Insolvenz vorzeitig beenden durch vergleich

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Vorzeitige Beendigung der Wohlverhaltensphase mit Restschuldbefreiung

Einleitung:

Die Insolvenzordnung sieht vor, dass redlichen Schuldnern die Gelegenheit gegeben werden soll, sich von ihren Verbindlichkeiten zu befreien. Voraussetzung ist, dass der Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung stellt. Der Antrag auf Restschuldbefreiung soll mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden. Die Durchführung des Insolvenzverfahrens ist Voraussetzung für die Restschuldbefreiung.

Das Restschuldbefreiungsverfahren beginnt mit dem Ankündigungsverfahren. Ist das Restschuldbefreiungsverfahren (Wohlverhaltensphase) ohne eine vorzeitige Beendigung nach einer Zeit von sechs Jahren ab Insolvenzeröffung verstrichen, entscheidet Insolvenzgericht durch Beschluss über die Erteilung der Restschuldbefreiung. Wird die Restschuldbefreiung erteilt, können die Forderungen der Insolvenzgläubiger vom Schuldner zwar noch freiwillig erfüllt werden; sie können aber nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden.

Ob die Wohlverhaltensphase auch vorzeitig beendet werden kann und die Restschuldbefreiung auszusprechen ist, wenn der Schuldner mit den Insolvenzgläubiger in der Wohlverhaltensphase einen Vergleich schließt, ist Gegenstand des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 29.09.2011.

Die Entscheidung des BGH:

Zunächst weist BGH darauf hin, dass einem Schuldner die Restschuldbefreiung bereits im Schlusstermin erteilt werden kann, wenn keine Insolvenzgläubiger Forderungen zur Tabelle angemeldet haben, sofern er belegt, dass die Verfahrenskosten und die sonstigen Masseverbindlichkeiten getilgt sind. Weist der Schuldner erst später nach, dass keine Kosten mehr offen und sämtliche Verbindlichkeiten getilgt sind, ist ihm entsprechend § 299 InsO auf seinen Antrag die Restschuldbefreiung schon vor Ablauf der Wohlverhaltensperiode zu erteilen.

Darauf aufbauend geht der BGH davon aus, dass bei einem Vergleich des Schuldners mit den Insolvenzgläubigern, der dazu führt, dass es keine Forderungen der Gläubiger mehr gibt, nicht anders entschieden werden könne. Auch in diesem Falle fehle es nach dem Erlöschen der Forderungen an Gläubigern, an die der Treuhänder während der Wohlverhaltensperiode die von ihm vereinnahmten Bezüge abführen könne. Eine Versagung der Restschuldbefreiung komme nach §§ 296 f. InsO mangels antragsbefugter Gläubiger nicht mehr in Betracht. Die Durchführung der Wohlverhaltensperiode wäre daher sinnlos, mithin unverhältnismäßig.

Von Rechtsanwältin Dr. Elke Scheibeler

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Bevor ein Insolvenzantrag gestellt wird, versuchen viele Gläubiger einen Vergleich zu verhandeln. Handelt es sich um eine sog. Verbraucherinsolvenz, ist dieser sogar gesetzlich vorgeschrieben. Manchmal ist es aber so, dass erst während des Insolvenzverfahrens ein Geldbetrag für einen Vergleich zur Verfügung gestellt werden kann. Ist es dann noch möglich, sich mit den Gläubigern noch während des Insolvenzverfahrens zu einigen und dieses vorzeitig zu beenden?

Sind alle Gläubiger einverstanden, kann das Insolvenzverfahren eingestellt werden

Hier gibt es durchaus Optionen. Die eine ist der Insolvenzplan, der aber nur für Regelinsolvenzen, also bei Unternehmen oder ehemals selbständigen Privatpersonen, möglich ist. Aber auch im Fall von sog. Verbraucherinsolvenzen, also Insolvenzverfahren von Arbeitnehmern oder nicht erwerbstätigen Personen, ist eine vorzeitige Beendigung des Insolvenzverfahrens durch einen Vergleich möglich. Den Gläubigern kann eine Einmalzahlung von dritter Seite angeboten werden unter der Bedingung, dass die restlichen Forderungen erlassen sind. Dies macht natürlich nur dann Sinn, wenn es wenig Aussichten gibt, dass der Schuldner im Insolvenzverfahren einen vergleichbaren Betrag erwirtschaftet. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn er kein pfändbares Einkommen generieren kann, etwa weil er wenig verdient, hohe Unterhaltspflichten hat, kleine Kinder zu betreuen sind, krank ist usw. Wenn alle Gläubiger mit einem Teilbetrag einverstanden sind, auf den Restbetrag verzichten und ihre Zustimmung erteilen, kann das Insolvenzverfahren gemäß § 213 InsO eingestellt werden.

Auch eine vorzeitige Entlassung aus der Restschuldbefreiungsphase ist möglich

Aber auch wenn das Insolvenzverfahren bereits aufgehoben wird, da sämtliche Masse verwertet ist, und der Schuldner in die sog. Restschuldbefreiungsphase eingetreten ist, gibt es noch die Möglichkeit, aus dieser vorzeitig entlassen zu werden. Die Restschuldbefreiung kann in analoger Anwendung des § 299 InsO vorzeitig erteilt werden, wenn keine Gläubiger mehr vorhanden sind, für die das pfändbare Einkommen des Schuldners gesammelt werden müsste. Dies ist nach dem Beschluss des BGH vom 29.09.2011, IX ZB 219/10 auch dann der Fall, wenn die Gläubiger eine Teilzahlung erhalten und auf den Restbetrag verzichtet haben. Da diese einen Erlassvertrag mit dem Schuldner getroffen haben, ist ihre Forderung erloschen. Diese Sachlage ist dann vergleichbar mit dem Fall, dass er die Forderungen vollständig bezahlt hat. Voraussetzung ist weiter, dass der Schuldner auch alle Kosten des Insolvenzverfahrens beglichen hat bzw. diese jedenfalls bezahlen kann. Unschädlich ist, wenn der Schuldner die Vergleichssumme sich durch ein neues Darlehen beschafft hat. Auch wenn so nicht gesichert ist, dass er seine Schulden nach der Insolvenz auch los ist.

