 24,3 bis 28,3 Prozent) auf Bluthochdruck und
  • 11,7 Prozent (Unsicherheitsintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 9,5-14,1 Prozent) auf Herzinsuffizienz.

Gemeinsam betrachtet (häufig waren Komorbiditäten vorhanden) waren 63,5 Prozent (Unsicherheitsintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 61,6 bis 65,4 Prozent) oder 575.419 (Unsicherheitsintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 559 072 bis 593 412) der COVID-19-Krankenhausaufenthalte auf diese vier Zustände zurückzuführen, folgern die Autoren weiter. Es wurden große Unterschiede in den Anteilen der kardiometabolischen risikobehafteten COVID-19-Krankenhausaufenthalte nach Alter und Rasse / ethnischer Zugehörigkeit festgestellt, wobei kleinere Unterschiede nach Geschlecht auftraten.

Fazit: Ein erheblicher Teil der COVID-19-Krankenhausaufenthalte in den USA scheint auf schwerwiegende kardiometabolische Erkrankungen zurückzuführen zu sein, schreiben die Forschenden. Ihre Hoffnung ist, dass die Ergebnisse dazu beitragen, Präventionsstrategien zu entwickeln, um die Belastung des Gesundheitswesens zu verringern.

Meghan O'Hearn et al. "Coronavirus Disease 2019 Hospitalizations Attributable to Cardiometabolic Conditions in the United States: A Comparative Risk Assessment Analysis", Journal of the American Heart Association, Published 25 Feb. 2021, https://doi.org/10.1161/JAHA.120.019259

1. März 2021

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B.1.1.7 führt zu längerer Infektionsdauer

Vorläufige Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die SARS-CoV-2-Variante B.1.1.7 deshalb übertragbarer ist, weil sie mehr Zeit in ihrem Wirt verbringt als der Wildtyp.

Forschende der Harvard T. H. Chan School of Public Health in Boston (USA) untersuchten in einer bisher als Preprint erschienenen Studie die täglichen SARS-CoV-2-Tests von 65 Infizierten, darunter sieben mit B.1.1.7. Sie beobachteten, wie lange die Infektion anhielt und wie viel Virus zu jedem Zeitpunkt vorhanden war.

Ergebnis: Bei Menschen, die mit B.1.1.7 infiziert waren, dauerten die Infektionen durchschnittlich 13,3 Tage, verglichen mit 8,2 Tagen bei anderen Varianten. Ansonsten gab es kaum Unterschiede in den Spitzenkonzentrationen des Virus zwischen den beiden Gruppen.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass B.1.1.7 deshalb leichter übertragen werden kann als andere Varianten, weil Betroffene einfach längere Zeit infiziert sind und daher eine größere Anzahl von Kontakten infizieren können. Möglicherweise rechtfertigen die Erkenntnisse längere Quarantänezeiten für Personen, die mit dieser Variante infiziert sind, schlussfolgern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Boston.

Kissler, Stephen et al. "Densely sampled viral trajectories suggest longer duration of acute infection with B.1.1.7 variant relative to non-B.1.1.7 SARS-CoV-2." Preprint, 2021, https://dash.harvard.edu/handle/1/37366884

25. Februar 2021

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Schottland: Impfung reduziert schwere COVID-Verläufe um bis zu 94 Prozent

Mit den Vakzinen von BioNTech/Pfizer und AstraZeneca Geimpfte haben ein um bis zu 94 Prozent reduziertes Risiko für einen schweren COVID-Verlauf. Das zeigt eine schottische Kohortenstudie. 

Die Studie umfasst die gesamte schottische Bevölkerung (n=5,4 Millionen). Die Daten wurden zwischen dem 8. Dezember und dem 15. Februar 2020 erhoben. In diesem Zeitraum wurden in Schottland 1,14 Millionen Menschen gegen Corona geimpft. 650.000 Menschen erhielten dabei den Impfstoff von BioNTech/Pfizer, 490.000 das Vakzin von AstraZeneca.

Die Forscher analysierten die Daten jede Woche, bezogen Aufzeichnungen von Hausärzten über Impfungen, Krankenhauseinweisungen, Sterberegistrierungen und Labortestergebnisse ein und verglichen die Ergebnisse mit den Daten von Ungeimpften.

Das Ergebnis: Allein die erste Dosis des BioNTech/Pfizer-Impfstoffs reduzierte in 28 bis 34 Tagen nach der Impfung die Zahl der Hospitalisierungen wegen COVID-19 um 85 Prozent. Im selben Zeitraum betrug der Impfeffekt für das AstraZeneca-Vakzin 94 Prozent.

Bei Personen im Alter von 80 Jahren und älter war die Impfung mit einer 81-prozentigen Verringerung des Krankenhausaufenthaltsrisikos in der vierten Woche verbunden, wenn beide Impfstoffe kombiniert wurden.

Das Studienteam geht davon aus, dass die Ergebnisse auf andere Länder übertragbar sind. Sie weisen darauf hin, dass die Daten keine Vergleiche zwischen den beiden Impfstoffen zulassen.

Eleftheria Vasileiou et al.: "Effectiveness of First Dose of COVID-19 Vaccines Against Hospital Admissions in Scotland: National Prospective Cohort Study of 5.4 Million People." publishes online in The Lancet on February 19, 2021. Doi: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3789264

24. Februar 2021

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London: Herzschäden bei der Hälfte der schwer COVID-Erkrankten

Bei schweren COVID-Erkrankungen manifestieren sich bei rund der Hälfte der hospitalisierten Patienten Herzschäden - vor allem des Herzmuskels.

Ein Indikator dafür ist der erhöhte Troponin-Wert, da Troponin Teil der Herzmuskelzellen ist. Sein Anstieg hängt zum Beispiel auch mit dem Abfall der Kardiomyozyten zusammen, was auf eine Infektion der Herzmuskelzellen oder eine Herzmuskelentzündung hinweist. Auch ein thrombotischer Verschluss einer Koronararterie, der zum Herzinfarkt führen kann, kann den Wert steigen lassen und eine Spätfolge der COVID-Infektion sein.

Ein Team aus Kardiologen des University College London hat für eine Studie 148 Patienten aus verschiedenen Kliniken mittels kardiovaskulärer Magnetresonanztomografie untersucht. Ein Drittel der Patienten wurde auf den Intensivstationen behandelt. Dabei wurde jedoch keine Verminderung der Pumpleistung am Herzen der ehemals schwer Erkrankten festgestellt. Lediglich bei 17 Patienten zeigte sich eine leicht abgeschwächte Leistung, die aber wohl auf vorliegende Vorerkrankungen zurückzuführen ist.

Daher gehen die Spezialisten davon aus, dass es bei einem schweren Verlauf durch den Troponin-Anstieg kurzfristig zu einer Herzinsuffizienz kommt. Ob die Schäden am Herzen dauerhaft sein können, ist noch nicht vollständig geklärt. Allerdings dokumentierte das Team bei der Hälfte der Patienten Herzmuskelschäden, wie Narbenbildung an dem Muskel, oder Schädigungen, die auf einen Infarkt hindeuten beziehungsweise auf ein ischämisches Verletzungsmuster (Blutleere).

Kotecha, T. et al: "Patterns of myocardial injury in recovered troponin-positive COVID-19 patients assessed by cardiovascular magnetic resonance" published in European Heart Journal on 18 Feb. 2021 https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehab075

22. Februar 2021

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Adipositas erhöht Sterberisiko von COVID-Patienten um 42 Prozent

Fettleibigkeit wird bereits seit Beginn der Corona-Pandemie mit einer erhöhten Sterblichkeit in Verbindung gebracht. Wissenschaftler aus Taiwan führten jetzt einen systematischen Review mit Meta-Analyse durch und untersuchten dazu 17 zwischen Januar und August 2020 erschienene Publikationen, die insgesamt mehr als 540.000 Patientenfälle umfassten.

Das Ergebnis: 16 dieser Studien berichten über ein signifikant erhöhtes Sterblichkeitsrisiko bei Patienten mit COVID-19, eine Studie von einem verringerten Sterblichkeitsrisiko. In der Gesamtauswertung ergab die Meta-Analyse ein signifikant erhöhtes Sterblichkeitsrisiko (+42 Prozent, Konfidenzintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 1,24 bis 1,63, p < 0,001) bei Adipositas. Dabei wiesen die ausgewerteten Studien laut den Autoren nur eine moderate Heterogenität auf.

Die Forschenden unterschieden in ihrer Betrachtung zudem die verschiedenen Klassen von Adipositas: die Klasse III war stark mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko verbunden (+92 Prozent, Konfidenzintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 1,50 bis 2,47, p < 0,001). Adipositas der Klassen I und II zeigte auch einen starken Zusammenhang mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko, das Risiko stieg um 27 Prozent (Konfidenzintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 1,05 bis 1,54, p = 0,01) sowie um 56 Prozent (Konfidenzintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 1,11 bis 2,19, p < 0,01).

Die Forschenden betonen, dass nur von Experten begutachtete Artikel für die Berechnung der Risikogröße einbezogen wurden. Die Gesamtqualität der Evidenz der Metaanalyse sei Prüfungen mit dem QUIPS-("Quality In Prognosis Studies")-Tool zufolge stark. In der Metaanalyse wurde auch untersucht, wie verschiedene Komorbiditäten von Adipositas-Patienten mit COVID das Sterberisiko beeinflussen. Ausgewiesen wurden:

  • Schlaganfall +80 Prozent (Konfidenzintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 0,89-3,64, p = 0,10)
  • Chronische Nierenerkrankung CKD +57 Prozent, Konfidenzintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 1,57 bis 1,91, p < 0,001)
  • Chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD +34 Prozent (Konfidenzintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 1,18 bis 1,52, p < 0,001)
  • Diabetes +19 Prozent (Konfidenzintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 1,07 bis 1,32, p = 0,001) und
  • Bluthochdruck +7 Prozent, Konfidenzintervall 95 Prozent, Schwankungsbreite 0,92 bis 1,25, p = 0,35)

Ärzte sollten sich dieser Risikofaktoren bewusst sein und eine schnelle Entscheidung für eine Intervention treffen, schlussfolgern die Autoren. Zudem seien weitere Studien dringend erforderlich, um den pathophysiologischen Zusammenhang zwischen Adipositas und dem Sterblichkeitsrisiko bei COVID-19-Patienten zu klären.

Tahmina Nasrin Poly et al. "Obesity and Mortality Among Patients Diagnosed With COVID-19: A Systematic Review and Meta-Analysis", Front. Med., 05 February 2021 | doi.org/10.3389/fmed.2021.620044

18. Februar 2021

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Erst COVID, dann Diabetes?

SARS-CoV-2 infiziert bei gravierenden Krankheitsverläufen die Bauchspeicheldrüse. Dies erklärt möglicherweise das Auftreten von Diabetes-ähnlichen Symptomen von COVID-19-Patienten sowie die Verschlechterung des Zuckerstoffwechsels bei coronakranken Diabetikern.

In einer Studie konnten Ulmer Forscher nun nachweisen, dass SARS-CoV-2 bei gravierenden Krankheitsverläufen die insulinproduzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse infiziert.

Infizierte Beta-Zellen zeigen Veränderungen in Form und Funktion

Für die Untersuchung haben die Forscher Gewebe aus der Bauchspeicheldrüse mit SARS-CoV-2 in Kontakt gebracht und so herausgefunden, dass sich die sogenannten Langerhans'schen Inseln mit dem Virus infizieren lassen.

"Die Beta-Zellen exprimieren bestimmte Eiweißmoleküle, ohne die SARS-CoV-2 die Zellen nicht infizieren kann. Die körpereigenen Proteine TMPRSS2 und ACE2 sind sozusagen das Schloss, über das die Coronaviren mit ihrem Schlüsselprotein (Spike-Protein) in die Zellen eindringen. Daraufhin vervielfältigen sich die Virus-Bausteine, und viele neue infektiöse Viruspartikel werden freigesetzt", erklärt Prof. Jan Münch, Studienleiter vom Institut für Molekulare Virologie.

Zudem ergab die Untersuchung von verstorbenen Patienten, dass das Virus eine Infektion des Pankreas auslöste. Erstaunlicherweise war im Lungengewebe das Virus zum Teil nicht mehr nachzuweisen, in der Bauchspeicheldrüse dagegen schon. Dies deutet möglicherweise darauf hin, dass das neuartige Coronavirus nicht nur außerhalb der Lunge aktiv ist und andere Organe infiziert, sondern dass diese Infektionen häufiger und andauernder sind als bisher angenommen.

Weiter konnte in der Studie festgestellt werden, dass in diesen Fällen die Ausschüttung von Insulin gestört war.

Müller, J. A. et al. "SARS-CoV-2 infects and replicates in cells of the human endocrine and exocrine pancreas" published on 3 Feb 2021 in Nature Metabolism DOI: 10.1038/s42255-021-00347-1

15. Februar 2021

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Autoantikörper könnten schwere COVID-Verläufe auslösen

Schon länger deuten Studien darauf hin, dass Auto-Antikörper verantwortlich für schwere COVID-Verläufe sein könnten. Jetzt wurde ein Mechanismus beschrieben, der die wichtigsten klinischen Befunde erklären kann.

Im Januar 2021 analysierten Forscher der New York University (NYU) Serumsproben von 86 Personen, die mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert worden waren auf Auto-Antikörper gegen Proteine wie Annexin A2. Es ist für die Zellmembranstabilierung und -reparatur nötig und gewährleistet die Integrität der kleinen Blutgefäße in der Lunge.

Die Forscher fanden einen signifikant höheren durchschnittlichen Spiegel von Anti-Annexin-A2-Antikörpern bei Patienten mit kritischem Verlauf als bei solchen mit einem weniger schweren Verlauf. Bei den Auto-Antikörpern gegen Annexin A5 wurden hingegen keine signifikanten Unterschiede bei den Antikörpern festgestellt. Anders als bei dem Anti-Annexin-A5-Antikörperspiegel korrelierte der A2-Antikörperspiegel stark mit der Sterblichkeit der Patienten.

Da bekannt sei, dass die Hemmung von Annexin A2 systemische Thrombose, Zelltod und nicht-kardiogenes Lungenödem induziert, schlussfolgern die Autoren, dass die Autoimmunität gegenüber Annexin A2 ein potenzieller Mechanismus ist, der die wichtigsten klinischen Befunde von schwerem COVID-19 erklären kann.

Marisol Zuniga et al."Autoimmunity to the Lung Protective Phospholipid-Binding Protein Annexin A2 Predicts Mortality Among Hospitalized COVID-19 Patients", medRxiv 2020.12.28.20248807; doi: https://doi.org/10.1101/2020.12.28.20248807

Coronaviren in Fledermäusen können direkt Menschen infizieren

Forscher der University of North Carolina implantierten Mäusen menschliches Lungengewebe und infizierten das Gewebe mit verschiedenen Coronaviren, darunter SARS-CoV, MERS-CoV und SARS-CoV-2 sowie zwei eng verwandte Coronaviren, die von Fledermäusen isoliert wurden.

Ergebnis: Die Infektion und Virusreplikation erforderte in diesem Modell keine Anpassung des Virus. Die akute SARS-CoV-2-Infektion war hochzytopathisch und induzierte eine robuste und anhaltende Typ-I-Interferon und entzündliche Zytokin/Chemokin-Reaktion. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Fledermäuse endogene Coronaviren beherbergen, die in der Lage sind, ohne Zwischenwirt direkt Menschen zu infizieren.

Die Forscher nutzten das Tiermodell auch, um zu zeigen, dass die therapeutische und prophylaktische Verabreichung von EIDD-2801, einem oralen Breitspektrum-Virostatikum, das sich derzeit in klinischen Phase-II-III-Studien befindet, die SARS-CoV-2-Replikation in vivo stark hemmte. Das Präparat könnte, so die Einschätzung der Autoren, ein erhebliches Potenzial für die Prävention und Behandlung von COVID-19 haben.

Wahl, Angela et al. "SARS-CoV-2 infection is effectively treated and prevented by EIDD-2801". Nature (2021). https://doi.org/10.1038/s41586-021-03312-w

12. Februar 2021

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Stereoid-haltige Asthmasprays unterbinden die Replikation von SARS-CoV-2 und können so schwere Verläufe verhindern.

Medizinern aus China war bereits früh aufgefallen, dass Asthma-Patienten seltener schwer an COVID-19 erkranken, obwohl bei ihnen eine chronische Atemwegsentzündung vorliegt. Lag das eventuell daran, dass die meisten Asthmatiker heute via Sprays Steroide inhalieren?

In Laborstudien kam heraus, dass die in handelsüblichen Asthma-Sprays enthaltenen Steroide, wie Glukokortikoide, die Vermehrung von SARS-CoV-2 im Atemwegsepithelien hemmen können. Nach einer weiteren Recover-Studie zeigte sich, dass der Verlauf der Infektion signifikant leichter ausfiel. Personen, die eine niedrige Dosis von Dexamethason, dem künstlichem Glukokortikoid, erhielten seltener verstarben. Seitdem werden Steroiden bei schweren Verläufen schon standardmäßig eingesetzt.

Eine Studie aus Oxford bestätigt nun, dass die Anwendung von Steroid-haltigen Asthmasprays schwere COVID-19-Krankheitsverläufe verhindern und milde Verläufe verkürzen kann. Die neue Studie ergab, dass inhalatives Budesonid, das Patienten mit COVID-19 innerhalb von sieben Tagen nach Auftreten der Symptome verabreicht wird, auch die Genesungszeit verkürzt. Budesonid ist ein Kortikosteroid, das bei der Langzeitbehandlung von Asthma und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) eingesetzt wird.

Bei einer zweimaligen Anwendung am Tag mit etwa 800 µg des Wirkstoffs über 28 Tage wurde das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs um 90 Prozent gesenkt. Darüber hinaus stellte die randomisierte Zwei-Phasen-Studie fest, dass auch milde Infektionsverläufe um durchschnittlich einen Tag verkürzt wurden bei der Anwendung von Asthma-Spray.

Die Teilnehmer, die den Budesonid-Inhalator erhielten, hatten auch ein schnelleres Abklingen von Fieber und Symptomen sowie weniger anhaltende Symptome nach 28 Tagen. Die Studie zeigte auch, dass es bei denjenigen, die Budesonid erhielten, zu einer Verringerung der anhaltenden Symptome kam.

Da die Studie jedoch nur 146 Patienten umfasste, sollte für eine gesicherte Evidenz eine größere randomisier­ten Doppelblindstudie folgen.

Ramakrishnan, S. et al. "Inhaled budesonide in the treatment of early COVID-19 illness: a randomised controlled trial" Preprint published on MedRxiv on 8 Feb 2021 DOI: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.02.04.21251134v1

10. Februar 2021

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Impfstoff CoronaVac verhindert zu 100 Prozent schwere COVID-Verläufe

Der chinesische Impfstoffhersteller Sinovac hat Ergebnisse seiner Phase III-Studien bekanntgegeben. Das Vakzin soll hoch exponiertes Gesundheitspersonal absolut sicher schützen. Aber es bleiben offene Fragen.

Der chinesische Impfstoffhersteller Sinovac Biotech hat in einer Pressemitteilung die Ergebnisse der Phase III-Studien zu seinem Vakzin bekanntgegeben. Eine Publikation der Studienergebnisse steht jedoch noch aus. Die Versuche mit dem COVID-19-Impfstoff CoronaVac waren in Brasilien, der Türkei, Indonesien und Chile mit insgesamt 25.000 Probanden durchgeführt worden.

Die Phase-III-Studien in Brasilien und der Türkei bewerteten die Wirksamkeit des Impfstoffs bei Gesundheitspersonal, das COVID-19-Patienten behandelt. Beide Studien wurden randomisiert, doppelblind und Placebo-kontrolliert durchgeführt.

