Kann eine Klage vom Gericht abgewiesen werden

Berufung

Kann eine Klage vom Gericht abgewiesen werden
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Sie sind in der ersten Instanz zu einer Zahlung verurteilt worden und möchten dieses Urteil anfechten? Ihre Klage ist abgewiesen worden und Sie halten die Begründung für falsch?

Wenn die Parteien sich nicht einigen, endet ein Zivilprozess in der Regel mit einem Urteil. Durch dieses Urteil wird entweder die Klage abgewiesen oder der Beklagte zu etwas verurteilt - zum Beispiel zu einer Zahlung. Es kann auch vorkommen, dass beide Parteien teilweise Recht bekommen, also eine Klage nur zum Teil abgewiesen wird.

Urteile des Amtsgerichts oder des Landgerichts können mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochten werden. Bei Urteilen des Amtsgerichts muss die Berufung beim Landgericht, bei Urteilen des Landgerichts muss die Berufung beim Oberlandesgericht eingelegt werden. In jedem Fall muss die Berufung von einem Rechtsanwalt eingelegt werden. Dabei sind Fristen zu beachten: Die Berufung muss innerhalb eines Monats, nachdem das Urteil zugestellt wurde, eingelegt werden und innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des Urteils begründet werden.

Nicht in jedem Fall kann das Urteil der ersten Instanz im Wege der Berufung überprüft werden. Dies ist nur möglich, wenn eine Partei mit einem Wert von mehr als 600,00 EUR verloren hat oder das Gericht der ersten Instanz die Berufung im Urteil ausdrücklich zulässt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine wichtige Rechtsfrage durch ein Gericht höherer Instanz geklärt werden sollte.

Das Berufungsgericht überprüft ein angefochtenes Urteil nicht vollständig neu. Die Richterinnen und Richter sind grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des Gerichts erster Instanz gebunden. Eine neue Beweisaufnahme wird nur durchgeführt, wenn das Berufungsgericht konkrete Anhaltspunkte für Zweifel daran hat, dass die erstinstanzlichen Feststellungen richtig bzw. vollständig sind. Darüber hinaus können Tatsachen in der Berufungsinstanz von den Parteien nicht beliebig neu vorgetragen werden.

Für Versäumnisurteile gelten besondere Regeln. Versäumnisurteile können erlassen werden, wenn eine Partei nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint oder aber wenn der Beklagte nach Klagezustellung nicht erklärt, dass er sich gegen die Klage verteidigen möchte. Deshalb ist wichtig: Wenn das Gericht Fristen setzt oder Termine anberaumt, müssen Sie diese befolgen, wenn Sie negative Folgen für sich vermeiden wollen.

Für Beschlüsse des Familiengerichts gelten andere Regelungen. Diese können mit der Beschwerde angefochten werden. Die Beschlüsse werden dann durch das Oberlandesgericht überprüft.

Revision

Mit der Revision können Urteile der Berufungsinstanz (in ganz bestimmten Ausnahmen auch Urteile der ersten Instanz) angefochten werden. Auch die Revision ist zwingend von einem Rechtsanwalt einzulegen. Revisionsgericht ist der Bundesgerichtshof.

Die Revision kann nur eingelegt werden, wenn sie das Berufungsgericht vorher in dem Urteil zugelassen hat. Dies ist der Fall, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Wenn die Revision vom Berufungsgericht nicht zugelassen wurde und der Streitwert des Verfahrens 20.000,- EUR übersteigt, kann die Nichtzulassung mit der sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden. Gibt das Revisionsgericht der Nichtzulassungsbeschwerde statt, ist die Revision statthaft.

Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht, also etwa Gesetze nicht richtig angewendet wurden.

Ist das Rechtschutzbegehren eines Bürgers unlauter, wenn ein ökonomisches Minimum unterschritten ist oder die Klagebegründung unlogisch und völlig hanebüchen daher kommt? Die Antwort ist in einem Rechtsstaat nicht leicht. Für das VG Neustadt war bei einer Klage um 3 Cent die Grenze zwischen schutzwürdiger Rechtsverfolgung und Rechtsmissbrauch überschritten.  