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Vorzeitige Restschuldbefreiung durch Schuldenvergleich in der Regel- oder Privatinsolvenz

Wenn Sie sich mit Ihren Gläubigern während des Insolvenzverfahrens oder der Wohlverhaltensperiode durch einen Schuldenvergleich einigen, können Sie während der Wohlverhaltensperiode eine vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung beantragen. Dies gilt auch dann, wenn Sie zur Befriedigung der Gläubiger ein Kredit aufgenommen haben.

Voraussetzungen für die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung nach einem Schuldenvergleich

Zunächst einmal muss eine außergerichtliche Einigung mit allen Gläubigern erreicht werden (Schuldenvergleich). Die Gläubiger müssen der vorzeitigen Einstellung des Insolvenzverfahrens zustimmen. Diese Einigung kann nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. September 2011 auch während des Insolvenzverfahrens in der Wohlverhaltensperiode erfolgen. Anschließend muss beim Insolvenzgericht ein Antrag auf vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung gestellt werden. Danach wird das Insolvenzverfahren eingestellt. Es ist zudem wichtig, dass sichergestellt ist, dass die Verfahrenskosten in einen Stück gezahlt werden können - dieses ist weitere Voraussetzung.

BGH: Restschuldbefreiung auch vorzeitig möglich

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, kann einem Schuldner die Restschuldbefreiung bereits im Schlusstermin erteilt werden, wenn keine Insolvenzgläubiger Forderungen zur Tabelle angemeldet haben, sofern der Schuldner belegt, dass die Verfahrenskosten und die sonstigen Masseverbindlichkeiten getilgt sind. Weist der Schuldner erst später - also während der Wohlverhaltensperiode - nach, dass keine Kosten mehr offen und sämtliche Verbindlichkeiten getilgt sind, ist ihm entsprechend § 299 InsO auf seinen Antrag die Restschuldbefreiung schon vor Ablauf der Wohlverhaltensperiode zu erteilen.

Muss der Schuldner die Gläubiger vollständig befriedigen?

Dazu führte der BGH aus, dass es reicht, wenn der Schuldner nur einen Teil der Forderungen begleicht, wenn die Gläubiger in der außergerichtlichen Einigung auf den darüber hinausgehenden Teil ihrer Ansprüche verzichten. Dann gelten nämlich die Forderungen der Gläubiger mit dem Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) und der Teilzahlung (§ 362 Abs. 1 BGB) insgesamt als erloschen. Die Gläubiger haben also keine Ansprüche mehr. Aus diesem Grund kann in diesem Fall nicht anders entschieden werden, als wenn der Schuldner die Gläubiger vollständig befriedigt hätte. Eine mögliche Versagung der Restschuldbefreiung nach den  §§ 296 f InsO kommt dann mangels antragsbefugter Gläubiger nicht mehr in Betracht. Eine weitere Durchführung der Wohlverhaltensperiode wäre daher sinnlos, mithin unverhältnismäßig (vgl. LG Berlin, ZInsO 2009, 443, 444; FK-InsO/Ahrens, 6. Aufl., § 299 Rn. 13; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 299 Rn. 11; HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl., § 299 Rn. 6 ff).

BGH: ein Gläubigertausch ist möglich, auch bei Neuverschuldung durch Kreditaufnahme

Laut BGH steht einer vorzeitigen Restschuldbefreiung nicht entgegen, wenn der Schuldner einen Gläubigertausch vornimmt und die Teilbefriedigung der alten Gläubiger durch eine Kreditaufnahme bei einem Neugläubiger finanziert. (so aber AG Köln, NZI 2002, 218; vgl. auch Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl, § 299 Rn. 13; MünchKomm-InsO/Ehricke, 2. Aufl., § 299 Rn. 15).  

Ein solches Verhalten steht auch nicht dem Zweck der Restschuldbefreiung nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode der vorzeitigen Restschuldbefreiung entgegen. Zwar soll die Restschuldbefreiung dem Schuldner einen Ausstieg aus der lebenslangen Schuldenhaftung und damit einen wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen. Dieses wäre bei einem, bloßen Gläubigerwechsel nicht gewährleistet. Bei dem Kreditgeber handelt es sich jedoch um einen Neugläubiger. Dies hat zur Folge, dass seine Forderung gegen den Schuldner nicht von der Restschuldbefreiung nach § 301 Abs. 1 InsO erfasst ist. Insbesondere kehrt der Treuhänder an diese keine Bezüge aus, weil es sich bei ihm nicht um einen Insolvenzgläubiger handelt (§ 292 Abs. 1 Satz 2 InsO).

Folglich macht es keinen Sinn, wegen der Forderung des Neugläubigers das Restschuldbefreiungsverfahren zu Ende zu führen, weil weder die Forderung des Neugläubigers durch das Verfahren betroffen ist, noch Insolvenzgläubiger bestehen.  

Beschluss vom 29. September 2011 - Az. IX ZB 219/10

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