Ergebnis: 14 Tagen nach der Impfung mit zwei Dosen verhinderte der Impfstoff eine symptomatische SARS-CoV-2-Infektion in 50,65 Prozent der Fälle. Schwere Krankheitsverläufe mit einer Hospitalisierung verhinderte der Impfstoff zu 100 Prozent.

Zuvor hatte es widersprüchliche Medienmeldungen zur Wirksamkeit des Impfstoffs gegeben: Aus einer kleineren, brasilianischen Teilstudie mit knapp 1.400 Teilnehmenden war eine Wirksamkeit von knapp 70 Prozent, aus der indonesischen Teilstudie 63,5 Prozent und aus der türkischen Teilstudie 91,25 Prozent Wirksamkeit gemeldet worden.

In einer Stellungnahme erklärte Sinovac, die Teiluntersuchung in Brasilien habe ergeben, dass die Wirksamkeit um 20 Prozent steigt, wenn die zweite Impfdosis statt nach zwei erst nach drei Wochen verabreicht würde. Zudem habe es sich bei den Testpersonen in Brasilien um medizinisches Personal gehandelt, das sich um COVID-Patienten gekümmert habe. Diese seien dem hochinfektiösen Erreger stärker ausgesetzt gewesen als Personen in anderen Phase-III-Studien.

Brasilien und die Türkei haben das Vakzin von Sinovac bereits zugelassen. Das Unternehmen hat zudem mit mindestens acht Ländern Lieferverträge geschlossen, das sind Hongkong, Malaysia, Singapur, Indonesien, die Philippinen, Thailand sowie Chile und die Ukraine. 

1. Februar 2021

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Eine französische Studie hat die Charakteristika der beiden Krankheiten verglichen, von der Morbidität bis zur Mortalität, und dafür die Daten der French National Administrative Database von knapp 90.000 COVID-Patienten ausgewertet, die während der ersten Welle im Krankenhaus aufgenommen wurden. Dem gegenüber steht die Vergleichsgruppe von knapp 46.000 Influenza-Patienten aus der letzten Winter-Saison. Im Durchschnitt waren die Patienten zwischen 68 und 71 Jahre alt.

An COVID-19 erkrankten viel mehr übergewichtige Personen - auch sehr junge Patienten zwischen 11 und 17 Jahren - sowie Diabetiker oder Hochdruck-Patienten. Sie hatten häufiger Atemnot, Lungenembolien und Schlaganfälle während der Infektion. Die Grippe-Patienten litten hingegen vermehrt an Herzinsuffizienz, chronischen Atemwegserkrankungen, Zirrhosen und Blutarmut. Herzinfarkte und Vorhofflimmern traten bei ihnen auch öfter auf.

Es sterben mehr Patienten an COVID-19

Laut der Datenanalyse wiesen COVID-Patienten mit 16,9 Prozent zu 5,8 Prozent eine höhere Mortalität auf. Auffällig war weiter, dass sehr viel weniger Kinder mit COVID-19 ins Krankenhaus kamen als mit Influenza: 1,4 zu 19,5 Prozent. Das stützt die bisherigen Studienerkenntnisse, dass Kinder selten schwer an COVID-19 erkranken. Kamen Kinder unter fünf Jahren mit dem Coronavirus in die Klinik, mussten sie jedoch häufiger intensivmedizinisch behandelt werden als bei der Grippe: 2,3 zu 0,9 Prozent. Da Kinder in der Studie unterrepräsentiert waren, müssen die Ergebnisee den Autoren zufolge in weiteren Studien validiert werden.

Diese Ergebnisse unterstreichen demnach die Bedeutung geeigneter Präventivmaßnahmen bei COVID-19 sowie die Notwendigkeit eines Impfstoffs.

Die Ergebnisse im Überblick:

  • Patienten, die mit COVID-19 ins Krankenhaus kamen, waren häufiger übergewichtig als Patienten mit Influenza und wiesen andere Vorerkrankungen auf.
  • Das Sterberisiko war bei COVID-19 deutlich höher.
  • Es kamen weniger Kinder mit COVID-19 ins Krankenhaus als mit Influenza.

Piroth, L. et al. "Comparison of the characteristics, morbidity, and mortality of COVID-19 and seasonal influenza: a nationwide, population-based retrospective cohort study" published on 27 Dec in The Lancet DOI: https://doi.org/10.1016/S2213-2600(20)30527-0

28. Januar 2021

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Neuer Impfstoff erzielt bis zu 100 Prozent Wirksamkeit - Produktion gestartet

Erste Aussagen zur Wirkung sind gut - auch bei Menschen über 65, die Nebenwirkungen gering. Bald sollen zum Impfstoffkandidaten Ad26.COV2.S Ergebnisse der Phase III vorliegen. Die Produktion läuft bereits.

Eine multizentrische, placebokontrollierte Phase-1-2a-Studie untersuchte sowohl für gesunde Erwachsene im Alter von 18 bis 55 Jahren (Kohorte 1) als auch Personen ab 65 Jahren (Kohorte 3) für den Impfstoffkandidaten Ad26.COV2.S Wirkung und Nebenwirkungen.

Ergebnis: Bereits nach der ersten Dosis kam es bei mehr als 90 Prozent der 805 Studienteilnehmer zur Bildung von neutralisierenden Antikörpern gegen SARS-CoV-2 . Nach 57 Tagen hatten sogar 100 Prozent Antikörper gebildet. Auch bei Älteren schlug der Impfstoff sehr gut an. Die Antikörper-Titer blieben bis mindestens Tag 71 stabil, schreiben die Autoren. Eine zweite Impfdosis sorgte für eine Erhöhung des Titers um den Faktor 2,6 bis 2,9. Spike-bindende Antikörperreaktionen ähnelten neutralisierenden Antikörperreaktionen.

Zulassungsantrag könnte im Februar erfolgen

Der US-Konzern Johnson & Johnson (J&J) arbeitet Medienberichten zufolge mit Hochdruck am geplanten Marktstart seines Corona-Impfstoffs Ad26.COV2.S in Europa. Die Produktion ist im Werk im niederländischen Leiden laut einer Unternehmenssprecherin "bereits angelaufen". Noch im Januar werde mit den Ergebnissen der Phase III Studie gerechnet, hieß es außerdem. Je nach Ergebnislage will das Unternehmen dann "zeitnah den Zulassungsantrag bei der europäischen Arznei-Mittel-Agentur (EMA) stellen."

Nach der Verabreichung der ersten Impfstoffdosis kam es in den Kohorten 1 und 3 und nach der zweiten Dosis in Kohorte 1 lediglich zu Müdigkeit, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Schmerzen an der Injektionsstelle. Das häufigste systemische unerwünschte Ereignis war Fieber. Systemische Nebenwirkungen traten in Kohorte 3 weniger häufig auf als in Kohorte 1.

In Kohorte 2 werden längerfristige Daten gesammelt, die eine Einzeldosis-Gabe mit einer Gabe von zwei Dosen vergleichen. Die Ergebnisse dieser Kohorte sind nicht Gegenstand der Veröffentlichung.

Jerald Sadoff et al, "Interim Results of a Phase 1-2a Trial of Ad26.COV2.S Covid-19 Vaccine", Interim Results of a Phase 1-2a Trial of Ad26.COV2.S Covid-19 Vaccine. N Engl J Med. 2021 Jan 13. doi: 10.1056/NEJMoa2034201.

26. Januar 2021

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SARS-CoV-2 greift das Herz an

Infektionen mit SARS-CoV-2 bedeuten nicht nur eine Belastung für die Lunge. Das Virus befällt auch massiv das Herz-Kreislauf-System.

Das Forschungsteam des Instituts für Molekulare und Translationale Therapiestrategien der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat in Zusammenarbeit mit den MHH-Kliniken für Kardiologie und Angiologie sowie für Pneumologie Blutproben von 38 COVID-19-Patienten untersucht, die intensivmedizinisch behandelt und beatmet wurden.

Die These: Sogenannte nicht kodierende mikroRNAs, die keine Baupläne für genetische Information tragen, spielen eine wesentliche regulatorische Rolle bei der überschießenden Immunreaktion und den anschließenden Umbauarbeiten im Bindegewebe der Lunge und des Herzens.

Dazu wurde das Blut von Grippe-Patienten mit akutem Atemnotsyndrom (Acute Respiratory Distress Syndrome ARDS) untersucht, die ebenfalls intensivmedizinisch behandelt und beatmet werden mussten, und mit dem einer gesunden Kontrollgruppe verglichen. Ergebnis: Im Vergleich zu den Gesunden war die Konzentration der mikroRNA-Marker im Blutserum der schwerkranken COVID-19-Patienten deutlich erhöht. Sie unterschied sich aber auch signifikant von den Werten der schwerkranken, ebenfalls mechanisch beatmeten Grippe-Patienten.

Der Nachweis, dass auch das Herz direkt von SARS-CoV-2-Infektionen betroffen ist, hat möglicherweise Folgen für die Behandlung Erkrankter, schreiben die Autoren. "Nach unserer Einschätzung müsste die Herzfunktion von COVID-19-Patienten im Langzeitverlauf beobachtet werden", sagt Studienleiter Prof. Dr. Dr. Thomas Thum.

Nun will das Forschungsteam untersuchen, ob mithilfe der Biomarker auch eine Prognoseabschätzung für den Krankheitsverlauf und für die Genesung möglich ist. Eine weitere Hoffnung ist, dass die mikroRNAs Ansätze für neue Therapien ermöglichen könnten.

Ankita Garg et al, "Circulating cardiovascular microRNAs in critically ill COVID‐19 patients Short title: microRNA signatures in COVID‐19", European Journal of Heart Failure, First published: 09 January 2021 https://doi.org/10.1002/ejhf.2096

25. Januar 2021

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Wuhan: Sechs Monate nach der Behandlung in einer Klinik untersuchten Ärzte im Zuge einer Long-COVID-Studie die ehemaligen Patienten. Ergebnis: Insgesamt 76 Prozent klagten über anhaltende Symptome.

In der Jin Yin-tan Klinik in Wuhan wurden im Frühjahr 2020 rund 2.500 Patienten mit COVID behandelt. Sechs Monate später befragten Mediziner gut 1.700 von ihnen zu ihrem aktuellen gesundheitlichen Befinden. 390 Personen wurden für die Studie umfangreich nachuntersucht. Insgesamt gaben 76 Prozent der befragten ehemaligen Patienten an, auch nach einem halb Jahr Spätfolgen zu spüren: Bei 63 Prozent treten Müdigkeit und Muskelschwäche auf. Weiter gaben 26 Prozent Schlafstörungen und 23 Prozent sogar Depressionen an.

Bei Lungenfunktionstests wurde bei vielen Patienten eine verringerte Diffusionskapazität gemessen. Auch bestehende Milchglas-Trübungen auf den Kontrollbildern der CT geben Hinweis darauf, dass eine diagnostizierte Lungenentzündung noch nicht vollständig ausgeheilt war.

Bei 94 Prozent der Teilnehmer wurden spezifische Antikörper-Untersuchungen gemacht. Hier sankt die Seropositivität von 96 auf 58 Prozent und der durchschnittliche Titer neutralisierender Antikörper von 19 auf 10. Durch den sinkenden Immunschutz schließen die Forscher die Möglichkeit einer erneuten Ansteckung mit SARS-CoV-2 nicht aus.

Zwar langen keine Angaben zum Gesundheitszustand beziehungsweise Beschwerden und Erkrankungen vor der COVID-Infektion in dieser Studie vor, dennoch sind die möglichen Langzeitfolgen von COVID nicht von der Hand zu weisen.

Huang, C. et al. "6-month consequences of COVID-19 in patients discharged from hospital: a cohort study" published in The Lancet on 6 Jan 2021 DOI: https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)32656-8/fulltext

22. Januar 2021

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Report aus den USA: Nur 21 Anaphylaxis-Fälle bei 1,9 Millionen Corona-Impfungen

Anaphylaxie ist eine schwere, lebensbedrohliche allergische Reaktion, die in seltenen Fällen nach der Impfung auftritt. Im Zeitraum vom 14. bis 23. Dezember 2020 wurden in den USA 21 Fälle von Anaphylaxie nach Verabreichung einer ersten Impfdosis gemeldet. Insgesamt wurden in dem Zeitraum 1.893.360 Dosen des Impfstoffs von Pfizer-BioNTech verabreicht. Das ergibt 11,1 Fälle pro einer Million Dosen, fasst die US-amerikanischen Behörde CDC (Center for Disease Control and Prevention) in einem ersten Bericht zum Thema zusammen. 71 Prozent dieser Reaktionen davon traten innerhalb von 15 Minuten nach der Impfung auf.

Insgesamt wurden 175 Fallberichte zur weiteren Überprüfung als mögliche Fälle schwerer allergischer Reaktionen, einschließlich Anaphylaxie, identifiziert. In den letztlich als Anaphylaxie definierten 21 Fällen handelte es sich bei 17 Personen um solche mit einer dokumentierten Vorgeschichte von Allergien oder allergischen Reaktionen, von denen sieben bereits eine Anaphylaxiegeschichte hatten.

Daten zum Moderna-Impfstoff sind im Bericht noch nicht enthalten

Die CDC erklärt allerdings, dass die Ergebnisse ihres Reports diversen Einschränkungen unterliegen. Zunächst wurden die Berichte über allergische Reaktionen durch passive Überwachung auf der Grundlage spontaner Berichte gesammelt. Spontane Berichterstattung unterliegt jedoch Meldevorurteilen, argumentiert die Behörde. Eine zweite potenzielle Quelle von Verzerrungen ergebe sich aus der stimulierten Berichterstattung im Zusammenhang mit einem verstärkten Bewusstsein für ein potenzielles Sicherheitsproblem.

So sei es möglich, dass die intensive mediale Aufmerksamkeit rund um das nationale COVID-19-Impfprogramm und ein erhöhtes Bewusstsein für Berichte über Anaphylaxie zu einer größeren Zahl von Verdachtsfällen führt und einen niedrigeren Schwellenwert für die frühzeitige Behandlung von Verdachtsfällen, was zu einer Zunahme der Diagnose von Verdacht auf Anaphylaxie führt. Außerdem sei es möglich, dass Datenverzögerungen und unvollständige Berichte über verabreichte Impfstoffdosen zu temporär verzerrten Werten führen.

Aktuell liegt der Fokus des Berichts auf dem COVID-19-Impfstoff von Pfizer-BioNTech. Der Grund: Daten über den Moderna-Impfstoff, der in den USA eine Woche später verfügbar wurde, waren zunächst begrenzt. Die Impfung mit dem Impfstoff Moderna COVID-19 begann am 21. Dezember 2020, und bis zum 23. Dezember 2020 wurden schätzungsweise 224.322 erste Dosen des Impfstoffs verabreicht.

Tom Shimabukoru, "Allergic Reactions Including Anaphylaxis After Receipt of the First Dose of Pfizer-BioNTech COVID-19 Vaccine - United States, December 14-23, 2020", Weekly / January 15, 2021 / 70(2);46-51, https://www.cdc.gov/mmwr/volumes/70/wr/mm7002e1.htm

19. Januar 2021

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Genesene Krankenhaus-Mitarbeiter sind gut gegen Reinfektionen geschützt

Die britische SIREN-Studie (Sarscov2 Immunity & REinfection EvaluatioN) untersucht anhand einer multizentrischen prospektiven Kohorte die Auswirkungen von nachweisbaren SARS-CoV-2-Antikörpern auf die Inzidenz von COVID-19 bei Beschäftigten im Gesundheitswesen. Die mehr als 20.000 Teilnehmer sind alle in öffentlich finanzierten Krankenhäusern des Vereinigten Königreichs beschäftigt und unterziehen sich alle zwei bis vier Wochen PCR- und Antikörpertests und füllen vierzehntägig Fragebögen zu Symptomen und Expositionen aus.

Bei der Einschreibung wurden die Teilnehmer entweder der positiven Kohorte (Antikörper positiv oder vorheriger PCR-/Antikörpertest positiv) oder der negativen Kohorte (Antikörper negativ, bisher nicht bekannt als PCR/Antikörper positiv) zugeordnet. Anschließend wurden die Reinfektionsraten in der positiven Kohorte mit neuen PCR-Positiven in der negativen Kohorte verglichen.

Ergebnis: Zwischen dem 18. Juni und dem 9. November 2020 wurden 44 mögliche Reinfektionen in der positiven Kohorte (6.614 Teilnehmer) festgestellt. Nachdem geprüft wurde, ob die Tests nicht vielleicht nur verbliebene Viren der ersten Infektion erneut nachgewiesen hatten, stuften die Wissenschaftler nur zwei der 44 Fälle als "wahrscheinliche" Reinfektionen ein. Dem stehen 318 neue PCR-positive Infektionen und 94 Serokoversionen - also das erstmalige Auftreten von Antikörpern im Blutserum - in der negativen Kohorte (14.173 Teilnehmer) gegenüber.

Die bislang noch nicht begutachteten Zwischenergebnisse zeigen nach Einschätzung der Autoren, dass eine überstandene SARS-CoV-2-Infektion für mindestens fünf Monate (das entspricht der bisher ausgewerteten Laufzeit der Studie) zu einem um 83 Prozent reduzierten Infektionsrisiko führt. Möglicherweise sei der Wert sogar noch höher, weil die beobachteten Serokonversionen in dieser Kalkulation nicht berücksichtigt wurden.

Das Team fand allerdings auch heraus, dass die Reinfizierten hohe Mengen des Virus in Nase und Rachen tragen können ohne Symptome zu zeigen. Derartige Viruslasten könnten das Risiko erhöhen, das Virus zu übertragen.

Die Studie läuft nun weiter, um Aussagen zu einem über fünf Monate hinausreichenden Schutz treffen zu können. Außerdem geht es darum, die Auswirkungen der in Großbritannien zuerst sequenzierten SARS-CoV-2-Variante B.1.1.7 zu untersuchen. Denn offen ist, ob die Immunantwort gegen unterschiedliche Varianten des Virus unterschiedlich stark wirksam sind.

Hall, V. et al., "Do antibody positive healthcare workers have lower SARS-CoV-2 infection rates than antibody negative healthcare workers? Large multi-centre prospective cohort study (the SIREN study), England: June to November 2020", Preprint at medRxiv, https://doi.org/10.1101/2021.01.13.21249642.

18. Januar 2021

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Männer haben um 18 Prozent höheres Risiko für schweren COVID-Verlauf

Eine Metaanalyse von 59 Studien mit 36.470 Patienten zeigt, dass Männer ein höheres Risiko für einen schweren COVID-Verlauf, einen höheren Bedarf an Intensivpflege und ein höheres Sterberisiko haben. Das relative Risiko (RR) für einen schweren Verlauf wuchs demnach im Mittel um 18 Prozent (die Schwankungsbreite lag bei einem Konfidenzintervall von 95 Prozent bei einem relativen Risiko von +10 bis +27 Prozent), für einen höheren Bedarf an Intensivpflege um 38 Prozent (Schwankungsbreite von +9 bis +74 Prozent) und ein um 50 Prozent höheres Sterberisiko (Schwankungsbreite +18 bis +91 Prozent)

Das gilt den Analysen zufolge auch für Patienten ab 70 Jahren. Sie haben ein deutlich höheres Infektionsrisiko (RR +65 Prozent, Schwankungsbreite von +50 bis +81 Prozent), ein höheres Risiko für eine schwere COVID-19-Krankheit (+105 Prozent, Schwankungsbreite von +27 bis +232 Prozent), einen höheren Bedarf an Intensivmedizin (RR +170 Prozent, Schwankungsbreite von +59 bis +360 Prozent) sowie ein höheres Sterberisiko nach der Infektion (RR +261 Prozent, Schwankungsbreite +170 bis +384 Prozent) im Vergleich zu Patienten unter 70 Jahren.