Das Recht und die damit notwendigerweise verbundene Gewährung effektiven Rechtsschutzes sind in einem Rechtsstaat ein hohes Gut und werden grundsätzlich unabhängig von ökonomischen Gesichtspunkten gewährt. Für einen Sozialhilfeempfänger kann die Geltendmachung eines Anspruchs auf 100 Euro eine größere Bedeutung haben als ungleich höhere Streitbeträge für Wohlhabende. Deshalb darf der finanzielle Wert eines gerichtlich geltend gemachten Anspruchs für die Frage des Ob der Rechtsgewährung im Grundsatz keine Rolle spielen.

Effektiver Rechtsschutz ist ein Grundprinzip des Rechtsstaats

Dieser rechtsstaatliche Grundsatz findet u.a. seinen Ausdruck in dem durch Art 19 GG garantierten effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Jeder der sich gegen einen staatlichen Akt zur Wehr setzt oder glaubt, Rechtsansprüche gegen den Staat in irgendeiner Form zu haben, kann diese Ansprüche vor Gericht geltend machen, unabhängig von ihrem pekuniären Wert und unabhängig davon, wie plausibel diese Ansprüche auf den ersten Blick erscheinen. Letzteres wurde in jüngster Zeit besonders augenscheinlich an der großen Zahl von mit dem gesunden Menschenverstand nur schwer nachvollziehbaren gerichtlichen Klagen aus den Reihen der Reichsbürgerbewegung.

Kein Recht auf objektiv unnütze Klagen?

Das VG Neustadt ist nun der Frage nachgegangen, ob der Staat für die Gewährung von Rechtsschutz eine finanzielle Untergrenze ziehen darf und hat dies bejaht.

Zwar garantiere Art. 19 GG effektiven Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt, jedoch werde der Zugang zu den Gerichten durch gesetzliche Zulässigkeitsvoraussetzungen eingeschränkt.

  • Eine dieser Zulässigkeitsvoraussetzungen sei das für eine Klage grundsätzlich erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
  • Nur bei Bejahen eines rechtlichen Schutzbedürfnisses werde dem rechtsuchenden Bürger Rechtsschutz vor Gericht gewährt.
  • Ergänzend gelte auch im Prozessrecht der Grundsatz von Treu und Glauben
  • sowie das Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte.
  • Hieraus folgert das VG, dass der Rechtsuchende Gerichte nicht für unnütze oder unlautere Zwecke in Anspruch nehmen dürfe.

Vollstreckungsantrag über 0,03 Euro Zinsen

Anlass dieser Überlegungen des Verwaltungsgerichts war der Fall eines Vollstreckungsgläubigers, der ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren gegen die Stadt Neustadt an der Weinstraße eingeleitet hatte und dem aus einem hierzu ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss gegen die Stadt ein Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von 2,90 Euro zustand. Aufgrund diverser Verwicklungen ging dieser Betrag auf dem Konto des Vollstreckungsgläubigers erst mit einiger Zeitverzögerung ein. Infolge dessen stand nach der Überweisung noch ein Betrag für Verzugszinsen in Höhe von 0,03 Euro offen.

VG Neustadt zieht pekuniäre Untergrenze für Rechtsschutz

Die offenen 0,03 Euro wollte der Gläubiger ebenfalls vollstrecken. Das VG lehnte den weiteren Vollstreckungsauftrag ab mit der Begründung,

  • angesichts des extrem geringen Restschuldbetrages sei ein Rechtsschutzinteresse nicht mehr gegeben.
  • Das Rechtswesen sei für die Gemeinschaft ein kostbares und zugleich sehr kostspieliges Gut.

Für reine Rechthaberei stellt der Staat keine Gerichte zur Verfügung

Dem Vollstreckungsgläubiger gehe es erkennbar nicht mehr um die Durchsetzung seiner wirtschaftlichen Interessen, sondern allein um das Prinzip des Rechthabens gegenüber der Gemeinde Neustadt.