Bart G. Pijls et al. "Demographic risk factors for COVID-19 infection, severity, ICU admission and death: a meta-analysis of 59 studies." BMJ Open. 2021 Jan 11;11(1):e044640. doi: 10.1136/bmjopen-2020-044640.

14. Januar 2021

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Das Coronavirus greift auch die Zellen der Darmschleimhaut an: Stuhlproben legen ein deutlich verändertes Vorkommen bestimmter Darmbakterien bei schweren Verläufen offen, wie eine kleine Studie aus Hongkong zeigt.

COVID-19 greift verschiedene Organe beziehungsweise deren Zellen im Körper an, so auch die Zellen der Darmschleimhaut. Da im Darm ein wesentlicher Teil des Immunsystems angesiedelt ist und hier das Bakterienvorkommen im Darm kontrolliert wird, liegt die Annahme nahe, dass es bei einer COVID-Erkrankung zu einer Veränderung der Darmflora kommen kann. Da das Immunsystem häufig mit einer Überreaktion auf das Virus reagiert, könnte das Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmflora haben, vrmuten die Forscher.

An der Chinesischen Universität in Hongkong haben Forscher Stuhlproben von Erkrankten, die im Frühjahr in der Uniklinik behandelt wurden, ausgewertet. In den Proben wurden tatsächlich einige Bakterien, wie zum Beispiel Ruminococcus gnavus, Ruminococcus torques und Bacteroides dorei, vermehrt festgestellt. Andere kamen hingegen seltener vor als bei Personen ohne Infektion, darunter Bifidobacterium adolescentis und Eubacterium rectale.

Dieses geringere Vorkommen wurde nach Berücksichtigung des Alters und der Einnahme von Antibiotika mit schweren Verläufen assoziiert. Insgesamt korrelierte die auf diese Zusammensetzung veränderte Flora mit den Entzündungswerten der Patienten.

Die Studie liefert jedoch bislang nur erste Anhaltpunkte und eignet sich noch nicht für eine pauschale Schlussfolgerung. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Veränderungen auch mit vorliegenden Vorerkrankungen wie Diabetes und Übergewicht sowie mit früherer Einnahme von Antibiotika zusammenhängen können.

Yun Kit Yeoh et al. "Gut microbiota composition reflects disease severity and dysfunctional immune responses in patients with COVID-19" DOI: https://gut.bmj.com/content/early/2021/01/04/gutjnl-2020-323020 published 11 Jan 2021 in Gut microbiota

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Studie erklärt Limitierungen von Remdesivir

Forscher des Max-Planck-Instituts (MPI) für biophysikalische Chemie in Göttingen und der Universität Würzburg haben nun aufgeklärt, wie Remdesivir die virale Polymerase beim Kopieren stört und warum es sie nicht vollständig hemmt. Ihre Ergebnisse erklären, warum das Medikament eine eher schwache Wirkung hat. Zu Beginn der Pandemie hatte das Team aufgeklärt, wie das Coronavirus sein RNA-Genom dupliziert. Für den Erreger ist dies eine kolossale Aufgabe, da sein Genom rund 30.000 RNA-Bausteine ​​umfasst, was es besonders lang macht. 

Remdesivirs Struktur ähnelt der von RNA-Bausteinen, weshalb die Polymerase irregeführt wird und die Substanz in die wachsende RNA-Kette integriert. Die Forschenden untersuchten darum die Polymerase-RNA-Komplexe mit biochemischen Methoden und Kryo-Elektronenmikroskopie. Sie entdeckten, dass der Kopiervorgang genau dann unterbrochen wird, wenn drei weitere Bausteine ​​hinzugefügt wurden, nachdem Remdesivir in die RNA-Kette eingebaut wurde. Die Polymerase erlaubt anschließend nicht die Installation einer vierten. Diese Pause wird durch nur zwei Atome in der Struktur von Remdesivir verursacht.

Das Problem: Remdesivir blockiert die RNA-Produktion nicht vollständig. Oft setzt die Polymerase ihre Arbeit fort, nachdem der Fehler behoben wurde, erklären die Autoren. Das Verständnis der Wirkungsweise von Remdesivir eröffne jedoch neue Möglichkeiten bei der Entwicklung neuer Therapeutika gegen COVID-19.

Goran Kokic et al. "Mechanism of SARS-CoV-2 polymerase inhibition by remdesivir". Nature Communications 12, 279 (2021), doi: 10.1038/s41467-020-20542-0

13. Januar 2021

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Eine Studie in Brasilien untersuchte die Reinfektion zwei Mitarbeiterinnen aus dem Gesundheitswesen im Norden des Landes, die sich binnen weniger Monate erneut mit einer Mutante von SARS-CoV-2 ansteckten.

Bislang versetzten die Meldungen von Mehrfach-Infektionen die Wissenschaft nicht in Sorge. Im Fall der beiden Frauen aus Brasilien ist indes bemerkenswert, dass die neuen Infektionen durch eine andere Virusvariante verursacht wurden. Die festgestellte Genveränderung trägt die Bezeichnung E484K und wird auch in der deutlich ansteckenderen Virusmutation aus Südafrika vermutet.

Erste Laboruntersuchungen dazu zeigen, dass gebildete Antikörper gegen die Mutation schwächer wirken, da sie sich schwächer an das Virus binden. So kann auch eine Reinfektion einfacher erfolgen und auch die Frage nach der Wirksamkeit der Impfstoffe gegen die neuen Virusmutationen gibt Anlass zur weiteren Prüfung.

Die Fälle: Im Abstand von vier Monaten wurde eine der beiden Frauen zwei Mal positiv auf das Virus getestet. "Die Sequenzierung des gesamten Genoms ergab, dass die beiden Infektionen durch die brasilianischen Sars-CoV-2-Linien B.1.1.33 und B.1.1.28 verursacht wurden", heißt es in der bislang von ungeprüften Studie aus dem Labor für Atemwegsviren und Masern in Rio de Janeiro. Die zweite Frau infizierte sich innerhalb von fünf Monaten zwei Mal - zunächst mit derselben Viruslinie, dann mit der Variante B.1.1.248, die nah mit der Variante B.1.1.28-Linie verwandt ist.

Diese Fälle der Reinfektion durch Virusmutationen von SARS-CoV-2 sind den Forschern zufolge zu einen entmutigend, zum anderen aber als Einzelfälle noch nicht für endgültige Schlussfolgerungen geeignet. Dennoch bleibe die Frage, wie lange die schützende Immunantwort nach einer überstandenen Infektion oder der Impfung Bestand hat.

Resende, P. C. et al. "Spike E484K mutation in the first SARS-CoV-2 reinfection case confirmed in Brazil, 2020" published on 11 Jan 2021 as Pre Print on virological.org

8. Januar 2021

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Wichtige Erkenntnisse zum Immungedächtnis für SARS-CoV-2: Bis zu acht Monate stabil

Das Verständnis des Immungedächtnisses gegen SARS-CoV-2 ist entscheidend für die Verbesserung von Diagnostika und Impfstoffen sowie für die Prognose des Pandemieverlaufs. Eine US-Studie zum Thema macht Mut.

Die Forschenden analysierten mehrere Kompartimente des zirkulierenden Immungedächtnisses zu SARS-CoV-2 in 254 Proben aus 188 COVID-19-Fällen, einschließlich 43 Proben ≥ 6 Monate nach der Infektion. Ergebnis: Antikörper zum Spike-Protein waren über mehr als sechs Monate relativ stabil. Spike-spezifische Gedächtnis-B-Zellen waren ein halbes Jahr nach dem Auftreten der ersten Symptome sogar häufiger als fünf Monate zuvor. Die SARS-CoV-2-spezifischen CD4 + T-Zellen und CD8 + T-Zellen nahmen hingegen etwa mit einer Halbwertszeit von drei bis fünf Monaten ab.

Einschränkend sei laut der Studienautoren festzuhalten, dass jede Komponente des Immungedächtnisses eine unterschiedliche Kinetik aufweist und in der vorliegenden Studie nur das zirkulierende Immungedächtnis bewertet wurde. Die Bedeutung des lokalen Immungedächtnisses nach einer Primärinfektion mit SARS-CoV-2 sei noch offen. Außerdem sei die Heterogenität der Immunantworten auf SARS-CoV-2 zwischen Individuen ein zentrales Merkmal aller bisherigen Untersuchungen zum Thema. Aus dieser Heterogenität leitet sich nach Ansicht der Autorinnen und Autoren ab, dass weitere Langzeitlängsstudien mit engmaschigen Probenentnahmen erforderlich sind, um die Antikörperkinetik gegen SARS-CoV-2 genauer zu definieren.

Die bisher vorliegenden Daten legten jedoch nahe, dass das T-Zell-Gedächtnis über die ersten acht Monate nach einer SARS-CoV-2-Infektion hinaus ein stabileres Plateau oder eine langsamere Zerfallsphase erreichen könnte. Ein Befund, der allerdings keine direkten Schlussfolgerungen über eine schützende Immunität erlaube.

Jennifer M. Dan et al. "Immunological memory to SARS-CoV-2 assessed for up to 8 months after infection", published in Science 6 Jan 2021, DOI: 10.1126/science.abf4063

Olfaktorischen Dysfunktion tritt vor allem bei leichten COVID-Verläufen auf

Eine neue Studie aus Belgien, Frankreich und Spanien widmet sich der Prävalenz und Rekonvaleszenz von Olfaktorischer Dysfunktion (OD) bei COVID-Patienten. Dazu wurde ein zwischen dem 22. März und 3. Juni 2020 erhobener Datensatz von 2.581 Patienten aus 18 europäischen Krankenhäusern ausgewertet und diese befragt. Von den 1.916 Patienten mit OD nahmen 1.363 bis zum Ende an der Erhebung teil (71,1 Prozent).

Ergebnis: Die Prävalenz von OD war bei milden Verläufen von COVID-19 (85,9 Prozent) signifikant höher als bei moderaten bis kritischen Verläufen (4,5-6,9 Prozent; P = 0,001). Insgesamt 328 Patienten (24,1 Prozent) erholten sich - ihrer subjektiven Bewertung nach - auch bis 60 Tage nach Beginn der Dysfunktion nicht. Die mittlere Dauer der selbst berichteten OD betrug 21,6 ± 17,9 Tage.

Objektive olfaktorische Bewertungen ergaben Hyposmie / Anosmie in 54,7 Prozent bzw. 36,6 Prozent von leichter bis kritischer Form (P = 0,001). Innerhalb von 60 Tagen erholten sich 84,7 Prozent der objektiv anosmischen / hyposmischen Patienten vollständig. Nach sechs Monaten lag dieser Wert bei 95,3 Prozent.

J. R. Lechien et al. "Prevalence and 6‐month recovery of olfactory dysfunction: a multicentre study of 1363 COVID‐19 patients", Published in Journal of Internal Medicine, 05 January 2021, https://doi.org/10.1111/joim.13209

6. Januar 2021

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Während die Schließung von Lehrstätten wie Schulen und Universitäten die Ansteckung um bis zu 40 Prozent reduzieren konnte, sind Ausgangsperren offenbar wenig effektiv.

Angesichts der aufgeheizten Diskussion um die Verlängerung und Verschärfungen der Pandemie-Maßnahmen, bringen wissenschaftliche Daten vielleicht Klarheit: An der britischen Oxford-Universität haben Forscher per Datenanalyse zum Infektionsgeschehen in 41 vorrangig europäischen Ländern errechnet, welche Maßnahmen wie wirkungsvoll sind.

Dafür verglichen sie Daten vom 20. Januar bis zum 30. Mai 2020 zu registrierten Infektionen und Sterbefällen und stellten diese in Zusammenhang mit den in dem Zeitraum geltenden Regelungen.

Ergebnisse: Die Schließungen von Schulen und Universitäten sowie die Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich zeigten den Errechnungen nach die deutlichste Wirkung auf die Virusausbreitung.

Dagegen hatte die Schließung von Gastronomie und Geschäften nur einen mittelstarken Einfluss. Ausgangsperren waren sogar nur in einem so geringen Umfang effektiv, so dass diese Restriktion nicht zwangsläufig nötig gewesen wäre, schreiben die Studienautoren.

Als ersten Schritte wurde anhand der Meldezahlen der Infektionen und Todesfälle der tatsächliche Pandemieverlauf in dem Zeitraum der ersten Welle errechnet. Die sich daraus ergebene reale Reproduktionszahl wurde im Anschluss zur Errechnung der realen Effektivität der Maßnahmen verwendet. Da diese in den Ländern unterschiedlich ausfielen, konnten die Forschern die Wirksamkeit vergleichen und Rückschlüsse anstellen.

Schulschließungen haben demnach die Reproduktionszahl um bis zu 40 Prozent reduziert. Die Ausgangssperren hingegen zeigten nur einen 10-prozentigen Minderungseffekt. Auch wenn die Aussagen der Studie eher allgemein ausfallen, sei doch ein klarer Trend zu erkennen, resümieren die Autoren.

Brauner, J. M. et al. "Inferring the effectiveness of government interventions against COVID-19" published in Science 15 Dec 2020 DOI: 10.1126/science.abd9338

5. Januar 2021

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Eine experimentelle Studie belegt, dass hohe Blutdruckwerte durch SARS-CoV-2 verursachte Entzündungen begünstigen. Allerdings kann diese Gefahr mit ACE-Hemmern signifikant gesenkt werden.

Hypertonie gehört zu den häufigsten Risikofaktoren für einen ernsten Krankheitsverlauf bei COVID-19. Bleibt er unentdeckt oder unbehandelt, steigt die Gefahr, nach der Virusinfektion schwer zu erkranken.

Wissenschaftler um die Berliner Professorin Irina Lehmann von der Berliner Charité haben im Rahmen einer kleinen Studie dazu weitere Daten ermittelt und heben darin auch auf den Einsatznutzen von ACE-Hemmern ab: Eine medikamentöse Bluthochdrucktherapie kann das Risiko von schwer entzündlichen Verläufen demnach senken. Das gilt jedoch nicht für Sartane als Therapeutika.
In Deutschland hat ein Drittel der Erwachsenen erhöhte Blutdruckwerte. Ab einem Lebensalter von 60 Jahren weist sogar jeder zweite Bluthochdruck auf - dieser ergibt zusammen mit steigendem Alter einen prägnanten Risikofaktor für COVID-19. Aber wie die Studie belegt, stellt sich Bluthochdruck unbehandelt auch als alleiniger Risikofaktor dar.

Für die Studie wurden Daten von Patienten und ihren Nasopharyngeal-Abstrichen ausgewertet. Bei Erkrankten mit einer arteriellen Hypertonie wiesen die Immunzellen eine stärkere Entzündungsreaktion auf als bei Patienten ohne erhöhte Blutdruckwerte. Die Infektionen dauerten im Durchschnitt länger bis sie ausgeheilt waren und zeigten häufiger eine Anfälligkeit für schwere Atemwegsinfektionen.
Weiter zeigt die Studie, dass verabreichte ACE-Hemmer das Risiko des schweren Verlaufs nahezu auf das Niveau eines Patienten mit normalen Bluthochdruckwerten senken. Diese Erkenntnis verdeutlicht laut der Autoren, wie wichtig es ist, eine Hypertonie in der Pandemie zu erkennen und zu behandeln.

Die Ergebnisse werden derzeit in Fachkreisen diskutiert. Die Studie ist von der Teilnehmerzahl nicht umfangreich genug, um verschiedene Blutdrucksenker miteinander zu vergleichen. Bis dahin gelten weiterhin die Empfehlungen der Deutschen Hochdruckliga, eine bestehende Medikamentation während der COVID-Erkrankung nicht zu verändern.
Lukassen, S. et al. "Hypertension delays viral clearance and exacerbates airway hyperinflammation in patients with COVID-19." published in Nature Biotechnology on 24 Dec 2020. DOI: https://doi.org/10.1038/s41587-020-00796-1

4. Januar 2021

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Sehr viel ansteckender, aber nicht tödlicher - eine Studie hat anhand von Patientendaten die Virusmutation B.1.1.7 mit alten Varianten verglichen und bestätigt damit wissenschaftliche Annahmen.

Nach den aktuellen Untersuchungen der britischen Gesundheitsbehörde Public Health England verursacht die neue Virusmutation keinen schwereren Verlauf, wie zunächst von verschiedenen Gesundheitsexperten befürchtet. Dafür zeigt sich die Befallsrate, die sogenannte Secondary Attack Rate, höher als bei bekannten Varianten. Kontaktpersonen können durch die neue Mutation einfacher angesteckt werden.

Für die Erkenntnisse werteten die Forscher Daten von 1.769 Infizierten mit der Mutation und die von 1.769 Infizierten mit den bekannten SARS-CoV-2-Erregern aus. Berücksichtigt wurden beim Vergleich Angaben zum Alter, Geschlecht, dem Wohnort der Infizierten und der Testzeitpunkt. Von den insgesamt 3.538 infizierten Personen wurden 42 im Krankenhaus behandelt, davon waren 16 an der neuen Mutation erkrankt. Zwölf Personen verstarben an dieser neuen Variante. In der Kontrollgruppe hingegen zehn.

Die Studie ist noch nicht abgeschlossen, ihre Erkenntnisse werden derzeit diskutiert. Sie bestätigen bereits gewonnene Zwischenerkenntnisse einer Untersuchung aus Birmingham, die feststellte, dass symptomatische Infizierte mit der B.1.1.7-Variante bis zu 35 Prozent mehr Viruslast in ihren Proben aufweisen als asymptomatische. Bei den herkömmlichen Varianten waren es hingegen nur zehn Prozent. Vorläufig halten die Autoren fest, dass die Studie keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Hospitalisierung und der 28-Tage-Todesrate in Zusammenhang mit der Mutation zeigt.

Die neue Mutation wurde in Deutschland bereits im November festgestellt. Zuvor hatte man sie auch in Chilie und dem US-Bundesstaat Colorado nachgewiesen.

Chand, M. et al in "Investigation of novel SARS-CoV-2 variantVariant of Concern 202012/01" Public Health England on Dec 28, 2020

18. Dezember 2020

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Am 9. März 2020 entwickelten die 60-jährigen männliche Zwillinge Symptome, die mit Fieber und Nasenverstopfung begannen, sich mit Müdigkeit, Dyspnoe und trockenem Husten fortsetzten und nach 10 Tagen zu einer Hospitalisierung führten.

Nasopharyngeale Abstriche mit einem Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktionstest in Echtzeit waren positiv. Keiner der Zwillinge hatte eine Vorgeschichte mit chronischen Krankheiten, kardiovaskulären Risikofaktoren oder Langzeittherapie. Sie lebten im selben Haus und arbeiteten am selben Ort in einer Karosseriewerkstatt, wo sie Autos reparierten. Die Kontaktverfolgung identifizierte einen ihrer Kunden, der ohne Schutzmaßnahmen eng mit ihnen interagierte, als wahrscheinliche Quelle ihrer Infektionen.

Die Zwillinge hatten beide eine leichte interstitielle Pneumonie. Dasselbe medizinische Team versorgte beide Zwillinge während der ersten zwei Wochen ihres Krankenhausaufenthalts, wo sie mit zusätzlichem Sauerstoff, Paracetamol, Hydroxychloroquin, Darunavir/Cobicistat und Enoxaparin in prophylaktischer Dosierung behandelt wurden.

Dennoch hatten die Zwillinge unterschiedliche klinische Verläufe. Zwilling 1 wurde ohne Komplikationen entlassen und erholte sich ohne Probleme. Im Unterschied dazu hatte Zwilling 2 einen progressiven Anstieg der Leukozytenzahl und des C-reaktiven Proteinspiegels, der mit einem variablen Anstieg der Körpertemperatur einherging. Außerdem war eine nicht-invasive Beatmung aufgrund einer Abnahme des Pao2/FIo2-Verhältnisses erforderlich.

Nach 3 Tagen ineffektiver Beatmung wurde er auf die Intensivstation verlegt, wo er intubiert und mechanisch beatmet wurde. Er entwickelte einen septischen Schock aufgrund einer anaeroben bakteriellen Infektion, die Vasopressoren, Antibiotika, Steroide und eine 4-tägige invasive Beatmung erforderte. Auf den Aufenthalt auf der Intensivstation folgten 17 Tage unkomplizierter Krankenhausaufenthalt und eine langsame Erholung, die jedoch mit einer vollständigen Wiederherstellung des Gasaustauschs ohne langfristige Folgen endete.

Einen Grund für den unterschiedlichen Verlauf konnten die Forscher nicht ermitteln. Außer dass der schwer erkrankte Zwilling nicht verheiratet war, waren die Patienteneigenschaften identisch.  Die Autoren vermuten, dass die Unterschiede im Virus (Unterschiede in der Infektionsdosis oder Viren mit unterschiedlichen Mutationen) die Unterschiede in der Krankheitsschwere erklären.

Davide Lazzeroni, Simultaneous COVID-19 in Homozygous Twins, published at Annals.org on 8 December 2020, https://doi.org/10.7326/L20-1207

14. Dezember 2020

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Masken in der Öffentlichkeit reduzieren Virusausbreitung um 50 Prozent

Jena war während der ersten Pandemie-Welle die erste Stadt in Deutschland, die eine Maskenpflicht für den öffentlichen Raum anordnete. Mit Erfolg: Nachdem am 6. April auf öffentlichen Plätzen, in Geschäften und im Nahverkehr ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden musste, verringerte sich das Infektionsgeschehen in den folgenden 20 Tage um 75 Prozent. Bei der Altersgruppe 60 Plus betrug der Rückgang sogar 90 Prozent.

Das Beispiel von Jena diente den Wissenschaftlern der Universität Mainz als Ausgangspunkt für einen bundesweiten Vergleich, um den allgemeinen Effekt einer Maskenpflicht zu untersuchen. Für die Studie verglichen sie die Ansteckungszahlen in den Städten Cloppenburg, Trier, Darmstadt und Rostock vor und drei Wochen nach Einführung der Schutzmaßnahme. Diese Städte sind in ihrer Bevölkerungszahl und -dichte, dem durchschnittlichen Alter der Einwohner, dem Seniorenanteil, dem Infektionsgeschehen sowie dem Angebot von Ärzten und Apotheken mit Jena vergleichbar.

Im Ergebnis war der Eindämmungseffekt nicht so signifikant ausgeprägt wie in Jena, aber eindeutig: Die Ausbreitung des Virus konnte um knapp 50 Prozent reduziert werden, nachdem die Menschen zum Tragen einer Maske im öffentlichen Raum angehalten wurden. Die Neuinfektionen sanken den Studienautoren zufolge von 100 auf 55. Umgekehrt heißt das: Ohne Masken gäbe es 38.000 anstatt 20.000 Neuinfektionen pro Tag in Deutschland.

Dieses Ergebnis stehe mit der Einschätzung von Epidemiologen und Virologen in Einklang, dass ein Mund-Nasen-Schutz den Luftstrom beim Sprechen hemmt und dadurch die Übertragung infektiöser Partikel eingedämmt wird. Die Masken  könnten auch eine Art Signalfunktion für die Bevölkerung haben, sich an die Kontaktbeschränkungen zu halten. "Unsere Ergebnisse legen nahe, dass eine Maskenpflicht ein Baustein auch für die weitere Eindämmung von Covid-19 ist", sagt Prof. Dr. Klaus Wälde, Volkswirt an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Mitze, T. et al: "Face masks considerably reduce COVID-19 cases in Germany" published 3 Dec, 2020 in PNAS https://doi.org/10.1073/pnas.2015954117

9. Dezember 2020

------------------------------------------So hoch ist das Komplikationsrisiko bei COVID-19

Wissenschaftler aus Buffalo im US-Bundesstaat New York haben auf der Basis von 70.288 COVID-19-Patientendaten das Risiko für die häufigsten Komplikationen errechnet. Demnach entwickelt 28 Patienten eine virale Lungenentzündung, 23 leiden an akutem Lungen- und zwölf an akutem Nierenversagen und zehn an einer Sepsis.

Diese Krankheitserscheinungen haben eine starke Assoziation mit COVID-19 und weisen ein hohes absolutes Risiko auf. Weniger risikoreich und dennoch assoziiert sind Begleiterscheinungen wie  Luftansammlungen im Brustkorb (Pneumothorax) mit einem absoluten Risiko von 0,4 Prozent, eine Herzmuskelentzündung (0,1 Prozent) und Gefäßgerinnungen (disseminierte intravasale Koagulopathie) mit 0,1 Prozent von 100 COVID-19-Patienten.
Etwa fünf Prozent der Patienten wurde auf der Intensivstation behandelt, gut die Hälfte stationär. Die Patienten waren im Mittel 65 Jahre alt. Die Daten wurden im Zeitraum zwischen dem 1. März und dem 30. April 2020 erhoben.

Murk, W. et al. "Diagnosis-wide analysis of COVID-19 complications: an exposure-crossover study" Dec. 07 2020 in CMAJ DOI: https://www.cmaj.ca/content/early/2020/12/07/cmaj.201686

7. Dezember 2020

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Eine Studie hat herausgefunden, dass gut zehn Prozent der 987 untersuchten COVID-Patienten mit einer lebensbedrohlichen Pneumonie Antikörper gegen die zentralen Proteine des eigenen Immunsystems entwickelten - Interferone. Diese Proteine weisen eine immunstimulierende, antivirale Wirkung auf.

Die Wissenschaftler halten einen angeborenen B-Zell-Immundefekt, der bei einer Zytokin-Immunität existiert, für eine Ursache von schweren Verläufen. Hier werden neutralisierende Autoantikörper aktiv. Bei den Patienten beeinträchtigt die adaptive Autoimmunität die angeborene, intrinsische antivirale Immunität. Wie die Studie zeigt, waren unter den untersuchten Patienten 94 Prozent männlich. Das könnte eine Erklärung sein, warum mehr männliche Patienten schwer erkranken.

In einer zweiten Studie konnten die Forscher feststellen, dass weitere 3,5 Prozent der kritisch Erkranken Mutationen an ihren Genen aufweisen, die die Interferone an der Virenbekämpfung hindern. Es wird angenommen, dass die Autoantikörper bereits vor der Pandemie gebildet worden waren, bis dahin aber nicht getriggert wurden. Warum das den jetzt Betroffenen keine Probleme verursachte, ist noch nicht geklärt. Die Forscher vermuten, dass das Coronavirus selbst die Interferone unterdrückt.

Bastard, p. et al: "Autoantibodies against type I IFNs in patients with life-threatening COVID-19" published on 23 Oct. 2020 in Science DOI: 10.1126/science.abd4585

4. Dezember 2020

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COVID-19 verursacht auch im Darm Entzündungen und verändert dadurch die Bakterienwelt

Eine Infektion mit SARS-CoV-2 kann eine Vielzahl von Organen befallen, so auch den Verdauungstrakt. Erbrechen, Übelkeit und vor allem Durchfall sind inzwischen festgestellte Symptome. Sie treten vorrangig in der frühen Phase der Infektion auf. Patienten reagieren hier mit Entzündungen, die das Virus auslöst. Durch den Befall wird auch das Mikrobiom stark verändert, berichtet Herbert Tilg, Direktor der Universitätsklink für Innere Medizin Innsbruck. Untersuchungen haben hier gezeigt, dass bei rund 50 Prozent der Betroffenen die Leberwerte krankhaft erhöht sind. Auch hier kommt es zu entzündlichen Prozessen.

COVID-19 verursacht demnach nicht nur eine Entzündung in der Lunge, sondern wahrscheinlich auch im Dünn- und Dickdarm.

"Wir haben gelernt, dass diese Erkrankung ein sehr breites klinisches Bild zeigt", erklärt Tilg. "Das heißt, es können verschiedene Organe beteiligt sein. Es gibt keine andere Virusinfektion, die in einem so großem Ausmaß Entzündungen im Körper verursacht. COVID-19 ist also eine entzündliche Erkrankung, die den Organismus "überfährt".
Im Stuhl der Patienten lässt sich das Entzündungseiweiß Calprotectin nachweisen, das auf eine Entzündung im Dick- und Dünndarm hinweist und die Mikrobiota, vermutlich abhängig vom Schweregrad der Erkrankung, stark beeinflusst. Das wiederum kann die weitere Ausbreitung im Organismus begünstigen und einen "nachhaltigen Effekt auf das Krankheitsbild haben", so Tilg. Seine Schlussfolgerung: Das Mikrobiom muss bei der Therapie mitberücksichtig werden.

2. Dezember 2020

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COVID-19: Kontakt mit Erkältungsviren bietet offenbar keinen Schutz

Viele Menschen hatten bereits vor dem Auftreten des neuartigen Coronavirus Kontakt zu anderen Coronaviren, etwa als Auslöser von Erkältungskrankheiten. Eine Hypothese war daher, dass diese früheren Kontakte zu einem besseren Immunschutz auch vor einer SARS-CoV-2-Infektion beitragen könnten. Forscher vom Institut für Immunologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) gingen dieser Frage jetzt noch einmal nach.

Sie konnten zeigen, dass Menschen, die noch keine Infektion mit SARS-CoV-2 durchgemacht haben, tatsächlich bestimmte Immunzellen, sogenannte T-Gedächtniszellen aufweisen, die auch SARS-CoV-2 als Fremdkörper erkennen können. Allerdings sind diese "prä-existierenden" T-Gedächtniszellen offenbar nicht besonders gut in der Lage, eine SARS-CoV-2-Infektion zu erkennen und für deren Bekämpfung zu sorgen, da sie das Virus nur schwach binden. Stattdessen könnten diese Gedächtniszellen sogar eher zu einem schweren Krankheitsverlauf beitragen.

Trifft das Immunsystem auf einen bis dahin unbekannten Erreger, werden sogenannte naive T-Zellen aktiviert, die eine Immunreaktion bilden, die nach einer Lernphase die Immunreaktion gegen den neuen Erreger vorantreiben. Dieses "Wissen" über den konkreten Krankheitserreger wird nach der akuten Immunreaktion in Form von T-Gedächtniszellen im Körper gespeichert. Kommt das Immunsystem dann wieder mit dem gleichen Erreger in Kontakt, werden diese Gedächtniszellen aktiviert und können schneller und wirkungsvoller den Erreger bekämpfen als naive Zellen. Auch auf ähnliche Erreger, zum Beispiel verschiedene Stämme von Coronaviren, können diese Gedächtniszellen in einer  Kreuzreaktion reagieren und auch diese schneller bekämpfen.

Für die Untersuchung wurde das Blut von Probanden, die bisher keinen Kontakt zu SARS-CoV-2 hatten, auf Immunzellen analysiert. Viele wiesen tatsächlich T-Gedächtniszellen auf, die das Virus erkennen können. "Allerdings haben jüngere Menschen, die häufiger an gewöhnlichen Erkältungen erkranken, entgegen der Erwartung keine größere Anzahl dieser Zellen. Außerdem reagiert nur ein kleiner Teil dieser Zellen auch mit den Corona-Erkältungsviren. Die Gedächtniszellen haben also offenbar wenig mit früheren Kontakten zu Corona-Erkältungsviren zu tun", erklärt Prof. Alexander Scheffold, Direktor des Instituts für Immunologie der CAU. Ihre Fähigkeit, das neue Coronavirus zu erkennen sei eher zufällig, da im Laufe des Lebens das Repertoire an Immunreaktionen mit T-Zellenbildung steigt. In der Wissenschaft nennt man das "immunologisches Alter", das mit dem biologischen Alter vergleichbar ist.

Doch obwohl diese Gedächtniszellen in jedem vorhanden sind, sind sie offensichtlich nicht an der Abwehr einer SARS-CoV-2-Infektion beteiligt. Das liegt vermutlich an ihrer Qualität: "Diese T-Gedächtniszellen erkennen zwar SARS-CoV-2-Viren, allerdings machen sie das nicht besonders gut. Dadurch sind sie wahrscheinlich nicht in der Lage, dafür zu sorgen, dass das Virus erfolgreich bekämpft wird", erläutert die Erstautorin Prof. Petra Bacher.
Denn tatsächlich fand das Forschungsteam bei Patienten mit mildem Verlauf vor allem T-Zellen, die das Virus sehr gut erkennen. Bei schweren Verläufen zeigt sich das umgekehrt: Die T-Zellen erkannten das Virus schlecht, ebenso die T-Gedächtniszellen. "Das könnte darauf hindeuten, dass diese Immunzellen bei den schweren COVID-Fällen von den schlecht bindenden prä-existierenden T-Gedächtniszellen abstammen", führt Bacher aus.

Das könnte auch eine simple Erklärung dafür sein, warum ältere Menschen ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben. "Sie haben vielfach auch ein höheres immunologisches Alter und damit auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass das Immunsystem auf diese "inkompetenten" prä-existierenden Gedächtniszellen zurückgreift", so Bacher.
Bacher et al.: "Low avidity CD4+ T cell responses to SARS-CoV-2 in unexposed individuals and humans with severe COVID-19". Immunity (2020).  DOI: 10.1016/j.immuni.2020.11.016

26. November 2020

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Immungedächtnis könnte über Jahre vor schweren COVID-Verläufen schützen

Eine Studie hat das Immungedächtnis bis zu 240 Tage nach dem Auftreten der ersten COVID-Symptome untersucht. Erstaunlicherweise haben die Gedächtniszellen keine erkennbare Halbwertszeit.

Entscheidend Im Kampf gegen SARS-CoV-2 ist das Immungedächtnis zu verstehen. Eine US-Studie hat 185 Personen zwischen 19 und 81 Jahren mit COVID-19 rekrutiert. Die Probanden (43 Prozent Männer, 57 Prozent Frauen) repräsentierten eine Reihe von asymptomatischen, leichten, mittelschweren und schweren Verläufen. Die Mehrheit der hatte einen leichten Krankheitsverlauf, nur 8 Prozent mussten hospitalisiert werden.

Die meisten Probanden stellten 6 und 240 Tage nach Auftreten der Symptome eine Blutprobe zur Verfügung. 41 dieser Proben wurden mehr als sechs Monate nach dem Auftreten der Symptome entnommen. 38 Probanden stellten zu zwei bis vier Zeitpunkten über einen Zeitraum von mehreren Monaten Blutproben zur Verfügung.

Bei der Auswertung der Proben stellten die Forschenden fest, dass jede Komponente des SARS-CoV-2-Immungedächtnisses eine unterschiedliche Kinetik aufwies. Spike IgG war über mehr als sechs Monate relativ stabil, Spike-spezifische Gedächtnis-B-Zellen waren nach 6 Monaten sogar häufiger als nach einem Monat. SARS-CoV-2-spezifische CD4 + T-Zellen und CD8 + T-Zellen nahmen mit einer Halbwertszeit von 3-5 Monaten ab. Die Ergebnisse schwankten von Patient zu Patient jedoch sehr stark, im Einzelfach um das 200-Fache.

Bemerkenswert ist, so die Forschenden, dass in fast allen COVID-19-Fällen Gedächtnis-B-Zellen ohne erkennbare Halbwertszeit nachgewiesen wurden. Sie mutmaßen darum, dass das Immungedächtnis viele Patienten Jahre vor schweren COVID-Verläufen schützen könnten. Direkte Schlussfolgerungen über die schützende Immunität könnten hingegen nicht auf der Grundlage der Quantifizierung von zirkulierenden SARS-CoV-2-Antikörpern, Gedächtnis-B-Zellen, CD8 + T-Zellen und CD4 + T-Zellen gezogen werden.

Jennifer M. Dan et al., "Immunological memory to SARS-CoV-2 assessed for greater than six months after infection", bioRxiv 2020.11.15.383323; doi: https://doi.org/10.1101/2020.11.15.383323

25. November 2020

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Hohe Blutzuckerwerte sind auch für Nicht-Diabetiker ein Risikofaktor

Hohe Blutzuckerwerte können auch unabhängig von einem vorliegenden Diabetes ein Risikofaktor für eine erhöhte Sterblichkeit bei COVID-19 sein. Das ergab die Auswertung von über 11.000 Patientendaten aus 109 spanischen Krankenhäusern, die den Blutzuckerwert ermittelt hatten.

Demnach starben 41 Prozent der eingelieferten Patienten mit einem Blutzuckerwert von über 180 mg/dl, obwohl hier kein langfristiger Diabetes bekannt war. Lag der Wert zwischen 140 und 180 mg/dl, betrug das Sterberisiko immer noch 33 Prozent. Zum Vergleich: Bei Patienten, deren Blutzuckerwert unter 140 Prozent lag, ergab sich nach der Datenauswertung ein 15,7 prozentiges Sterberisiko. Ebenso waren eine Einweisung auf die Intensivstation und eine künstliche Beatmung bei einer Hyperglykämie häufiger notwendig.

Diabetes gilt als einer der größten Risikofaktoren für eine schwere COVID-19-Erkrankung. Noch ist der Zusammenhang hier nicht vollständig geklärt. Es gibt Anhaltspunkte zu der Annahme, dass der Erreger das endokrine Pankreas infiziert und dort die Beta-Zellen schädigt, die ACE2-Rezeptoren enthalten, über die das Eindringen in die Zellen möglich wird. Bei Diabetikern ist eine Störung des Glukosestoffwechsels bereits vorhanden und die Bauchspeicheldrüse belastet. Auch können die heftigen Entzündungsreaktionen, die bei einer schweren COVID-Erkrankung entstehen, zu einer Insulinresistenz führen.

Carrasco-Sánchez, F. et al.: "Admission hyperglycaemia as a predictor of mortality in patients hospitalized with COVID-19 regardless of diabetes status: data from the Spanish SEMI-COVID-19 Registry" published 4 Nov. 2020 in Annals od Medicine DOI: https://doi.org/10.1080/07853890.2020.1836566

23. November 2020

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Dänische Studie quantifiziert Schutzwirkung von OP-Masken

Der hauptsächliche Nutzen chirurgischer Masken in der Öffentlichkeit besteht im Schutz anderer. Diese Tatsache hebt eine Studie aus Dänemark hervor, deren Ergebnis bereits existierende Erkenntnisse bestätigt, dass das Tragen einer chirurgischen Maske dem Träger selbst keinen sicheren Schutz vor einer Infektion bietet.

Die Studie "Danmask-19" wurde von Mitte April bis Anfang Juni durchgeführt. Während dieser Zeit gab es Empfehlungen zur Handhygiene und dem Social Distancing. Der öffentliche Personennahverkehr und die Geschäfte blieben geöffnet, während Restaurants und Cafés bis Mitte Mai geschlossen waren. Besuche in Krankenhäusern und Pflegeheimen durften nur eingeschränkt stattfinden. Eine Maskenpflicht bestand jedoch noch nicht.

Insgesamt 6.024 Erwachsene wurden randomisiert in zwei Gruppen aufgeteilt, von der die eine Hälfte zum Tragen von chirurgischen Einweggesichtsmasken mit drei Schichten und einer Filtrationsrate von 98 Prozent gebeten wurde. Alle Teilnehmer hielten sich pro Untersuchungstag rund drei Stunden im Freien auf. Im Anschluss wurde per Rachenabstrich, Bluttest auf Antikörper oder klinischer Diagnose ermittelt, wie viele Teilnehmer sich infiziert hatten.