  • Ein rechtlich schützenswertes Interesse sei unter diesen Umständen nicht ersichtlich.
  • Die Inanspruchnahme des Gerichts durch Stellung eines weiteren Vollstreckungsantrages sei daher rechtsmissbräuchlich.

Das VG wies den Vollstreckungsantrag daher zurück (VG Neustadt, Beschluss v. 26.4.2018, 5 N 200/18).

Anmerkung:

Die Entscheidung des VG ist über das Argument des mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses im Hinblick auf die extreme Geringfügigkeit des verfolgten Zahlungsanspruchs durchaus nachvollziehbar begründet. Nicht
so einfach verhält es sich aber mit dem Argument der bloßen Rechthaberei.

Dieses könnte auch für die vielfachen Klagen von Angehörigen der Reichsbürgerbewegung ins Feld geführt werden, die nicht nur die ohnehin durch die Vielzahl der Asylverfahren überlasteten Verwaltungsgerichte teilweise zu hochkomplexen Verfahren zwingen.

Auch Reichsbürger binden eine Menge juristischer Manpower

Ein Beispiel für viele ist die Klage eines Reichsbürgers beim FG Kassel mit dem Antrag, sämtliche gegen ihn in den vergangenen Jahren ergangenen Steuerbescheide aufzuheben, da die Steuergesetze der Bundesrepublik Deutschland ungültig seien und für ihn lediglich das Deutsche Reich zuständig sei. Solche Klagen werden teilweise mit 200-seitigen Klageschriften begründet. Das FG Kassel wies die Klage ähnlich dem VG Neustadt wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses kurzerhand als unzulässig ab (FG Kassel, Urteil v. 9.10.2013, 4 K 1406/13).

Jeder Kläger hat Anspruch, vom Gericht ernst genommen zu werden

Andere Gerichte sind bei Reichsbürgerklagen vorsichtiger und befürchten einen Verstoß gegen den grundgesetzlich garantierten effektiven Rechtsschutz und gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 GG. So hat das SG Niedersachsen die Klage eines Reichsbürgers trotz hanebüchener Begründung ernst genommen und in einem ausführlichen Beschluss erläutert, warum das Deutsche Reich nicht mehr existiert und die Bundesrepublik Deutschland - bei allen denkbaren unterschiedlichen Auffassungen über die Vorgänge in der Nachkriegszeit - spätestens mit dem Einigungsvertrag vom 31.8.1989 wirksam und existent geworden sei (SG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 12.5.2014, L 8 SO 31/14 B ER).

Rechthaberei ist bei Gericht nicht erwünscht

Im Ergebnis ist das Argument des mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses also nur bedingt tauglich, die Gerichte vor der Inanspruchnahme durch unsinnige Klagen zu schützen.

In der Praxis hilft letztlich nur der Appell an das Verantwortungsbewusstsein der Bürger, vor Inanspruchnahme der Gerichte ihre vermeintlichen Ansprüche sorgfältig zu prüfen und den im Rechtsstaat garantierten Rechtsschutz verantwortungsbewusst in Anspruch zu nehmen und die funktionierende Gerichtsbarkeit nicht durch eine hohe Zahl sinnloser Verfahren lahm zu legen.

Das Kostenrisiko ist eine ebenso wirksame wie fragwürdige Schranke

Daneben existieren allerdings auch maßvolle, indirekte Begrenzungen des Rechtsschutzes in Form von ökonomisch motivierten Verfahrensregeln, wie dem vereinfachten Verfahren bei Streitwerten bis 600 Euro nach § 495a ZPO oder auch in Form des Kostenrisikos eines Klägers, das bei einer Klage über einen Anspruch auf Zahlung von 1 Euro genauso hoch ist wie bei dem Anspruch auf Zahlung von 500 Euro und sich für die erste Instanz auf ca. 470 Euro beläuft. Das Kostenargument hat wahrscheinlich schon so manchen (z.B. nachbarschaftlichen) Prinzipienrechtsstreit vermeiden helfen und damit die Gerichte vor unnötiger Inanspruchnahme entlastet, aber sicher auch nicht wenige Rechtssuchende von der Geltendmachung berechtigter Ansprüche abgehalten.

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