Die Rate lag dabei nicht weit auseinander: In der Gruppe der Maskenträger infizieren sich 42 Personen, während es in der Kontrollgruppe ohne Maskenschutz 53 Personen waren. Das ergab eine Infektionsrate von 1,8 Prozent zu 2,1 Prozent.  Nach Auswertung weiterer Parameter ermittelten die Wissenschaftler ein um 18 Prozent geringeres Ansteckungsrisiko für die Maskenträger.

Die Untersuchung geht allerdings nicht auf das Ansteckungsrisiko für andere Personen ein und gibt keine klare Einschätzung für den Nutzen der Masken als Maßnahme zur Pandemie-Bekämpfung. Die verringerte Virusfreisetzung von infizierten Personen in die Umwelt könne der Mechanismus zur Abschwächung der Übertragung in Gemeinden sein, in denen die Verwendung von Masken häufig oder vorgeschrieben ist. Die Ergebnisse legten auch nahe, dass Personen andere COVID-19-Sicherheitsmaßnahmen unabhängig von der Verwendung von Masken nicht aufgeben sollten.

Henning Bundgaard et al, "Effectiveness of Adding a Mask Recommendation to Other Public Health Measures to Prevent SARS-CoV-2 Infection in Danish Mask Wearers", Annals of Iternal Medicine, 18 November 2020, https://doi.org/10.7326/M20-6817

Metastudie: Jeder dritte COVID-Intensivpatient stirbt

Eine systematische Analyse wertete 32 Studien zu den klinischen Verläufen von COVID-Intensivpatienten aus, die bis zum 15. August 2020 veröffentlicht waren. Preprints und Berichte wurden ebenfalls aufgenommen, wenn sie die Einschlusskriterien erfüllten. Die Kriterien waren prospektive, retrospektive oder registrierungsbasierte Volltextveröffentlichungen, in denen die Ergebnisse bei Patienten beschrieben wurden, die auf der Intensivstation für COVID-19 unter Verwendung eines validierten Tests aufgenommen wurden.

Die eingeschlossenen Artikel werteten insgesamt 69.093 Patientenfälle aus. Die meisten in die Studien einbezogenen Patienten waren männlich (59 Prozent), das mittlere Patientenalter betrug 56 Jahre (95% CI 48,5-59,8) Jahre, die mittlere Verweildauer auf der Intensivstation betrug 9,0 (95% CI 6,5-11,2) Tage. Mehr als die Hälfte der auf der Intensivstation aufgenommenen Patienten benötigte eine mechanische Beatmung (58 Prozent) für durchschnittlich 8,4 (95% CI 1,6-13,7) Tage. Unter ihnen war die Mortalität laut Metastudie sehr hoch (59 Prozent). Generell lag die Sterberate der COVID-19-Patienten auf der Intensivstation bei 32,3 Prozent. Die wichtigsten beschriebenen Interventionen waren die Verwendung von nicht-invasiver Beatmung, extrakorporaler Membranoxygenierung, Nierenersatztherapie und Vasopressoren.

Rodrigo B. Serafim et al., "Clinical course and outcomes of critically ill patients with COVID-19 infection: a systematic review", Clin Microbiol Infect. 2020 Oct 23, doi: 10.1016/j.cmi.2020.10.017

20. November 2020

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Oxford-Coronavirus-Impfstoff erzeugt auch bei Älteren starke Immunantwort

Während der Phase-2-Studie wurde der Impfstoff an 560 gesunden Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 55 Jahren, zwischen 56 und 69 Jahren und über 70 Jahren untersucht. Die Freiwilligen erhielten 2 Dosen des Impfstoffs ChAdOx1 nCoV-19 oder einen Placebo-MenACWY-Impfstoff. Dabei wurden keine schwerwiegenden Nebenwirkungen beobachtet. Diese Daten stimmen mit den Phase-I-Daten überein, die Anfang dieses Jahres für gesunde Erwachsene im Alter von 18 bis 55 Jahren gemeldet wurden.

"Ältere Erwachsene sind eine vorrangige Gruppe für die COVID-19-Impfung, da sie ein erhöhtes Risiko für schwere Krankheiten haben", erklärt Dr. Maheshi Ramasamy aus der Forschergruppe. "Wir wissen jedoch, dass sie tendenziell schlechtere Impfreaktionen haben."

Darum sei man erfreut zu sehen, dass der Impfstoff auch von älteren Erwachsenen gut vertragen wurde und ähnliche Immunantworten stimulierte wie bei jüngeren Freiwilligen. Der nächste Schritt ist nun die Untersuchung der Schutzwirkung. Die Phase-III-Studien mit dem Impfstoff ChAdOx1 nCov-2019 sind noch nicht abgeschlossen, so die Autoren. In den kommenden Wochen sollen jedoch frühzeitige Messungen der Wirksamkeit möglich sein.

Maheshi N. Ramasamy et al., "Safety and immunogenicity of ChAdOx1 nCoV-19 vaccine administered in a prime-boost regimen in young and old adults (COV002): a single-blind, randomised, controlled, phase 2/3 trial", The Lancet, November 18, 2020; DOI:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)32466-1

19. November 2020

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Schwangere mit COVID-19 haben erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe

Die US-Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC) haben ihre Risikoeinschätzung für schwangere Frauen angepasst: So wurden schwangere Frauen signifikant häufiger als nicht schwangere Frauen auf eine Intensivstation eingewiesen (1,05 Prozent gegenüber 0,39 Prozent). Auch die Zahl der invasiv Beatmeten unter den Schwangeren war deutlich höher als in der Vergleichsgruppe (0,29 gegenüber 0,11 Prozent). 34 Todesfälle (0,15 Prozent) wurden bei 23.434 symptomatischen schwangeren Frauen gemeldet gegenüber 447 (0,12 Prozent) bei 386.028 nicht schwangeren Frauen. 

Um das Risiko für schwere Krankheiten und den Tod durch COVID-19 zu verringern, schlussfolgert die CDC, sollten Schwangere über die Wichtigkeit einer sofortigen medizinischen Versorgung nach Bekanntwerden der Infektion beraten werden. Schwangere und ihre Familien sollten außerdem bei allen Arztbesuchen gezielt über Maßnahmen zur Verhinderung einer SARS-CoV-2-Infektion informiert werden.

Laura D. Zambrano et al., "Update: Characteristics of Symptomatic Women of Reproductive Age with Laboratory-Confirmed SARS-CoV-2 Infection by Pregnancy Status - United States, January 22-October 3, 2020", https://www.cdc.gov/mmwr/volumes/69/wr/mm6944e3.htm?s_cid=mm6944e3_w

Remdesivir hilft im Laborexperiment bei Symptomen wie Übelkeit und Durchfall

Da bei etwa der Hälfte der COVID-19-Patienten die Symptome Übelkeit und Durchfall auftreten und diese auch mit schweren Krankheitsverläufen assoziiert werden (siehe Meldung vom 16. November 2020), versuchen Forscher zu verstehen, wie das neuartige Coronavirus den menschlichen Verdauungstrakt angreift. Ein Team an der Universität Ulm aus Gastroenterologen und Virologen hat dafür den molekularen Infektionsvorgang in einem Darm-Modell in eigens gezüchteten kleinen Dünndärmen aus embryonalen Stammzellen untersucht.

Professor Jan Münch vom Institut für Molekulare Virologie des Universitätsklinikums Ulm erklärt, wo das Virus im Darm andockt: "Eine Infektion mit SARS-CoV-2 ist nur möglich, wenn der Rezeptor ACE2, an den das Virus andocken kann, sowie die Protease TMPRSS2 im Gewebe vorhanden sind. In gesundem Darm haben wir diese Proteine durchgehend und besonders häufig im Zwölffingerdarm gefunden". Auch in den gezüchteten Därmen sind viele dieser Andockstellen verfügbar.

Eine Infektion führt zum Verlust spezialisierter Darmzellen, was letztlich zu Durchfall und Übelkeit führen kann.  Die zentrale Frage der Forschungsarbeit ist daher, wie dieser Vorgang unterbunden werden kann. Tatsächlich zeigte Remdesivir eine gute Wirkung, denn es blockiert der Wirkstoff die RNA-Polymerase und somit die Vermehrung von SARS-CoV-2, berichten die Autoren.

Krüger, J. et al "Drug inhibition of SARSCoV-2 replication in human pluripotent stem cell-derived intestinal organoids, Cellular and Molecular Gastroenterology and Hepatology (2020), https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2352345X2030182X3

16. November 2020

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Einer von sechs Patienten hat ausschließlich Bauchbeschwerden

Forscher um Mitchell Wilson von der Universität Alberta, Kanada, haben 36 bestehende Studien analysiert, die sich mit den Symptomen von COVID-19-Patienten beschäftigt haben.

Hierbei wurden auch bildgebende Untersuchungen des Magen-Darm-Trakts der Betroffenen ausgewertet. Diese zeigten teilweise sichtbare Veränderungen der Organe in Form von Darmwandverdickungen, einen flüssigkeitsgefüllten Dickdarm, seltene Gasansammlungen in der Darmwand (Pneumatose) sowie eine Gasansammlung in der Bauchhöhle (Pneumoperitoneum), Darmeinstülpungen, Flüssigkeitsansammlungen in der Bauchhöhle (Aszites) und Entzündungen des Dick- und Dünndarms.

Insgesamt stellte sich heraus, dass die Magen-Darm-Symptome deutlich häufiger vorkommen als bislang angenommen. Demnach sollte bei Auftreten dieser Krankheitsanzeichen auch an eine mögliche Virusinfektion gedacht werden, raten die Forscher. Denn SARS-CoV-2 kann Zellen des Darms infizieren und somit sichtbare Veränderungen im Magen-Darm-Trakt hervorrufen.

Neben den Atemwegen - und in der Folge weit verbreiteten grippeähnlichen Symptomen der Viruserkrankung - können also auch weitere Organe befallen sein wie der Verdauungstrakt, der häufig betroffen ist. Zwar gab es bereits Meldungen über diese Komplikationen aus China zu Beginn der Pandemie, jedoch legt die Arbeit des Forscherteams nun erstmals offen, dass Bauchschmerzen, Übelkeit und Durchfall auch als alleinige Symptome der Erkrankung auftreten können. Rund 18 Prozent der Patienten litten an den Beschwerden, 16 Prozent gaben sogar an, ausschließlich die Symptome festzustellen.

Lui, K., Wilson, M.P. & Low, G. "Abdominal imaging findings in patients with SARS-CoV-2 infection: a scoping review." Abdom Radiol (2020). doi.org/10.1007/s00261-020-02739-5

5. November 2020

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Auch bei älteren Menschen schränkt eine OP-Maske nicht den Sauerstoffgehalt ein

In Kanada haben Ärzte an der McMaster-Universität in Hamilton mit einer kleinen Studiengruppe von 25 Teilnehmern, die im Durchschnitt 76 Jahre alt waren und maximal eine chronische Erkrankung aufwiesen, untersucht, ob das Tragen einer OP-Maske ihre Versorgung mit ausreichend Sauerstoff einschränkt.

Entgegen der Argumentation von sogenannten Masken-Kritikern, die Mundschutze würden gerade älteren Menschen zu schaffen machen, konnten die Wissenschaftler belegen, dass dies nicht der Fall ist: In keiner Untersuchung der Senioren sank der Sauerstoffgehalt im Blut unter 92 Prozent. Das Masken-Tragen ist somit für den Alltag unbedenklich - unter Berücksichtigung (chronischer) Vorerkrankungen.

Für den Test erhielten die Bewohner eines Seniorenwohnheims den gleichen Masken-Typ und wurden mit einem Pulsoxymeter ausgestattet. Keiner von ihnen litt an einer Ruhedyspnoe, also einer Atemnot, die sich bereits in der Ruhephase manifestiert. Die Messungen wurden je eine Stunde vor, während und nach dem Tragen der Masken in Ruhe und bei alltagsüblichen Aktivitäten gemessen und dabei die periphere Sauerstoffsättigung (SpO2) ermittelt. Diese lag im Durchschnitt bei 96,1 Prozent vor dem Tragen der Maske, bei 96,5 Prozent während und bei 96,3 Prozent nach dem Tragen. Zu keiner Zeit sank der Wert unter 92 Prozent und damit in einen gesundheitsbedenklichen Bereich, der auf ein Sauerstoff-Defizit hindeutet.

Chan, N. C. et al.: "Peripheral Oxygen Saturation in Older Persons Wearing Nonmedical Face Masks in Community Settings" published in JAMA on Oct. 30, 2020 doi:10.1001/jama.2020.21905

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Covid-19-Super-Spreading-Ereignisse spielen eine übergroße Rolle bei der Übertragung

Eine mathematische Analyse von Wissenschaftlern der Priceton University und des Massachusetts Institute of Technology legt nahe, dass die Vermeidung großer Ansammlungen die COVID19-Infektionsraten signifikant senken könnte. Die Untersuchung von etwa 60 Superspreading-Ereignissen zeigt, dass Ereignisse, bei denen eine Person mehr als sechs andere Personen infiziert, viel häufiger auftreten als erwartet. Basierend auf ihren Erkenntnissen entwickelten die Forscher auch ein mathematisches Modell der COVID-19-Übertragung, mit dem sie belegen, dass die Begrenzung von Versammlungen auf zehn oder weniger Personen die Anzahl der Super-Spreading-Ereignisse signifikant reduzieren und die Gesamtzahl der Infektionen senken kann.
Die Forscher definierten Superspreader als Personen, die das Virus an mehr als sechs andere Personen weitergaben. Unter Verwendung dieser Definition identifizierten sie 45 Superspreading-Ereignisse aus der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie und 15 zusätzliche Ereignisse aus dem SARS-CoV-Ausbruch 2003, die alle in Artikeln in wissenschaftlichen Fachzeitschriften dokumentiert sind. Während der meisten dieser Ereignisse waren zwischen 10 und 55 Menschen infiziert, aber an zwei von ihnen, beide aus dem Ausbruch von 2003, waren mehr als 100 Menschen beteiligt.
Die Ergebnisse legen nahe, dass das Verhindern von Superspreading-Ereignissen einen signifikanten Einfluss auf die Gesamtübertragung von Covid-19 haben könnte, sagen die Forscher. "Es gibt uns einen Überblick darüber, wie wir die anhaltende Pandemie kontrollieren können, indem wir Strategien identifizieren, die auf Superspreader abzielen", lautet ihr Fazit. Eine Möglichkeit, bestehe darin, zu verhindern, dass jemand auf einer großen Versammlung mit über zehn Personen interagiert.

Felix Wong, James J. Collins, "Evidence that coronavirus superspreading is fat-tailed", Proceedings of the National Academy of Sciences Nov 2020, 202018490; DOI: 10.1073/pnas.2018490117

4. November 2020

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COVID-19 kann zum Umbau der Organstruktur in der Lunge führen

Zu den charakteristischen Merkmalen der gefundenen Lungenverletzungen gehören Thrombosen im Lungenmakro- und Mikrogefäßsystems, die Persistenz von virusinfizierten Zellen, Lungenpneumozyten und Endothelzellen. Die dysmorphen Zellen zeigten dabei sehr oft Merkmale eines Syncytiums - es waren also mehrere große Zellen entstanden, die sich jeweils durch mehrere Zellkerne mit reichlich Zytoplasma auszeichneten. Ein besonderer und unerwarteter Befund bei allen untersuchten Patienten war schließlich das Vorhandensein atypischer Merkmale von Bronchialchondrozyten, die oft sehr groß und dysmorph waren.

Auffällig war auch, dass in der Kohorte der untersuchten Patienten den anderen Organen offensichtliche Anzeichen einer direkten Virusinfektion fehlten - häufig trotz massiver Veränderungen in der Lunge.

Rossana Bussani et al., "Persistence of viral RNA, pneumocyte syncytia and thrombosis are hallmarks of advanced COVID-19 pathology", published in Ebiomedicine by The Lancet, Nov. 3, 2020 https://doi.org/10.1016/j.ebiom.2020.103104

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Hohes Ansteckungsrisiko bei Personen im selben Haushalt

Dass sich Personen, die im gleichen Haushalt leben, leicht mit SARS-CoV-2 infizieren können, erscheint logisch. Beim Zusammenleben in den gleichen Räumlichkeiten ist das Risiko hier mit dem Virus in Berührung zu kommen so hoch, wie kaum woanders. Wie genau das geschieht und wieviel Zeit bis zur Ansteckung verstreicht, haben US-Forscher  analysiert.

Danach breitet sich das Virus schneller und weiter in den US-Haushalten aus als bisher berichtet wurde. Dies geht aus neuen Voruntersuchungen einer multizentrischen Studie hervor, die von Forschern des Vanderbilt University Medical Center geleitet und in einem wöchentlichen Bericht der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) veröffentlicht wurde.

Dafür wurden zwischen April und September in Nashville, Tennessee, und Marshfield, Wisconsin, auch bei den Angehörigen Abstriche genommen, die mit einem nachweislich Infizierten zusammenlebten. Ergänzend führten die Teilnehmer Tagebuch zu möglichen Symptomen. In sieben Tagen fiel der Test bei 102 von insgesamt 192 Personen in infizierten Haushalten positiv aus, was eine sekundäre Infektionsrate von 53 Prozent ausmacht. Davon hatten jedoch nur 41 Personen Symptome am ersten Tag mit positivem Testergebnis. Im weiteren Studienverlauf waren 68 Personen symptomatisch. Deren Symptome traten wenige Tage nach denen von den Index-Patienten auf.

Die Studie ergab, dass mindestens 75 Prozent der sekundären Infektionen innerhalb von fünf Tagen nach dem Auftreten der Symptome bei der ersten Person im Haushalt auftraten. Ähnliche Studien in den USA, Europa und Asien kamen dagegen zu dem Ergebnis, dass sich maximal 30 Prozent der Haushaltsmitglieder ebenfalls infiziert hatten.

Fast 70 Prozent der Index-Patienten waren am Tag vor dem Krankheitsausbruch über vier Stunden mit den Haushaltsmitgliedern zusammen im selben Raum. Nach dem Krankheitsbeginn waren es noch 40 Prozent.

Die Studie konnte jedoch nicht die unterschiedlichen Wohnraum-Situationen und das Risikobewusstsein der Studienteilnehmer berücksichtigen. In den US-Haushalten stand für jede Person in etwa ein Schlafzimmer zur Verfügung.

Grundsätzlich kann das Infektionsrisiko abgesenkt werden, wenn getrennte Schlafzimmer und Badezimmer vorhanden sind, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Auswertung. Die Selbstquarantäne sei sofort einzuleiten noch bevor das Testergebnisse vorliegt. Immer da, wo der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, sollten alle Mitglieder des Haushalts Masken tragen und sich von möglichen Risikopatienten fernhalten.

Grijalva, C. G., et al: "Transmission of SARS-COV-2 Infections in Households - Tennessee and Wisconsin, April-September 2020" published in Morbidity and Mortality Weekly Report (MMWR), Oct. 30, 2020. https://www.cdc.gov/mmwr/volumes/69/wr/mm6944e1.htm

3. November 2020

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In Russland zugelassenes Aprotinin-Aerosol könnte schweren COVID-Verlauf verhindern

Eine weitere Arbeit eines internationalen Forscherteams aus Frankfurt am Main, Hannover und Kent (Großbritannien) bestätigte vorherige Beobachtungen, die auf einen vielversprechenden Einsatz eines bereits zugelassenen Präparats hinweisen: Aprotinin, das früher zur Behandlung von Blutungen eingesetzt wurde, die auf einer Hyperfibrinolyse beruhen. Aprotinin ist in Russland als Aerosol zur Influenza-Behandlung zugelassen. Eine Analyse zeigte, dass die SARS-CoV-2-Replikation mit einer Herunterregulierung von Proteaseinhibitoren der Wirtszellen verbunden ist. Daher könnte Aprotinin herunterregulierte Proteasen der Wirtszellen während späterer Virusreplikationszyklen kompensieren.

Nach Einschätzung der Forschenden könnte die lokale Behandlung der Atemwege mit Aprotinin-Aerosol eine besonders vielversprechende Strategie sein, um die Virusreplikation und Lungenverletzung frühzeitig zu unterdrücken und das Fortschreiten von COVID-19 zu einem schweren Verlauf verhindern.

Bojkova, D. et al, "Aprotinin Inhibits SARS-CoV-2 Replication". Cells 2020, 9, 2377. https://doi.org/10.3390/cells9112377

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Antidepressivum als mögliches Therapeutikum gegen COVID-19

Am Institut für Medizinische Biochemie, Zentrum für Molekularbiologie der Entzündung (ZMBE) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) befassen sich Wissenschaftler unter der Leitung von Prof. Ursula Rescher mit dem therapeutischen Potenzial von bereits klinisch zugelassenen Medikamenten, die an der Schnittstelle von Wirt und Erreger wirken. Das Team fand bei In vitro-Untersuchungen heraus, dass das Antidepressivum Fluoxetin und auch das Antimykotikum Itraconazol als Kombinationsbehandlungen mit Remdesivir sowohl die Aufnahme von SARS-CoV-2-Viren in die Zellkultur als auch ihre Weiterverbreitung hemmt (Produktion infektiöser SARS-CoV-2-Partikel > 90%), ohne dabei Zellen oder Gewebe zu beschädigen.

Das Ergebnis macht Hoffnung, da die medikamentöse Behandlung sich als gut verträglich erweist und sich eine starke Beeinträchtigung der viralen Replikation beobachten lässt. Die Kombination der Wirkstoffe zeigen laut den Forschern stärkere antivirale Aktivitäten gegen SARS-CoV-2 als die Remedesivir-Monotherapie.

In der Veröffentlichung schreiben sie daher: "Sowohl die Itraconazol-Remdesivir- als auch die Fluoxetin-Remdesivir-Kombinationen sind vielversprechende therapeutische Optionen zur Kontrolle der SARS-CoV-2-Infektion und der schweren Progression von COVID-19." Ziel der Untersuchung war, ein möglichst schnell anwendbares und kostengünstiges Präparat zur Therapie schwerer und mittel schwerer Verläufe zu finden.

Rescher, U. et al: "Drug synergy of combinatory treatment with remdesivir and the repurposed drugs fluoxetine and itraconazole effectively impairs SARS-CoV-2 infection in vitro" published Oct. 16, 2020 in bioRxiv https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.10.16.342410v1

29. Oktober 2020

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Sterberate von COVID-Patienten sinkt in England nach erster Welle

Eine Analyse von der Exeter University aus England legt dar, dass die Sterberate von schwer an COVID-19 erkrankten Patienten während der zweiten Pandemie-Phase im Juni gesunken ist. Die Erkenntnisse seien nicht nur darauf zurückzuführen, dass weniger ältere und multimorbide Menschen stationär behandelt werden. Die Wissenschaftler gehen auch davon aus, dass sich die die zunehmend bessere Behandlung auswirkt.

Verglichen wurden die Daten aus dem zentralen Melderegisters "COVID-19 Hospitalisation in Eng­land Surveillance System" (CHESS) von März und Juni, die die Angaben von fast 15.400 Patienten aus 108 englischen Kliniken umfassen. Dabei sank die 30-Tages-Sterblichkeit auf den "Intermediate Care"-Stationen von 26 auf sieben Prozent, auf den Intensivstationen von 41 auf 21 Prozent. Weiteres Ergebnis: Die hospitalisierten Patienten waren im Frühsommer im Durchschnitt jünger und hatten weniger Begleiterkrankungen.

Doch auch nach Berücksichtigung dieser Faktoren reduzierte sich die Sterblichkeit im "Intermediate Care"-Bereich um 12,7 Prozent auf den Intensivstationen um 8,9 Prozent.

Dennis, J. et al. "Improving Survival of Critical Care Patients With Coronavirus Disease 2019 in England. A National Cohort Study, March to June 2020" pubished October 26, 2020 in Critical Care Medicine doi: 10.1097/CCM.0000000000004747

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Neutralisierende Antikörper gegen SARS-CoV-2-Infektionen bleiben über Monate bestehen

Fragen zur Robustheit, Funktionalität und Langlebigkeit der Antikörperantwort auf das SARS-CoV-2-Virus sind bislang wenig erforscht. US-Wissenschaftler konnten jetzt zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der infizierten Personen mit leichtem bis mittelschwerem COVID-19 robuste IgG-Antikörperantworten gegen das virale Spike-Protein aufweist.

Dazu wurde ein Datensatz von 30.082 positiv getesteten Personen ausgewertet, die am Mount Sinai Health System in New York City untersucht wurden. Diese Antikörperantwort ist laut Studie über einen Zeitraum von ungefähr fünf Monaten relativ stabil und der Anti-Spike-Bindungstiter korreliert signifikant mit der Neutralisation von authentischem SARS-CoV-2.

Ania Wajnberg et al.; "Robust neutralizing antibodies to SARS-CoV-2 infection persist for months", Published Online 28 Oct 2020, DOI: 10.1126/science.abd7728

28. Oktober 2020

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Luftverschmutzung ist Ko-Faktor bei COVID-19-Sterbefällen

Eine im wissenschaftlichen Fachmagazin Cardiovascular Research veröffentlichte Studie schätzt, dass etwa 15 Prozent der weltweiten Todesfälle durch COVID-19 auf Luftverschmutzung zurückzuführen ist. Den Autoren des Max-Planck-Instituts für Chemie, der Harvard T.H. Chan School of Public Health, des London Centre for Climate Change and Planetary Health, der Berliner Charité und der Universitätsmedizin Mainz zufolge liegt der Anteil der luftverschmutzungsbedingten COVID-19 Todesfälle in Europa bei 19 Prozent, in Nordamerika bei 17 Prozent und in Ostasien bei 27 Prozent.

Erstautor Dr. Andrea Pozzer vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie betont, dass der zurechenbare Anteil keinen direkten Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und COVID-19-Mortalität beweist, sondern einen indirekten Effekt, weswegen er und seine Kollegen auch relative Zahlen angeben: "Unsere Schätzungen zeigen die Bedeutung der Luftverschmutzung auf Komorbiditäten, also Gesundheitsfaktoren, die sich gegenseitig verschlimmern und so tödliche gesundheitliche Folgen der Virusinfektion auslösen können."

Ko-Autor Prof. Thomas Münzel aus Mainz ergänzt: "Wenn Menschen verunreinigte Luft einatmen, wandern die sehr kleinen Schadstoffpartikel, die PM2,5, von der Lunge in das Blut und die Blutgefäße und verursachen Entzündungen und schweren oxidativen Stress. Dies ist ein Ungleichgewicht zwischen freien Radikalen und Oxidantien im Körper, die normalerweise Zellschäden reparieren. Dadurch wird die Innenauskleidung der Arterien, das Endothel, geschädigt, was zu einer Verengung und Versteifung der Arterien führt. Das COVID-19-Virus gelangt auch über die Lunge in den Körper und verursacht ähnliche Schäden an den Blutgefäßen, so dass es heute als Endothelerkrankung gilt.
Wenn sowohl die langfristige Belastung durch Luftverschmutzung als auch die Infektion mit dem COVID-19-Virus zusammentreffen, dann haben wir eine additive negative Auswirkung auf die Gesundheit, insbesondere auf das Herz und die Blutgefäße, was zu einer größeren Anfälligkeit und geringeren Widerstandsfähigkeit gegenüber COVID-19 führt. Wenn Sie bereits an einer Herzerkrankung leiden, dann verursachen Luftverschmutzung und eine Infektion mit dem Coronavirus Probleme, die zu Herzinfarkt, Herzinsuffizienz und Schlaganfall führen können."

Für die einzelnen Länder ergeben die Schätzungen der mit Luftverschmutzung in Zusammenhang stehenden COVID-19-Todefälle ein sehr unterschiedliches Bild: Vergleichsweise hoch ist der Anteil in der Tschechischen Republik mit 29 Prozent, in China mit 27 Prozent und in Deutschland mit 26 Prozent - niedriger ist der Anteil beispielsweise in Italien (15 Prozent) oder Brasilien (12 Prozent). Einstellig sind die Werte für Israel (6 Prozent), Australien (3 Prozent) und Neuseeland (1 Prozent).

Für ihre Auswertung verwendeten die Forscher Auswertungen einer US-amerikanischen Studie, die den Zusammenhang zwischen der COVID-19-Mortalität und der Belastung mit Feinstaub abgeschätzt hat. Die Ergebnisse wurden mit chinesischen Studien verglichen, die die Folgen der Feinstaubbelastung auf die SARS-CoV-1-Epidemie 2003 analysiert hatten und bestätigten, dass in Gebieten mit Luftverschmutzung das Risiko, an der Krankheit zu sterben im Vergleich zu Gebieten mit relativ sauberer Luft um mehr als 80 Prozent höher war.

Die Wissenschaftler schlussfolgern daraus, dass ein Zusammenhang zwischen COVID-19-Todesfällen und der langfristigen Exposition gegenüber PM2.5 sehr wahrscheinlich ist. Den regionalen Anteil der COVID-19-Todesfälle ermittelten die Wissenschaftler mithilfe von Daten der globalen Feinstaubverteilung, die sie aus Satellitendaten, bodengestützten Luftverschmutzung-Netzwerken und numerischen Modellen gewannen. Da die Ergebnisse auf epidemiologischen Daten der dritten Juniwoche 2020 basieren, planen die Wissenschaftler eine abschließende Bewertung der gesamten Daten nach dem Abklingen der COVID-19 Pandemie.

Andrea Pozzer et al., "Regional and global contributions of air pollution to risk of death from COVID-19", Cardiovascular Research, cvaa288, https://doi.org/10.1093/cvr/cvaa288

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Menschen mit Trisomie 21 haben 25 mal so hohes Sterberisiko bei COVID-Erkrankung

Für Menschen mit Trisomie 21 (Down-Syndrom) endet eine COVID-19-Erkrankung viel häufiger tödlich als bei Menschen ohne Trisomie 21. Das ist das das Ergebnis einer britischen Kohortenstudie, die Gesundheitsdaten von mehr als 8,2 Millionen Briten untersuchte. Von den Untersuchten hatten 4.053 ein Down-Syndrom. 

Ergebnis: 68 Personen mit Down-Syndrom starben im Beobachtungszeitraum vom 24. Januar bis 30. Juni, 27 (39,7 Prozent) von ihnen an/mit COVID-19, 17 (25,0 Prozent) an Lungenentzündung oder Pneumonitis und 24 (35,3 Prozent) an anderen Ursachen. Von den Personen ohne Down-Syndrom starben 41.685, 8.457 (20,3 Prozent) an/mit COVID-19, 5.999 (14,4 Prozent) an Lungenentzündung oder Pneumonitis und 27.229 (65,3 Prozent) an anderen Ursachen.

Bereinigt um Alter und Geschlecht erhöte sich die Wahrscheinlichkeit für COVID-19-bedingte Todesfälle bei Erwachsenen mit versus ohne Down-Syndrom auf das 24,94-Fache (95% CI, 17,08 bis 36,44). Nach Anpassung an Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, BMI, Demenzdiagnose, Pflegeheimaufenthalt, angeborene Herzkrankheit und eine Reihe anderer komorbider Erkrankungen und Behandlungen betrug die Wahrscheinlichkeit für COVID-19-bedingte Todesfälle noch das 10,39-Fache (CI 7,08 bis 15,23); für den Krankenhausaufenthalt war die Wahrscheinlichkeit um das 4,94-Fache (CI 3,63 bis 6,73) erhöht.

Hintergrund der Studie: Im Vereinigten Königreich wurde eine strikte Selbstisolierung (Abschirmung) für diejenigen empfohlen, die aufgrund des ausgewählter Vorerkrankungen oder nach Ermessen ihrer Allgemeinmediziner als klinisch äußerst anfällig eingestuft werden. Das Down-Syndrom steht weder auf der britischen Abschirmungsliste noch auf der Liste der Gruppen mit "erhöhtem Risiko" der US-amerikanischen Behörde CDC.

Ashley Kieran Clift et al., "COVID-19 Mortality Risk in Down Syndrome: Results From a Cohort Study Of 8 Million Adults", Annals.org, 21. October 2020, https://doi.org/10.7326/M20-4986

27. Oktober 2020

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Wie verändern sich die Bestandteile der Atemluft von SARS-CoV-2-Infizierten?

Bei einer SARS-CoV-2-Infektion bilden sich sogenannte flüchtige organische Verbindungen (VOC) in der Atemluft. Deren Analyse könnte zur Diagnostik der Viruserkrankung genutzt werden, schreiben Forscher  von der Universität Edinburgh und des Klinikums Dortmund. Sie haben in ihrer Studie ein Analyseverfahren an COVID-19-Patienten getestet.

Ähnlich wie bei einer Diabeteserkrankung verändert sich die Atemluft bei einer Coronavirus-Infektion. Speziell trainierte Hundenasen können diese Veränderungen riechen und davor warnen. Allerdings ist das Training der Tiere langwierig und daher für den breiteren klinischen Einsatz wenig praktikabel. Darum suchen Wissenschaftler nach einer elektronischen Methode, die VOC nachzuweisen.

Dabei wird unter anderem ein Gas-Chromatograf verwendet, der mit einer Ionen-Mobilitäts-Spektrometrie (GC-IMS) verbunden ist. Die getesteten Patienten pusten für die Analyse in ein Einwegröhrchen aus Plastik, aus dem dann mittels einer einfach Spritze die Luft entnommen und in den Gaschromatograf eingespeist wird. Bereits nach kurzer Zeit und ohne Reagenzien liegen dann die Ergebnisse vor. Diese Diagnostik-Methode eignet sich nach Angaben der Autoren auch für Schnelltests vor Ort.

Übereinstimmung mit PCR-Tests beträgt 80 Prozent

Für die Studie wurden die Proben von COVID-19-Patienten mit denen von Patienten mit Atemwegerkrankungen wie etwa Asthma, COPD oder anderen viralen und bakteriellen Infektionen verglichen. Außerdem verglichen die Wissenschaftler die Testergebnisse von Abstrichen mit denen der Atemluft-Analyse. Hierbei zeigte sich eine Treffsicherheit von 80 Prozent (Sensitivität/Spezifität 82,4 %/75 %; AUC-Wert 0,87).

Woher die VOC bei SARS-CoV-2 kommen, zu denen in den Untersuchungen beispielsweise Ethanol, Methanol sowie Octanal, Aceton und auch Isopren, Propanol, Propanal und Heptanal zählten, können die Forscher derzeit nur vermuten. Wahrscheinlich entsteht das freigesetzte Aceton durch den Angriff der Viren auf die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse und das Methanol aufgrund einer veränderten Darmflora. Die entstandenen Aldehyde könnten mit weiteren Entzündungsprozessen zu tun haben.

Ruszkiewicza, D., M. et al. "Research PaperDiagnosis of COVID-19 by analysis of breath with gas chromatography-ion mobility spectrometry - a feasibility study" 9 Oct 2020 in The Lancet DOI: 10.1016/j.eclinm.2020.100609
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Pathomechanismus von schweren COVID-Verläufen ähnelt dem bei systemischem Lupus erythematodes

Eine in Nature Immunology publizierte Studie zeigt, dass es bei schweren COVID-19-Verläufen zur gleichen Aktivierung von B-Zellen und Autoantikörperbildung kommt wie bei Patienten mit akuten Schüben des systemischen Lupus erythematodes (SLE). Das wirft nach Einschätzung von Experten die Frage auf, ob der Einsatz von zielgerichteten immunmodulatorischen Therapien, die beim SLE eingesetzt werden, auch bei schweren COVID-19-Erkrankungen erfolgversprechend sein könnte.

Der systemischen Lupus erythematodes (SLE) ist eine chronisch-entzündliche, meistens schubförmig verlaufende Autoimmunerkrankung mit zum Teil lebensbedrohlichen Verläufen. Es kommt zu Manifestationen an verschiedenen Organen wie Haut, Lunge, Herz, zentralem Nervensystem, Muskeln, Gelenken - und den Nieren. Die Ursachen sind multifaktoriell, die Pathomechanismen komplex. Bekannt ist: Es kommt zu einer Aktivierung von Immunzellen sowie zur Bildung verschiedener Autoantikörper, die körpereigene, gesunde Zellen angreifen, mit der Folge von Immunkomplexablagerungen, die schwere Entzündungprozesse im Körper anstoßen.

Die US-amerikanische Arbeitsgruppe zeigte nun in ihrer Arbeit, dass bei schwerkranken COVID-19-Patienten der gleiche Pathomechnaismus zugrunde liegt. Es kommt bei diesen Patienten ebenfalls zu einem Anstieg von autoantikörperbildenen Zellen, den sogenannten extrafollikulären CD19+-B-Zellen, sowie zu deren Aktivierung zu Antikörper-sezernierenden Zellen wie bei SLE-Patienten.

Matthew C. Woodruff et al., "Extrafollicular B cell responses correlate with neutralizing antibodies and morbidity in COVID-19". Nature Immunology, 2020; DOI: 10.1038/s41590-020-00814-z. https://www.nature.com/articles/s41590-020-00814-z

20. Oktober 2020

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Geruchstest zeigt Korrelation von Geruchsintensität und Infektionsprävalenz

Die Messungen der Geruchsintensität könnten der Infektionsprävalenz dienen und somit eine Corona-Screening-Methode werden. Forscher aus Schweden haben für das wissenschaftliche Projekt Smelltracker durch die Abfrage der Geruchsbewertung von mittelstarken Haushaltsgerüchen wie etwa Honig, Kaffee oder auch Zahnpasta eine Einschätzungsmöglichkeit zur Prävalenz aufgezeigt. Die Einbuße der Riechfähigkeit oder sogar der Verlust des Geruchssinns zählten zu den möglichen Symptomen einer COVID-Erkrankung.

In der Untersuchung wurden 2.440 erkrankte Erwachsenen um Angaben zur Geruchswahrnehmung im Haushalt gebeten und diese dann mit möglicherweise weiteren vorliegenden COVID-Symptomen abgeglichen. Im Anschluss wurde die durchschnittliche Geruchsintensitätseinschätzung mit der vorhergesagten COVID-19-Prävalenz in der schwedischen Bevölkerung verglichen. Über mehrere Tage füllten die Teilnehmer online einen Fragebogen zur Intensität und dem positiven oder negativen Empfinden der fünf häufig im Haushalt vorhandenen Geruchsquellen aus.
Das Ergebnis: Die wahrgenommene mittlere Geruchsintensität und die Prävalenz der Infektionen korrelierten (r = -0,83). Zudem wurden Erkenntnisse zum Symptomverlauf gewonnen: Wenn Patienten zunächst keine Symptome entwickelten, so nahm die Geruchsleistung im Laufe der Zeit doch spürbar ab. Weiter zeigen die Daten, dass sich ein großer Unterschied in der geschätzten Intensität zwischen Personen mit und ohne COVID-19-Symptomen ergab.
Die Methode soll weiter an einer breiten, repräsentativen Masse getestet werden und könnte vor allem in wirtschaftlich armen Ländern, in denen finanzielle Mittel für Labortests fehlen, als Indikator eingesetzt werden. Neben Hygienemaßnahmen und gesellschaftlichen Strategien gegen die Ausbreitung der Coronavirus-Infektionen kommt der Überwachung der Infektionsprävalenz eine bedeutende Rolle zuteil. Die Methode der Geruchsinnkontrolle ist einfach und für die breite Masse anzuwenden.

Behzad, I. et al. "Relationship Between Odor Intensity Estimates and COVID-19 Prevalence Prediction in a Swedish Population." Published 7 July in Chemical Senses https://doi.org/10.1093/chemse/bjaa034

16. Oktober 2020

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Infektionsrisiko von Neugeborenen SARS-CoV-2-positiver Mütter ist gering

Eine retrospektive Kohortenanalyse überprüfte die medizinischen Daten von 101 Neugeborenen und 100 Müttern, die vom 13. März bis 24. April 2020 positiv getestet wurden. 82 Neugeborene wohnten bei ihren Müttern, die Masken tragen mussten, 19 wurden geburtsbedingt intensivmedizinisch versorgt. Das direkte Stillen wurde mit angemessener Hygiene gefördert.

Zwei Babys hatten ein positives Testergebnis auf das Virus, zeigten jedoch keinerlei klinische Anzeichen von COVID-19. Ansonsten gab es keine Anzeichen einer Übertragung des Virus bei den untersuchten Kindern. 55 Säuglinge wurden in den ersten zwei Lebenswochen in einer neuen COVID-19-Neugeborenen-Nachsorgeklinik nachuntersucht, alle blieben gesund. Diese Ergebnisse legen nach Einschätzung der Autoren nahe, dass während der COVID-19-Pandemie eine Trennung von infizierten Müttern und deren Neugeborenen möglicherweise nicht gerechtfertigt ist und auch das direkte Stillen sicher zu sein scheint.

Dani Dumitriu et al., "Outcomes of Neonates Born to Mothers With Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 Infection at a Large Medical Center in New York City", JAMA Pediatr. Published online October 12, 2020. doi:10.1001/jamapediatrics.2020.4298

15. Oktober 2020

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Fall in den USA: SARS-CoV-2-Reinfektion führt zu schwererem COVID-Verlauf

Eine in "The Lancet" erschienene Studie beschreibt den ersten bestätigten Fall einer SARS-CoV-2-Reinfektion in den USA. Nur 48 Tage nach dem ersten Test wurde der 25-jährige Patient erneut durch einen PCR-Test positiv getestet. Besorgniserregend ist laut Studienautoren, dass die SARS-CoV-2-Reinfektion zu einer schlimmeren Erkrankung führte als die erste Infektion. Der Patient musste hospitalisiert und mit Sauerstoff versorgt werden. Nach der Reinfektion hatte der Patient positive Antikörper. Ob er nach der ersten Infektion bereits Antikörper hatte, ist unbekannt.

Die Sequenzierung des viralen Genoms zeigte, dass beide Proben zu einer in Nordnevada vorherrschenden Mutationsgruppe gehörten, sie unterschieden sich jedoch signifikant, wodurch die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus von derselben Infektion stammt, gering sei.

Die covid-19-impfung erhöht die sterblichkeit von ungeimpften kindern in europa

Können COVID-19-Patienten rückfällig werden? In Südkorea wird um die erneuten Positiv-Tests von bereits Genesenen gerätselt, die als immun galten. Was ist mit dem Reaktivierungspotenzial von SARS-CoV-2?

Der beschriebene Fall (männlich, 25 Jahre) ist die vierte dokumentierte Reinfektion mit SARS-CoV-2, nach Fällen in Hongkong (männlich, 33 Jahre), Belgien (weiblich, 51 Jahre) und Ecuador (männlich, 46 Jahre). Die Autoren betonen jedoch, dass Reinfektionen nur bei symptomatischen Verläufen mit anschließenden Tests erkannt werden können. Aufgrund des Mangels an umfassenden Tests und Überwachung sei offen, wie häufig eine erneute Infektion bei Personen auftritt, die sich von ihrer ersten Infektion erholt haben. Asymptomatische Reinfektionsfälle könnten nur durch routinemäßige oder situationsbedingten Tests, etwa an Flughäfen, auffallen.

Nach Ansicht der Autoren wird die Anzahl der asymptomatischen Reinfektionen wahrscheinlich stark unterschätzt. Weitere Untersuchungen seien darum notwendig.

Fest stehe nach Einschätzung eines Kommentars in "The Lancet" aufgrund der dokumentierten Reinfektionsfälle jedoch schon jetzt, dass sich die Gesellschaft nicht auf eine durch natürliche Infektionen erworbene Immunität verlassen kann. Die Strategie, auf diese Weise eine Herdenimmunität zu erreichen, "ist nicht nur für viele tödlich, sondern auch nicht effektiv", schreibt Akiko Iwasak. Stattdessen erfordere Herdenimmunität sichere und wirksame Impfstoffe und eine robuste Impfimplementierung.

Richard L. Tillett et al. "Genomic evidence for reinfection with SARS-CoV-2: a case study", Published:October 12, 2020, DOI:https://doi.org/10.1016/S1473-3099(20)30764-7

Akiko Iwasak, "What reinfections mean for COVID-19", Lancet infect Dis 2020, Published Online October 12, 2020, https://doi.org/10.1016/S1473-3099(20)30783-0

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Studie berechnet Pandemie-bedingte Übersterblichkeit für 21 Länder

Eine internationale Studie hat für 19 Industrieländer in Mittel- und Westeuropa sowie Australien und Neuseeland den Gesamtmortalitätseffekt der Pandemie berechnet. Danach starben von Mitte Februar bis Mai 2020 in diesen Ländern 206.000 mehr Menschen als ohne die Pandemie. Die Zahl der Todesfälle, Todesfälle pro 100.000 Einwohner und die relative Zunahme der Todesfälle waren in den meisten Ländern bei Männern und Frauen ähnlich.

England, Wales und Spanien verzeichneten den größten Effekt: In England und Wales kam es zu einem relativen Anstieg von 37 (30-44) Prozent, in Spanien von 38 (31-45) Prozent. In Bulgarien, Neuseeland, Slowakei, Australien, Tschechien, Ungarn, Polen, Norwegen, Dänemark und Finnland kam es zu Veränderungen der Sterblichkeit, die von möglichen kleinen Rückgängen bis zu einem Anstieg von 5 Prozent oder weniger. Die heterogenen Mortalitätseffekte der COVID-19-Pandemie spiegeln laut den Autoren, wie gut die Länder mit der Pandemie umgegangen sind und wie belastbar die jeweiligen Gesundheitssysteme sind. Deutschland ist nicht unter den betrachteten Nationen.

Kontis, V., Bennett, J.E., Rashid, T. et al. Magnitude, demographics and dynamics of the effect of the first wave of the COVID-19 pandemic on all-cause mortality in 21 industrialized countries. Nat Med (2020). https://doi.org/10.1038/s41591-020-1112-0

13. Oktober 2020

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Antikörperkonzentration nach COVID-19-Erkrankung länger feststellbar als bisher angenommen

Frühere Studien hatten zu belegen versucht, dass Patienten nach einer COVID-19-Erkrankung eine Immunität entwickeln, die nur von begrenzter Dauer ist. In den beiden neuen Studien wurden nun bedeutend höhere Fallzahlen untersucht - und die Wissenschaftler kommen zu anderen Ergebnissen als ihre Kollegen: Auch drei Monate nach der Erkrankung war die Antikörperkonzentration nicht wieder abgefallen, sowohl im Blut als auch im Speichel der Patienten waren protektive Antikörper feststellbar.

So untersuchten US-Forscher um Richelle Charles vom Massachusetts General Hospital in Boston mehrfach Blutproben von insgesamt 343 Patienten, die zuvor schwer an COVID-19 erkrankt waren. 93 Prozent davon waren im Krankenhaus gewesen. Die Letalitätsrate lag bei 13 Prozent. Für die Studie wurden Plasma- und/oder Serumantikörperreaktionen bis 122 Tage nach Symptombeginn gemessen und mit Reaktionen von 1.548 Personen verglichen, deren Blutproben vor der Pandemie entnommen worden waren.

Kanadische Forscher um Baweleta Isho analysierten die SARS-CoV-2-Antikörperreaktion über einen Zeitraum von 115 Tagen im Serum und Speichel von 567 Patienten und stellten ebenfalls Antikörperreaktionen über eine Dauer von über drei Monaten fest.

Anita S. Iyer et al., "Persistence and decay of human antibody responses to the receptor binding domain of SARS-CoV-2 spike protein in COVID-19 patients", published 8 Oct. 2020 in Science Immunology, doi: 10.1126/sciimmunol.abe0367

Baweleta Isho et al,  "Persistence of serum and saliva antibody responses to SARS-CoV-2 spike antigens in COVID-19 patients", published 8 Oct. 2020 in Science Immunology, doi: 10.1126/sciimmunol.abe5511

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Schwangere und Frauen, die frisch entbunden haben, haben verlängerten und unspezifischen COVID-Verlauf

Eine landesweite prospektive US-Kohortenstudie erfasst schwangere Frauen und Frauen bis zu sechs Wochen nach der Schwangerschaft, die an einer diagnostizierten oder vermuteten Infektion mit SARS-CoV-2 leiden. Analysiert werden dabei das klinische Erscheinungsbild und der Krankheitsverlauf.

Von 991 Teilnehmerinnen, die zwischen 22. März und 10. Juli 2020 erfasst wurden, hatten 736 zum Zeitpunkt des Tests Symptome von COVID-19, 594 davon wurden positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Das Durchschnittsalter betrug 31,3 Jahre. 95 Prozent wurden ambulant versorgt.

Die häufigsten ersten Symptome in der Kohorte der Patienten, die positiv auf SARS-CoV-2-Infektion getestet wurden, waren Husten (20 Prozent), Halsschmerzen (16 Prozent), Körperschmerzen (12 Prozent), und Fieber (12 Prozent). Die mediane Zeit bis zur Symptomauflösung betrug 37 Tage (95 Prozent CI 35-39). Ein Viertel (25 Prozent) der Teilnehmer, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden, hatten acht oder mehr Wochen anhaltende Symptome.

Die Ergebnisse legen nahe, argumentieren die Autoren, dass schwangere Patientinnen ein anderes klinisches Erscheinungsbild und eine andere Morbidität aufweisen als die an COVID-19 erkrankte nicht schwangere Bevölkerung. So zeigen Schwangere eine geringere Prävalenz von Fieber und höhere Raten von Müdigkeit, Körperschmerzen und Kopfschmerzen. Zudem führt eine Schwangerschaft bei COVID-Patienten zu einem verlängerten Krankheitsverlauf.

Yalda Afshar et al., "Clinical Presentation of Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) in Pregnant and Recently Pregnant People", Obstetrics & Gynecology: October 07, 2020 - Volume Latest Articles - Issue - 10.1097/AOG.0000000000004178 doi: 10.1097/AOG.0000000000004178

12. Oktober 2020

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Geruchssinnverlust ist auch bei schwachen und mittelschweren COVID-Verläufen häufig

Der Verlust von Geruchs- und Geschmacksinn gehört zu protokollierten Symptomen der Infektion mit SARS-CoV-2. Vermutet wird ein neuronaler Zusammenhang der Viruserkrankung sowie die Betroffenheit des Bereichs des Riechkolbens, der für die Bildung des Geruchssinns vorgesehen ist - hier nistet sich das Enzym ein, welches den Viren beim Eintritt in den Körper hilft. Forscher der Johns Hopkins University School of Medicine aus Baltimore stellten in der Untersuchung von Gewebeproben aus der Nase bereits ein sehr hohes Vorkommen des Enzyms ACE-2 (Angiotensin Converting Enzyme II) fest.

Die covid-19-impfung erhöht die sterblichkeit von ungeimpften kindern in europa

Ein Enzym lässt die Corona-Viren in die Zellen und ist somit verantwortlich für den Verlust des Geruchssinns vieler Patienten. Zu dem Schluss kommen US-Forscher - und machen einen Vorschlag für eine Therapie.

Jedoch gibt es bislang wenig qualitative Ergebnisse zu den olfaktorischen Störungen. Wie viele Patienten tatsächlich vorübergehenden Geruchs- und Geschmackstörungen aufweisen, ist daher nicht genau belegt. Eine kleine indische Studie brachte nun objektiv gemessene Daten dazu. Den objektiven Testungen nach sind mehr Patienten von dem beeinträchtigten Sinn getroffen, als selbst angaben.

Objektive Tests zeigen tatsächliche Betroffenheit

Die Patienten wiesen leichte bis mittelschwere COVID-Verläufe auf und waren nicht auf der Intensivstation. Nach den Symptomen gefragt, gaben knapp 27 Prozent an, eine Beeinträchtigung des Geruchssinns zu haben (n=62). Knapp elf Prozent hatte den Geschmackssinn verloren. Objektiv bewerten waren es aber deutlich mehr: So haben den Tests nach gut 41 Prozent der Studien-Teilnehmer (n=95) hier Beeinträchtigungen. Ein Drittel der Studienteilnehmer hatten den Geruchssinn vollständig verloren. Die Ergebnisse bestätigen erneut das Symptom bei einer SARS-CoV-2-Infektion, welches nach Husten, Fieber und Abgeschlagenheit zu den häufigsten Beschwerden zählt.

Rajkumar, I. et al. "Contemporary Analysis of Olfactory Dysfunction in Mild to Moderate Covid 19 Patients in A Tertiary Health Care Centre" published 30 Sept. 2020 in Indian J Otolaryngol Head Neck Surg, doi:10.1007/s12070-020-02175-3

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Junge COVID-Patienten mit Komorbiditäten sind stark gefährdet

21 Prozent der hospitalisierten COVID-19-Patienten zwischen 18 und 34 Jahren benötigten Intensivpflege, 10 Prozent eine mechanische Beatmung und 2,7 Prozent starben. Das zeigt eine neue US-Studie, die die klinischen Profile und Verläufe von 3.222 jungen Erwachsenen untersuchte, die in den USA wegen COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten.

Auffällig war laut der Studienautoren, dass die Sterblichkeitsrate der jungen Patienten im Krankenhaus zwar niedriger als bei älteren Erwachsenen mit COVID-19 war, aber ungefähr doppelt so hoch liegt wie bei jungen Erwachsenen mit akutem Myokardinfarkt. Junge Erwachsene mit mehr als einer Komorbidität (Adipositas, Hypertonie oder Diabetes) hatten ein ähnliches Risiko für einen schlechten Krankheitsverlauf Erwachsene mittleren Alters ohne Komorbidität.

Und: Mehr als die Hälfte der Patienten, die ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten, waren Schwarze oder Hispanoamerikaner, was mit früheren Befunden über einen unverhältnismäßigen Schweregrad der Erkrankung in diesen Bevölkerungsgruppen übereinstimmt. Angesichts der stark steigenden COVID-19-Infektionsraten bei jungen Erwachsenen unterstreichen diese Ergebnisse die Bedeutung von Maßnahmen zur Infektionsprävention in dieser Altersgruppe.

Cunningham, J., Vaduganathan, M., Claggett, B., et al. "Clinical Outcomes in Young US Adults Hospitalized With COVID-19". JAMA Intern Med. Published online September 09, 2020. doi:10.1001/jamainternmed.2020.5313

9. Oktober 2020

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Kinder mit COVID-19 leiden unter Vitamin D-Mangel

Anfang September kam eine retrospektive Kohortenstudie zu dem Ergebnis, dass Vitamin-D-Mangel das relative Risiko, positiv auf SARS-CoV-2 getestet zu werden, erhöht (siehe Kasten). Jetzt untersuchte eine türkische Studie, ob dies auch für Kinder gilt. Diese Untersuchung umfasste 85 Kinder im Alter zwischen einem Monat und 18 Jahren, darunter 40 Patienten, bei denen COVID-19 diagnostiziert wurden sowie 45 gesunde Kontrollpersonen mit normalen Vitamin-D-Spiegeln. 

Die covid-19-impfung erhöht die sterblichkeit von ungeimpften kindern in europa

Das relative Risiko, positiv auf SARS-CoV-2 getestet zu werden, ist einer Studie zufolge bei Patienten mit mangelhaftem Vitamin-D-Status 1,77-mal höher als bei Patienten mit unauffälligen Werten.

Ergebnis: Kindern mit COVID-19 zeigten signifikant häufiger einen niedrigen Vitamin D-Spiegel (n: 29, 72,5 Prozent) als jene aus der Kontrollgruppe (n: 11, 27,5 Prozent). Gleichzeitig war das Symptom Fieber in Gruppe 1 deutlich häufiger (34,5 Prozent) als in Gruppe 2 (0 Prozent). Es wurden jedoch keine signifikanten Korrelationen zwischen anderen klinischen Parametern und dem Vitamin D-Spiegel gefunden. Die Autoren gehen darum nicht davon aus, dass Vitamin D eine Rolle in der Physiopathologie von jungen COVID-19-Patienten spielt.

K. Yilmaz K, V. Şen, "Is Vitamin D Deficiency a Risk Factor for Covid 19 in Children?", Pediatr Pulmonol. 2020 Oct 5. doi: 10.1002/ppul.25106. Epub ahead of print. PMID: 33017102.

8. Oktober 2020

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Bereits überstandene Infektionen mit anderen Coronaviren können Verlauf abschwächen

Forscher der Boston University School of Medicine haben in Kooperation mit dem Boston Medical Center in einer Studie untersucht, inwieweit bereits überstandene Infektionen in Zusammenhang mit den vier geläufigen endemischen Coronaviren den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung beeinflussen können. Diese Viren (OC43, HKU1, NL63 und 229E) treten fast überall auf der Welt auf und verursachen vornehmlich respiratorische Infektionen.

Dafür nutzten die Wissenschaftler die Daten von knapp 16.000 Patienten, die in den vergangenen fünf Jahren auf eines der humanpathogenen Coronaviren getestet wurden. Hier ergaben 875 Fälle ein positives Testergebnis. Verglichen mit der Gruppe der Negativ-Tests fielen keine gravierenden Anhaltspunkte zu Komorbiditäten auf. Anders hingegen sind die Erkenntnisse aus den Vergleichen von COVID-19-Patienten mit früheren Positiv-Tests, deren Anzahl sich in der Datenbank auf 1.812 belief: Die Gruppe derer, die mit nachgewiesener, bereits überstandener Infektion mit einem der vier anderen Coronaviren hospitalisiert werden mussten und verstarben, lag mit 4,8 Prozent deutlich unter der Sterblichkeitsrate derer, die ohne Immunreaktionen auf die anderen Coronaviren verstarben (17,7 Prozent).

Die Schlussfolgerung der Untersuchung lautet daher, dass frühere Infektionen mit Coronaviren einen COVID-19-Verlauf abschwächen können. Die Daten zeigen eine geringere Sterberate für diesen Patientenkreis. Verhindert werden kann eine Infektion mit dem neuen Virus bisherigen Erkenntnissen nach jedoch nicht.

Sagar, M. et al. "Recent endemic coronavirus infection is associated with less severe COVID-19" published online 30 Sept 2020 in JCI: https://doi.org/10.1172/JCI143380

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Schlaganfall kann das Erstsymptom bei jüngeren COVID-19-Patienten sein

Für ihre Metaanalyse untersuchte ein internationales Wissenschaftlerteam zehn Studien, in denen die Schlaganfallhäufigkeit bei COVID-19-Patienten angegeben wurde und kombinierten diese mit einer bisher unveröffentlichten Arbeit aus Kanada. Außerdem führten sie eine zusätzliche systematische Suche nach Schlaganfallserien bei COVID-19-Patienten durch (n = 125) und betrachteten diese zusammen mit bisher unveröffentlichten Fällen aus Kanada, den USA und dem Iran (n=35).

Die Analyse der klinischen Merkmale und Mortalität erfolgte nach Altersgruppen (<50, 50-70,> 70 Jahre) getrennt. Ergebnis: Der Anteil der COVID-19-Patienten mit Schlaganfall (1,8%, 95% CI 0,9-3,7%) und Mortalität 34,4%, 95% CI 27,2-42,4%) war "außerordentlich hoch", schreiben die Wissenschaftler. Der Verschluss großer Gefäße war in allen Altersgruppen hoch, selbst wenn keine Risikofaktoren oder Komorbiditäten vorlagen. Die Schlussfolgerung: Schlaganfall ist bei COVID-19-Patienten relativ häufig und hat verheerende Folgen für alle Altersgruppen.

Weitere Ergebnisse: 42,9 Prozent der Schlaganfall-Patienten unter 50 Jahren wiesen keine vorherigen Risikofaktoren oder Komorbiditäten auf - und 48,3 Prozent der Schlaganfälle ereigneten sich vor dem Auftreten der ersten COVID-19-Symptome.

Sebastian Fridman et al., "Stroke Risk, phenotypes, and death in COVID-19: Systematic review and newly reported cases", Neurology, Published Ahead of Print on Sept. 15, 2020 DOI:10.1212/WNL.000000000001085

5. Oktober 2020

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Fehler in der Immunabwehr spielen große Rolle bei schweren Verläufen

In einer In-vitro-Studie untersuchte ein internationales Forschungsteam von der New Yorker Rockefeller University Blutproben von 987 Menschen mit einer lebensgefährlichen Covid-19-Infektion. Bei 101 Patienten fanden sie Antikörper, die sich gegen das körpereigene Interferon richteten und dessen Fähigkeit neutralisierten, SARS-CoV-2 zu blockieren. Diese Antikörper wurden bei 663 Personen mit asymptomatischer oder milder Infektion nicht gefunden und waren nur bei 4 von 1.227 gesunden Personen vorhanden. Auffällig zudem: die von dieser Immunschwäche betroffenen Patienten sind zu 95 Prozent Männer. Die gefundene Immunschwäche ist nach Einschätzung der Wissenschaftler bei mindestens 2,6 Prozent der Frauen und 12,5 Prozent der Männer verantwortlich für die Ausbildung einer lebensbedrohlichen COVID-19-Pneumonie.

Paul Bastard et al, "Auto-antibodies against type I IFNs in patients with life-threatening COVID-19", Published Online<time>24 Sep 2020, </time>DOI: 10.1126/science.abd4585

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Genetisch bedingter Mangel an Interferon kann den Krankheitsverlauf beeinflussen

Eine zweite Studie beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen genetischen Veränderungen und schweren Verläufen von COVID-19. Die Autoren untersuchten bei 659 Patienten jene 13 Genabschnitte, die früheren Studien zufolge mit einem Defekt im Interferon-Mechanismus in Verbindung gebracht worden waren. Im Erbgut von 23 der untersuchten Patienten identifizierten sie in acht dieser Genabschnitte seltene Mutationen. Die Interferon-Spiegel im Blut dieser Patienten waren zudem extrem niedrig.

Nach Einschätzung der Autoren kann davon ausgegangen werden, dass bei diesen 3,5 Prozent der schwer Erkrankten ein genetisch bedingter Mangel an Interferon die Infektion erschwert hat. Dies lege auch nahe, heißt es weiter, dass die Verabreichung von Interferon bei ausgewählten Patienten zumindest früh im Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion von therapeutischem Nutzen sein kann.

Qian Zhang et al., "Inborn errors of type I IFN immunity in patients with life-threatening COVID-19", Published Online 24. Sep 2020, DOI: 10.1126/science.abd4570

30. September 2020

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COVID-19 auch für Erwachsene mittleren Alters deutlich gefährlicher als Grippe

Eine neue Meta-Regressionsanalyse zeigt, dass eine exponentielle Beziehung zwischen Alter und dem Infizierten-Verstorbenen-Anteil (englisch infection fatality rate, kurz: IFR) für COVID-19 besteht. Sind die geschätzten altersspezifischen IFRs für Kinder und jüngere Erwachsene sehr niedrig, steigen sie jedoch progressiv auf 0,4 Prozent im Alter von 55 Jahren, 1,3 Prozent im Alter von 65 Jahren, 4,2 Prozent im Alter von 75 Jahren und 14 Prozent im Alter von 85 Jahren an.

Zum Vergleich: Die Influenza hat über einen mehrjährigen Zeitraum etwa in den USA eine IFR von 0,05 Prozent. Weitere Erkenntnis: Die international zu beobachtende geografische Variation der IFR erklären sich zu 90 Prozent aus der der Altersstruktur der jeweiligen Bevölkerung.

Die IFR für COVID-19 sollte nach Ansicht der Autoren darum nicht als fester Parameter angesehen werden, sondern als eng mit dem altersspezifischen Infektionsmuster verbunden. Folglich könnten Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zur Minderung von Infektionen bei älteren Erwachsenen die Gesamtzahl der Todesfälle erheblich senken.

Nach einem ersten Screening von 1.145 Studien überprüften die Autoren den Volltext von 111 Studien, wovon 50 Studien aufgrund fehlender altersspezifischer Daten zur COVID-19-Prävalenz oder zu Todesfällen ausgeschlossen wurden.

Andrew T. Levin et al., "Assessing the Age Specificity of Infection Fatality Rates for COVID-19: Systematic Review, Meta-Analysis, and Public Policy Implications", medrxiv.org, 24. September 2020, https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.07.23.20160895v5.full.pdf

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Bluthochdruck erhöht das Risiko für schwere COVID-19-Verläufe

Eine Kohortenstudie aus China und Großbritannien wertete den Verlauf von 472 Patienten aus, die zwischen dem 16. Januar und dem 10. März an COVID-19 erkrankten. Dabei wurde untersucht, welchen Einfluss Bluthochdruck auf die Wahrscheinlichkeit einer Einweisung auf die Intensivstation, einer mechanische Beatmung oder einen letalen Ausgang der Erkrankung hatte.

Ergebnis:  Der zusammengesetzte Endpunkt - also eines der drei Ereignisse - trat bei 65 (13,8 Prozent) aller untersuchten Patienten auf. Eine multivariate schrittweise logistische Regressionsanalyse zeigte, dass älteres Alter (Odds Ratio [OR] 1,39, 95% -Konfidenzintervall (CI) 1,05-1,85 pro 10-Jahres-Inkrement), vorausgegangene Hypertonie (OR 2,82, 95% CI 1,09-7,29), die Neutrophilenzahl (OR 1,33) und das Lactat-Dehydrogenase-Level (OR 1,01) unabhängig mit dem Endpunkt assoziiert waren. Hypertensive Patienten hatten im Vergleich ein größeres Risiko für die Aufnahme auf der Intensivstation, die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung und Tod. Blutdrucksenkende Medikamente hatten keinen Einfluss auf die Ergebnisse.

Xiong Tian-Yuan et al., "Hypertension is a risk factor for adverse outcomes in patients with coronavirus disease 2019: a cohort study." Ann Med. 2020 Nov;52(7):361-366. doi: 10.1080/07853890.2020.1802059. Epub 2020 Jul 31. PMID: 32716217.

 22. September 2020

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BCG-Impfung schützt ältere Menschen vor Atemwegsinfektionen

In einer in Cell veröffentlichten, randomisierten Studie hat eine Impfung mit dem Tuberkuloseimpfstoff BCG bei Probanden über 65 Jahre die Zahl der Atemwegsinfektionen deutlich gesenkt. Ob ein ähnliches Vorgehen auch vor COVID-19 schützen könnte, ist unklar - wird jedoch aktuell von mehreren internationalen Studien untersucht. Mediziner des Athener Universitätskrankenhaus Attikon hatten für die Studie im September 2017 begonnen, Patienten im Alter von mehr als 65 Jahren bei der Entlassung mit BCG oder einem Placebo zu impfen.

Die Studie sollte noch einige Zeit fortgesetzt werden, die Wissenschaftler hatten sich angesichts der Pandemie dann aber zu einer Zwischenanalyse entschieden. Diese inkludierte 150 Probanden, erklären die Wissenschaftler, wobei zu diesem Zeitpunkt insgesamt 198 Probanden an der Studie teilgenommen hatten. Mit großem Effekt: in den ersten 12 Monaten nach der Krankenhausentlassung erkrankten nur 2,0 Prozent der mit BCG geimpften Senioren (n=78) an einer Atemwegsinfektion, aber 42,3 Prozent in der Placebogruppe (n=72).

Evangelos J. Giamarellos-Bourboulis et al., "Activate: Randomized Clinical Trial of BCG Vaccination against Infection in the Elderly", Cell, Published:August 31, 2020, DOI:https://doi.org/10.1016/j.cell.2020.08.051

15. September 2020

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SARS-CoV-2 kann Gehirnzellen befallen

Dass sich SARS-CoV-2 nicht nur auf den Befall der Lunge beschränkt, sondern auch Zellen von Gefäßen und Organen, wie die Leber, das Herz und die Nieren, angreift, ist bereits erwiesen. Nun veröffentlichten Forscher die Ergebnisse zu Experimenten, die zeigen, dass das Virus auch die Zellen im Gehirn angreifen kann. Zuvor wurde es durch die Ermittlung von Antikörpern im Gewebe des Cortex bei drei verstorbenen COVID-19-Patienten nachgewiesen. An der Yale School of Medicine in New Haven/Connecticut zeigen nun Versuche mit Mäusen und Zellkulturen aus Stammzellen zur Hirnzelluntersuchung im Labor, dass eben auch diese angegriffen werden.

Demnach scheinen die Coronaviren in der Lage, Nervenzellen zu identifizieren und dabei vor allem die kortikalen Neuronen der Großhirnrinde zu bevorzugen. Allerdings stellten die Forscher fest, dass die Infektion nicht zum Tod der Neuronen führt, jedoch ein Zelltod in der Umgebung stattfand. Das könnte auf die Unterversorgung der Zellen mit Sauerstoff aufgrund der Infektion zurück zu führen sein. Eindeutig nachweisen konnten die Forscher die Bildung der ACE2- Rezeptor in den Hirnzellen, die für den Eintritt in diese und somit für die Infektion Voraussetzung sind. Unklar bleibt bislang, wie die Viren ins Gehirn gelangten - eventuell über die Blutgefäße. Möglich wäre aber auch der direkte Weg von der Nasenschleimhaut über die Geruchsnerven ins Gehirn.

Beim Mäuseversuch gelang die Infektion des Gehirns. Die Tiere nahmen stark an Gewicht ab und starben. Während andere Versuchstiere, deren Lungen infiziert waren, eher leicht erkrankten und kein Gewicht verloren.

Iwasaki, A. et al; "Neuroinvasion of SARS-CoV-2 in human and mouse brain" published on September 08, 2020 doi: https://doi.org/10.1101/2020.06.25.169946

14. September 2020

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Theorie zur Immunität: Weiterer Vorteil des Maskentragens?

US-Forscher veröffentlichten vergangene Woche die Hypothese, dass durch die geringe Virenkonfrontation beim Tragen von Masken eventuell eine Immunantwort ohne schlimmere Infektion gebildet werden könnte.

Masken und Mund-Nase-Schutz schützen vor allem andere Personen vor einer möglichen Infektion durch Tröpfchen und Aerosole. Wenn jeder in den geschlossenen Bereichen des öffentlichen Lebens eine trägt, ist ein großer Teil für den Infektionsschutz getan - soweit sind sich Wissenschaftler und Mediziner einig. Zwei Wissenschaftler aus den USA gehen jetzt noch einen Schritt weiter und veröffentlichen eine Theorie, die Maske einen weiteren nützlichen Effekt zuspricht. Ihrer Auffassung nach kann das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes helfen, immun gegen SARS-CoV-2 zu werden.

Ihren Ansatz erklären Monica Ghandi und George Rutherford von der University of California in San Francisco in einem Meinungsbeitrag im New England Journal of Medicine so: Die meisten Masken halten zwar den Großteil der Töpfchen zurück, ein geringer Teil gelangt jedoch mit der Atemluft durch das Material in die Umgebungsluft. Diese Virenmenge ist idealerweise so gering, dass sich andere Personen, zumal sie auch eine Maske tragen, nicht infizieren. Das Immunsystem kann die geringe Dosis an Erregern abwehren. Eine mögliche, leichte Infektion bleibt unbemerkt. Durch die geringe Virusanzahl kommt es zudem zu weniger stark ausgeprägten Symptomen.

Dennoch, und das ist der Kern der Hypothese, könnte es durch den Kontakt mit den Viren zu einer Immunreaktion kommen und sich daraus eine Immunität entwickeln. Diese kann dann als Schutz vor weiteren Infektionen dienen. Diesen Ansatz führen die Forscher auf die sogenannte Variolation bei früheren Versuchen der Pockenimpfung zurück, bei denen Patienten eine Sekret mit einer geringen Menge Viren über das Einreiben der Haut verabreicht wurden. Die Hoffnung dabei war, dass die Menge reicht, um eine Immunantwort zu bilden, nicht aber um eine Infektion auszulösen.

Belegt ist aber noch nicht, ob auch leichte und asymptomatische Infektionen zur einer anhaltenden Immunität führen können und ob eine kleine Virendosis nicht auch einen stärkeren Effekt auslösen kann.

Monica Gandhi, George W. Rutherford; "Facial Masking for Covid-19 - Potential for 'Variolation'" as We Await a Vaccine", published on September 8, 2020, at NEJM.org; DOI: 10.1056/NEJMp2026913

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Unerklärte klinische Probleme könnten Ursache in unerkannter COVID-19-Erkrankung haben

In einem Pariser Klinikum gab es bei der Überprüfung der analytischen Leistungsfähigkeit des Antikörpertests "Abbott SARS-CoV-2 IgG-Assay" einen interessanten Zufallsbefund. Der Test von 259 Probanden, bei dem zusätzlich die SARS-CoV-2-IgG-Positivitätsraten in COVID-19-positiven und COVID-19-freien Bereichen des Krankenhauses verglichen wurden, bescheinigte dem Verfahren eine Sensitivität von 94 Prozent und eine Spezifität von 100 Prozent.

Dabei fiel jedoch auf, dass mehrere stationäre Patienten, die in vermeintlich COVID-19-freien Bereichen stationiert waren und eine Vielzahl ungeklärter klinischer Merkmale aufwiesen - einschließlich Herz-, Gefäß-, Nieren-, Stoffwechsel- und Infektionsstörungen - unerwartet als seropositiv getestet wurden. Die Autoren leiten daraus ab, dass die SARS-CoV-2-Serologie auch ein nützliches Instrument zur retrospektiven Diagnose von COVID-19-Infektionen sein kann.

Hélène Péré et al.; "Unexpected diagnosis of COVID-19-associated disorders by SARS-CoV-2-specific serology", Journal of Clinical Virology, Volume 132, November 2020, 104568, https://doi.org/10.1016/j.jcv.2020.104568

11. September 2020

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Unterschiedliche Kopfschmerz-Formen bei SARS-CoV-2

Das Spektrum der Kopfschmerzen bei einer SARS-Cov-2-Infektion ist vielfältig. Für eine Studie mit 112 Patienten, die selbst im Gesundheitswesen als medizinische Fachkräfte tätig sind, befragten und untersuchten die Wissenschaftler um Jesús Porta‐Etessam der neurologischen Fakultät der Universidad Complutense de Madrid die Charakteristika der Kopfschmerzen. Diese traten unabhängig vom Fieber auf und werden unterschiedlich beschrieben. Das Symptom trat am dritten oder vierten Tag der Infektion auf.

Dabei berichteten 46 Prozent der Patienten von hemicranialen, halbseitigen Kopfschmerzen, 42,5 Prozent von Schmerzen mit dumpf-drückendem holocraniellen Charakter und 17,7 Prozent von okzipitalen Kopfschmerzen. Mit 80 Prozent der Befragten beschriebt die große Mehrheit die Schmerzen in jedem Fall als drückend. 17 Prozent der Patienten hatten bereits vorher regelmäßige Kopfschmerzen in Form von Migräne. Sie beschrieben den Kopfschmerz während der Erkrankung am häufigsten als pulsierend. Einige Patienten litten zudem an Übelkeit und Lichtempfindlichkeit. Die Studienbetreiber führen die heterogene Erscheinung der Schmerzen auf verschiedene pathophysiologische Mechanismen zurück.

Porta‐Etessam J. et al. Spectrum of Headaches Associated With SARS‐CoV‐2 Infection: Study of Healthcare Professionals. Headache J Head Face Pain. 2020 :1697-1704. doi:10.1111/head.13774

10. September 2020

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Corona-Hygienemaßnahmen verhindern auch andere Infektionen

Im Krankenhaus erworbene Infektionen ( Hospital-Acquired Infections, kurz: HAI) sind häufige Komplikationen bei akuten Patienten, die in neurologischen Einheiten stationiert sind, insbesondere bei Schlaganfallpatienten. Eine italienische Studie untersuchte nun, ob die durch die Pandemie verbesserten Hygienemaßnahmen eine Abnahme der HAI in "COVID-freien" neurologischen Einheiten zur Folge hatten. Dazu wurden 319 Patienten, die ab dem 8. März 2020 in Neurologie- und Schlaganfallabteilungen des Policlinico Umberto I-Krankenhauses in Rom hospitalisiert und vor dem 31. Mai 2020 entlassen wurden (n = 103), in die Studie aufgenommen und mit Patienten verglichen, die im gleichen Zeitraum 2019 ins Krankenhaus eingeliefert wurden (n = 216).

Ergebnis: Bei Patienten, die 2019 eingeliefert wurden, lag die Inzidenz von HAIs bei 31,5% (95% -Konfidenzintervall (CI): 0,25-0,38), verglichen mit 23,3% (95% -Konfidenzintervall: 0,15-0,32) im Jahr 2020 ( p = 0,12). Dabei war der Krankenhausaufenthalt 2020 unabhängig mit einem geringeren HAI-Risiko verbunden und mit einer geringeren Anzahl von HAIs sowie einer geringeren Anzahl von verschriebenen Antibiotika pro Patient verbunden. Die Autoren sehen darin Belege für die Auswirkungen strengerer Hygienemaßnahmen auf HAIs.

Emanuele Irelli et al., "The potential impact of enhanced hygienic measures during the COVID-19 outbreak on hospital-acquired infections: A pragmatic study in neurological units", Journal of the Neurological Sciences Volume 418, 15 November 2020, 117111, https://doi.org/10.1016/j.jns.2020.117111

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COVID-19 kann offenbar Insulinmangel-Diabetes verursachen

Wissenschaftler des Uniklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) berichten von einem Fall, in dem die Manifestationen von insulinabhängigem Diabetes nach einer SARS-CoV-2-Infektion bei einem 19-Jährigen auftraten, die für Typ-1-Diabetes mellitus typisch sind. Die Anamnese des Patienten ergab eine wahrscheinliche COVID-19-Infektion 5-7 Wochen vor der Aufnahme.

Interessanterweise trug der Patient einen menschlichen Leukozyten-Antigen-Genotyp, von dem angenommen wurde, dass er nur ein geringfügig erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Autoimmun-Typ-1-Diabetes mellitus bietet. Obwohl der Bericht die Kausalität zwischen COVID-19 und der Entwicklung von Diabetes bei diesem Patienten nicht vollständig feststellen kann, so die Autoren, sei davon auszugehen, dass SARS-CoV-2 hier selbst die Betazellen im Pankreas angegriffen hat. 

Hollstein, T. et al. "Autoantibody-negative insulin-dependent diabetes mellitus after SARS-CoV-2 infection: a case report. Nat Metab (2020). https://doi.org/10.1038/s42255-020-00281-8

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An dieser Stelle gibt die zm-Redaktion regelmäßig einen kurzen Überblick über ausgewählte Studien zu SARS-CoV-2.